DJ Hero 227.10.2010, Mathias Oertel
DJ Hero 2

Im Test:

Vor fast genau einem Jahr versuchte Activision mit DJ Hero sowie und frischer Scratch-Hardware neue Wege im Musikspiel zu beschreiten. Das Ergebnis war ein ambitionierter und unterhaltsamer Ausflug an die Plattenteller, der allerdings im Detail mit Schwächen zu kämpfen hatte und keine Gold-Euphorie auslösen konnte. Ist die Zeit jetzt reif für einen Award?

Rhythmus-Überfluss

DJ Hero 1 stand unter keinem guten Stern. Es wurde veröffentlicht in einem Jahr, in dem man angesichts einer Flut an Rhythmus-Spielen kaum wusste, was man sich nun ins Wohnzimmer stellen sollte. Band Hero, Guitar Hero 5, The Beatles Rock Band, dazu schier zahllose SingStars - nein, DJ Hero hatte es nicht leicht. Erschwerend kam noch hinzu, dass man sich abermals an eine neue Hardware gewöhnen musste, die aus unerfindlichen Gründen Einsteiger eher abzuschrecken schien: Ein Plattenteller/DJ-Pult, mit dem man zwischen den zwei Songs eines Mixes (oder auch"Mash-Up") hin- und her wechseln konnte ("Crossfaden"), während man zur Musik Tasten betätigte und sogar "scratchen" konnte. Das Ergebnis: DJ Hero ging mehr oder weniger unter. Im britischen Sommerurlaub konnte ich sogar Preisreduzierungen auf gut 35 Euro entdecken -

Echte DJ-Battles machen Laune, der Gesang hätte aber gerne an der Garderobe abgegeben werden können.
inklusive Hardware versteht sich. Und das hatte das Spiel wahrlich nicht verdient. Denn abseits des instrumentalen Band-Wettrüstens zwischen EA und Activision war der Mashup-Ausflug eine wohltuende Rückkehr zu alten Rhythmus-Tugenden, die seinerzeit irgendwo auf der PSone mit Parappa the Rappa anfingen.

Erweitertes Vergnügen

Daran hat sich mit DJ Hero 2 (ab 9,69€ bei kaufen) (DJH2) auch nichts geändert. Das Team von Freestyle Games ist sich der Qualität, die man mit Teil 1 ablieferte, bewusst und hat für die Fortsetzung eher behutsam an verschiedenen Punkten angesetzt, um die Mechanik zu verfeinern.

Nach wie vor geht es natürlich darum, sich als DJ am Plattenteller eine möglichst hohe Sternen-Wertung zu verdienen.  Dazu müssen zum einen die von oben nach unten rauschenden Noten im richtigen Moment mit einem Klick auf der entsprechenden Taste des Plattentellers aktiviert werden. Zusätzlich kann man an bestimmten Stellen im Track Soundeffekte verändern und muss die Spuren mit dem Crossfader überblenden sowie an bestimmten Markierungen scratchen, wobei auf höheren Schwierigkeitsgraden sogar die Richtung wichtig ist, in die man die Scheibe bewegt. Die Multiplikatoren wie Euphorie und die Funktion, den Track ein wenig zurückzuspulen, um z.B. punkteträchtige Gebiete nochmals abzugrasen, kennt man ebenfalls. 

Es gibt allerdings auch ein paar neue Mechaniken: So finden sich jetzt z.B. auch Noten, die für einen bestimmten Zeitraum gehalten werden müssen. Und endlich gibt es auch die so genannten "Freestyle"-Spuren. Habe ich im Vorgänger noch die fehlende kreative Freiheit moniert, wird sie jetzt zumindest ansatzweise angeboten. Denn beim Freestyle kann man über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Zwang zwischen den Spuren hin und her wechseln, was das Zeug hält oder mit dem mittleren Effekt-Knopf für eine persönliche Note sorgen - wobei dieser nicht mehr mit einem bestimmten Sound frei belegt werden kann, sondern abhängig vom Song das passende Sample ausspuckt. Aber auch beim Freestylen muss man den Rhythmus behalten, da ansonsten die dazugehörige Wertung in der Endabrechnung gehörig in den Keller geht. Beim Faden bekommt man auch dementsprechend Hinweise in den Spuren, an welchen Stellen es im Rahmen des Mix-Kontextes sinnvoll ist.

