The Bureau: XCOM Declassified20.08.2013, Benjamin Schmädig
The Bureau: XCOM Declassified

Im Test:

Völlig egal, dass "XCOM" draufsteht, aber keine Rundentaktik drin steckt: Ich habe mich von Beginn an auf The Bureau gefreut. Ein Shooter, in dem ich zwei Begleitern Befehle erteile und zwischen den Einsätzen neue Agenten trainiere? Klingt fantastisch! Doch leider zeigen sowohl die Action als auch die Taktik große Schwächen.

Typisch USA!

Nordamerika in den 60er Jahren. Der kalte Krieg läuft auf Hochtouren, die Angst vor einem Atomkrieg wächst - und die Außerirdischen greifen an. Wie aus dem Nichts wachsen grauschwarze Türme aus dem Boden, Dörfer und Städte werden binnen Minuten überrannt, die Einwohner wie komatöse Schlafwandler zurückgelassen. Um für einen Überfall der "Roten" gewappnet zu sein, haben die USA einen Bunker tief unter der Erde gebaut und eine Einheit rekrutiert, die abseits militärischer Aktionen ins Gefecht ziehen kann. Ihr Motto: Überleben, anpassen, siegen. Ihr Name: XCOM. Und als verheerende Meldungen aus Washington eintreffen, ist sie Amerikas einzige Hoffnung auf Widerstand gegen den übermächtigen Feind aus dem All.

Wer hätte das gedacht?

Schade, dass The Bureau seine Geschichte viel zu überhastet erzählt. Es überspringt Charakterisierungen und strapaziert die Logik, um von einem Höhepunkt zum nächsten zu hecheln. In einem früheren Video geht der verantwortliche Autor noch auf die gesellschaftlichen Umbrüche im Amerika der 60er Jahre ein - im fertigen Spiel sind solche Zwischentöne praktisch nicht mehr vorhanden. Da geht es nur noch recht oberflächlich um Rauhbein William Carter, der als Kriegsveteran kleine Einsatzkommandos im Kampf gegen die Außerirdischen leitet.

Eins hat die ausgesprochen ereignisreiche Handlung für sich: Sie spinnt einen roten Faden, der immer wieder eine überraschende Wendung nimmt oder dort weiterläuft, wo ich es nicht erwartet hatte. Tatsächlich fühlt sich schon der Mittelpunkt wie ein Showdown an, dabei nimmt die Geschichte anschließend erst richtig Fahrt auf. Unheilvolle Geheimnisse und bezaubernde Offenbarungen stillen meinen Hunger nach Science-Fiction-Klischees. Ganz ohne Häme ist die ambitionierte Erzählung auf dem Niveau eines B-Movies richtig unterhaltsam!

Widerstand ist zwecklos!

Aber was habe ich über das Spiel geflucht! Da springt mein Begleiter einer Granate aus dem Weg, nur um anschließend zurück in den Explosionsradius zu laufen - mir bleibt nur

Einen Preis wird die Technik nicht gewinnen, The Bureau zeigt allerdings weite Panoramen mit beeindruckenden Hintergründen.
Einen Preis wird die Technik nicht gewinnen, The Bureau: XCOM Declassified (ab 5,58€ bei kaufen) zeigt allerdings einige beeindruckende Panoramen.
der Klick auf "Letzter Checkpunkt". Den Fehler wiederholt er an derselben Stelle beliebig oft - "Letzter Checkpunkt". Wenn mein Mitstreiter kurz vor dem Ableben wenigstens den Kopf einziehen würde. Wenn ich ihm wenigstens befehlen könnte, ein paar Minuten lang den Kopf einzuziehen... Nichts davon ist möglich. Das soll Taktik sein?

Und der Shooter? Im gefühlten Schneckentempo kriecht Carter von Deckung zu Deckung. Behäbig drückt er sich aus einem Versteck hervor, um ins nächste zu sprinten. Nein, dynamisch fühlt sich die Action nicht an. Auf den Konsolen fällt zudem die vergleichsweise niedrige Bildrate auf. Ich fluche spätestens dort, wo der letzte verbleibende Kamerad nach der Explosion jener "unausweichlichen" Granate mal wieder am Boden liegt: Um sein Leben zu retten sprinte ich auf ihn zu, kann den verletzlichen Carter aber nicht schnell genug drehen, damit er in Deckung geht - "Letzter Checkpunkt"? Nein, danke!

