Medal of Honor13.10.2010, Michael Krosta
Medal of Honor

Im Test:

Seit 2001 kämpft die US-Armee mit ihren Alliierten in Afghanistan gegen die radikal-islamischen Taliban - und ein Ende ist nicht abzusehen. Electronic Arts nimmt den laufenden Konflikt am Hindukusch als Vorlage für den Neustart der Medal of Honor (ab 4,74€ bei kaufen)-Marke. Packt man die Thematik sensibel an und übt sich in einem reflektierten sowie kritischen Umgang mit dem Krieg oder liefert man explosive Shooter-Unterhaltung á la Modern Warfare ab?

Unter Druck

Das Thema ist brisant, wie sich in den letzten Wochen zeigte: Ein Videospiel zum laufenden Konflikt in Afghanistan auf den Markt zu bringen, birgt Zündstoff - gleichzeitig dürfte das Marketing recht fröhlich auf diesem Pulverfass sitzen, wenn das eigene Produkt genau

Video: In Afghanistan tobt jetzt auch virtuell der Krieg.

deshalb Aufmerksamkeit generiert, die über die Grenzen von Fachmagazinen und Shooter-Foren hinaus geht. Doch der Protest, der sich vornehmlich gegen die Taliban als spielbare Fraktion richtete, wurde kurz vor der Veröffentlichung scheinbar doch zu groß und man lenkte ein. Als Folge dessen schlüpft man zumindest in den Mehrspielerpartien nicht mehr länger in die Rolle der Taliban, die aus Rücksicht auf Soldaten-Angehörige durch den Begriff "Opposing Force" ersetzt wurden. Die Kampagne bleibt von diesen Änderungen unberührt: Hier zieht man immer noch mit US-Spezialeinheiten, Ranger-Trupps und Apache-Piloten in die Schlacht gegen die religiösen Fanatiker und ihre terroristischen Verbündeten von Al Kaida.

Zeitsprung

Langsam nähert sich die Kamera aus dem Weltraum der Erde und fokussiert eine zerrüttete Nation, die nach dem zermürbenden Krieg gegen sowjetische Invasoren in den Achtzigern und seit den Anschlägen vom 11. September erneut im Mittelpunkt steht: Es ist eine dunkle, stürmische Nacht in Afghanistan und ich befinde mich mit meinen Kameraden an Bord eines Transportflugzeugs. Noch bevor ich überhaupt eine Vorstellung davon bekomme, was mich überhaupt erwartet, zischen Raketen durch die Luft und ich werde kurz nach dem Absprung von der Laderampe schon wieder aus dem stimmungsvollen Einstieg herausgerissen. Schnitt. Hurra, Cliffhanger! Anschließend springt die Zeit sechs Monate zurück in die Vergangenheit...

Wer hat die Nase vorn? Klickt auf das Bild, um zu unserem Shooter-Vergleich zu gelangen.

Jetzt befinde ich mich als Beifahrer in einem von zwei Pickups, die sich ihren Weg von der staubigen Savanne bis in die Straßen einer Kleinstadt bahnen. Dort sollen wir uns scheinbar mit einem Informanten treffen, nachdem die Taliban sich aus dem Staub gemacht haben. Der Weg dorthin fühlt sich unendlich lange an, da man in der selbstlaufenden Szene nicht interagieren kann. Erst als wir auf eine bewaffnete Patrouille treffen, kommt Spannung auf, denn es wird schnell klar, dass die Bedrohung durch die Taliban immer noch allgegenwärtig ist. Schnell eskaliert die Situation, es fallen Schüsse...

Das Wolfpack geht eher leise und unauffällig vor. Das Snipern zählt zu seinen großen Stärken.
und ein Raketenwerfer beendet unseren Fluchtversuch vorzeitig. Das erste Medal of Honor, das in der Gegenwart angesiedelt ist, kann beginnen!

