Rayman Origins23.11.2011, Jan Wöbbeking
Rayman Origins

Im Test:

Manchen Spielen sieht man einfach an, dass die Entwickler Spaß bei der Arbeit hatten: Rayman Origins (ab 2,89€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist ein klassisches Beispiel. Ubisofts altes Maskottchen hüpft genau so übermütig über saftige Wiesen wie in den Neunzigern und sogar die in der Luft hängenden Sammelobjekte tanzen und trällern um die Wette.

Musikalische Glühwürmchen

Wenn die roten Lums trällern, kann man jede Menge Bonus-Punkte abstauben.
Wenn die roten Lums trällern, kann man jede Menge Bonus-Punkte abstauben.
Schon das Intro macht klar, dass sich Ubisofts 2D-Plattformer kein bisschen ernst nimmt: Rayman und seine Freunde schnarchen beim Faulenzen derart laut und rhythmisch, dass sie den Unmut der kompletten Unterwelt auf sich ziehen. Also begeben sich die aufgeschreckten Schattenviecher allesamt an die Erdoberfläche, um nach der Quelle des Lärms zu suchen – und nebenbei die Welt zu unterwerfen.  Trotz ihrer Funktion als Handlanger des Bösen sind sie erstaunlich gut gelaunt. Oder sie schauen derart dämlich aus der Wäsche, dass zumindest der Spieler etwas zu lachen hat.

Die übertriebenen Animationen sehen richtig klasse aus – anders als das Gros der Konkurrenz spielt Rayman Origins nämlich in einer gezeichneten zweidimensionalen Welt. Auch spielerisch kehrt der Titel zu den Wurzeln zurück. Wie im ersten Teil sprinte ich von links nach rechts, hüpfe alles und jedem auf den Schädel oder boxe einfach zu. Ein Sprung auf die Rübe und mein Gegenüber schwebt wie ein Ballon gen Himmel; ein weiterer und ich kassiere einen kleinen Bonus. Auch diverse Extra-Fähigkeiten lerne ich mit der Zeit: Habe ich eine der attraktiven Feen aus ihrem Käfig befreit, haut Rayman kurz darauf noch schwungvoller zu, lernt das Tauchen oder gleitet mit seinem Haarschopf-Propeller über Abgründe.

Von Malle in den Schlund der Bestie

Der Trip gestaltet sich sehr abwechslungsreich. Ich schliddere über Eisschollen, kloppe im Steampunk-Szenario auf widerstandsfähige Roboter ein und tauche durch den Magen eines gigantischen Monsters. Am coolsten ist das Mallorca-Level: Hier tummeln sich hyperaktiv zappelnde Piranhas in Sangria-Tümpeln, während abgefüllte Pauschaltouristen am Ufer ihren Rausch ausschlafen. Springe ich auf ihren prallen Bierbauch, quillt die rote Brühe wieder aus ihrem Mund und ich kann den Strahl für meine Reise auf die nächste Plattform nutzen. Auch die gelegentlichen Shoot-em-up-Einlagen gestalten sich äußerst albern: Ich fliege auf einer debil grinsenden Mücke am Himmel entlang, welche todbringende Projektile auf die Widersacher spuckt. Außerdem kann sie sogar Gegner einsaugen, um sie danach als Geschoss missbrauchen.

Ab und zu gibt's lustige Baller-Einlagen gegen gigantische Flattermänner.
Ab und zu gibt's lustige Baller-Einlagen gegen gigantische Flattermänner.

Ganz so abgefahren wie im guten alten Earthworm Jim wird es zwar nicht, trotzdem quillt das Spiel über vor französischem Slapstick-Humor. Die übertriebenen Animationen erinnern sofort an Anarcho-Cartoons im Stil von Cow & Chicken oder X-Duckx - vor allem, wenn einer der mit Warzen übersäten Gegner sein riesiges Maul aufreißt. Noch lustiger wird es, wenn bis zu drei Freunde mitmischen. Dazu schließt man einfach ein paar weitere Pads an – auf der Weltkarte kann man danach wieder unkompliziert aussteigen. Da alle Helden auch auf ihre Freunde einprügeln können, sorgt das auf dem Bildschirm für ein vergnügliches Chaos. Trotz leichter Übersichtsprobleme klappt das Zusammenspiel aber etwas besser als im Vorbild New Super Mario Bros Wii. Wenn man sich ein wenig abspricht, kann man sich geschickt gegenseitig das Leben retten, wodurch es einen Deut einfacher wird als im Alleingang. Ein getroffener Spieler schwebt nämlich so lange als Blase durch das Bild, bis er von einem Mitstreiter reanimiert wird. Leider funktioniert das Koop-Gekloppe nur offline – und auch davon abgesehen gibt es keinerlei Online-Funktionen. Dabei hätten weltweite Bestenlisten im Stil von Sonic Generations prima ins Konzept gepasst.

