FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 201014.05.2010, Michael Krosta
FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Südafrika 2010

Im Test:

Bei EA gibt es viele Wege, die zum WM-Titel führen: Wer kein Geld investieren will, ist auf dem PC mit dem kostenlosen FIFA Online richtig. Prachtvolle Kulissen, packende Stadion-Atmosphäre und Simulationsanspruch findet man dagegen eher auf Xbox 360 und PS3, wie auch unser Test zeigt. Und der Rest vom Fußballfest? Der besteht aus dem mobilen PSP-Kick sowie dem Remote-Einsatz an der Wii...

Der Blick zurück

Es gab einmal eine Zeit, in der Konamis Pro Evolution Soccer der Konkurrenz aus dem Hause EA deutlich überlegen war. Die Gründe dafür werden einem sofort wieder bewusst, wenn man auf der PSP die Weltmeisterschaft in Südafrika in Angriff nimmt: Auch wenn der Verpackungstext eine komplett neue Schussmechanik verspricht, scheint sich in diesem Bereich seit FIFA 06 nicht besonders viel getan zu haben, denn die Bälle fühlen sich immer noch viel zu leicht an und donnern wie an einer Schnur gezogen in Richtung Tor. Zudem lässt sich das Leder nach Standards wie Ecken oder nach Flanken in den Strafraum oft viel zu leicht mit einem Volley oder Fallrückzieher im gegnerischen Kasten versenken. Dazu trägt auch die Vereinfachung bei, mit deren Hilfe man die Flugbahn anhand eines Schaubildes verändern kann. Generell geben die Keeper oft keine

Die Spielmechnik, Kommentare und Präsentation erinnern oft an frühere Auftritte der PSP-Kicker. 
überzeugende Vorstellung und lassen zu viele Bälle durchgehen. Dass es auch auf der PSP besser geht, beweist Konami immer wieder mit den PES-Umsetzungen, die sich nicht nur sehr viel authentischer anfühlen, sondern auch mehr Abwechslung auf dem Platz zu bieten haben.

Auf Arcade getrimmt?

Bei EA scheint man sich dagegen von Simulationsansprüchen endgültig verabschieden zu wollen: Anstatt wie gewohnt auf Schnell-Taktiken zuzugreifen, muss hier zunächst beim Spiel in der gegnerischen Hälfte ein Momentum aufgebaut werden, indem man den Ball hält, sichere Pässe spielt und eine gute Figur auf dem Platz macht. Erst wenn die Anzeige gefüllt ist, hat man die Wahl zwischen einem Offensiv-, Defensiv-, Torwart- oder Allgemein-Boost, der die Fähigkeiten der Kicker kurzzeitig verbessert. Wählt man z.B. den Offensiv-Boost, laufen die Spieler spürbar schneller über das Feld und lassen die Verteidiger alt aussehen. Mit Realismus hat das selbstverständlich recht wenig zu tun - viel mehr erinnert das fragwürdige System an einen klassischen Arcade-Kick. Während man in der Offensive die Verbesserung deutlich spürt, scheint der Defensiv-Boost dagegen nicht so richtig zu wirken. Schlimmer noch: Selbst gegen normale Gegner (ohne Boost) scheint sich die Verteidigung im Boost-Zustand sogar deutlich schwerer zu tun, die Angreifer im Zaum zu halten. Da stellt sich einmal mehr die Frage nach dem Sinn und Zweck eines solchen Systems...

Fifa light

Inhaltlich bekommt man wie auf den Konsolen ein abgespecktes FIFA, bei dem die Qualifikation zur WM sowie das anschließende Turnier im Mittelpunkt steht. In der Geschichte der Qualifikation spielt man außerdem diverse Szenarien auf allen Kontinenten der Welt nach, bei denen bestimmte Ziele erfüllt werden müssen. Dabei gilt es z.B. innerhalb von zehn (Spiel-)Minuten die Partie zu drehen und den knappen Rückstand in einen Sieg zu verwandeln. Als Belohnung winken Punkte, mit denen neue Herausforderungen freigeschaltet