Häuserkampf

Im Gegensatz zu Titeln wie Call of Duty: Modern Warfare wird hier auf ein separates Tutorial in Form eines Trainingscamps verzichtet. Stattdessen lernt man direkt im Einsatz in den Straßen Afghanistans den Umgang mit der Steuerung, die für Genre-Kenner ohnehin keine großen Überraschungen bietet. So visiert man die Gegner auf Wunsch mit dem linken Trigger des Controllers an, während man mit dem rechten Trigger den Abzug betätigt. Aktionen wie Springen, Ducken, das Werfen von Granaten sowie Kriechen uns Sprinten gehören ebenfalls zum Repertoire der US-Soldaten. Ebenfalls nicht fehlen darf der Nahkampfangriff mit einem Messer, falls man möglichst unauffällig agieren soll. Ein aktives Deckungssystem gibt es zwar nicht, doch kann man mit Hilfe der linken Schultertaste zumindest seitlich an Objekten wie Kisten oder Lastwagen vorbei spicken. Wer Probleme beim Zielen hat, kann außerdem auf ein Hilfssystem zurückgreifen, das ähnlich funktioniert wie bei Call of Duty: Visiert man einen Gegner grob an und betätigt den linken Trigger, springt das Fadenkreuz sofort auf dessen Körper. Spielt man am PC mit Maus und Tastatur, steht diese Vereinfachung allerdings nicht zur Verfügung. Dafür bekommt man hier eine präzisere Steuerung als mit dem Controller, obwohl man auch mit dem 360- und PS3-Pad alles gut im Griff hat.        

Skriptomanie

So schlägt man sich komfortabel durch die dörflichen Straßen, stürmt Häuser oder kämpft sich durch schroffe Gebirgs- und Landschaftszüge in Afghanistan, in dem Brauntöne die Szenerie dominieren. Dabei ist man nie alleine unterwegs: Sowohl in den

Die Rangers sind das Breitschwert der US-Armee.
Tier 1-Missionen der Spezialeinheiten als auch mit den Rangers hat man mindestens einen Kameraden an seiner Seite - meist besteht die Truppe sogar aus insgesamt vier Soldaten. Wie beim offensichtlichen Vorbild Call of Duty setzten auch die Entwickler von Danger Close auf den übermäßigen Einsatz von geskripteten Szenen, in denen die Mitstreiter z.B. im Nahkampf spektakulär einen Gegner ausschalten. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass man auf einen Koop-Modus verzichtet hat, obwohl er sich eigentlich angeboten hätte. Doch auch die KI leistet in der Regel eine gute Unterstützung und überlässt nicht mir die ganze Arbeit. Trotzdem gibt es den einen oder anderen Aussetzer, wenn z.B. ein Mitstreiter partout nicht aus der Schusslinie gehen will und sich von den Taliban mit Kugeln durchsieben lässt. Da der KI nichts passieren kann, hat sie in einer solchen Situation gut lachen, doch für eine authentische Atmosphäre ist dieses Verhalten nicht gerade förderlich. Auch dass die Mitstreiter unabhängig von meiner Waffe immer Munition parat haben, wenn mir die Kugeln ausgehen, passt nicht ins Bild. Schlimmer ist jedoch, wenn ein Skript nicht funktioniert, doch genau das habe ich einmal erlebt, denn die KI verharrte an einer Stelle anstatt weiter zu laufen und mir eine Tür zu öffnen, um weitermachen zu können. In solchen Situationen bleibt einem nichts anderes übrig als den letzten Speicherpunkt zu laden - zum Glück sind diese zahlreich und fair verteilt. Insgesamt macht die Kameraden-KI auch ohne ein Befehlssystem einen guten Job, obwohl man sich manchmal wünscht, ihr Verhalten beeinflussen zu können.

Sind Taliban dumm?

