F1 201027.09.2010, Michael Krosta
F1 2010

Im Test:

Die Formel 1 hatte in den letzten Jahren in der Spielewelt einen schweren Stand: Zuerst kam die Sony-Exklusivität, danach die qualitative Stagnation und zuletzt überhaupt nichts mehr - bis sich Codemasters die teure FIA-Lizenz von Bernie Ecclestone sicherte. Zwar war das durchwachsene Wii- und PSP-Debüt mit F1 2009 im letzten Jahr ein kleiner Schock, doch jetzt soll der Einstand auf Xbox 360, PS3 und PC begeistern - klappt das?

Spannung, Spiel & Motoröl

Nach dem langweiligen Auftakt und dem umstrittenen neuen Punktesystem hat die diesjährige Formel 1-Saison doch noch einiges an Spannung zu bieten: Mit dem aktuell führenden Mark Webber, Lewis Hamilton, Fernando Alonso, Vorjahres-Champion Jenson Button und dem deutschen Hoffnungsträger Sebastian Vettel kämpfen auch nach dem Nacht-GP von Singapur in den verbleibenden

Video: Endlich kehrt die Formel 1 mit voller Power in die Spielewelt zurück. Nach der enttäuschenden Wii-Premiere findet Codemasters auf PS3, 360 und PC in die richtige Spur zurück.

vier Rennen immer noch fünf Fahrer um die WM-Krone. Doch wer will sich schon bis zum 14. November gedulden - dem Tag, an dem in diesem Jahr zum letzten Mal die schwarz-weiß karierte Flagge in der Königsklasse geschwenkt wird? Niemand. Der echte Formel 1-Fan wird den WM-Kampf schon vorher entscheiden. Denn der echte Formel 1-Fan quetscht sich selbst ins Monocoque der V8-Boliden und fährt auf den 19 Pisten der Saison 2010 in einem der zwölf Teams um den Sieg mit. Und verdammt: Der echte Formel 1-Fan wird dafür sorgen, dass Schumi in seiner Silberschnecke nicht länger hinterher fährt, sondern endlich wieder ganz vorne mitmischt. Alles, was der Formel 1-Fan dafür braucht: F1 2010 (ab 14,51€ bei kaufen) sowie einen PC, eine PS3 oder Xbox 360 - und im Idealfall noch ein brauchbares Force Feedback-Lenkrad für das System seiner Wahl.

Die Liebe zum Detail

Bei Codemasters hat man sich viel Mühe gegeben, möglichst viel von der Faszination der Formel 1 ins Spiel zu übertragen und dabei gleichzeitig Fans, Spieler und Neulinge zufrieden zu stellen. Puristen wird es freuen, dass man nicht nur komplette Renndistanzen absolvieren, sondern auch sämtliche Sessions eines F1-Wochenendes mitnehmen kann, das aus drei freien Trainingsläufen, dem Samstags-Qualifying im Ausscheidungsverfahren sowie dem Rennen am Sonntag besteht - einzig auf das Warm-up muss man hier verzichten. Alternativ entscheidet man sich für ein verkürztes Rennwochenende, das lediglich aus jeweils einer Trainings- und Qualifikationssession (ohne Ausscheidung) plus Rennen besteht - selbst der direkte Sprung in die Startaufstellung ist auf Wunsch möglich.

Um im Training und Qualifying nicht in Echtzeit warten zu müssen, bis sich mit der Zeit mehr Gummi auf der Strecke ansammelt und dadurch der Grip verbessert wird, kann man über den Monitor in der Boxengarage die Zeit bequem in 6- oder 30-facher Geschwindigkeit vorspulen. Darüber hinaus liefert das System u.a. Informationen zur aktuellen und prognostizierten Wetterlage. Warum das? Weil F1 2010 ein dynamisches Wettersystem bietet, dank dem sich wie im wahren Leben die Streckenkonditionen plötzlich ändern können und der Reifenpoker über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Es ist einfach ein tolles, wenn auch gleichzeitig beunruhigendes Gefühl, wenn die Sonne immer mehr von Wolken verdeckt wird und es langsam anfängt zu tröpfeln. Bleibt man draußen und geht das Risiko ein, von der Piste zu rutschen oder fordert man doch vorsichtshalber einen Boxenstopp an und wechselt auf die Intermediate-Reifen? Aber was passiert, wenn der Regen stärker wird oder es doch nur bei den paar Regentropfen bleibt? Hier bekommt man ein gutes Gefühl dafür, mit welchen Problemen sich Fahrer und Teams auseinandersetzen müssen. Eines steht auf jeden Fall fest: Die Inszenierung der Regenrennen ist klasse! Ich habe bisher noch kein (Renn-)Spiel erlebt, bei dem die Sichtprobleme aufgrund der Gischt so eindrucksvoll umgesetzt wurden wie hier. Je näher man dem Vordermann kommt, desto mehr verschwimmt das Bild,

