El Shaddai: Ascension of the Metatron08.09.2011, Jens Bischoff
El Shaddai: Ascension of the Metatron

Im Test:

Takeyasu Sawaki sorgte schon bei Okami für ein famoses Artdesign. Und auch El Shaddai fällt vor allem durch seine grafische Gestaltung auf. Was hier an markanten Kulissen, bizarren Effekten und einzigartigen Stimmungen geboten wird, ist wirklich beeindruckend. Doch kann auch der spielerische Unterbau überzeugen?

Engeljagd in Blue Jeans

El Shaddai befasst sich mit biblischen Motiven wie den Erzengeln, der Sintflut oder dem Turmbau zu Babel und basiert auf den Büchern Enochs, der laut Überlieferung von Gott in den Himmel berufen wurde, wo er seine Erlebnisse zu Papier brachte. Sawaki stellt ihn als blonden Schönling in Blue Jeans dar, der den Auftrag erhält sieben gefallene Engel zurückzuholen, um die von ihnen korrumpierte Menschheit vor der Sintflut zu bewahren.

Zuerst muss er jedoch den Unterschlupf der Himmelsflüchtlinge ausfindig machen, einen verschleierten Turm, in dem jeder der sieben abtrünnigen Engel ein Stockwert bewohnt, das seine Sünden verkörpert. Unterstützung bekommt er dabei in erster Linie vom stets lakonischen Lucifel, der via Handy in direktem Kontakt mit Gott zu stehen scheint und regelmäßig auf den Plan tritt, um Enoch beiläufig zu belehren sowie dessen Fortschritte zu speichern.

Das ist auch gut so, da sich die Engel nur mit roher Gewalt zur Rückkehr bewegen lassen, auch wenn Enoch erst gar keinen Diskurs sucht und bis auf zwei Sätze zu Beginn das ganze Spiel über stumm bleibt. Auch die Story bleibt trotz angenehm bizarrer Gestalten und Monologe à la Shin Megami Tensei erzählerisch recht dünn. Hin und wieder droht selbst das ungewöhnliche Szenario ins Lächerliche abzudriften, wenn dildoartige Bastarde mit riesigen Luftballons durch die Gegend schweben oder homoerotische Engel im Discoanzug das Tanzbein schwingen...

Die Waffen des Himmels

El Shaddais Artdesign verzaubert mit einzigartigen Bildern.
El Shaddais Artdesign verzaubert mit einzigartigen Bildern.

Kommt es zum Kampf, kann Enoch neben bloßen Fäusten auch göttliche Waffen einsetzen, die er Gegnern entwenden oder speziellen Kapseln entnehmen kann. Zwar gewährt jede Waffe unterschiedliche Angriffs- und Bewegungsmöglichkeiten, deren Wirksamkeit von Widersacher zu Widersacher stark variiert, aber da es nur wenige Gegnertypen, gerade mal drei Waffen und lediglich eine Angriffstaste gibt, wird der fachgerechte Einsatz schnell zur Routine. Lediglich bei Bosskämpfen muss man Verhaltensmuster neu studieren, Abläufe planen oder auch mal mitten im Kampf die Waffe wechseln.

Auf höheren Schwierigkeitsgraden, die man erst freispielen muss, kann es zwar auch gegen Standardgegner durchaus brenzlig werden, aber nur weil sie länger am Leben sind und ihre Treffer mehr Schaden verursachen, nicht aber weil ihre Aktionen an sich durchdachtere Gegenmaßnahmen erforderten. Trotzdem ist es immer wieder befriedigend, die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel optimal einzusetzen. Egal, ob perfekt getimte Paraden, Ausweichmanöver, Abwehrbrecher oder Angriffsketten, es ist schon erstaunlich, was man mit nur drei Waffen und Aktionstasten (Springen, Angreifen, Blocken) alles bewerkstelligen kann.

Die Waffen verfügbaren nicht nur über individuelle Angriffs-, sondern auch Bewegungsmöglichkeiten.
Die Waffen verfügen nicht nur über individuelle Angriffs-, sondern auch Bewegungsmöglichkeiten.

