Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 219.07.2011, Paul Kautz
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2

Im Test:

Harry Potter-Spiele waren scheinbar mit einem Glückszauber gesegnet: Nie wahnsinnig toll, aber auch nie schlecht, machten immer Spaß und sorgten bei Groß und Klein für fröhliches Lächeln im Gesicht. Bis auf den letzten Teil - der ging dermaßen brachial in die Hose, dass man davon ausgehen konnte, dass der dunkle Lord höchstpersönlich seine Finger bei der Entwicklung im Spiel hatte. Nicht die allerbesten Vorzeichen für den Abschluss der Reihe...

Harry Potter und die Waffenkammer des Schreckens

Die Bücher um Gevatter Blitzstirn und seine Freunde wurden von Teil zu Teil immer erwachsener und düsterer, die Filme ebenso - da war es nahe liegend, dass auch die Spiele diesem Schema folgen. Und was ist erwachsener und düsterer als Gears of War? Genau - nix! Muss sich jedenfalls ein Verantwortlicher bei EA gedacht haben, als das Konzept für Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 1 auf den Tisch gebracht wurde. Resultat: Aus dem einstigen Action-Adventure wurde ein reiner Deckungsshooter - und ein furchtbarer noch dazu, was mir auch im Nachhinein immer noch Kopfschmerzen machte und dem Spiel eine 26%-Brandmarke bei uns einbrachte.

Die schlechte Nachricht: Der zweite Teil der Todes-Heiligtümer (HP 7.2) ist ebenfalls ein reines Actionspiel - es gibt nicht ein klitzekleines Puzzle, das sich in den vier bis fünf Stunden Durchspielzeit versteckt. Nur acht Zaubersprüche, die meisten davon offensiv und mit ihren Buch-Pendants im Großen und Ganzen nur den Namen gemeinsam haben: Stupor ist das Standard-Schuss, Expulso ist quasi das MG, Confringo der Raketenwerfer, Petrificus Totalus das Scharfschützengewehr (wie funktioniert der Trick mit dem zoomenden Zauberstab?), Expelliarmus der Schild-Sprenger. Die gute Nachricht: Die Zeiten des Stupor-Dauerfeuers sind vorbei, was zwei Gründe hat: Erstens wird jetzt nicht mehr bei jedem Schuss geschrien, meine Ohren tanzen eine Freuden-Samba. Zweitens wird das Fadenkreuz mit jedem Schuss größer und der Schuss damit ungenauer - man muss also gezielter, vereinzelter feuern und vor allem immer wieder zwischen den Waffen wechseln, die nach und nach freigeschaltet werden: Zur Begrüßung eine Granate ins Gesicht, danach weg mit dem schützenden Schild, gefolgt von einem MG-Bombardement, dann isst auch der härteste Anhänger Voldemorts ganz sprichwörtlich den Tod. Natürlich gibt es erneut ein Deckungssystem, das jetzt nicht nur Makulatur ist wie im ersten Teil - man muss es tatsächlich sehr oft nutzen.

Ich bin ganz schön viele

Wie schon beim ersten Teil gibt es auch hier erstaunlich wenig Abwechslung in den Reihen der Gegner: Todesser in mehreren Varianten, Häscher, Spinnen - das war's. Abgerundet wird dieses magere Angebot von Bossgegnern wie Professor Snape, einem mächtigen Giganten, Fenrir Greyback, Bellatrix Lestrange sowie natürlich seine Dunkellordigkeit Voldemort höchstselbst. Diese Kämpfe sind in den meisten Fällen weitaus interessanter als die gegen Ottonormal-Nervsack, da sie über mehrere Instanzen gehen, die gelegentliche Standortwechsel sowie seltene Knöpfchendrück-Reaktionstests mit sich bringen. Außerdem erblickt man die Welt abermals nicht nur durch Harrys Brille, sondern schlüpft auch mal in andere Klamotten - u.a. steuert man Hermine, Ron, Professor McGonagall oder Ginny Weasley. Der Unterschied ist allerdings nur ein optischer: Okay, die olle Professorin ist langsamer unterwegs als die jungen Hüpfer, aber sonst werden nur Texturen getauscht; die Zaubersprüche sind für alle gleich. Oder für fast alle, denn apparieren darf aus irgendeinem Grund nur Harry.

