Moto GP 09/1016.04.2010, Michael Krosta
Moto GP 09/10

Im Test:

Da Milestone in den letzten Jahren als Entwickler von SBK und MotoGP quasi eine Monopol-Stellung beim virtuellen Zweirad-Rasen inne hatte, legte man sich in Italien auf die faule Haut und tauschte nur noch Texturen, Fahrernamen sowie einige Strecken aus - leicht verdientes Geld. Capcom wurde diese Masche anscheinend zu bunt, weshalb man sich bei MotoGP 09/10 für einen Neuanfang entschied. Hat Monumental Games das Zeug dazu, die Serie zurück in die Erfolgsspur zu bringen?

Fahrer & Manager

Der neue Karrieremodus zeigt einige interessante Ansätze: Anstatt sich nur als Fahrer auf der Piste gegen die bis zu 19 Konkurrenten durchzusetzen, schlüpft man auch in die Rolle des Managers und muss Personal wie Pressesprecher, Ingenieure und Renn-Experten anheuern. Die wollen für ihre Dienste selbstverständlich bezahlt werden, so dass man die Finanzen nie aus den Augen verlieren sollte. Neben Rennsiegen sind vor allem die Sponsoren eine gute Einnahmequelle. Hat man einen überzeugenden PR-Manageran Bord, ergeben sich lukrativere Angebote, für die man aber auch entsprechende Gegenleistungen in Form von Erfolgen liefern muss. Rollt der Rubel, kann man sich auch den einen oder anderen Ingenieur leisten, die alle verschiedene Stärken in den Bereichen Bremsen/Reifen, Motor, Auspuff, Rahmen/Federung und Getriebe besitzen. Wenn man nach Upgrades für seine Maschine forschen lässt, sollte man also darauf achten, einen Fachmann darauf anzusetzen, damit das neue Teil möglichst schnell eingebaut werden kann. Doch es gibt Grenzen: Für manche Verbesserungen

Video: Premiere für Monumental Games: Sie treten in die Fußstapfen von Milestone und wollen der Serie zu neuem Glanz verhelfen. Wird das Ziel erreicht?

benötigt man hochqualifizierte Techniker mit einem hohen Erfahrungslevel. Diese kann man sich aber erst später leisten, wenn man selbst einen gewissen Rang erreicht hat und das Bankkonto die monatlichen Gehaltszahlungen erlaubt, die bei diesen Spezialisten entsprechend hoch ausfallen.

Der Weg an die Spitze

Seinen Ruf verbessert man vor allem durch gute Leistungen auf der Strecke: Wer gekonnt im Windschatten der Vordermänner fährt, Unfälle vermeidet, ein paar Wheelies oder Endos für das Publikum zeigt und oft auf dem Podest landet, kann sich über eine starke A-Wertung und entsprechend viele Punkte zur Aufwertung des Ranges freuen. Aber wehe, es kracht zwischendurch oder man fährt mehr abseits als auf der Piste: dann hagelt es selbst bei einem Sieg schmerzliche Strafabzüge und aus dem erhofften A-Ranking landet man ganz schnell bei der schlechten C-Wertung. Manchmal ist die Einstufung allerdings nicht nachvollziehbar. Vor allem beim freien Training fragt man sich, was man eigentlich tun soll, um in den A-Bereich vorzustoßen. Fehlerfreie Runden und Top-Zeiten reichen scheinbar nicht aus... Ärgerlich ist außerdem, dass man auch für die Rempel-Aktionen der dummen KI-Fahrer bestraft wird, obwohl man eigentlich gar nichts dafür kann, wenn einem die Kontrahenten mal wieder ins Heck oder die Seite rauschen,

Die Haltung des Fahrers muss manuell geregelt werden.
weil sie unbeirrt auf ihrer Ideallinie verharren und gar nicht auf den Spieler reagieren. Eine Gummiband-Funktion sorgt dafür, dass man den Anschluss ans Feld niemals verliert - große Abstände lassen sich als Führender dagegen ab und zu schon herausfahren.