Die Regenrennen sehen fantastisch aus.
so dass man irgendwann nur noch schemenhaft die Kulisse und die blinkenden Rücklichter vor einem wahrnimmt. Ohne Streckenkenntnisse und das Gefühl für die richtigen Bremspunkte ist man hier verloren.

Mittendrin-Gefühl

Doch auch abseits von Regenschauern und Gischt macht der Ausflug auf die Pisten rund um den Globus eine gute Figur: Zwar wirken die meisten Kurse abseits von Monaco oder Valencia etwas steril, doch sorgen im Gegenzug die aufwändig modellierten F1-Boliden mit ihren schreienden Motoren sowie das hervorragende Geschwindigkeitsgefühl für Begeisterung. Vor allem in der Cockpitperspektive mit den individuellen Hightech-Lenkrädern ist das Motorsport-Erlebnis besonders intensiv, auch wenn es massive Probleme bei der Übersicht gibt. Einen Blick in die Außenspiegel bekommt man in der Regel nur dann, wenn man sich per Analogstick umsieht - doch genau dafür bleibt meistens keine Zeit. Sitzt man in einem Ferrari, fällt der Blick in die Spiegel aufgrund der Bauweise sogar ganz unter den Tisch - hier hilft nur der Wechsel zur Helmansicht. Doch selbst wenn man hier ein Modell erwischt, das den Blick in die Außenspiegel ermöglicht, wird man aufgrund der mangelhaften Details nicht viel erkennen können. Der Blick zurück auf Knopfdruck ist hier die wesentlich bessere Lösung - zusätzlich gibt es außerdem einen kleinen Indikator am unteren Bildschirmrand, der anzeigt, wo sich unmittelbare Verfolger gerade befinden. So kann man für potenzielle Angriffe die Tür noch rechtzeitig zumachen oder kontern, falls nötig. Das Geschwindigkeits- und Mittendringefühl ist dank einer leichten Wackelkamera gut, wenn auch nicht überragend ausgefallen. Obwohl die Bildrate überwiegend konstant und flüssig bleibt, kommt es auf den Konsolen auf manchen Strecken wie Monaco oder Catalunya immer wieder zu leichten, aber spürbaren Slowdowns. Am PC kann man diesem Problem mit den Grafikeinstellungen entgegen wirken. Hat man ein potentes System, bekommt man hier dank Vollbild Anti-Aliasing außerdem die schönste von allen drei Versionen, während bei den Konsolen die Xbox 360-Fassung aufgrund ihrer etwas besseren Performance leicht vor dem PS3-Gegenstück liegt. Die Ladezeiten sind dagegen auf allen Plattformen relativ lang, doch wird man für das Warten immerhin mit einem großen Starterfeld von insgesamt 24 Piloten belohnt.    

Gute KI, schlechte KI

Und die sind entscheidend dafür, wie gut oder schlecht das Rennsport-Feeling rüberkommt. Die gute Nachricht: Codemasters macht hier sehr viel richtig, denn es ist herrlich anzusehen, wie die KI-Konkurrenten bewusst Kampflinie fahren oder alles daran setzen, dass man sich nicht ihren Windschatten zunutze macht und sich an ihr Heck heran saugt. In höheren der vier Schwierigkeitsgrade muss man außerdem immer wieder mit schnellen Kontern nach Überholmanövern rechnen und es kommt zu packenden Positionskämpfen. Weniger gelungen sind die Reaktionsfähigkeit der KI auf Unfälle sowie ihre Überholversuche: Kommt man als Spieler oder einer der KI-Fahrer ins Schlingern, rauschen einige Verfolger meist ungebremst in die Unfallstelle hinein und es kommt zu einer Massenkarambolage oder zumindest einem Stau. Auch beim Überholen stellen sich die Piloten oft ungeschickt an und kaschieren mit ihrem Frontflügel immer wieder mein Heck - zum Glück entstehen die Schäden dabei meistens nur beim Verursacher. Die mitunter extrem zackigen Richtungswechsel der KI-Boliden wirken zudem unnatürlich und passen nicht zu einem realistischen Abbild des Sports. Verglichen mit anderen Rennspielen zählt die KI von F1 2010 trotzdem zu den besseren Vertretern. Schade ist nur, dass man keine unterschiedlichen Persönlichkeiten bzw. Fahrstile erkennen kann und auch der Leistungsunterschied zwischen den Teams und Wagen