Was die Intelligenz der Gegner angeht, ist man dagegen auf dem Holz(kopf)weg: Selbst auf dem höchsten der drei Schwierigkeitsgrade erinnern die Taliban stark an Moorhühner, die quasi darum betteln, von mir abgeschossen zu werden. Wie ist es sonst zu erklären, dass die meisten von ihnen wie in einem schlechten Film ins offene Feuer rennen? Zudem verharren sie meist an ihrer Position und werden sich der Bedrohung nicht mal dann bewusst, wenn ich direkt hinter ihnen stehe und sogar einen Schuss abgebe. Doch das Hören und Sehen gehört ohnehin nicht zu den Stärken der Gegner-KI - das musste ich im Laufe der Kampagne immer wieder feststellen, wenn ich z.B. im Erdgeschoss ein Feuerwerk mit Granaten und MG-Gehämmer veranstalte und anschließend in den ersten Stock marschiere, wo man von dem Krach scheinbar nichts mitbekommen hat. Dass die Gegner trotzdem gefährlich sind, verdanken sie vor allem ihrer Überzahl, dem stellenweise unendlichen Respawn sowie der relativ hohen Trefferquote, der man mit dem regenerativen Heilsystem entgegen wirken kann. Trotzdem ist Medal of Honor insgesamt zu einfach geraten, denn selbst der höchste Schwierigkeitsgrad stellt nur in einigen wenigen dramatischen Momenten eine echte Herausforderung dar. So marschiert man relativ problemlos bis zum enttäuschenden Finale, wobei man sich offensichtlich auch in Sachen Spielzeit am Vorbild von Infinity Ward

Auch in Höhlen haben sich die Taliban verschanzt.
orientiert hat: Gerade mal fünf Stunden ist man in Afghanistan unterwegs, bis der Abspann zusammen mit einigen Durchhalte- und Dankes-Parolen über den Bildschirm flimmert! Immerhin darf man die Abschnitte im Tier 1-Modus unter verschärften Bedingungen erneut in Angriff nehmen: Hier kämpft man nicht nur gegen die Uhr, sondern auch ohne jegliche Checkpunkte sowie Zielhilfe um einen Platz auf der Online-Rangliste. Jeder Kopftreffer und erfolgreiche Nahkampf wird mit einem kleinen Zeitbonus belohnt, mit dem man sein Ergebnis verbessern kann. Klar, dass man mit diesem Modus hauptsächlich die Hardcore-Spieler ansprechen will...eine nette Ergänzung ist er allemal.

Abwechslungsreicher Einsatz

Zumindest hat die kurze Kampagne einiges zu bieten: Erinnern Aufgaben wie die Eroberung eines Flughafens oder das Ausschalten von Mörsern an das Standardprogramm, sorgen Sniper-Missionen, Lasermarkierungen sowie Fahrzeug- und Railsequenzen für Abwechslung im Soldatenalltag. Doch leider kommt parallel dazu oft das große Gähnen, denn wenn ich fünf Minuten lang stupide diverse Ziele mit dem Laser markieren muss, wünsche ich mir schnell den Shooter-Teil zurück, auch wenn dort nichts Außergewöhnliches geboten wird. Ähnlich ergeht es mir bei den Fahrsequenzen auf dem ATV, die kaum öder hätten ausfallen können. Hier besteht die Aufgabe schlicht daraus, dem Vordermann hinterher zu eiern und an einer Stelle manuell das Licht auszuschalten, um nicht aufzufallen. Kein Feuergefecht, keine rasante Verfolgungsjagd, keine Spannung, nichts. Verglichen mit der actionreichen Snowmobil-Abfahrt bei Modern Warfare 2 erinnern die ATV-Abschnitte bei Medal of Honor an eine Schlaftablette mit enorm hoher Dosis. Die Railsequenz an Bord eines Apaches kann dagegen überzeugen, wenn man begleitet von den rockigen Klängen von Linkin Park die Taliban mit Raketen eindeckt und aus sicherer Entfernung Mörser-Stellungen anvisiert. Und trotzdem hat man ständig das Gefühl, dass man irgendwie an allen Ecken wie Modern Warfare sein will, aber es trotzdem nicht schafft.     