Die ersten Stunden waren schwer, denn gerade am Anfang zeigen sich die größten Schwächen des Spiels: Sein Held ist zu träge für die rasante Action und zum sinnvollen Taktieren fehlen ihm clevere Mitstreiter sowie wichtige Optionen.

Kannste was, biste was

Dabei sind einige Bausteine klasse. Stirbt etwa ein Agent, verliere ich ihn und seine Talente. Ich darf zwar neue Kämpfer anheuern und gewinne hin und wieder einen

Rettung vor dem Verbluten: Vor allem ausgebildete Agenten sind wichtig.
Rettung vor dem Verbluten: Vor allem ausgebildete Agenten sind wichtig.
erfahrenen hinzu. Im Allgemeinen lernen sie neue Fähigkeiten aber nur durch die Praxis vieler Einsätze. Dafür darf Carter zwischen den zentralen auch freiwillige Aufträge erledigen und seine Agenten auf Missionen schicken, die sie selbstständig erledigen. In jedem Kampf sammeln sie Erfahrung, die ich gegen neue Fähigkeiten tausche.

Wie ich Carter und seine Partner ausbilde, bleibt mir überlassen. An einigen Stellen ihres Trainings habe ich die Wahl: Raketen- oder Lasergeschütz, bessere Trefferquote oder stärkeren Schutz vor Schaden, Unsichtbarkeit oder ein die Gegner ablenkendes Hologramm sind einige der Möglichkeiten. Die Spezialisierung eines Agenten ist allerdings von Beginn an vorgegeben: Nur Pioniere legen Minen, Commandos ziehen die Aufmerksamkeit eines Gegners auf sich, Aufklärer fordern Artilleriefeuer an und Unterstützer erschaffen Schutzschilde. Als Carter kann ich Kameraden heilen, eine Drohne in den Kampf schicken und mehr.

Welchen Kampf sollen sie kämpfen?

Weil ihn immer zwei Agenten begleiten, experimentiere ich dabei mit taktischen Varianten. Mal zieht ein Commando schwere Gegner auf sich, während er sich im Schutzschild verbirgt, mal hebt Carter einen Feind, mal den eigenen Geschützturm in die Luft. Ich könnte Schilde zerstören oder Feinde aus ihrer Deckung zwingen, um kurz darauf einen vernichtenden Schuss abzugeben. Ja, als mein Team wuchs und mit ihm meine

Vom Ego-Shooter zur Taktik-Action

2K Marin (BioShock 2) stellte das Spiel zunächst als XCOM vor - lange bevor die Rundentaktik XCOM: Enemy Unknown angekündigt wurde. Es sollte ein Ego-Shooter sein, in dem Carter neben der Außerirdischenbekämpfung Forschungsgegenstände sammeln konnte; erwähnt wurde das Knipsen eines Beweisfotos. Je zahl- und erfolgreicher er solche Aufgaben erfüllte, desto besser sollte die Forschung seiner Ingenieure vorankommen - ganz ähnlich wie es die Serientradition vorschreibt, also.

Ein Jahr später war XCOM noch immer ein Ego-Shooter, wechselte allerdings von den Fünfzigern in die 60er Jahre. Die Entwickler zeigten, wie Carter außerirdische Geschütztürme oder riesige mechanische Waffen aufnehmen und daraufhin selbst nutzen konnte. Danach wurde es ruhig um das Spiel...

... bis es als The Bureau: XCOM Declassified wieder auftauchte - als recht geradlinige Mischung aus Action und Taktik. Forschung sowie das Aufnehmen großer feindlicher Waffen spielen keine Rolle mehr. Möglichkeiten, freute ich mich auch über die zunehmenden taktischen Optionen.