Die Kämpfe gegen die KI werden erst in höheren Stufen fordernd. Trotz einiger fragwürdiger Aktionen reagieren die Konkurrenten überzeugend und liefern sich einige packende Duelle.
kaum zum Tragen kommt. So schafft man es z.B. auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad noch locker, mit einer Gurke wie dem Lotus oder HRT mit etwas Übung auf die Pole Position zu rasen. Hier ist man von der Realität doch ein gutes Stück weit entfernt...

Mischung aus Arcade und Simulation

Für die Fahrphysik gilt das zum Glück nicht: Schaltet man Hilfen wie ABS oder die Traktionskontrolle ab und entscheidet sich für ein volles Schadensmodell inklusive Reifenverschleiß sowie Benzinverbrauch, bekommt man vor allem bei Regenwetter eine durchaus anspruchsvolle Herausforderung, bei der man viel Feingefühl im Umgang mit Gas und Bremse beweisen muss. Klar, bei einer Hardcore-Simulation kann F1 2010 nicht mithalten, denn dafür reagieren die Boliden oft noch zu gutmütig. Trotzdem tendiert Codemasters hier deutlich mehr zum Realismus als noch bei Race Driver: Grid oder der Dirt-Serie - eine gute Entscheidung. Dieser Anspruch wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass man auf den Gummiband-Effekt verzichtet: Hier erlebt man keine Konkurrenten, die plötzlich schneller fahren, sobald man in Führung liegt oder den Fuß vom Gaspedal nehmen, wenn man den Anschluss verliert. So muss man gerade in höheren Schwierigkeitsgraden eine konstant gute Leistung zeigen, wenn man auf das Podest rasen will. Der Reifenverschleiß wurde ebenfalls gut umgesetzt: Neben dem Unterschied zwischen weichen und harten Mischungen spürt man auch, wie die Haftung mit zunehmender Renndauer immer mehr abnimmt. Selbst der Verschleiß der insgesamt acht Motoren pro Saison wirkt sich auf die Performance aus und auch die Benzinmenge spielt eine Rolle. Allerdings wird man nie mit einem leeren Tank auf der Strecke liegenbleiben - stattdessen wird die Leistung auf ein Minimum reduziert, mit dem man sich aber zumindest noch bis an die Box schleppen kann. Auf mechanische Ausfällt wird dagegen leider komplett verzichtet - und das sowohl beim Spieler als auch den KI-Piloten. Zumindest optional wären Ausfälle genau so wünschenswert wie ein Safety-Car, das ebenfalls nicht integriert wurde. Die dynamischen

Im Gegensatz zur Cockpitansicht hat man in der Helmperspektive eine wesentlich bessere Übersicht.
Veränderungen der Strecke sind dagegen gelungen, denn bei nachlassendem Regen trocknet nicht nur die Ideallinie schneller ab, sondern im Laufe eines Wochenendes nimmt auch der Grip durch den Gummiabrieb auf dem Asphalt immer mehr zu.

Lenkrad oder Controller?