Technisch überholt

Einen großen Anteil daran hat die Technik: Vor allem auf den Konsolen schockiert die Unreal 3-Engine mit vielen verwaschenen Texturen, Flimmerkanten, groben Schatten und Einbrüchen in der Bildrate. Dazu gesellen sich Tearing und Pop-ups - und

Vor allem auf den Konsolen hat die Unreal Engine mit vielen Problemen zu kämpfen - am PC sieht Medal of Honor besser aus, wenn auch nicht überragend.
das, obwohl das Leveldesign insgesamt wenige Freiheiten erlaubt und die vorbestimmten Pfade sehr kompakt zusammengehalten werden. Einzig die Licht- und Partikeleffekte wirken modern und sorgen für Atmosphäre, während die Darstellung von Explosionen auf der anderen Seite peinlich und unspektakulär sind. Auch die kaum vorhandene Physik sowie mangelhafte Umgebungszerstörung sprechen nicht für Medal of Honor. Hinzu kommen einige krasse Fehler in der Kollisionsabfrage: Da verschwindet der Mitstreiter z.B. bei einer geskripteten Szene halb in einer Mauer (und das auf allen drei Plattformen) oder Waffen von getöteten Gegnern schweben frei in der Luft. So kann man doch nicht gegen ein Modern Warfare oder andere Shooter-Highlights wie Battlefield: Bad Company antreten. Wenn schon inhaltlich nur Standardkost geboten wird, muss mich zumindest die Technik vom Hocker reißen - und das tut sie hier nicht. Deutlich ansehnlicher schlägt sich die PC-Version mit ihren schärferen Texturen und der besseren Schattendarstellung sowie V-Sync. Doch auch hier kann EA trotz guter Ansätze weder technisch noch bezüglich der Inszenierung mit dem ersten Modern Warfare aus dem Jahr 2007 (!!!) mithalten. Ich frage mich ohnehin, warum man nicht auch für die Kampagne die Frostbite-Engine von DICE genutzt hat, anstatt auf die Unreal-Engine zu setzen. Sie hat doch zuletzt bei Bad Company 2 eindrucksvoll unter Beweis gestellt, welches Potenzial in ihr steckt... Sie hier nur für den Mehrspielermodus zu nutzen, war offensichtlich keine gute Entscheidung. Der Audiobereich kommt wesentlich besser weg: Die wuchtigen Soundeffekte sind vor allem mit einer 5.1. Anlage und kräftigem Subwoofer ein Hörgenuss, während im Hintergrund der interaktive Soundtrack von Ramin Djawadi die Action ähnlich gut mit orchestralen sowie einheimischen Klängen untermalt wie sein Mentor Hans Zimmer bei Modern Warfare 2. Selbst bei den deutschen Synchronstimmen beweist EA mit bekannten und professionellen Sprechern ein glückliches Händchen, auch wenn die verrauschten Gespräche über Funk die Dialoge teilweise zu sehr dominieren. Die englische Tonspur findet sich ebenfalls auf der Disk, doch sorgt hier der Militärjargon mit zig Abkürzungen für einige Verständnisprobleme.

Alle sind böse!

Die Entwickler von Danger Close hatten nach eigenen Aussagen immer den Anspruch, den Krieg realistischer einzufangen als die Mitbewerber mit ihrer hollywoodreifen Inszenierung. Davon sieht man leider nicht besonders viel: Zum einen scheinen sich in den Städten und Gebirgen einzig Taliban und Al Kaida-Kämpfer herumzutreiben. Jeder bärtige Turbanträger ist ein Ziel und muss demnach ausgeschaltet werden - von Zivilisten fehlt jede Spur! Auch die Verbündeten der USA spielen in der Handlung von Medal of Honor keine Rolle, obwohl doch gerade die Zusammenarbeit der Nationen ein Schlüsselelement für den Erfolg des militärischen Einsatzes in Afghanistan darstellen sollte. Warum eilt man z.B. nicht der Bundeswehr zu Hilfe, nachdem ihr Camp attackiert wird? Warum gibt es im Spiel keine Eskort-Mission, bei der man zu jeder Zeit mit dem Überraschungsangriff der Taliban oder einer Sprengfalle rechnen muss? Hier wäre so viel mehr möglich gewesen. Stattdessen beschränkt man sich weitestgehend auf Inhalte, die man bereits aus zig anderen Militärshootern kennt - mit dem einzigen Unterschied, dass man hier die Taliban als Gegner in der Nachbildung eines realen Konflikts vorgesetzt bekommt. Zwar hält man sich mit dem üblichen Hurra-Patriotismus überwiegend zurück, doch hätte man den Konflikt auch differenzierter betrachten können. Auch auf diesem virtuellen Schlachtfeld ist kaum Platz für Angst oder traumatisierte Soldaten - wenn überhaupt, dann wird das Thema nur kurz angeschnitten, genau wie die leise Kritik an den Entscheidungen der Generäle, die bequem in ihrem Büro im sonnigen Amerika hocken. Das Szenario mag aufgrund der Aktualität außergewöhnlich sein - die spielerische Umsetzung ist es nicht.     