Orchester, Maultrommeln und Karnevals-Tröten

Knifflig: Die bewaffneten Metallbolzen ziehen schneller als ihr Schatten.
Knifflig: Die bewaffneten Metallbolzen ziehen schneller als ihr Schatten.

Neben all seinem krawalligen Humor haben auch leise Töne ihren Weg ins Spiel gefunden. Während ich langsam durch die funkelnde See gleitet, habe ich endlich einmal Zeit, all die Kleinigkeiten zu bewundern, welche Raymans Welt so lebendig machen. Die Quallen und Wasserpflanzen wiegen sich langsam in der Strömung und überall schweben kleine Partikel im Wasser. Passend zur Gänsehaut-Stimmung säuseln die Lums leise ihr geheimnisvolles Lied. Als mich kurz darauf eine riesige Unterwasser-Schlange verfolgt, gewinnt auch der Gesang an Hektik. Auch im Rest der Spiels passen die muskalischen Themen perfekt zum Spiel – und werden immer wieder mit ungewöhnlichen Instrumenten neu interpretiert. Mal gibt es ein wildes Solo auf einer kleinen Karnevals-Tröte zu hören, kurze Zeit später wird die Melodie mit Wasser im Mund gegurgelt.

Spielerisch geht es weniger innovativ zu. Im Grunde greifen die Entwickler lediglich altbekannte Genre-Ideen auf. Das Oldschool-Grundgerüst wurde aber derart geschickt und modern ausbalanciert, dass es um einiges geschliffener wirkt als in den Neunzigern. Das Beste am Spiel sind die fröhlich singenden »Lums«, welche eine ähnliche Funktion erfüllen wie Marios Münzen: Eigentlich hängen sie nur am Himmel herum, damit man am Levelende ein besonders gutes Ergebnis erreicht. Doch die Entwickler haben sie derart verführerisch platziert, dass ich gar nicht anders konnte, als möglichst jedes einzelne Exemplar davon aus der Luft zu fischen.

Oldschool Deluxe Noch mehr Spaß macht es, wen man sich vorher den Riesen-Lum schnappt. Dann sind alle kleinen Artgenossen zehn Sekunden doppelt so viel wert und trällern ein beschwingtes Lied. Auch die geschickt versteckten Münzen füllen das Konto. Das beste am Sammel-Fetish ist, dass er nicht zum Selbstzweck verkommt. Jeder einzige Lum wird nach dem Ziel fein säuberlich in eine große Röhre gefüllt.

Hübsch hässlich: Die Bosse sehen spektakulär aus, lassen sich aber meist nur durch stumpfes Auswendiglernen besiegen.
Hübsch hässlich: Die Bosse sehen spektakulär aus, lassen sich aber meist nur durch stumpfes Auswendiglernen besiegen.

Je nachdem, welche Markierung ich erreiche, streiche ich so ein paar zusätzliche „Electoons“ ein: Die pinkfarbenen Grinse-Gesichter dienen als Währung, mit denen ich die Bosse freischalte. Manchmal hatte ich also bereits alle Levels gemeistert, musste vor dem Gefecht mit den Endgegner aber ein paar Gebiete ein zweites mal besuchen, um versteckte Electoons zu finden und noch mehr Lums abzusahnen. Clever ist übrigens das dezente Hilfe-System: Wer ich in einem Level partout nicht weiter komme, kann ihn nach einigen Fehlversuchen überspringen. Dadurch gehen mir aber auch die begehrten Electoons durch die Lappen. Trotzdem kann ich durch den kleinen Kniff selbst bestimmen, in welchen Levels ich mich am häufigsten austoben möchte.