Wie bei jedem anderen Rennspiel stellt sich auch hier die Frage, welchen Mehrwert die Steuerung per Lenkrad bringt. Klar, dank des ordentlichen Force Feedback-Effekts, der sich vor allem beim Überfahren der Curbs bemerkbar macht, und dem stärkeren Racing-Gefühl mit einem Wheel, bringt das Benutzen einer solchen Peripherie weitere Vorteile mit sich: Im Gegensatz zum Controller kann man hier die Lenkung den eigenen Vorlieben anpassen und sowohl die Stärke des FF-Effekts als auch tote Zonen für Lenkrad, Gas und Bremse einstellen. Beim Spielen mit dem Controller fällt dieses Fein-Tuning leider komplett unter den Tisch - dabei hätte zumindest eine manuelle Überarbeitung der Lenk-Sensibilität gut getan. Da die Boliden sehr direkt auf die Steuerbefehle reagieren, ist das Fahren mit dem Controller zunächst gewöhnungsbedürftig und lässt im Gegensatz zum Lenkrad Präzision vermissen. Zumindest hat man mit dem 360-Controller dank der hervorragenden Analog-Trigger Gas und Bremse gut im Griff - das PS3-Pad hat diesbezüglich einen leichten Nachteil. Wer das Porsche Turbo S-Wheel an der Sony-Konsole verwendet, dürfte aufgrund des schwachen Force Feedbacks zudem etwas verwundert sein. Laut Fanatec steht man zur Zeit aber mit Codemasters in Kontakt und wird in naher Zukunft wohl einen Patch liefern, der das Problem behebt.  

Boxenstopps

Doch das sind nicht die einzigen Wehwehchen, unter denen F1 2010 momentan noch leidet, denn auch die Boxenstopps sorgen in der aktuellen Version unter bestimmten Bedingungen für Frust: Beträgt die Renn-Distanz zehn Prozent und man verlässt sich auf die vorgeschlagene Strategie, kommt ein Großteil des Fahrerfeldes gleichzeitig rein, um sich neue Reifen abzuholen. An sich keine große Sache, doch sobald man als einer der Führenden den Boxengassen-Marathon eröffnet, wird man trotz eines perfekten Stopps schnell zum Leidtragenden. Warum? Weil der Lollipopp-Mann oft erst dann die Ausfahrt erlaubt, wenn die gesamte Verfolger-Kolonne an der Box vorbeigefahren ist. Entweder erhöht man also die Renndistanz oder weicht notgedrungen von der idealen Boxenstrategie ab. Zur Not kann man sogar spontan während des Rennens umplanen und Stopps auf Knopfdruck anfordern oder ablehnen. Ist man auf weichen Reifen unterwegs, die bei aktiviertem Verschleiß sehr schnell abbauen, ist der Spielraum für die Boxenstrategie allerdings sehr begrenzt. Von der Koordinationsproblemen abgesehen ist es allerdings schön zu sehen, wie die animierte Pit-Crew des eigenen und anderer Teams arbeitet.

Das Nachtrennen in Singapur zählt neben Monaco ohne Zweifel zu den Höhepunkten der Saison.
Auch die optionalen Möglichkeiten, den Begrenzer bei der Boxeneinfahrt manuell zu aktivieren und den Boliden eigenhändig bei den Mechanikern abzuliefern, ist eine feine Sache für alle, die ein möglichst authentisches F1-Feeling haben wollen.

"Dem Ingenieur ist nichts zu schwör"

Die dürften sich auch in der Garage pudelwohl fühlen: Der montierte Monitor bietet nämlich nicht nur die Wettervorhersage und Runden- bzw. Sektorenzeiten, sondern erlaubt auch den Zugriff auf das Wagen-Setup. Hier darf man für eine verbesserte Aerodynamik die Winkel der Front- und Heckflügel verbessern, sondern auch Fahrwerk (inkl. Spurtreue) und Getriebe nach eigenen Vorlieben abstimmen sowie leichte Anpassungen an den Motoren vornehmen. Auch die Balance lässt sich mit Hilfe von Ballastverschiebungen regeln und auch die Einstellungen von Bremsen sowie Reifen werden im Rahmen des Setups gestattet. Zwar erlauben die Schieberegler keine feinen Details, doch werden zumindest einige Möglichkeiten geboten, das Fahrverhalten auf die jeweilige Strecke bzw. dem eigenen Stil anzupassen.

Selbstverständlich lassen sich die individuellen Setup-Arbeiten abspeichern. Wer glaubt, in diesem Bereich zwei linke Hände zu haben, kann sich aber auch vertrauensvoll an seinen Ingenieur wenden, der diverse vorgefertigte Einstellungen für Sonnen- und Regenwetter bereit hält. Das bedeutet allerdings nicht, dass jedes von ihnen ideal ist: Man muss in den Trainings-Sessions schon selbst herausfinden, welches vorgeschlagenen Setups einem am besten liegt. Während sich das Team in der Vorbereitung auf das Rennen noch als sehr hilfreich erweist, enttäuscht es leider bei der Unterstützung via Boxenfunk: Neben einigen trivialen Sprüchen nach dem Motto "Komm schon, überhol ihn" bekommt man nur vereinzelte Meldungen, wie man überhaupt im Rennen steht. Ich hätte mir viel öfter gewünscht, von der Box über aktuelle Zeitabstände oder Boxenbesuche der Konkurrenz informiert zu werden. Und wenn dann mal was kommt, ist es auch oft genug falsch: Während ich z.B. Alonso am Heck klebte, brabbelte der Funk, dass der Ferrari-Pilot etwa fünf Sekunden voraus sei.