Schafft Weltmeister Italien 2010 die Titelverteidigung?
werden. Mit "Mannschaftskapitän" steht zudem auch ein kleiner Karrieremodus zur Auswahl, bei dem man die Kontrolle über einen Spieler und dessen Entwicklung übernimmt. Dabei kann man entweder auf lizenzierte Kicker zurückgreifen oder sich im Editor einen eigenen Fußball-Profi erstellen. Die Möglichkeiten sind hier aber relativ begrenzt, was angesichts der detailarmen Polygonfiguren aber auch kein Wunder ist. Stillstand statt Fortschritt - so lässt sich die Präsentation treffend zusammenfassen: Sowohl die Animationen als auch einen Großteil der manchmal unpassenden Kommentare wurden 1:1 aus den Vorgängern übernommen. Schwappte auf PS3 und 360 die Stadion-Atmosphäre mit ihren vielen Fangesängen und frenetischem Jubel noch überzeugend aus den Lautsprechern, dümpelt sie hier nur belanglos vor sich hin. Selbst bei Toren scheint sich die Begeisterung der Fans in Grenzen zu halten. Zudem strapazieren die Vuvuzelas mit ihrem statischen Brummen die Gehörgänge - zum Glück lassen sie sich aber sowohl auf Wii als auch auf der PSP in den Audiooptionen abstellen. Im Mehrspielerbereich fährt EA das bekannte Programm der letzten Jahre auf: Neben Adhoc-Matches besteht auch die Möglichkeit, sich online über den Infrastrukturmodus zu duellieren, wobei es hier immer wieder zu Verbindungsschwierigkeiten kommt. Zudem scheint das Spiel über die Internetleitung mit einer niedrigeren Geschwindigkeit, leichten Verzögerungen sowie grober dargestellten Modellen zu laufen.

   

Comic-Kicker

Während man auf der PSP weiter in Richtung Arcade marschiert, ist man auf der Wii mittlerweile dort angekommen. Das geht bei den eckigen Comic-Kickern mit ihrem relativ hohen Wiedererkennungswert los, geht dann mit der einfachen Ballphysik weiter und endet schließlich bei den wuchtigen Momentum-Manövern, bei denen das Leder mit einem Lichtschweif gen Tor donnert. Ja, richtig gelesen: Auch bei der Wii-Fassung spielt neuerdings das Momentum eine Rolle, doch lädt sich die Anzeige hier sehr viel schneller auf als auf Sonys Handheld. Als Belohnung warten allerdings keine taktischen Boost-Optionen, sondern knallharte Schüsse, mit denen ein Treffer fast schon sicher ist. Bei Standardsituationen wie Ecken oder Freistößen sind

Wie wird sich Jogis Auswahl wohl schlagen?
dagegen schnelle Reaktionen gefragt, in denen man die Remote im richtigen Moment und vor dem Gegenspieler schütteln muss. Klar, dass das Zeitfenster hier enorm klein ist, in dem oft zwischen einem Tor oder dem Befreiungsschlag entschieden wird.

Point'n'Click-Fußball

Wie gewohnt steht eine Vielzahl an Steuerungsoptionen zur Verfügung: Wie schon auf der PSP kann man sich auch hier die Laufwege von der KI abnehmen lassen, um sich einzig auf das Passspiel sowie die Torschüsse bzw. die Grätschen zu konzentrieren. Die Remote alleine reicht für diese so genannte Allplay-Steuerung aus, die vor allem für Gelegenheitsspieler gedacht ist. Stöpselt man ein Nunchuk oder den Classic-Controller ein, wird aber wie gewohnt über den Platz gehetzt. Allerdings hat man bei der Nunchuk-Variante noch die Wahl, ob der Pass klassisch auf Knopfdruck erfolgen soll oder via Point'n'Click-System, bei dem man die gewünschte Anspielstation mit einem Cursor markiert. Doch egal, für welche Variante man sich auch entscheidet: Mit den inflationär hohen Torchancen hält sich die Spannung beim Wii-Kick in Grenzen - zu oft fallen Tore aufgrund des hohen Momentums oder einer minimal langsameren Reaktion nach Standardsituationen. Etwas übertrieben ausgedrückt fühlt man sich bei einem solchen Torregen oft eher wie auf dem Basketball-Court als auf dem Fußballplatz.