Sinnlose Dynamik

Eine Besonderheit sind die dynamischen Ziele, die im Laufe eines Rennens angeboten werden und zur Ruf-Verbesserung beitragen. Das Problem ist nur, dass viele von ihnen unschaffbar sind: Wie soll ich denn an 12. Stelle liegend innerhalb der nächsten 20 Sekunden den Zweitplatzierten einholen? Oder wie soll ich in einem Abschnitt voller enger Kurven die geforderte Durchschnittsgeschwindigkeit halten, die viel zu hoch angesetzt ist? Die Idee dieser unberechenbaren Zusatzaufgaben ist nett, aber die Umsetzung eine Katastrophe. Eine Rückspulfunktion gehört mittlerweile anscheinend zum guten Ton bei Rennspielen. Auch wenn man sie selten benötigt, bekommt man auch hier auf Knopfdruck nach Fehlern eine zweite Chance, für die man aber viele Rufpunkte bei der Bewertung einbüßt. Technisch fährt man im soliden Mittelfeld: Die Kulissen wirken sehr trist und leblos, doch dafür wird eine stabile Framerate geboten, die für ein gutes Geschwindigkeitsgefühl sorgt. Trotzdem erfüllt die Darstellung mit ihren groben Animationen und den klobigen Statisten in der immer gleichen Eröffnungsszene nicht die Erwartungen, die man an ein modernes Rennspiel stellt.

  

Eine Frage der Leistung

Dass die KI-Leistungen bei Qualifying und Rennen oft schwanken, ist nichts Neues. Meistens brennt die Konkurrenz dabei beim Kampf um die Pole Position unvorstellbare Zeiten in den Asphalt, nur um im anschließenden Rennen mit angezogener Handbremse zu fahren. Bei MotoGP ist es eher umgekehrt: Obwohl man auf den schnellen Runden der Qualifikation reihenweise von KI-Fahrern überholt wird, sind ihre Zeiten seltsamerweise deutlich langsamer als die eigenen. Dies sieht man allerdings erst bei der Rückkehr an die Box, denn während der Fahrt bekommt man weder die absolute Bestzeit noch den Abstand in Form von Zwischenzeiten angezeigt. Trotzdem ist es kein großes Problem, sich den Platz an der Spitze der Startaufstellung zu ergattern. Im anschließenden Rennen kommt dann aber oft das böse Erwachen, denn wie schon in der Qualifikation ist die Konkurrenz auch hier plötzlich schneller unterwegs und es fällt trotz fehlerfreier Vorstellung

Da die Fahrphysik nicht sonderlich anspruchsvoll ist, hat man die Zweiräder gut im Griff.
schwer, den Anschluss an die Spitze zu halten. Es ist nicht nur so, dass die Leistungen der KI auch aufgrund des Gummibands stark schwanken - sie sind auch im Laufe eines Rennwochenendes nie nachvollziehbar.

Fehlende Atmosphäre

Obwohl der Karrieremodus mit interessanten Ideen punkten kann, lässt die Präsentation viel zu wünschen übrig: Man verliert bei den verschachtelten Menüs ständig die Übersicht und bis auf ein paar Texte und Tabellen gibt es nichts zu sehen. Sämtliche Mitarbeiter sind gesichtslose Namen - das Gleiche gilt für die Sponsoren. Auch Dialoge oder Zwischensequenzen gibt es keine. Die Rennwochenenden lassen ebenfalls die Atmosphäre vermissen, die man beim Motorsport erwartet: Eine Siegerehrung mit Champagner-Dusche gibt es genau so wenig wie Böller von den Tribünen oder Boxenfunk. Stattdessen zerrt einer der miesesten Kommentatoren aller Zeiten an den Gehör-Nerven, der nicht nur jede einzelne Auswahl in den Menüs bestätigen muss, sondern auch im Rennen ständig mit blöden Sprüchen wie "saubere Sektion" dazwischen funkt. Da ist es fast schon ein Segen, dass der Sprecher derart leise abgemischt ist, dass man ihn eh kaum versteht - und das, obwohl zusätzlich automatisch die Lautstärke der unpassenden Musik und durchschnittlichen Soundeffekte gedrosselt wird, sobald sich "Mr. Super-Kommentator" wieder zu Wort meldet, der offenbar so viel Ahnung vom Motorsport hat wie Paris Hilton vom Leben in der Gosse. Wie sonst ist es zu erklären, dass er die bekannte Bezeichnung "Pole Position" so ausspricht, als würde es sich dabei um eine Sexstellung unserer europäischen Nachbarn handeln? Wie kann man so

Angst vor Regen? Unbegründet. Die Motorräder fahren sich fast genau so wie auf trockener Piste.
einen Unsinn bei der Qualitätssicherung von Capcom oder bei der Aufnahme im Tonstudio bloß absegnen? Ein Glück, dass man das nervige Plappermaul in den Optionen stumm schalten kann...