Das zweite Standbein

Man sagt oft, dass der Mehrspielermodus im Vergleich zur Kampagne eigentlich ein separates Spiel ist. Diese Aussage dürfte auf keinen anderen Titel so gut zutreffen wie auf Medal of Honor, denn hier ist diese Zweiteilung so offensichtlich wie selten zuvor: Mit der Frostbite-Engine bekommen die Onlinepartien nicht nur ein völlig anderes technisches Grundgerüst als die Kampagne mit ihrer Unreal 3-Basis, sondern mit DICE auch ein anderes Entwicklerteam. Vor allem am PC wird die strikte Trennung

Ohne das Profi-Equipment werden vor allem Scharfschützengewehre ihrer Bezeichnung nicht gerecht.
deutlich, denn im Gegensatz zu den Konsolen muss man sich hier bereits im Startfenster zwischen der Kampagne und dem Mehrspielermodus entscheiden. Wer die Modi wechseln will, muss hier den Umweg über Windows gehen und das Spiel umständlich neu starten.

Schnell, hektisch, frustrierend?

Insgesamt werden vier Spielvarianten angeboten: Kampfeinsatz erweist sich dabei für mich am spaßigsten, denn hier muss ein Team fünf Ziele hintereinander gegen die Angreifer so lange wie möglich verteidigen und die Stellung halten. In der zweiten Runde werden die Fraktionen getauscht und die Verteidiger versuchen sich auf der gleichen Karte als Angreifer. Dabei wird entweder das Team zum Sieger erklärt, das die Angreifer zurückschlagen und seine Stellungen verteidigen kann oder Letztere am schnellsten erobert. Hinter dem Modus Team-Sturmlauf verbirgt sich dagegen das klassische Team-Deathmatch, bei dem Kills und Punkte der Schlüssel zum Sieg sind. Da hier der Respawn ohne Wartezeit erfolgt, geht es hier Schlag auf Schlag in die Action. Ziel-Raid ist dagegen ähnlich konzipiert wie der Kampfeinsatz - mit dem Unterschied, dass es hier lediglich zwei Stellungen gibt, die von der US-Armee verteidigt und der "Opposing Force" unter Zeitdruck sabotiert werden müssen. Der Modus "Sektorenkontrolle" erinnert mehr an das klassische Battlefield: Hier kämpfen beide Seiten um die Kontrolle über insgesamt drei Ziele. Je länger eine Fraktion im Idealfall alle Ziele besetzt, desto mehr Punkte wandern auf das Team-Konto. Leider geht es in allen Modi extrem schnell und hektisch zur Sache, da auf der einen Seite die insgesamt acht Karten relativ klein, auf der anderen

Die Karten und Spielmodi fallen abwechslungsreich aus - trotzdem bietet die Konkurrenz mehr.
Seite die maximale Spieleranzahl von 24 aber relativ hoch ist - entsprechend spielen Vehikel hier auch kaum eine Rolle. Es passiert nicht selten, dass wenige Sekunden nach dem Respawn das virtuelle Leben schon wieder ausgeknipst wird.