Das Ergebnis ist ein deutlich erweitertes DJ-Erlebnis, bei dem man zwar immer noch einen Großteil der Zeit die Leistungen der für die Mash-Ups verantwortlichen Disc-Wirbler nachspielt und auch nach wie vor keine Songs eigenständig verbinden und mashen kann, das aber mit deutlich mehr Freiheit und dadurch auch Spielwitz ausgestattet ist als noch im Vorläufer. Dennoch würde ich mir wünschen, dass ich z.B. eine Liste mit 120 BPM-Songs hätte, von denen ich zwei nach Belieben

Licht- und Bühnenshow werden optimal auf die über 80 Mash-Ups abgestimmt.
zusammenfügen könnte, um damit zu experimentieren. Das würde der Kreativität die Krone aufsetzen.

Party, Kampf, Karriere

Doch dessen ungeachtet setzt sich der Spielwitz in allen Modi fort. In der Karriere bringt man auf seinem Weg zum Top DJ nicht nur an Schauplätzen wie Ibiza, London oder Berlin die Massen zum Kochen, sondern wird auch mit Megamixes und knallharten "Battles" gegen ansgesagte Stars wie z.B. David Guetta konfrontiert.

Deutlich intensiver sind auch die Mehrspieler-Duelle ausgefallen. Und das nicht nur, weil mittlerweile mehr Modi zur Verfügung stehen, um sowohl on- als auch offline den besten Plattenteller-Schubser zu ermitteln, wobei online sogar ein Ranglistensystem mit den so genannten "DJ Punkten" zum Einsatz kommt.

Sondern auch, weil es mittlerweile zu echten Kämpfen kommen kann, bei denen nicht nur beide die gleiche Spur auf der Suche nach der höchsten Punktzahl ablaufen. Diesen Modus gibt es zwar auch noch, doch der hat bei unseren Duellen nur eine geringe Rolle gespielt - auch wenn in der Powerdeck-Variante noch die Wahl des mit bestimmten Eigenschaften versehenen Plattentellers wie z.B. verbesserte Rewind-Fähigkeiten eine Rolle spielt.

      

Wesentlich interessanter ist z.B. die Serie: Hier geht es darum, eine höchstmögliche Aneinanderreihung richtiger Einsätze aufs Pult zu legen und dann im richtigen Moment die Taste zur Sicherung zu drücken. Doch Vorsicht: Einmal gesichert, wird die Serie zurückgesetzt und man startet wieder bei Null. Erschwert wird das taktisch angehauchte Duell-Mixen durch die begrenzte Anzahl an Sicherungsmöglichkeiten, so dass man ständig zwischen Risiko und Nutzen abwägen muss. Eine Erweiterung dieser Mechanik ist der Akkumulator, bei dem die gesicherten Punkte der einzelnen Serien addiert werden, um den Sieger zu ermitteln.

DJ? KO!

Die Checkpunkt- und  DJ-Battle hingegen setzen auf Kontrollpunkt-Rennen: Basierend auf der Leistung der beiden DJs können sie sich Kontrollpunkte sichern. Derjenige mit den meisten Kontrollpunkten ist am Ende der Sieger. Wobei es sogar die Möglichkeit eines erniedrigenden K.O.s gibt, wenn einer der Kontrahenten vorzeitig die erforderliche Zahl an Checkpunkten für sich beansprucht.

Das Charakterdesign passt. Dennoch würden selbst erstellbare Figuren à la Guitar Hero nicht schaden. 
Zusätzlich zu den kompetitiven Spielformen für Solisten und musikalische Krieger kann man DJ Hero 2 auch zur Party-Musikbox mit Spielcharakter umfunktionieren. Wer will, kann sogar im schnellen Spiel oder den Battles zum Mikrofon greifen und die DJs mit Gesang à la SingStar oder Rap wahlweise unterstützen oder unterwandern. Allerdings ist der Party-Modus letztlich nicht mehr als schmückendes Beiwerk.