Ein langer Weg

Abgesehen von der Karriere stehen auch Meisterschaften ohne das Team-Management, ein Arcademodus für schnelle Rennen sowie Zeitfahren zur Auswahl. Leider lässt sich in keinem der Modi die Rundenanzahl individuell anpassen. Da sich die Entwickler meistens auf gerade mal drei Runden beschränken, fallen die Ausflüge auf die Piste entsprechend kurz aus. Mindestens genau so nervig ist der Umstand, dass man erst eine komplette Meisterschaft in der 125ccm und 250ccm-Klasse absolvieren und dabei mindestens Dritter werden muss, bevor der Zugang auf die Sättel der PS-Monstern aus der MotoGP gewährt wird. Es ist frustrierend, stundenlang auf den vergleichsweise lahmen Zweirädern seine Runden zu drehen, obwohl man doch eigentlich in der Königsklasse durchstarten will - und sei es nur für ein schnelles Rennen zwischendurch. Aber Pustekuchen! Es ist zwar schön, dass man auch die schwächeren Klassen ins Spiel integriert hat, aber trotzdem sollte man dem Spieler von Anfang an die Wahl lassen, auf welchen Bikes er fahren will, anstatt ihm langwierige Meisterschaften aufzuzwingen.  

Boxenschrauber

Wer gerne an seinem Motorrad herumschraubt, bekommt hier einige Möglichkeiten: Neben der Reifenwahl stellt man die Fahrhilfen ABS und Traktionskontrolle nach seinen Wünschen ein, ändert die Getriebeabstimmung oder befasst sich mit dem Fahrwerk, wo man sich mit dem Radstand, der Kompressions- und Rückfederungsdämpfung sowie der Federsteife auseinandersetzt. Eine detaillierte Feinabstimmung, wie man sie noch bei den Milestone-Vertretern vornehmen konnte, ist hier in diesem Maße allerdings nicht mehr möglich. Ebenso entfällt eine Telemetrieaufzeichnung zur Analyse, obwohl man sein Setup in Testrunden ausprobieren kann. Der Fokus liegt aber ohnehin nicht länger auf der Simulation, denn MotoGP 09/10 erinnert viel mehr an einen Arcade-Racer: Die Fahrphysik ist selbst ohne Hilfen sehr simpel gehalten und man muss sich schon extrem dumm anstellen, um zu stürzen. Das Herausbeschleunigen aus Kurven kann man vor allem in den schwächeren Leistungsklassen problemlos mit Vollgas erledigen ohne dass die Maschine ihre Balance verliert - erst in der MotoGP muss man etwas mehr Feingefühl im Umgang mit den Motorrädern beweisen. Der Unterschied zwischen nasser und trockener Piste ist aber kaum spürbar. Damit sich der Fahrer klein macht und der Windwiderstand vermindert wird, muss man auf Geraden den A- bzw. X-Knopf gedrückt halten, was etwas umständlich wirkt und den Fahrrhythmus stört. Eine automatische

Die KI ist nicht sonderlich clever und reagiert kaum auf die Aktionen des Spielers.
Anpassung der Fahrerposition gibt es nicht. Es wirkt oft so als wüsste das Spiel nicht, was es sein will: Während die Einstellungen, der Karrieremodus mit Upgrade-Entwicklung sowie Teile der Steuerungsmechanik mehr auf eine Simulation deuten, sind die Fahrphysik und KI voll auf Arcade getrimmt.

