NHL 2K1024.09.2009,
NHL 2K10

Im Test:

Heute ist der "große" Tag: Nachdem wir uns seit einer Woche bereits mal taktisch versierte, mal körperlich betonte Matches auf dem Eis von NHL 10 liefern, werde ich ab sofort auch mit NHL 2K10 (ab 4,90€ bei kaufen) schlittern, stochern, checken - und mit Vorsicht gespannt sein. Denn in den vergangenen Jahren verließen sich die Entwickler zu sehr auf altbekannte Stärken, während das gute Fundament zuletzt sogar in befriedigende Wertungs-Gefilde abrutschte. Schade, dabei waren mir Steuerung und Spielgefühl bei der 2K-Simulation vor einigen Jahren deutlich lieber als die damaligen EA-Matches. Aber vielleicht findet Visual Concepts ja den Weg zurück an die Spitze?

Der erste Eindruck

Eine Bewegung des rechten Analogsticks ruft das diesjährige Menü auf. Mit dem linken Stick zeige ich jetzt auf die im Kreis angeordneten Optionen, ein Tastendruck wählt sie aus. Das kann mit dem übersichtlichen Stichpunktsystem bei EA Sports zwar in keiner Weise mithalten, fühlt sich aber ungewöhnlich und irgendwie cool an. Und immerhin erwartet mich in dem unübersichtlichen Menü die bekannte Vielfalt - vom einzelnen Spiel, dem Erstellen eines Profis über den ausgewachsenen Franchise-Modus bis hin zur Online-Partie für bis zu zwölf Spieler ist alles dabei. Einige Optionen gehen sogar tiefer ins Detail als bei der Konkurrenz. So kann ich die taktische Aufstellung für Angriff und Verteidigung z.B. separat einstellen und grundlegende Regler für Skate-Geschwindigkeiten oder Wahrscheinlichkeit

Der Altmeister stellt sich auch in diesem Jahr dem Kampf um die Krone - bellt aber nur mit abgewetzten Zähnen.
erfolgreichen Stocherns online tauschen. Auch bei den Optionen zum Spielablauf (Puckgeschwindigkeit, Schwierigkeitsgrad beim Passen, Torhüten usw.) haben Profis mehr Freiheiten als ihre EA-Kollegen.

Auch hier kann ich mir außerdem wie gehabt einen NHL-Profi erstellen, der allerdings kantiger und technisch altmodischer aussieht als sein EA-Gegenstück. Immerhin darf ich ihm aber für eventuelle, über mehrere Spiele gehende Finalrunden erneut Dreitagestoppeln oder gar einen ausgewachsenen Vollbart verpassen - witzig! Einen speziellen Karrieremodus gönnt man dem frisch gebackenen Jungstar jedoch auch in diesem Jahr nicht. Natürlich kann ich ein ganzes Team erstellen oder ihn einem bestehenden zuweisen, aber auf eine spezielle Karriere wie eben "Be a Pro" verzichtet 2K leider. Überhaupt kann sich die 2K-Serie gerade in der aktuellen Saison nicht mehr mit EA Sports messen. EA bietet den Kampf um den Stanley Cup, eine einzelne Saison, separate Turniere, Playoffs, den Manager-Modus sowie Be a Pro und wer will, spielt mit seinem selbst erstellten Sportler in einer von Nutzern erstellten Liga oder der umfangreichen EA Sports Hockey League. 2K hingegen bietet mir lediglich einen Manager-Modus, die einzelne Saison, Playoffs sowie natürlich Online-Ligen. Zusätzliche Trainings-Matches mit insgesamt vier Spielern auf einer Mini-Eisbahn oder acht Profis auf gefrorenen Dorf-Teich sind dagegen eine gelungene Abwechslung - im Grunde aber auch nichts anderes als Einzelspiele mit kleineren Teams.

2K nimmt Anlauf...

Vorspannung, fertig, los! Die ersten Matches sind gespielt, meine Karriere als Manager der New York Rangers läuft, die ersten Partien innerhalb der Redaktion längst beendet - und bei den Hockey-Sportlern macht sich Ernüchterung breit. Spätestens jetzt hat es keinen Sinn mehr, die Spannung aufrecht zu erhalten: Auch das diesjährige 2K-Checkfest gleitet unbeholfen auf der Stelle. Unbeholfen nicht, weil es seinen

In einigen Belangen ist 2K Sports der Konkurrenz sogar überlegen...
Sport schlecht abbilden würde; in einigen Bereichen scheint die Dynamik den EA-Matches sogar überlegen - etwa wenn meine angreifenden Team-Kameraden so in Freiräume skaten, dass sie mir einen schnellen Zug zum Tor ermöglichen. Unbeholfen aber, weil Visual Concepts eine Mischung bietet, die sich irgendwo zwischen Simulation und Arcade-Action verläuft, ohne einen der beiden Aspekte auszuarbeiten. Weder Fisch noch Fleisch - hier werden weder Fast Food-Esser noch Eishockey-Gourmets satt. Woran liegt es, dass die einstigen Vorreiter heute nur noch hinterher schlittern?

