Ghost Trick: Phantom-Detektiv20.03.2012, Jörg Luibl
Ghost Trick: Phantom-Detektiv

Im Test:

Was vor einem Jahr auf Nintendos DS für kreativen Knobelspaß sorgte, ist mittlerweile auch als universale App für iPhone und iPad erhältlich. Die ersten beiden Kapitel sind kostenlos, danach bitte Capcom mit 7,99 Euro zur Kasse, wenn man alle weiteren freischaltet. Warum sich die Investition lohnt, verrät der Test!

Licht am Ende des Tunnels

Deutsche Texte zu Beginn, viel Knobelei danach.
Deutsche Texte zu Beginn, viele morbide Probleme und kreative Knobelei danach.
Als gewöhnlicher Toter hat man viel Zeit, ist aber eingeschränkt in seinem Aktionsradius. Wie wäre es, wenn man als ungewöhnlicher Toter die Zeit nutzen könnte, um die Vergangenheit zu manipulieren? Vor allem, wenn man gerade erschossen wurde, bieten sich durchaus investigative Möglichkeiten, um dem Schuft auf die Schliche zu kommen. Vorhang auf für den Geisterdetektiv!

Gleich zu Beginn trifft man als frisch Ermordeter auf eine seltsame Lampe, die einem Tricks beibringt, um vergangene Ereignisse zu verändern: Man kann nicht nur die Gedanken von Menschen lesen und mit Verstorbenen sprechen, sondern die Zeit vier Minuten vor den Todeszeitpunkt eines Opfers zurück spulen. Dann darf man als blau leuchtender Geist einige Gegenstände manipulieren. Warum nicht in einen Schalter fahren, um Licht zu machen? Oder in ein Fahrrad, um zu klingeln? All das könnte einen Täter irritieren...

Das auf den ersten Blick Knifflige ist, dass man sich als Geist nicht frei in einem Level bewegen kann und ein Zeitlimit von vier Minuten im Nacken hat: Man kann immer nur eine kurze Distanz von Objekt zu Objekt zurücklegen, indem man seine Kugel quasi mit dem Finger weiterzieht. Also heißt es genau aufzupassen und gut zu planen. Falls der Weg vom Kühlschrank zur Lampe zu lang ist, könnte man z.B. versuchen, den Schrank zu öffnen und damit breiter zu machen. Dazu ergreift man Besitz von dem Gegenstand, wechselt dann von der Geisterwelt in die echte Welt und führt dort einen "Trick" aus - zack, geht die Klappe auf oder öffnet sich der Regenschirm!

Der kombinierte Geistertrick

Zu Beginn weiht einen eine Lampe in die Geheimnisse der Geistertricks ein. Wer steckt eigentlich dahinter?
Zu Beginn weiht einen eine Lampe in die Geheimnisse der Geistertricks ein. Wer steckt eigentlich dahinter?
Das Resultat kann je nach Gegenstand etwas anderes sein - eine Gitarre spielt plötzlich auf und irritiert einen Verbrecher, ein Ventilator sorgt für Luft, die wiederum eine Fahne flattern lässt, die man wiederum per Mixer nach oben ziehen könnte. Aber müsste man dann nicht beides schnell hintereinander aktivieren? Richtig, hier ist Timing gefragt, zumal man auch erst schauen muss, in welche Richtung sich etwas öffnet oder bewegt; es geht aber mehr um Learning by doing als um wirklich vertrackte Kopfnüsse à la Professor Layton .

Schon im Tutorial wird jedoch das Rätselpotenzial deutlich, später wächst das Arsenal an Gegenständen immerhin weiter an auf Spiegel, Pistolen, Scheinwerfer, Räder, Kerzen, Uhren, Vorhänge. Und auf dem Weg zum Ziel wird man manchmal angenehm überrascht: Hey, da ist ja eine Geheimtür! Aber hat man sich erstmal an die Spielmechanik gewöhnt, vermisst man auf den zweiten Blick noch kniffligere Situationen und Kombinationen. Man darf etwas zu einfach kombinieren, um sich als Geist vorwärts zu bewegen und das Richtige auszulösen.