Die Macht der Stärkeren

Ein Grund dafür liegt auch im Rangsystem, bei dem man sich offensichtlich von Call of Duty inspirieren ließ: Genau wie dort funktioniert es nämlich auch nach der Methode, dass man mit einem höheren Rang eine wesentlich bessere Ausrüstung bekommt als die Grünschnäbel. Während sich Anfänger z.B. noch mit einem Scharfschützengewehr rumschlagen müssen, das diese Bezeichnung kaum verdient, nehmen Profis die Köpfe mit einem Hochleistungs-Zielfernrohr aus sicherer Entfernung ins Visier. Da auf eine Kill-Cam verzichtet wird, fragt man sich oft, von wo und wem da gerade der Schuss abgefeuert wurde, der einen schon wieder innerhalb weniger Sekunden nach dem Respawn niedergestreckt hat. Zumindest bekommt man als Opfer die Information, mit welchem Equipment der Widersacher ausgestattet war und sieht dabei all die schönen Gadgets wie Leuchtpunkt-Zielfernrohre, freigeschaltete Pumpguns sowie weitere überlegene Waffen, von denen man als Anfänger nur träumen kann. Insgesamt kann man in 15 Rängen pro Klasse aufsteigen, von denen es hier leider nur drei gibt. Neben dem Schützen kann man lediglich noch die Karriere als Special Ops oder Sniper einschlagen - das war's.   

Killer-Serie

Eine schöne Idee sind die Unterstützungsaktionen, die sich in einen offensiven und defensiven Bereich aufteilen. Zu offensiven Möglichkeiten zählt z.B. ein Mörserangriff sowie die Anforderung von Artillerie oder Luftangriffen. Im defensiven Bereich winken bei der Aktivierung Störsender oder Aufklärungsdronen, die Feindbewegungen und Positionen an alle Spieler des Teams in Echtzeit übertragen. Und was muss man für den Zugang zu den Unterstützungsaktionen tun? Töten, Unterstützung leisten und vor allem: am Leben bleiben. Nur wer eine imposante Score-Serie aufbauen kann, bekommt Zugriff auf schwere Geschütze wie den Cruise Missile-Angriff. Sobald man neutralisiert wird, fängt man wieder bei Null an. Zwar darf man schon mit relativ wenigen Punkten erste Unterstützungsaktionen aktivieren, doch da die durchschnittliche Lebenszeit auf den kleinen Schlachtfeldern eher gering ist, hat man leider kaum Gelegenheit, sie einzusetzen.

Lobbyismus

Wer zudem gerne eigene öffentliche Lobbys und Spiele aufsetzt, wird mit Medal of Honor keinen Spaß haben, da man nur per Zufall in eine Session zum beliebigen Modus oder der Variante seiner Wahl geschubst wird und keine eigenen Regeln festlegen darf. Per Abstimmung darf man hier aber zumindest demokratisch zur Entscheidung beitragen, ob eine Karte übersprungen werden soll. Mehr Freiheiten hat man, wenn man Spieler aus seiner Freundesliste direkt einlädt, doch fällt in diesem Fall die Option weg, vakante Plätze von fremden Spielern auffüllen zu lassen. PC-Spieler freuen sich im ersten Moment auf die Unterstützung von dedizierten Servern, müssen dann aber feststellen, dass sie sie nicht selbst hosten dürfen, sondern stattdessen mieten müssen. Entsprechend fällt auch eine LAN- bzw. System Link-Option auf allen drei Plattformen unter den Tisch - traurige neue Mehrspieler-Welt. Und trotzdem sind die Online-Partien das Beste an Medal of Honor, obwohl ich diesbezüglich sowohl Modern Warfare 2 als auch Battlefield: Bad Company 2 vorziehen würde - auch deshalb, weil die Frostbite-Engine hier längst nicht so destruktiv auftritt wie bei der hauseigenen Konkurrenz.