Inzwischen sind natürlich etliche Spiele gespielt; die Euphorie vergangener Tage ist längst begraben. Das Beste, was die Entwickler tun konnten, haben sie auch getan: Sie setzen die unsägliche Geschwindigkeit des High-Speed-Vorgängers auf ein erträgliches Niveau zurück. Sie setzen sie sogar so weit zurück, dass das Geschehen in 2K10 langsamer abläuft als das ebenfalls zurück geschraubte NHL 10. Im Gegensatz zu Letzterem nutzt Visual Concepts dabei noch eine Sprinttaste, über die jeder Spieler für wenige Sekunden einen wieder aufladbaren Spurt ins Eis kratzt. Der Konkurrent fängt das Prinzip des schnellen Mannschaftssports zwar auch ohne Spurt-Taste ein, allerdings bringt der kurze Antritt ein taktisches Element ins Spiel, das dem Spiel gut tut.      

... aber kommt nicht mehr in Gang

Generell geizt der einstige Vorzeige-Sport jedoch mit sinnvollen Finessen, was besonders an einem Puck liegt, den die Spieler wie auf Schienen übers Eis schieben. Als lose Scheibe macht sein Gegenstück in NHL 10 jedenfalls eine bessere Figur, wozu auch EAs sehr effektives Bandenspiel beiträgt. Hier scheint die Scheibe selbst bei Schlenzern meist am Schläger des Puckführenden zu kleben. Nur Stochern oder einer der übermächtigen Body Checks löst den Puck - zu selten, um dem abwechslungsreichen

... u.a. gelingt den Entwicklern die Insznierung der Lichtspiele eine ganze Ecke besser...
Taktieren vergangener Tage ebenbürtig zu sein. Und so sehr die wiedergefundene Langsamkeit das Spielgefühl unterstützt, so unangenehm erinnern furchtbar zielsichere und schnell geschlagene One-Timer an das letztjährige Arcade-Eishockey. Tore fallen wie Fliegen, spannend ist das nicht. Immerhin löst sich hier immer wieder mal ein Torkasten aus der Verankerung - man soll ja über Kleinigkeiten dankbar sein.

Nein, es ist kein schlechtes Eishockey. Es ist sogar besser als im letzten Jahr. Ich freue mich, wenn mir ein lässiger Schlenzer gelingt, darf jetzt den Schläger heben, ich versuche mich am effektiven Passspiel und genieße das freie Stochern mit dem rechten Stick! Nicht zuletzt darf ich auch in diesem Jahr zwischen drei Steuerungsvarianten wählen. Das Ganze fühlt sich aber auch so an, als hätten die Entwickler lediglich eine Hand voll Regler zurückgedreht und die Poke Checks zumindest halbwegs entschärft. Neben einem frischen visuellen Anstrich, dessen Klon-Publikum und steife Profis allerdings in keiner Weise mit ihren lebendigen EA-Pendants mithalten können, sind für mich deshalb die erweiterten Online-Möglichkeiten die wichtigste Neuerung. Denn immerhin darf ich ab sofort in jedes Match, egal ob Trainingsspiel oder die alles entscheidende Franchise-Partie einen Kumpel aus meiner Freundesliste einladen. Und das ist immerhin ein Komfort, der Maßstäbe setzt!

Zu Null geschlagen?

Schade nur, dass die Spiele nach einem aufwändig inszenierten Einmarsch vor verhältnismäßig dröger Kulisse stattfinden. Denn weder grafisch noch akustisch geht das Publikum so sehr mit, dass ein echtes Mittendrin-Gefühl entstehen könnte. Die Menschenmenge jubelt oder pfeift zwar, das Anschwellen der Lautstärke während eines Angriffs oder das Pfeifkonzert gegen die Gäste kommt in den EA-Arenen aber eindrucksvoller rüber. Im Gegenzug wirken die Kommentatoren bei 2K Sports abgeklärter und bieten mit kurzen Gast-Kommentaren, u.a. von Trainern, das abwechslungsreichere

... unterm Strich muss sich Visual Concepts seinem Rivalen aber deutlich geschlagen geben.
Programm. Nur das momentane Geschehen gibt der "EA-Kanal" packender wider. Neu ist übrigens eine Bild-in-Bild-Funktion, mit der ein kleines Fenster am oberen Rand des Bildes die Ereignisse abseits des Spielfelds einfängt. Eine gute Idee! Blöd nur, dass ich hin und wieder nicht sehe, was unter dem Mini-Video auf dem Eis passiert. Glück im Unglück: Die Neuerung lässt sich abschalten.