Style statt Graffiti

Hinsichtlich des Artdesigns hat man ebenfalls einen Schritt nach vorne gemacht. War der Vorgänger in seiner ganzen Aufmachung noch grellbunt, sind die Menüs mittlerweile deutlich stylischer sowie klar strukturiert. Weiß als dominante Farbe macht sich sehr gut und steht im krassen Gegensatz zu den Darbietungen, die einen in den Clubs erwarten. Schicke Lichteffekte, mitunter rasante Kameraführung und schnelle Schnitte im Musikvideo-Stil versuchen einen immer wieder, von den zu spielenden Spuren abzulenken und machen das Faden, Scratchen und Mixen zu einem audiovisuellen Erlebnis.

Akustisch gibt man sich ebenfalls keine Blöße. Die über 80 Mash-Ups ziehen sich über verschiedene Stile und Epochen, haben aber alle eines gemeinsam: Eine hohe Qualität, die sich vor allem bei den Freestyle-Bereichen zeigt. Schade ist allerdings, dass wie beim Vorgänger  die "Verspieler", also das Verpassen eines Einsatzes, außer einem kleinen Aussetzen der Musik in der entsprechenden Spur keine längerfristigen Auswirkungen zeigen - weder akustisch noch hinsichtlich der Zuschauerresonanz bei den ohnehin dem Klonlabor entstammenden Gästen auf der Tanzfläche. Jedoch stört mich dies bei weitem nicht mehr so sehr wie in Teil 1.

Dass man jedoch immer noch keine eigenen DJ-Helden erstellen kann, sondern aus einer vorgefertigten Mannschaft auswählen muss und diese nur mit neuen Outfits oder frischer Ausrüstung versehen kann, ist ein kleiner Dorn im Spielspaß-Auge.   

Fazit

Ich habe eine Schwäche für Teams, die sich kreativ mit Kritik auseinandersetzen. Dementsprechend kann ich Freestyle Games für die Arbeit an DJ Hero 2 fast nur loben. Basierend auf den zweifellos vorhandenen Stärken des Vorgängers wurden nicht nur neue Mechaniken eingeführt, die das Rhythmus-Spiel als solches noch stärker in den Vordergrund rücken. Oben drauf gibt es mit den "Freestyle"-Sektionen erste Anzeichen kreativer Freiheit innerhalb der über 80 abermals gut ausgewählten Mash-Ups. Und es warten sowohl on- als auch offline interessante Mehrspieler-Modi, die allerdings manchmal noch stärker den Kampf-Charakter betonen könnten. Dass es der Ausflug an den Plattenteller allerdings schafft, Titel wie die Guitar Heroes oder Rock Bands als Party-Spiele der ersten Wahl zu vertreiben, wage ich trotz aller Fortschritte zu bezweifeln. Und das nicht nur, weil das das akustische Feedback beim Falsch-Spiel immer noch verdammt klein geschrieben oder das kreative Potenzial nur angekratzt wird und das Publikum kaum in irgendeiner Form auf die DJ-Leistung eingeht. Sondern auch, weil die Hemmschwelle deutlich höher ist, an den Plattenteller zu treten, als sich eine Plastikklampfe oder Trommelstöcke zu schnappen und sich an Plastikdrums zum Affen zu machen. Dennoch: Mit Teil 2 hat sich DJ Hero trotz kleiner Schwächen endgültig in die erste Klasse der Musikspiele vorgearbeitet.

Pro

über 80 coole Mashups
Online-Modus mit Ranglisten-System
zahlreiche motivierende Duell-Modi
gut auf die Songs abgestimmte Bühnen-/Lichtshows
erweiterte Kontroll-Möglichkeiten
kreative Freestyle-Optionen

Kontra

schlechtes Spielen hat nur wenig akustische Konsequenzen
akustisch und visuell spröde Zuschauerkulisse
kreatives Potenzial immer noch nicht ausgereizt
keine eigenen Figuren erstellbar

Wertung

360

Mit über 80 Mash-Ups, erweiterten Mechaniken und Freestyle-Spuren scratcht sich DJ Hero 2 in die Musikspiel-Elite!

Wii

Mit über 80 Mash-Ups, erweiterten Mechaniken und Freestyle-Spuren scratcht sich DJ Hero 2 in die Musikspiel-Elite!

PlayStation3

Mit über 80 Mash-Ups, erweiterten Mechaniken und Freestyle-Spuren scratcht sich DJ Hero 2 in die Musikspiel-Elite!

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