Jede Stimme zählt

Der Mehrspielermodus ist ein zweischneidiges Schwert: Über die Internetleitung dürfen bis zu 20 Online-Piloten an den Rennen teilnehmen und sich über einen angenehm stabilen Netzcode freuen - zumindest auf der Xbox 360. Mit der PS3-Version gibt es dagegen immer noch massive Probleme, überhaupt in eine der gelisteten Lobbys zu kommen. Hat man es trotzdem mal geschafft, droht dennoch das vorschnelle Aus, da der Host nicht automatisch auf einen anderen Spieler übertragen wird, sobald sich der aktuelle Gastgeber ins Offline-Universum verabschiedet. Schön ist, dass man nicht ewig auf die langweiligen Menüs starren muss, während man auf das Ende eines laufenden Rennens wartet. Mit Hilfe der Zuschauer-Funktion verfolgt man die Positionskämpfe live mit und kann dabei auch zwischen den Piloten umschalten. Legt man eine eigene Session an, hat man die Wahl zwischen Karriere- und Arcade-Rennen sowie der Motorrad-Klasse. Zudem dürfen KI-Fahrer ins Starterfeld aufgenommen und private Slots für Freunde reserviert werden. Aber was ist mit der Streckenwahl, Rundenanzahl oder Wetter? Solche Einstellungen sucht man vergeblich. Kein Wunder, denn diese Details werden erst per Abstimmung unter den Session-Teilnehmern geklärt. Leider kann man erst eine Auswahl präsentieren, sobald sich mindestens ein weiterer Spieler in der Lobby befindet. Zwar wird auf eine System Link-/LAN-Funktion verzichtet, doch wird als Ersatz auch ein Splitscreen für zwei Spieler geboten, der entweder vertikal oder horizontal geteilt werden darf.   

Fazit

Das ist ein durchschnittlicher Arcade-Racer auf zwei Rädern, der mehr sein will, als er eigentlich ist! Vor allem die rudimentäre Fahrphysik ist neben der stupiden Ideallinien-KI eine Enttäuschung für alle, die von einem Spiel rund um die Königsklasse des Zweirad-Motorsports einen gewissen Anspruch erwarten. Doch bis man überhaupt auf einem der PS-Monster sitzt, muss man aufgrund der unsinnigen Freischalt-Politik der Entwickler viel Geduld mitbringen und erst komplette Meisterschaften in niedrigen Klassen erfolgreich überstehen. Zwar zeigt die Karriere mit ihrem Team-Management gute Ansätze mit sich, doch werden diese mit einer unübersichtlichen Navigation, der miserablen Präsentation und dem unfairen Bewertungssystem schnell wieder zunichte gemacht. Leblose Kulissen und fehlende Siegerehrungen trüben die Atmosphäre, doch zumindest technisch läuft der Motor mit einer flüssigen Darstellung und dem angenehm großen Starterfeld rund. Online ist das vor allem auf der PS3 nicht immer der Fall, doch zumindest auf der 360 gibt es einen stabilen Netzcode, wenn auch nicht besonders viele Möglichkeiten. Als eine Ohrenfolter der ganz besonderen Art erweist sich der nervige Kommentator, dessen dämliche Sprüche nicht nur katastrophal schlecht abgemischt wurden, sondern auch jeden Hauch von Allgemeinbildung bei Motorsport-Begriffen vermissen lässt - das gilt wohl auch für die Qualitätssicherung. Wer einfach nur unkompliziert ein paar Runden auf den Zweirad-Geschossen drehen will und keinen großen Wert auf die Fahrphysik oder nachvollziehbare KI-Leistungen legt, kann eine Proberunde wagen. Bei mir sind die Bikes allerdings schnell wieder in der Regal-Garage verschwunden und werden diese wohl nur noch selten für eine Spritztour verlassen...

Pro

flüssige Darstellung
Splitscreen-Rennen
offizielle Lizenz
großes Fahrerfeld (20 Motorräder)
überwiegend lagfreier Onlinemodus...
gute, aber simple Steuerung

Kontra

mieser & nerviger Kommentator
extrem schlechte Ton-Abmischung (Sprache)
anspruchslose Fahrphysik
...mit wenigen Möglichkeiten
Gummiband-KI mit Hang zum Rempeln
kaum Unterschied zwischen nasser & trockener Fahrbahn
trockene Präsentation
öde, leblose Kulissen
z.T. fragwürdige Kollisionsabfrage
unübersichtliche Menüstruktur
höhere Klassen müssen erst freigespielt werden
dynamische Herausforderungen oft unschaffbar
keine individuelle Rundenanzahl einstellbar
Diskrepanz zwischen Qualifying
und Rennleistungen der KI
z.T. seltsame Soundeffekte (Fehlzündungen)
unfaires, nicht nachvollziehbares Bewertungssystem
Verbindungsprobleme (PS3)
Strecken
und Rundenanzahl nur per Abstimmung (online)
kein System-Link
kein Schadensmodell an Bike oder Fahrer

Wertung

360

Mehr Arcade als Simulation: MotoGP ist eine Durchschnittsraserei mit einigen inhaltlichen und technischen Schwächen.

PlayStation3

Größere Probleme im Onlinemodus führen auf der PS3 zu einem leichten Punktabzug. Ansonsten identisch zur 360-Fassung.

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