Franchise, der einzige Karrieremodus und das Gegenstück zu Be a GM, wurde ebenfalls leicht erweitert. So gewinnen die Spieler meines Teams jetzt an Erfahrung, was sich zu Beginn einer neuen Saison auf ihre Fähigkeiten auswirkt. Doch das ist zu wenig, um ohne Minor League und Scouting gegen die umfangreiche EA-Karriere anzustinken. Schade: Gerade weil die Entwickler bei Visual Concepts mal gezeigt haben, dass sie das Zeug haben, ausgereifte und inhaltsschwere Simulationen zu erschaffen, ist es ein Jammer um die ehemalige Vorzeigeserie. Doch so wie der geschlagene Meister inzwischen dasteht, ist es einfach an der Zeit, die Niederlage zu akzeptieren.   

Fazit

"1999 - 2009 Jubiläumsedition" steht auf einer Verpackung, von der NHL-Löwe Alex Ovechkin kampfesmutig brüllt. Und auch Visual Concepts wehrt sich so gut es dagegen, noch mehr Boden gegen EAs NHL-Serie zu verlieren. Doch die ehemaligen Meister schnappen heute nur noch zahnlos nach Luft. Das Beste, was ihnen einfällt, ist die Rückbesinnung auf einen gemächlichen Spielaufbau, auf die Taktik, die vor der Action kommt. Und auch wenn diese Änderung zum Vorjahr ungemein wichtig für das Spielgefühl ist, verhindern die übermächtigen One-Timer, die starken Body Checks und die veraltete Puck-Physik, dass NHL 2K10 an alte Zeiten anschließen kann. Die vom Spiel gesteuerten Team-Kameraden erlauben zwar ein größtenteils cleveres Passspiel, den Partien fehlt aber der spielerische, grafische und akustische Biss. Es macht Spaß, wirkt aber angestaubt - ich habe einfach zu wenige Möglichkeiten, das Geschehen zu beeinflussen. Ähnliches gilt für die Spielvarianten: Der Franchise-Modus wird zwar ausgebaut, in Sachen Umfang zieht die 2K-Karriere aber klar den Kürzeren. Richtig gut gelingt den Entwicklern nur die Online-Anbindung - dass ich jederzeit einen Kumpel meiner Freundesliste in jedes beliebige Spiel einladen darf, ist sogar vorbildlich! Unterm Strich bleibt aber die Frage, warum ich mich mit grauen Bärten aufs Online-Eis begeben sollte, wenn die frischen EA-Stars dabei eine deutlich bessere Figur machen. Falls Visual Concepts so weiter macht, befürchte ich jedenfalls, dass in zehn Jahren keine weitere Jubiläumsedition des 2K-Eishockeys erscheinen wird.

Pro

im Ansatz glaubwürdige Eishockey-Simulation...
umfangreicher Spieler-Editor, aber...
Mitspieler bringen sich für Angriffe in Position
eigene Spieler und Teams in Online-Spielen
nahtlose Online-Einbindung, sogar in Franchise-Modus
wirkungsvolle Schlenzer

Kontra

- ... die ein vergilbtes Abziehbild vergangener Glanzzeiten ist- ... kein Be a Pro-Äquivalent
keine neuen Spielvarianten, keine Erweiterung des Inhalts
Body-Checks überzogen mächtig
One-Timer knallen oft wie Schlagschüsse ins Tor
Mitspieler bringen sich hinterm eigenen Tor schlecht in Position
unübersichtliches Menü mit Schreibfehlern
veraltete Präsentation, unnützes Kamerawackeln bei Checks

Wertung

360

Visual Concepts versucht sich an Schadensbegrenzung, doch die Serie rudert zu unbeholfen zurück in Richtung Simulation.

PlayStation3

Visual Concepts versucht sich an Schadensbegrenzung, doch die Serie rudert zu unbeholfen zurück in Richtung Simulation.

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