Dabei ist immerhin auch das rechtzeitige Hin- und Herschalten zwischen echter und spiritueller Welt entscheidend, was dank der präzisen Stylus-Steuerung jedoch kein Problem ist. Auch die Übersicht geht trotz größerer Abschnitte, in denen man den Bildschirm scrollen muss, nicht verloren: Aus der Perspektive des Geistes leuchten alle Gegenstände bzw. Personen auf, mit denen man interagieren kann. Und hier kann man dann abschätzen, in welche Richtung man seine Geistkugel weiter bewegen muss - dann beginnt das kleine Grübeln: Aha, ich muss also nach oben? Aber da ist bloß eine Lampe, ach so, da ist auch eine Fahne, aber die liegt doch am Boden...

Das Schicksal umkehren

Man löst Probleme über Tricks.
Man löst Probleme über Tricks in der Vergangenheit: Hier verhindert man einen Mord.
Wie heißt man überhaupt? Warum wurde man eigentlich ermordet? Und was zur Hölle hat es mit der hilfreichen Lampe auf sich? Das sind nur drei Fragen innerhalb der überraschend kurzweiligen Mystery-Story aus der Feder von Ace Attorney -Schöpfer Shu Takumi, denn der blonde Held hat (natürlich) sein Gedächtnis verloren. Vielleicht liegt es ja daran, dass er nicht an das Charisma des jungen Anwalts heran kommt -  er wirkt eher wie ein Rätsel-Duke. Für die Antworten muss er sich in 17 Kapiteln plus Finale als investigativer Zeitmanipulierer beweisen, indem er über Telefonleitungen von Tatort zu Tatort reist, mit Geistern spricht und vier Minuten zurück in ihre Vergangenheit reist. Die Dialoge mit den knapp 30 Charakteren sind witzig und sarkastisch, so dass eine ebenso humorvolle wie morbide Atmosphäre entsteht. Zumal man immer erst den kompletten Mord sieht und danach die eigene Zeitmanipulation starten kann. Kann man gar sein eigenes Schicksal am Ende umkehren?

Das Ganze wird im Stile von Phoenix Wright & Co in charmanter Comicgrafik mit zig Dialogen und vor allem feinen 2D-Animationen inszeniert: Es macht einfach Spaß, den kunterbunten, butterweich bewegten Figuren zuzusehen. Im letzten Drittel des Spiels darf man übrigens auch einen zweiten Charakter steuern, der Objekte vertauschen kann - allerdings kann er nichts manipulieren; hier muss man also effizient wechseln. Zwischendurch wird automatisch ein Protokoll über alle Personen, Orte und Nachrichten angelegt, so dass man in der verzwickten Story auf dem Laufenden bleib. Es gibt nur einen Speicherplatz, aber das ist kein Ärgernis, denn es gibt keine alternativen Routen. Und wenn man mal das Zeitlimit überschreitet, kann man endlos erneut versuchen bzw. die dann auftauchenden Hinweise zu Rate ziehen.

Fazit

Kurzweilig, witzig, ansehnlich! Ghost Trick ist ein cleveres Adventure, das mich auch auf iPhone und iPad richtig gut unterhält. Obwohl ich angesichts von Gedächtnisverlust (schon wieder?) und Grafikstil (Sprechblasen-Overflow!) zunächst skeptisch war, entwickelt sich eine interessante und ausgezeichnet animierte Mystery-Story mit überraschenden Wendungen. Zwar kommt der blonde Held Sissel nicht an das Charisma von Phoenix Wright heran, aber die Knobelei bei der Spurensuche macht Laune: Hier blitzt an einigen Stellen auf, welches Rätselpotenzial in der originellen Idee steckt - man reist in die Vergangenheit von Toten und manipuliert Gegenstände, um seinen eigenen Todesfall aufzuklären. Leider besteht die Schwierigkeit auf Dauer eher im Zeitlimit sowie dem Timing des Dimensionswechsels, so dass etwas zu oft Trial & Error in der Routen- bzw. Lösungsfindung anstatt vertrackte Rätsel den Spielfluss beherrschen - also heißt es häufig zurück zum Checkpoint. Mir kam das Spiel auch etwas zu leicht vor, was den Anspruch an Kombination und Logik angeht, zumal es keine alternativen Lösungen bzw. Routen gibt. Etwas weniger Linearität und mehr Offenheit hätten Gold möglich gemacht. Aber im letzten Drittel steigt die Kopfnusskurve nochmal an, wenn man investigative Gesellschaft bekommt. Ich kann dieses sympathische Adventure wärmstens empfehlen!

Wertung

iPad

Tolle Rätsel, cleveres Spieldesign - ein unterhaltsames Knobelabenteuer für das iPad!

iPhone

Gute Umsetzung: Auch auf dem iPhone macht das morbide Knobeln Spaß!

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