Leider leisten auch die HUD-Einblendungen keine große Hilfe, da meistens nur die Zeitabstände pro Sektor eingeblendet werden. Deshalb hat man keine Vorstellung davon, wie weit die Fahrzeuge insgesamt eigentlich auseinander liegen. Außerdem schaltet das HUD zu langsam um - sei es bei Positionsangaben oder (gelben) Flaggen. So hat man eine Unfallstelle oft schon passiert, bis eine entsprechende Meldung auf dem Bildschirm auftaucht. Das muss für den nächsten Teil auf jeden Fall besser werden. Gelungen sind dagegen die Möglichkeiten, auch während des Rennens Einfluss auf das Wagensetup zu nehmen. Über das Digitalkreuz

Noch hat der Renault die Nase vorne...aber wie lange noch?
lässt sich z.B. die Motorenleistung in drei Stufen regeln und der Winkel des Frontflügels leicht verändern. Auch Boxenstopps lassen sich über das Menü während der Fahrt vorbereiten, falls man bei einsetzendem Regen vielleicht doch lieber auf die Intermediates wechseln will.

Party statt Splitscreen

Neben Einzelrennen, bei denen man ebenfalls die Wahl zwischen kurzen und langen Wochenenden hat oder direkt zum Sonntag springen kann, steht außerdem noch das Zeitfahren zur Verfügung. Dabei dreht man entweder einfach so seine Runden, misst sich mit einem vorgefertigten Ghost-Car oder lädt sich weitere aus den Bestenlisten herunter, in denen man sich auch selbst mit seinen Zeiten verewigen kann. Zusätzlich gibt es einen Party-Modus, in dem mehrere Spieler hintereinander mit dem Boliden ihrer Wahl auf den Kurs geschickt werden, um sich gegenseitig zu unterbieten. Ja, das macht Spaß - aber trotzdem ist diese Variante nur ein schwacher Ersatz für die fehlenden Splitscreen-Rennen.   

Im Wolfsrudel

Das Herzstück bildet der Karrieremodus: Hier startet man zunächst als Nummer Zwei-Fahrer bei einem der kleineren Teams und muss idealerweise in jedem Rennen bestimmte Mindestziele beim Qualifying und den Rennen erzielen. Zu Beginn sind diese erst relativ niedrig angesetzt - doch sitzt man erst im Cockpit für eines der Top-Teams wie Red Bull oder Ferrari, erwarten die Bosse schon eine Platzierung unter den ersten drei Piloten. Bevor es zu lukrativen Vertragsangeboten kommt, die alle von der eigenen Agentin geregelt werden, muss man sich zunächst einen Namen machen und im Rang aufsteigen. Zum Erfolg tragen dabei nicht nur gute Platzierungen bei, sondern auch saubere Runden, Bestzeiten sowie möglichst wenige Unfälle. Wie schon bei Dirt und Grid hat man aber auch hier optional die Wahl, Fehler mit Hilfe der Rückspulfunktion wieder rückgängig zu machen. Das funktioniert zwar im Gegensatz zu Forza 3 nicht unendlich oft, doch gerade Anfänger werden diese Funktion sicher auch hier zu schätzen wissen.

Das Augenmerk innerhalb der Karriere gilt nicht nur der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen Teams. Viel mehr rückt Codemasters das interne Duell gegen den Teamkollegen in den Vordergrund: Entscheidet man den Schlagabtausch im Qualifying und den Rennen vermehrt für sich, kann man mit der Zeit den Anspruch anmelden, selbst zur Nummer Eins im Team aufzusteigen, was den einen oder anderen Vorteil mit sich bringt. Neben dem höheren Prestige bekommt der Fahrer mit dem besseren Status oft zuerst in den Genuss neuer Leistungspakete und Upgrades. An deren Entwicklung nimmt man zudem selbst aktiv Teil, indem man innerhalb des Trainings diverse Testläufe absolviert. In der Regel gilt es dabei, großzügig gesteckte Rundenzeiten zu knacken. Ist man die Nummer Eins im Team, bekommt man zusätzlich ein Mitspracherecht, in welche Richtung die Entwicklung vorangetrieben werden soll.