Zudem gilt es stets den Zustand der aktuellen Waffe im Auge zu behalten. Verfärbt sie sich nicht etwa vom Blut, sondern der Verdorbenheit ihrer Opfer rot, sollte man sie reinigen, um ihre volle Durchschlagskraft wiederherzustellen. Auch hier ist Timing gefragt, da man während der Säuberung kurze Zeit wehrlos ist. Alternativ kann man auch versuchen, sich rechtzeitig eine andere Waffe zu schnappen oder seine Angriffe im späteren Spielverlauf mit einem vorübergehenden Overboost samt abschließender Entladung zu untermauern.

Tödliches Spielzeug

Enochs erstes Tötungswerkzeug ist der so genannte Arch, eine leichte, bogenförmige Klinge, die schnelle, akrobatische Angriffe erlaubt. Mit dem kreisförmigen Gale wird er hingegen zum Schützen, der mit blitzschnellen Positionswechseln aus der Distanz angreift. Eher behäbig, aber umso zerstörerischer präsentiert sich der Veil, den Enoch zusammengesetzt als schützendes Schild und entzwei gebrochen als überdimensionale Schlagringe einsetzen kann.

Die Waffenwahl wirkt sich nicht nur auf das Kampfgeschehen, sondern auch das allgemeine Bewegungsrepertoire aus. So kann Enoch mithilfe des Veils Felsblockaden zerschmettern, mittels Arch langsam zu Boden gleiten sowie mit ausgerüstetem Gale über klaffende Abgründe preschen. Entscheidend zum Vorankommen sind diese Manöver zwar nur selten, aber oftmals können mit der passenden Waffe versteckte Sammelobjekte wie Heilungen, Boostverstärkungen oder Notizbücher erbeutet werden. Für besonders seltene Fundstücke muss man sich sogar durch Portale in die Unterwelt begeben, in der zwar keine Gegner lauern, zu lange Aufenthalte aber trotzdem das Leben kosten.

Wie nah ein Gegner dem Tod ist, erkennt man anfangs nur am Zustand seiner Rüstung.
Wie nah ein Gegner dem Tod ist, erkennt man am Zustand seiner Rüstung.

Unterwegs werden auch abseits Lucifels Speicherangebote immer wieder Checkpoints gesetzt, von denen aus Enoch im Todesfall seinen Auftrag fortsetzen kann. Darüber hinaus können auch sofortige Wiederbelebungen an Ort und Stelle erwirkt werden, wenn man schnell genug auf die Aktionstasten hämmert, bevor sich Enochs Augen schließen. Da die Zeit hierfür aber von Mal zu Mal knapper wird, ist schnell zu Ende reinkarniert.

Später Mühe Lohn

Die Lebensenergie von Enoch und seinen Gegnern muss man dabei am Zustand der getragenen Ausrüstung ablesen. Diese bröckelt mit jedem Treffer etwas ab bis sie keinerlei Schutz mehr bietet. Wird der Zustand kritisch, gesellen sich auch Herzklopfen und Sichttrübungen hinzu. Detaillierte Energieleisten gibt es zwar auch, können aber genauso wie höhere Schwierigkeitsgrade sowie Kapitel- und Kostümwahl erst nach Spielende aktiviert werden. Auch ein Punktezähler für Online-Ranglisten steht erst nach dem Abspann zur Verfügung.

Die 2D-Abschnitte bieten meist klassische Jump'n'Run-Kost.
Die 2D-Abschnitte bieten meist klassische Jump'n'Run-Kost.

Für die insgesamt zwölf Kapitel benötigt man beim ersten Mal etwa acht bis zehn Stunden, wobei es nicht nur Kämpfe zu bestreiten, sondern auch Hüpfpassagen sowie Kombinationen aus beidem zu meistern gilt. Hin und wieder müssen auch Schalter umgelegt, Bodenplatten aktiviert oder Fallen vermieden werden. Erwähnenswerte Rätsel- oder Geschicklichkeitseinlagen abseits kniffliger Sprungstafetten gibt es jedoch keine. Dafür aber eine überraschend gut inszenierte Motorradfahrt, von der man sich gern mehr gewünscht hätte.

