Im Test:
Die goldene Slamdunk-Zeit
Ich muss nochmal zurück in die Vergangenheit, zum originalen NBA Jam. Es ist für mich bis heute eines der besten Arcade-Sportspiele aller Zeiten. Mir schwirren noch all die Sounds und Kommentare wie Slamdunkbienen durchs Ohr: Sobald ich an "He's on Fire!" oder "Boom Shakalaka!" denke, sehe ich meterhohe Sprünge mit Feuerschweif und irre akrobatische Dunks, die den Ring zum Glühen bringen. Wie im aktuellen Spiel von EA suchte man sich schon vor sechzehn Jahren ein aktuelles NBA-Team aus und spielte zwei gegen zwei fast ohne Regeln, wobei man einen Star steuerte. Es geht hoch her: Unter und über dem Korb kämpft man im 2-on-2 um Punkte.
Ich erinnere mich noch genau an den einzigen Wermutstropfen (neben dem Preis): Michael Jordan war aufgrund seines Abschieds nicht im Aufgebot der Bulls - nur deshalb waren die New York Knicks damals das statistisch beste Team. Wir haben uns jedenfalls ganze Wochenenden wilde Matches zwischen den Knicks mit Ewing/Starks, den Bulls mit Pippen/Grant, den Rockets mit Olajuwan/Maxwell oder den Phoenix Suns mit Barkley/Johnson geliefert. Unsere Freundinnen haben NBA Jam gehasst - immer das beste Zeichen für grandiose Spiele.
Der moderne Airball
Warum ich so weit aushole? Weil ich mich wirklich auf dieses NBA Jam gefreut habe. Weil ich dachte, dass es an die Faszination alter Tage anknüpfen könnte. Weil ich mich mit dem Gamepad ins Jahr 1994 zurückdunken wollte. Aber in den ersten Minuten des ersten Spiels sitze ich schon ernüchtert auf der Couch: Was zur Hölle ist das für ein Artdesign? Nichts gegen den Versuch, die alte Zeit auch stilistisch in der Moderne einzufangen, aber diese Mischung aus (nicht mal besonderen) 3D-Animationen und statischem 2D sieht einfach schrecklich aus - auch ohne HD-Ansprüche auf Wii, denn der Stil bleibt derselbe. Selbst eine Legende wie Larry Bird kann in der großkopferten Version keine Euphorie entfachen.
Wenn man Nowitzki und Kidd für die Dallas Mavericks über das Feld rasen lässt, hat man das Gefühl, einen dreidimensionalen Körper mit einem ausgeschnittenen, viel zu großen Kopf aus Pappe zu steuern (dass man noch größere Köpfe freischalten kann, ist da fast ein Hohn). Oder eine animierte Scherenschnittfigur. Oder irgendetwas anderes Unharmonisches, was zwanghaft nach Retro aussehen soll, aber wie ein stilistischer Airball wirkt - ein freier Fall der Hässlichkeit. Dazu gehört auch das binär geschaltete Publikum, das entweder komplett bewegungslos verharrt oder frenetisch jubelt bzw. im Kollektiv zuckt.
Solide Spielmechanik
Das soll mich anno 2010 grafisch beeindrucken? Ich passe, werfe, dunke und alley-oope mich ernüchtert durch die "Klassik-Kampagne", die nichts weiter ist als der Weg eines Teams an die Spitze einer der sechs NBA-Divisionen. Ja, man kann wie anno dazumal den Turbo taktisch einsetzen, um sich kurzfristig schneller, dribbelstärker oder wurfsicherer zu machen. Ja, man kann auch 36 geheime Mannschaften, neue Moves und Grafikfilter freischalten. Ich sitze dennoch gelangweilt, fast angewidert auf der Couch. Und das, obwohl EA sogar den Originalsprecher von damals, Tim Kitzrow, vor das Mikro gezerrt hat, um von "He's on Fire!" bis "Kabooom!" alte und neue Sprüche zu all den Aktionen auf dem Platz abzufeuern. Aber all das zündet nicht, denn diesem Arcade-Basketball fehlt das Knistern der grafischen Explosivität, es fehlt auch an einer fordernden KI. Man darf nicht vergessen, dass hier immer nur vier Spieler auf dem Platz stehen - und die müssen hinsichtlich Animationen und Aktionen rocken! Einer der unterhaltsamen Spielmodi: Man kämpft um Felder auf dem Platz.