Aus dem einstmaligen Action-Adventure ist ein reiner Shooter geworden - mit verschiedenen Waffen (sprich: Zaubersprüchen), Deckungssystem und Selbstheilung.
Aus dem einstmaligen Action-Adventure ist ein reiner Shooter geworden - mit verschiedenen Waffen (sprich: Zaubersprüchen), Deckungssystem und Selbstheilung.
Neben der Standard-Action gibt es immer wieder mal Sondermissionen. Gleich mehrmals muss man auf Personen aufpassen, etwa Hermine, während sie eine Tür öffnet oder Ron, der auf dem Weg zur Kammer des Schreckens seine Arachnophobie kultiviert. Und wie fast immer bei dieser Spieldesign-Idee gilt auch hier: NERV! Wie ich es hasse, für andere den Babysitter spielen zu müssen, die sich vor lauter Aufregung grundsätzlich selbst in den Fuß schießen! Vor allem, da an dieser Stelle gleich zu Beginn ein mächtiger Logikfehler wartet: Hermine, die begabteste aller Hexen, braucht eine Weile, um eine mit mächtigem magischem Siegel verschlossene Tür zu öffnen? Ist genehm. Aber wie kriegt sie das Ding nach aller Rumwurschtelei dann schließlich auf? Mit Alohomora, dem Öffnungsmechanismus, den bereits die Erstklässler in Hogwarts lernen! Ich bin wirklich kein Harry Potter-Erbsenzähler, aber mal ernsthaft: Ernsthaft? Und wo wir schon dabei sind: Was sind das eigentlich für magische Sprengsätze, die Seamus Finnigan an der Hogwarts-Brücke befestigen muss? Wessen »Im Westen nichts Neues«-Flashback ist denn für diese bescheuerte Idee verantwortlich?

Die kleinen Dunkellords

Die Erzählung ist spieletypisch nur bruchstückhaft vorhanden, aber sie folgt grob dem Buch: Man beginnt in Gringotts Bank, schlägt sich durch Hogsmeade, erreicht Hogwarts, sucht dort die Kammer des Schreckens auf und bereitet sich auf den Großangriff des dunklen Lords vor - u.a mit erwähnter Sprengsatzlegung inkl. Scharfschützen-Deckung seitens Neville Longbottom. Danach wehrt man einen Giganten ab, sucht das Diadem von Rowena Ravenclaw im Raum der Wünsche und duelliert sich schließlich gleich mehrfach mit Voldemort. Zwischendurch gibt es immer wieder mal Fluchtszenen von hinten nach vorne in den Bildschirm hinein, die dem Spiel mit viel explodierendem Gerümpel und geschicktem Zeitlupen-Einsatz eine erstaunliche Dramatik verleihen - aber leider ein paar Mal zu oft bemüht werden.

Neben der Kampagne (die anfangs zwei Schwierigkeitsgrade bietet, der dritte muss freigespielt werden) gibt es noch einen Herausforderungs-Modus - jedenfalls, wenn man im Story-Modus die Augen offen hält. Denn da liegen immer wieder mal leuchtende Objekte in der Gegend, die für drei Dinge gut sind: 1.) schalten sie Herausforderungen frei - was nichts anderes ist als die bereits bekannten Levels, nur dieses Mal mit Timer sowie der Möglichkeit, seine Bestzeiten mit der Online-Welt zu vergleichen. 2.) erhält man dadurch die Möglichkeiten, sich 3D-Modelle der wichtigsten Charaktere des Spiels nah und rotierend ansehen zu dürfen - wer's mag. 3.) werden dadurch nach und nach alle Stücke des exzellenten Soundtracks von

Im Laufe der Kampagne steuert man mehrere Figuren - u.a. tritt man mit Prof. McGonagall gegen einen dicken Giganten an. Allerdings unterscheiden sich die Figuren nur optisch, spielerisch sind sie über weite Teile identisch.
Im Laufe der Kampagne steuert man mehrere Figuren - u.a. tritt man mit Prof. McGonagall gegen einen dicken Giganten an. Allerdings unterscheiden sich die Figuren nur optisch, spielerisch sind sie über weite Teile identisch.
James Hannigan freigeschaltet. Und der lohnt sich für verwöhnte Ohren auf jeden Fall! Die dürften sich auch darüber freuen, dass die deutsche Sprachausgabe gar nicht schlecht ist und von einem Teil der Original-Synchronsprecher übernommen wurde. Das gilt leider nur zu einem ungleich kleineren Anteil auch für das englische Original: Nur wenige Ausnahmen wie Rupert Grint (Ron Weasley), Evanna Lynch (Luna Lovegood) oder Devon Murray (Seamus Finnigan) ließen sich vor das Mikro zerren, ein großer Teil der bekannten Figuren wurde von ähnlich klingenden Engländern eingesprochen.