Kunstwerk mit Schönheitsfehlern

Generell wird das Spielgeschehen die meiste Zeit aus einer vollautomatischen Schulterperspektive präsentiert, deren virtueller Kameramann zwar die meiste Zeit einen guten Job macht, aber gerade bei Sprungeinlagen nicht immer den besten Blickwinkel wählt und Enoch manchmal sogar komplett aus den Augen verliert. Gelegentlich wird die Übersicht durch irritierende Effekte auch noch zusätzlich erschwert, was in heiklen Situationen ziemlich an den Nerven zehren kann.

Gehüpft wird auch in 3D, was aufgrund irritierender Blickwinkel und Effekte aber oft Nerven kostet.
Gehüpft wird auch in 3D, was aufgrund irritierender Blickwinkel und Effekte aber sehr frustrierend sein kann.

In den immer wieder eingeflochtenen 2D-Abschnitten gibt es diese Störfaktoren deutlich seltener, obwohl sich auch hier mitunter Objekte zwischen Spielfigur und Kamera drängen. Doch egal, ob 2D oder 3D, die grafische Gestaltung der Spielabschnitte ist absolut sehenswert. Mal erklimmt man ein sakrales Fensterbild, mal wähnt man sich in einem Relief, Aquarell oder Negativfilm. Dann wiederum beginnt die Kulisse zu pulsieren, Farben zerfließen und schaffen einzigartige Stimmungen, während sich groteske Gestalten aus dem Boden schälen.

Auch die musikalische Gestaltung sorgt mit ihrer Mischung aus Orgelklängen und Chorälen aber auch heidnischer Folklore stets für die passende Untermalung. Schade nur, dass sowohl die amerikanische als auch die ebenfalls verfügbare japanische Originalsprachausgabe immer wieder lippenasynchron eingespielt wird. Auch die deutschen Texte und Untertitel wirken teils sehr schludrig. PS3-Besitzer müssen zudem vor Spielbeginn eine 4,5 GB verschlingende Zwangsinstallation über sich ergehen lassen. Auf der 360 konnen im späteren Spielverlauf hingegen gravierende Bildaussetzer auftreten - egal, ob man von Platte oder DVD spielt.

Fazit

Über den fast gänzlich stummen androgynen Protagonisten El Shaddais sowie dessen bizarrer, aber erzählerisch doch recht dünner Engelsjagd, kann man geteilter Meinung sein. Aber eines muss man Takeyasu Sawaki lassen: Das Artdesign ist wie schon bei Okami eine Klasse für sich und wird meist von stimmungsvollen Kompositionen, Chorälen und Folkloreklängen perfekt untermalt. Auch spielerisch wird man trotz spärlicher Gegner-, Waffen- und Aktionsvielfalt gut unterhalten. Vor allem der Wechsel zwischen 3D- und 2D-Passagen sowie gelungene Intermezzi wie das furiose Motorradrennen in Azazels Hightech-Welt stechen heraus. Die Brachialität eines God of War oder die Eleganz einer Bayonetta werden allerdings nie erreicht, während die Spielansicht aufgrund ungünstiger Blickwinkel und irritierender Effekte gerade bei Sprungpassagen oft unnötig an den Nerven zehrt. Actionfans mit einem Faible für ungewöhnliche Geschichten und Darstellungsformen sollten sich davon aber nicht abhalten lassen, auch wenn der Inhalt nicht annähernd so fasziniert wie die Verpackung.

Pro

grandioses Artdesign
eingängige Steuerung
taktische Bosskämpfe
interessantes Szenario...
stimmungsvolle Soundkulisse
waffenabhängige Bewegungsmöglichkeiten

Kontra

teils arge Übersichtprobleme
fast gänzlich stummer Protagonist
auf Dauer monotone Standardkämpfe
...das erzählerisch weitestgehend blass bleibt
mitunter herbe Bildratenprobleme (360)

Wertung

360

Biblisches Action-Adventure, hinter dessen famoser Fassade recht gewöhnliche sowie teils stotteranfällige Hüpf- und Kampfaction steckt.

PlayStation3

Biblisches Action-Adventure, hinter dessen famoser Fassade recht gewöhnliche Hüpf- und Kampfaction steckt.

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