Presserummel

Des Weiteren zählt auch der Umgang mit der Presse zu den Aufgaben, die innerhalb der Karriere auf den Rennfahrer warten. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gibt es bereits, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet und u.a. nach seinem Namen gefragt wird. Dabei wird man feststellen, dass Codemasters im Gegensatz zu den anderen Rennspielen etwas sparsamer geworden ist, was die Auswahl an Namen angeht, mit denen man direkt angesprochen wird. War in der Vergangenheit z.B. Michael immer noch neben Mike vertreten, bekomme ich hier nur noch "Michel" als Möglichkeit geboten. Landet man auf dem Podium, gehört die anschließende Pressekonferenz zum Pflichtprogramm, bei dem man sich den Fragen der immer gleichen Journalistin stellt. Leider scheint die Dame nicht sonderlich kreativ zu sein, da sich die Fragen nach der Einschätzung der eigenen Leistung und des Teams extrem schnell wiederholen. Außerdem sind sie sehr allgemein gehalten - Nachfragen zu konkreten Rennszenen gibt es z.B. nicht. Auch wenn man im Fahrerlager spontan zum Interview gebeten wird, bleibt alles zu oberflächlich, so dass man insgesamt sagen muss, dass die Idee an sich zwar gut ist, die Umsetzung aber zu wünschen übrig lässt. Hier wäre sehr viel mehr drin gewesen. Schade ist zudem, dass man ansonsten auf den Rummel abseits der Piste vollkommen verzichtet. Sieger-Ehrungen gibt es keine und auch vom hektischen Treiben in der Boxengasse oder Grid-Girls sieht man keine Spur.     

Schwenk die Flagge

Das Flaggensystem, das optional auch in einer reduzierten Form ausgewählt werden kann, ist ein zweischneidiges Schwert: Dass die Fahnenschwenker oft spät dran sind, wurde bereits erwähnt. Hinzu kommt aber, dass man gerade bei Strafen sehr inkonsequent und teilweise sogar unfair agiert. Kommt es zu Kollisionen, hat schon mal grundsätzlich der Spieler die Schuld und wird verwarnt. Das muss nicht gleich eine Strafe nach sich ziehen, aber nervig ist es schon, wenn jeder Rempler immer nur mir angelastet wird. Auf der anderen Seite ist das System zwischendurch äußerst inkonsequent: Obwohl ich teilweise den Vordermann nach einer Berührung komplett umgedreht habe und nicht locker gelassen habe, gab es keinen Rüffel. Trotzdem ist es besser, ein solches Straf-/Flaggensystem zu haben als keines. Wer z.B. zu rabiat im Training zur Sache geht, wird im Qualifying schon mal ein paar Plätze nach hinten strafversetzt. Auch die Durchfahrtsstrafen stehen bei zu vielen Regelverstößen auf der Tagesordnung und wer es mit Abkürzen und Rambo-Attacken übertreibt, wird sogar vollständig disqualifiziert und muss den Motor abstellen. Beim Schadensmodell ergibt sich ein ähnliches Bild: Teilweise wirkt es etwas

Windschatten ist Trumpf: Mit seiner Hilfe saugt man sich an vorausfahrende Gegner heran.
inkonsequent, doch zumindest wirken sich Schäden auf die Fahrphysik aus und auch Totalausfälle nach zu heftigen Einschlägen sind möglich. Wer auf diesen Kick verzichten möchte, kann das Modell aber auch auf die Optik der hervorragend modellierten F1-Boliden beschränken.