Aber das tun sie nicht. Selbst die einfachen Dribblings und Dunks sehen nicht besonders elegant, nicht cool genug aus - egal ob Spin oder Crossover. Es kommt auch zu Szenen, in denen der zweite, vom Computer gesteuerte Mann sekundenlang gegen den Center läuft als wäre dieser eine Wand - warum bewegt er sich nicht geschmeidig um ihn herum? Das nervt genauso wie die kleinen Zicken der Steuerung: NBA Jam ist ein Spiel der schnellen Knöpfe, aber die Aktionen über die Sticks, also das Vor- und Zurückziehen, wirken zu Beginn viel zu sensibel. Immerhin gewöhnt man sich daran.
Interessante Spielmodi
Nur gut, dass die analoge Steuerung weitgehend optional ist. Und noch besser, dass die Spielmechanik in ihren Grundzügen solide ist: Man kann den zweiten Mann indirekt steuern, indem man einen Pass oder Wurf fordert. Wie anno dazumal kann man nicht nur in der Offensive spektakuläre Alley-Oops, akrobatische Dunks und mehrstufige Pässe inszenieren, sondern auch in der Defensive freche Steals, gemeine Schubser und natürlich Monsterblocks setzen. All das sorgt auch heute noch für jede Menge rasanter Action zwischen Rebound und Korb, zumal bis auf das schmerzhafte Goaltending kaum Regeln gelten. Und wer von der Kampagne genug hat, darf sich noch in der "Remix-Tour" an Herausforderungen versuchen. NBA Jam beruht zwar auf der soliden Spielmechanik des Klassikers aus dem Jahr 1994, kommt aber nicht an dessen Klasse heran.
Mal geht es um die clevere Ausnutzung von Power-ups, die Spieler nicht nur schneller oder robuster, sondern auch winzig klein machen. Mal spielt man mit veränderter Kamera oder Teamgröße. Hinzu kommen einige interessante Spiele für zwischendurch: In "Dominanz" geht es darum, farbig markierte Bereiche des Feldes zu erobern, indem man von dort aus Punkte erzielt - das macht richtig Laune, weil man sich hier wunderbar ärgern kann. Auch die Halbfeld-Duelle zwischen zwei Spielern oder das Schmettern, wo man so lange gegen das Brett dunkt bis es bricht, sorgen für Unterhaltung. All diese Minispiele retten NBA Jam zusammen mit dem Online-Modus auf ein gerade noch befriedigendes Niveau: Im Internet kann man in Ranglisten oder mit Freunden entweder eins gegen eines oder zwei gegen zwei spielen; also mit vier Mann losdunken.
Fazit
Ich habe mich auf diese Wiedergeburt von NBA Jam gefreut! Dieser Klassiker aus dem Jahr 1994 gehört für mich zu den besten Arcade-Sportspielen aller Zeiten - ganze Wochen habe ich mich zwischen "He's on Fire!" und "Boom-Shakalaka!" in Ekstase gedunkt. Umso größer ist meine Enttäuschung angesichts dieses schrecklichen Artdesigns, das einen faulen Kompromiss zwischen dreidimensionaler Moderne und statischer 2D-Nostalgie eingeht. Die Animationen der Wasserkopfstars rocken einfach nicht, selbst bei Monsterdunks springt der explosive Funke nicht über und die Kulisse mit dem Zuckelpublikum ist alles anderes als ein HD-Highlight. Soll das ein vollwertiges Spiel sein? Natürlich ist das kein Totalreinfall, weil die Spielmechanik auf den soliden Fundamenten des Klassikers beruht und weil die vielen Herausforderungen abseits der Kampagne einiges an Unterhaltung bieten. Hinzu kommt ein sauberer Online-Modus für bis zu vier Mann und Freischaltbares bis zum Abwinken. Aber diese stilistisch misslungene Wiederauferstehung hätte man nicht wie ein goldenes Remake in der Box, sondern für zehn Euro als XBL- oder PSN-Spiel anbieten sollen. Wenn ich Arcade-Basketball genießen will, spiele ich lieber das sechzehn Jahre alte, aber immer noch magische Original oder eine Version von NBA Street.
Pro
Kontra
Wertung
360
Wo ist der explosive Zauber von Boom-Shakalaka? Eine stilistisch schwache, aber spielerisch solide Wiedergeburt.
PlayStation3
Meilenweit entfernt vom Reiz des Originals, stilistisch misslungen und gerade noch auf befriedigendem Arcade-Niveau.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.