Verschiedene Schwierigkeitsgrade stellen mich zudem vor verschiedene Herausforderungen. Schließlich werden die Außerirdischen mit zunehmender Anforderung nicht nur widerstandsfähiger, ich kann auf höheren Stufen auch keine Soldaten mitten im Einsatz rekrutieren. Meine Reserve ist dann also begrenzt, weil mir ohnehin nur zwei Handvoll Agenten zur Verfügung stehen. Auf dem anspruchsvollsten Level kann ich verletzte Begleiter außerdem stabilisieren, bis zum Ende des Kampfes bleiben sie allerdings außer Gefecht. Und der zeitweilige Verlust ihrer wertvollen Fähigkeiten ist schmerzhaft!

Die Hand hinter der Kulisse

Allerdings zieht sich das Spiel selbst die Zähne, denn selbst einen gestorbenen Agenten kann ich jederzeit kontern - der letzte Checkpunkt liegt ja bis auf Ausnahmen direkt vor dem aktuellen Kampf. Wenn ich wenigstens um die harte Arbeit langer Minuten zittern müsste...

Überhaupt nimmt mich dieses XCOM-Abenteuer auf eine Weise an die Hand, die ich als störend empfinde. Störend, weil an allen Ecken und Enden verschiedene Waffen herum liegen. Störend, weil ich an Versorgungskisten selbst mitten in einer feindlichen Basis neue Männer erhalte. Störend auch, dass Talente wie ein sehr mächtiger Schuss durch Mauern trifft, Artillerie selbst in Innenräumen voll einschlägt. Mit derartigen Hilfen greift The Bureau so offensichtlich aus einer Welt hinter den Kulissen ins Spiel ein, dass es die Illusion zerstört.

Nicht, dass die Kulissen eine Ausgeburt der Fantasie wären: "Rastplätze" sind strikt von Gefechtsarealen getrennt und auch wenn oft ein Weg rechts, einer links und einer durch die Mitte führt, sind fast alle Schauplätze überschaubare Gräben. Nicht nur deshalb scheint sich vieles zu wiederholen; auch die Gegner könnten abwechslungsreicher sein.

Eine Frage der Geschwindigkeit

Irgendwann hatte ich den Dreh jedenfalls raus: Sobald ein Kampf beginnt, löse ich erst einmal sämtliche Fähigkeiten Carters und seiner Agenten aus. Dann beobachte ich, was passiert. Es ist durchaus befriedigend, wenn ein Geschützturm und zwei mechanische Helfer den Aliens zusetzen! Zumal ich Fähigkeiten und Stellungsspiel aufgrund unterschiedlicher Abklingzeiten von jetzt an besser kombinieren muss. Abgesehen davon sind manche Feindgruppen richtig harte Nüsse und ohne geschicktes Taktieren kaum zu knacken, Carter und seine Männer hingegen sehr verwundbar. Umso wichtiger wird das richtige Positionieren. Hier ärgern mich zwar viele unnötige Verletzungen der Mitstreiter, zumindest darf ich sie aber an eine gewünschte Stellung schicken und Befehlsketten aneinander reihen. Dass sie anschließend eben unaufgefordert zu mir zurück laufen, gehört zu den unsinnigen Fehlern und verhindert clevere Positionskämpfe.

Und so wenig The Bureau als schneller Shooter funktioniert, so sehr zwingt mich die rasante Action zu flinken Entscheidungen - das flotte Taktieren gewinnt dadurch an Spannung. Auch deshalb, weil die Zeit beim Erteilen von Befehlen nicht stehen bleibt, sondern ganz langsam weiterläuft. Langsam genug, damit ich sinnvoll Befehle erteilen kann, aber schnell genug, damit der Nervenkitzel spürbar bleibt.

Unverbindliche Auskunft

Trotz der anfänglichen Stolpersteine erinnern die taktischen Scharmützel also durchaus an die packenden Gefechte eines XCOM: Enemy Unknown. Einen anderen Aspekt des geistigen Bruders fängt The Bureau: XCOM Declassified allerdings nicht ein: Auf die

Die Basis ist ein stimmungsvoller, spielerisch aber recht leerer Ort.
Die Basis ist ein stimmungsvoller, spielerisch aber recht leerer Ort.
Entwicklung meiner Ausrüstung habe ich praktisch keinen Einfluss. Auch das Hauptquartier baue ich nicht aus. Schließlich ist Carter nicht Kommandant dieser Basis, sondern Befehlsempfänger. Er oder seine Männer finden lediglich neue Ausrüstungsgegenstände, vornehmlich wertesteigernde Rucksäcke der Marke "erhöhter Schaden" oder "kürzere Abklingzeit".