Online-Champion gesucht

Für den Mehrspielerbereich hat man sich bei Codemasters einiges einfallen lassen, um den Ansprüchen der Racing-Gemeinde gerecht zu werden. Zwar ist der erneute Verlust von Splitscreen-Rennen einmal mehr schmerzlich, doch dafür bietet man für Online und LAN-Raser eine ganze Menge an Optionen, die eigentlich bei jedem Rennspiel Pflicht werden sollten: Da wäre z.B. die Möglichkeit, vor den Rennen ein 15-minütiges Qualifying zu absolvieren, um so die Startposition zu ermitteln. Ein Feature, das immer wieder gerne unterschätzt wird, denn manche Läufe um die Bestzeit können schon spannender sein als das anschließende Rennen, an denen übrigens bis zu zwölf Spieler teilnehmen dürfen. Erfreulich: Auf allen drei Plattformen liefen die Fahrten auch bei einem großen Starterfeld überwiegend lagfrei ab. Größere Probleme gibt es im Vorfeld bei der Sessionwahl, da in ca. 80 Prozent der Fälle die Verbindung abbricht, bevor man überhaupt in der Lobby landet - warum auch immer. Leider gibt es im Vorfeld kein Indiz zur Verbindungsqualität oder darüber, ob das Spiel bereits gestartet wurde. Setzt man selbst eine Lobby auf, wird einem erst richtig bewusst, wie viele Möglichkeiten man hat,

Zieht man unter diesen Bedingungen nicht die richtigen Reifen auf, wird aus dem Highspeed-Rennen schnell eine unkontrollierbare Rutschpartie. 
Regeln und Modi den eigenen Vorlieben anzupassen: So legt man nicht nur fest, welche Fahrhilfen benutzt werden dürfen, sondern entscheidet auch über Wetterverhältnisse, Regelwerk, Schadensmodell und reserviert Slots für Spieler der Freundesliste.

Herr der Lobby

Neben Einzelrennen hat man außerdem auch die Möglichkeit, komplette Meisterschaften zu absolvieren. Wer sich außerdem Sorgen macht, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Teams zu groß sein könnten und man in einem Virgin Racing-Boliden keine Chance gegen McLaren & Co hat, kann per Einstellung dafür sorgen, dass alle Fahrzeuge über die gleichen Werte verfügen. Vielleicht eine der sinnvollsten Optionen ist die Einschränkung des Online-Fahrerranges: Wer keine Anfänger in seiner Lobby sehen will, grenzt einfach den Bereich ein, so dass nur Spieler ab (und bis zu) einem bestimmten Rang teilnehmen dürfen. Und sollte sich dennoch ein Störenfried einschleichen, kann man sich ihm durch ein internes Abstimmungssystem entledigen, mit dessen Hilfe man auch Strecken durch Mehrheitsbeschluss abwählen kann. Sollte sich ein Host mitten im Rennen dazu entscheiden einfach offline zu gehen - was leider immer wieder vorkommt - besteht hier kein Grund zur Sorge, denn in diesem Fall werden die Pflichten eines Lobby-Herren einfach auf einen anderen Spieler übertragen. Allerdings vermisst man einen Zuschauer-Modus - gerade auch angesichts der stylischen Replays, die sich leider immer noch nicht abspeichern lassen. PC-Spieler wird es außerdem wurmen, dass zum Anlegen von Spielständen und für den Onlinemodus ein Games for Windows-Konto vorausgesetzt wird. ACHTUNG: Mit dem jüngsten Update von Microsofts Online-Service verweigert F1 2010 nach aktuellem Stand seinen Dienst!!!    