   

Fazit

Medal of Honor hätte das Potenzial gehabt, aus der riesigen Masse an (Militär-)Shootern hervorzustechen, wenn man sich nur etwas differenzierter mit der brisanten Thematik auseinandergesetzt und vor allem auf den Konsolen mehr Wert auf eine zeitgemäße Technik gelegt hätte. Auch wenn die Entwickler von Danger Close nach eigenen Worten ihr eigenes Ding mit einer möglichst realistischen Darstellung durchziehen und sich so von Blockbuster-Mitbewerbern absetzen wollten, spürt man den Einfluss von Call of Duty: Modern Warfare in fast jeder Spielminute. Die extrem kurze Kampagne reicht aber trotz manchen lobenswerten Ansätzen wie der Heli-Sequenz oder dramatischen Kämpfen gegen eine Überzahl von Gegnern weder inhaltlich noch technisch an die Vorlage heran. Knackpunkt ist vor allem die KI: Bei Activision sind die Widersacher schon zu Genüge mit dem Moorhuhn-Gen ausgestattet, aber was die Taliban hier teilweise an "Kamikaze-Kriegskunst" aufführen, dürfte nichts mit der Realität gemeinsam haben, denn ansonsten hätte die Koalition den Krieg am Hindukusch schon längst gewonnen. Neben der hervorragenden Klangkulisse zählt vor allem den Mehrspielermodus zu den Stärken von Medal of Honor: Zwar geht es nur online auf die Schlachtfelder und die Möglichkeiten erinnern mehr an eine abgespeckte Variante von Bad Company 2 oder Modern Warfare, aber trotzdem machen die schnellen Gefechte auf den übersichtlichen Karten mit den Score-Serien und Unterstützungsaktionen sehr viel Spaß - auch wenn der Anfang mangels guter Ausrüstung viel Frust mit sich bringt. Angesichts der hohen Ziele fällt der Neuanfang der Medal of Honor-Serie eher ernüchternd aus, da selbst die hauseigene Konkurrenz mehr zu bieten hat. Wer in diesem hart umkämpften Genre bei den Top-Kandidaten mithalten will, muss einfach mehr bieten als eine technisch durchwachsene Mini-Kampagne, die von spaßigen, inhaltlich aber dennoch kastrierten Onlinematches aufgefangen wird.

Pro

modernes Szenario
z.T. abwechslungsreiche Missionen
packende Soundkulisse
gute Sprecher
umfangreiches Waffenarsenal
überwiegend verlässliche KI-Mitstreiter
faire Speicherpunkte
stimmungsvoller Soundtrack
gute Steuerung
einige dramatische Situationen
überwiegend lagfreie Online-Partien (bis zu 24 Spieler)
vier abwechslungsreiche Online-Spielmodi
Tier 1-Modus als Herausforderung
dedizierte Server möglich (PC)
durchschlagende Unterstützungsaktionen

Kontra

kaum Physik bei Objekten
Umgebung kaum zerstörbar
extrem kurze Kampagne
öde Fahrsequenzen
Moorhuhn-KI
vereinzelte Slowdowns (Konsolen)
z.T. extrem grobe Schattendarstellung (Konsolen)
überwiegend erschreckend grobe Texturen (PS3, 360)
belanglose Story und Charaktere
meist enge Levelschläuche
enorm viele Pop-ups (auch bei Schatten)
fragwürdige Kollisionsabfrage
z.T. unendlicher Gegner-Respawn (bis zum Trigger)
keine Zivilisten in Dörfern / Städten
kein Koop-Modus
Videos wirken technisch veraltet
Onlinemodus kann frustrierend sein (aufgrund Balancing)
kein Systemlink / LAN
nur drei Mehrspieler-Klassen
aufsetzen öffentlicher Lobbys nicht möglich
keine taktische Zerstörung (online)

Wertung

360

Keine ernste Konkurrenz für Call of Duty: EA orientiert sich zwar am Vorbild, aber kann es weder inhaltlich noch technisch erreichen.

PlayStation3

Mit enttäuschender Technik und extrem kurzer Kampagne landet MoH nur im Mittelfeld. Unterhaltsamer ist der Mehrspielermodus.

PC

Mit einer deutlich besseren Technik kämpft sich die PC-Fassung im direkten Vergleich nach vorne.

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