Und so sehr ich das stimmungsvolle Herumlaufen im Hauptquartier auch genieße - Instrumente aus einer Zeit vor dem Computerzeitalter, das überzeichnete Grün der Monitore auf den Gesichtern der Analysten -, im Grunde streckt es nur die Zeit zwischen vielen langen Dialogen. Meist stehen sich die Unterhalter dann starr gegenüber und erklären mir die Handlung. Geschenkt, dass ich oft die Wahl habe, welches Thema Carter als nächstes anschneidet: Meine Wahl hat keine Konsequenzen und meist kann ich den Austausch beliebig wiederholen.

Fazit

Die langatmigen Gespräche in der spielerisch leeren Basis sind symptomatisch für das Spiel: Es stecken gute Ideen drin und viele werden richtig umgesetzt. Das Entwickeln der Agenten etwa, das Kombinieren ihrer Fähigkeiten im Kampf sowie die Sorge um den Tod der Kameraden. Über die interessanten Talente meiner Agenten und das Dirigieren im Zeitraffer habe ich irgendwann den Groove des schnellen Taktik-Shooters gefunden. Dem fehlen allerdings wichtige Bausteine. Wieso darf ich meine Begleiter z.B. nicht anweisen, sich an einer entfernten Position zu verbarrikadieren? Und warum geraten sie durch unsinnige Fehler in Schwierigkeiten? Abgesehen davon steht The Bureau die rasante Action nicht gut, weil die trägen Bewegungen des Helden schlecht zum flotten Ablauf passen. Viele Vereinfachungen sind zudem faule Kompromisse: Manche Schüsse schlagen durch Wände, Versorgungskisten im feindlichen Stützpunkt zerstören die Illusion und die ständigen Checkpunkte machen das Spiel zu leicht. Unterm Strich bin ich ausgerechnet für die holprige Geschichte am Ball geblieben. Die bedient sich mit interessanten Wendungen immerhin so geschickt in der Klischeekiste, dass der Science-Fiction-Nerd in mir zufrieden war. Mehr allerdings nicht.

Pro

wendungsreiche Geschichte...
taktische Kombinationen unterschiedlicher Talente
optionale Einsätze zum Entwickeln neuer Fähigkeiten
harte Gefechte und Gefahr des Verlusts wichtiger Agenten
freies Bewegen im Hauptquartier...
selten genutztes Szenario mit einige eindrucksvollen Panoramen
freie, wenn auch bedeutungslose Entscheidungen über Dialogverlauf

Kontra

...die holprig und überhastet erzählt wird
die meisten Kämpfe ähneln sich stark
Schüsse von Spezialfähigkeiten gehen durch Decken und Wände
Steuerung für den schnellen Shooter viel zu sperrig
...das schnell zum langatmigen Dauerjogging wird
Begleiter machen blöde Fehler
unsinnig: Begleiter im Kampf wechseln, Versorgungskisten in feindlichen Basen u.v.m.
Musik oder Ton fehlen gelegentlich
es fehlen wichtige Befehle, u.a. für offensives/defensives Verhalten
nennenswertes Stellungsspiel aufgrund KI und enger Räume kaum möglich

Wertung

360

Auch auf Konsole ist The Bureau ein Spiel mit interessanten Ideen und auffälligen Schwächen. Zusätzlich fällt die niedrigere Bildrate beim Zielen auf.

PC

The Bureau erzählt von den spannenden XCOM-Anfängen, allerdings haben sowohl der Shooter als auch die Taktik Schwächen.

PlayStation3

Auch auf Konsole ist The Bureau ein Spiel mit interessanten Ideen und auffälligen Schwächen. Zusätzlich fällt die niedrigere Bildrate beim Zielen auf.

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