Fazit

Nach den eher arcadigen Ausflügen in Colin McRae: Dirt und Race Driver: Grid war meine Skepsis groß: Würde es Codemasters als neuer Besitzer der F1-Lizenz tatsächlich schaffen, ein Spiel rund um die Königsklasse zu entwickeln, bei dem der Simulationsanspruch nicht auf der Strecke bleibt? Ja. Auch wenn sich die Boliden oft noch zu gutmütig verhalten, kann F1 2010 mit abgeschalteten Fahrhilfen und schwierig eingestellter KI auch den anspruchsvollen Rennfahrer gut unterhalten, während sich Anfänger mit ABS und interaktiver Ideallinie langsam an den Motorsport heran tasten können. Mir erscheint die Steuerung mit dem Controller zwar etwas zu nervös, doch mit einem ordentlichen Force Feedback-Wheel fühlt man sich fast wie in einem F1-Cockpit - auch wenn die dazugehörige Ansicht im Spiel etwas unübersichtlich geraten ist. Dafür haben es die Positionskämpfe mit der KI in sich, die trotz einiger fragwürdiger Aktionen insgesamt eine gute Figur macht. Das Gleiche gilt mit leichten Abstrichen für das Flaggensystem sowie das Schadensmodell. Begeistert hat mich das dynamische Wettersystem inklusive der dynamischen Veränderung der Streckenbedingungen. Vor allem aber kommt dank kompletter Rennwochenenden, Reifenverschleiß und dem relativ gut umgesetzten FIA-Reglement die F1-Atmosphäre hervorragend rüber, auch wenn man leider auf Siegerehrungen, Grid-Girls & Co verzichtet hat. Doch sobald die V8-Motoren aufheulen, man am Monitor die gespannt die Rundenzeiten der Konkurrenten verfolgt und bei starkem Regen mit den Sichtproblemen kämpft, sitzt man begeistert in seinem virtuellen Monocoque. Für das nächste Jahr wäre neben dem Safty-Car aber ein Splitscreen-Modus sowie eine bessere Einbindung der Interviews in die motivierende Karriere wünschenswert. Auch das Einklinken in die Lobbys sollte noch dringend verbessert werden, denn abgesehen von den vielen Verbindungsabbrüchen im Vorfeld ist der Mehrspielermodus sehr gelungen und läuft erfreulich rund. Damit bleibt zwar immer noch genügend Luft für Verbesserungen, doch die Premiere der Königsklasse auf 360 und PC bzw. die Rückkehr mit einem neuen Teamchef auf der PS3 hat schon in diesem Jahr einiges für den Motorsport-Fan zu bieten: F1 2010 ist mindestens genau so aufregend wie das bevorstehende Saison-Finale!

Pro

anspruchsvolle bzw. einstellbare Fahrphysik
alle Teams, Strecken & Fahrer der Saison 2010
packende Cockpitansicht...
umfangreiche Setup-Optionen
(überwiegend) flüssige Darstellung...
dynamisches Wettersystem
relativ gutes Flaggen- und Strafsystem...
kämpferische KI (Kampflinie)
ständige Weiterentwicklung der Boliden (Karriere)
komplette Grand Prix-Wochenenden spielbar
volles Schadensmodell (optional)
(optionaler) Benzinverbrauch
(optionaler) Reifenverschleiß
Setup-Änderungen während der Fahrt möglich
Überspringen von Sessions
Zeitvorspulen
kerniger Motorensound (individuell pro Team)
starkes Force Feedback
hervorragende (Lenkrad-)Steuerung
animierte Boxencrew
insgesamt gelungene F1-Atmosphäre
manuelle Boxenstopps (optional)
überwiegend lagfreie Onlinerennen (bis zu 12 Spieler)
LAN-Unterstützung
massig Mehrspieler-Optionen
Windschatten
Grip-Niveau der Strecke ändert sich
detaillierte Fahrzeugmodelle
Auswahl an diversen Fahrhilfen
umfangreiche Lenkradeinstellungen
automatischer Host-Wechsel
gelungenes Rangsystem

Kontra

kein Splitscreen-Modus
z.T. fehlerhafter Boxenfunk
...mit Übersichtsproblemen
Rückspiegel meist unbrauchbar
...aber auch vereinzelte Slowdowns (Konsolen)
keine Siegerehrungen
...aber auch einige Fehlentscheidungen
z.T. merkwürdige Fahrmanöver der KI
KI reagiert kaum auf Unfälle
keine (optionalen) mechanischen Defekte
kein Safety-Car
zu wenig Feedback / Infos über Boxenfunk
späte Einblendung von gelben Flaggen / aktuellen Positionen
Strafsystem oft inkonsequent
relativ lange Ladezeiten
oft massiver Zeitverlust bei Boxenstopps aufgrund Verkehrs
keine detaillierten Controller-Einstellungen möglich
sehr nervöse Controller-Steuerung
viele Verbindungsabbrüche (bei Lobbywahl)
GfW-Konto zum Speichern erforderlich (PC)

Wertung

360

Was für ein Comeback für die Formel 1: F1 2010 ist mindestens so aufregend wie der WM-Kampf der aktuellen Saison! Trotzdem bleibt für nächstes Jahr noch Luft nach oben...

PlayStation3

Technisch fährt die Formel 1 auf der PS3 leicht schwächer. Ansonsten identisch zur 360-Fassung.

PC

Im Vergleich zu den Konsolen sieht die PC-Version besser aus und läuft durchgängig rund.

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