Ein anderer Weg

Inhaltlich geht die Wii-Fassung wie so oft einen etwas anderen Weg: Zwar gibt es selbstverständlich auch hier neben Einzelspielen die komplette WM inklusive Gruppenphase, doch finden sich weder Modi wie "Mannschaftskapitän" noch die Mini-Herausforderungen rund um die WM-Geschichte. Zum Glück hat man nicht nur gestrichen, sondern auch für Ersatz gesorgt. Da wäre zum einen Zakumis Dream-Team-Modus, bei dem man sich mit seiner Mannschaft allen 32 Teams stellt und bestimmte Ziele für die Bronze-, Silber- oder Gold-Medaille erfüllen muss. Da gilt es z.B. eine Partie ohne ein Foulspiel zu meistern oder eine höhere Passgenauigkeit zu bieten als das andere Team. Geht man als Gewinner vom Platz, darf man als Belohnung einen Spieler des Gegners für die eigene Mannschaft rekrutieren und sich dadurch Schritt für Schritt sein eigenes Dream-Team aufbauen. Bei der Welt-Tournee besteht das Ziel darin, jede der knapp 200

Standardsituationen wie Freistöße sind auf der Wii noch gefährlicher als auf anderen Plattformen.
Nationalmannschaften mindestens ein Mal zu schlagen. Wer sich der Aufgabe noch nicht gewachsen fühlt, sollte vorher im Training seine Fähigkeiten perfektionieren.

KO-Turnier

Neben dem Onlinemodus haben sich die Entwickler außerdem noch einen besonderen Mehrspielermodus für lokale Matches einfallen lassen: Beim KO-Turnier dürfen bis zu vier Spieler teilnehmen, wobei jeden von ihnen bis zu vier Mannschaften übernimmt. Nur wer am Ende noch mindestens eines seiner Teams im Rennen hat, darf sich mit der Krone des Champions schmücken. Auch online muss man nicht zwingend alleine die lizenzierten Stadien betreten, denn auf Wunsch holt man sich einen Dribbel-Partner mit ins Boot und trägt nicht nur offline, sondern auch online 2 vs. 2-Partien aus. Während die Begegnungen auf der PSP nach Regenergüssen schon mal zu einer matschigen Schlammschlacht werden können, scheint auf der Gute-Laune-Konsole Wii immer die Sonne - schade. Im Gegensatz zum Handheld gibt es vor allem bei den Jubelszenen einige neue Animationen zu bewundern und auch das Kommentatoren-Duo leistet hier trotz zahlreicher Wiederholungen und mancher Falschaussage bessere Arbeit. Die KI der Mitspieler leistet sich vor allem auf Wii einige Aussetzer: Wenn Profis der gegnerischen Mannschaft immer wieder ohne Druck den einen oder anderen Kurzpass ins Aus spielen, macht sich zwar Schadenfreude, aber gleichzeitig auch Unverständnis breit.   

Fazit

Mit der weltmeisterlichen Vorstellung auf PS3 und Xbox 360 hat vor allem die PSP-Fassung von Südafrika 2010 nicht viel gemeinsam: Mit der veralteten Ballphysik, dem langsam unverschämten Kommentar- und Animations-Recycling sowie dem fragwürdigen Boost-System kommt von der potenziellen WM-Faszination auf dem Handheld nur wenig rüber. Die Wii-Fassung macht im direkten Vergleich eine deutlich bessere Figur, was vielleicht auch daran liegt, dass man den Arcadeweg hier konsequenter geht. Die Flut an Toren, die durch das simple Aufladen der Momentum-Anzeige entsteht, ist jedoch etwas zu viel des Guten und hat mit authentischem Fußball nur noch wenig gemeinsam. Trotzdem bekommt man auf Wii soliden Arcade-Fußball, der besonders mit mehreren Mitspielern für einen spaßigen Kick zwischendurch sorgt – zumindest so lange, bis die Welt im WM-Fieber ist. Danach wird der Titel wohl das gleiche Schicksal ereilen wie auf den anderen Plattformen und für immer im Regal verschwinden...

Pro

charmanter Grafikstil (Wii)
viele Steuerungsoptionen (Wii)
Onlinemodus
offizielle Lizenz
spaßiger Arcade-Kick (Wii)
flüssige Darstellung

Kontra

veraltete Ballphysik (PSP)
Recycling von Kommentaren und Animationen (PSP)
Tore lassen sich zu einfach erzielen (hauptsächlich Wii)
überflüssiges Boost
und Momentum-System (PSP)
enttäuschende Stadionatmosphäre (hauptsächlich PSP)
Verbindungsfehler (online)
KI-Aussetzer

Wertung

Wii

Netter Arcade-Kick mit charmanter Präsentationen und Toren am Fließband.

PSP

Recycling an allen Ecken und Enden: Auf der PSP ist die Zeit stehen geblieben.

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