Technisch war Teil 1 eine mittelschwere Katastrophe - dankbarerweise haben es auch hier die Entwickler vermieden, diesen Fußspuren zu folgen. Zwar ist HP 7.2 kein Augenzucker, aber es gibt interessant aufgebaute Levels wie den Weg zur Kammer des Schreckens (in deren Hintergrund düstere Augenpaare herumkrauchen) oder den Raum der Wünsche, wo es aussieht wie bei Malfoys unterm Sofa. Das Ganze wird wie gewohnt aus der Schulterperspektive präsentiert, wodurch man die etwas hüftsteif animierten Figuren gut zu Gesicht bekommt: Die Gesichter sehen immer noch ziemlich wächsern aus. Die Lichteffekte sind gelungen, das Hauptmenü passt sich grafisch dem aktuellen Kampagnen-Fortschritt an - alles in allem nicht übel. Allerdings gibt es einige Aussetzer wie das teilweise heftige Texturen-Poppen oder die merkwürdigen Verzerrungen um die Figuren der Wii-Version, wenn man schnelle Bewegungen macht. Mit Ausnahme der Auflösung und der Details sind die Fassungen für PC, 360, PS3 und Wii übrigens identisch.

Fazit

Ich habe jedes HP-Buch gelesen, und war traurig, als es vorbei war. Ich habe jeden HP-Film gesehen, und war traurig, als es vorbei war. Ich habe fast jedes HP-Spiel gespielt - und hatte nach dem furchtbaren letzten Teil verdammt große Angst um das Heil meiner Seele, wenn das abschließende Spiel zum Test auf meinem Schreibtisch materialisiert. Mit derart in den Boden gekurbelten Erwartungen konnte ich eigentlich nicht enttäuscht werden - und zu meiner mächtigen Überraschung wurde ich das auch nicht. Ganz im Gegenteil, ich bin sogar beeindruckt - EA Bright Light hat konsequent fast alles aus Teil 2 verbannt, was Teil 1 so furchtbar machte: Deutlich weniger Zauberspruch-Geschrei, keine nutzlose Extras-Sammelei, kein nervender Unsichtbarkeits-Dreck, keine Haare ausfallen lassende Kinect-Unterstützung, deutlich bessere Grafik. Zurück bleibt ein deutlich besseres, aber immer noch kein gutes Spiel: Es ist ordentlich inszeniert, bietet einen großen Figurenkader und einige interessant aufgebaute Levels. Nichtsdestotrotz ist das Design im Allgemeinen uninspiriert, die Charaktere unterscheiden sich nur optisch, die Kämpfe gegen Klongegner laufen immergleich ab, außerdem wurde mir das Konzept der Flucht in den Bildschirm hinein ein paar Mal zu oft bemüht. Trotzdem: Es mag kein gutes Spiel dabei herausgekommen sein, aber wenigstens eines, das keine körperlichen Schmerzen mehr verursacht. Und das ist doch auch was.

Pro

ordentliche Präsentation
sehr guter Soundtrack
einfache Steuerung

Kontra

belangloses Missionsdesign
simple, immergleiche Gefechte
sehr kurz
schlaffe Gegner-KI
uninteressante Herausforderungen
gelegentlich strunzdumme Designideen

Wertung

360

Ein durch und durch durchschnittlicher Potter-Shooter: Solide inszeniert, spielerisch belanglos und ziemlich kurz.

Wii

Ein durch und durch durchschnittlicher Potter-Shooter: Solide inszeniert, spielerisch belanglos und ziemlich kurz.

PlayStation3

Ein durch und durch durchschnittlicher Potter-Shooter: Solide inszeniert, spielerisch belanglos und ziemlich kurz.

PC

Ein durch und durch durchschnittlicher Potter-Shooter: Solide inszeniert, spielerisch belanglos und ziemlich kurz.

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