Überproportionierte Spaßbremsen

Der Löwenanteil des Spiels ist also prima ausbalanciert – vor allem, da die Checkpoints fair in den Levels verteilt wurden. Die einzige große Ausnahme sind die Boss-Kämpfe. Die meisten Endgegner spulen stur ihr Programm ab, ohne auf mich zu reagieren. Ich muss mir also einfach merken, wann und wo die Schwachpunkte aufblitzen und schon ist der dicke Brocken Geschichte. In den letzten Welten wird es außerdem noch einmal richtig happig: Wenn mich  drei riesigen Schlangen im Wasserbecken umkreisen, genügt ein klitzekleiner Fehler und ich darf den kompletten Kampf von vorne beginnen. Ähnlich nervig sind die Fluchtsequenzen vor oder nach dem Kampf. Wenn ich nur eine Zehntelsekunde zu spät von einer bröckelnden Plattform abspringe, muss ich wieder am Anfang starten. Wer keine Lust hat, die knackigsten Passagen zwanzig Mal oder öfter anzugehen, wird den Abspann vermutlich nicht zu Gesicht bekommen.

Die Wii-Kulissen sind nicht ganz so detailreich geraten - was dem Spaß aber keinen Abbruch tut.
Die Wii-Kulissen bieten mangels HD-Auflösung nicht ganz so viele Details - was dem Spaß aber keinen Abbruch tut.

Nach insgesamt zehn Stunden Spielzeit hatte ich mich durchgebissen, trotzdem muss solch ein abrupter Anstieg des Schwierigkeitsgrades kurz vor Schluss nicht sein. Profis haben nach dem Durchzocken schließlich noch ausreichend Gelegenheit, sämtliche Levels perfekt abzuschließen: Wer alle Electoons einstreichen will, muss ein Wettrennen meistern, sämtliche Geheimabschnitte finden und genügend Lums aus der Luft pflücken. Zusätzlich gibt es in jeder Welt ein besonders knackiges Wettrennen, in der man jeweils einen an alte Sonic-Spiele erinnernden Edelstein abstauben kann. Als Belohnung für die Mühen wird außerdem ab und zu ein neuer Charakter freigeschaltet. Raymans Freunde wie Globox und die kleinen Teensies besitzen zwar keine anderen Fähigkeiten er, haben aber äußerst putzige Animationen verpasst bekommen.

Was bietet die Wii-Version?

Die HD-Versionen für PS3 und Xbox 360 gleichen sich übrigens komplett. Anders sieht es natürlich auf Wii aus. Statt der üppigen Full-HD-Kulissen gibt es hier deutlich detailarmere Landschaften zu sehen. Die albernen Animationen wurden aber zum Glück allesamt übernommen – und auch inhaltlich hat sich nichts geändert. Kleine Feinheiten wie das grinsende Energie-Herz erkennt man nicht mehr so deutlich. Wenn man sich an die etwas unschärfere Grafik gewöhnt hat, macht das Spiel genau so viel Laune wie die anderen Fassungen. Da Rayman und Konsorten sich mit nur wenigen Knöpfen steuern lassen, darf man entweder mit angestöpseltem Nunchuk oder quer gehaltener Wiimote spielen. Letzteres funktioniert recht ordentlich und ist gerade für Mitspieler eine prima Idee. Wer punktgenau springen will, sollte aber den Nunchuk-Analogstick benutzen.

Fazit

Das nenne ich eine gelungene Überraschung: Dass Rayman Origins richtig schmuck aussieht, wusste ich schon lange, doch dass das Spiel mich derart packt, hätte ich nicht gedacht. Die Jagd nach den kleinen Lums ist unheimlich motivierend und der Koop-Multiplayer sorgt für ein herrlich albernes Chaos. Ubisoft hat es geschafft, die klassische Serien-Formel in die heutige Zeit zu transportieren - allerdings in viel ausgereifterer Form. Der einzige große Dämpfer sind die nervigen Bosskämpfe, welche sich meist nur mit ödem Auswendiglernen meistern lassen und später übertrieben schwer werden. Ich mag ja knackige Plattformer, aber ein derart abrupter Anstieg des Schwierigkeitsgrades  kurz vor Schluss hätte nun wirklich nicht sein müssen. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, sollte aber unbedingt zugreifen! Abgesehen von Super Mario 3D Land versprüht momentan kein anderer Plattformer derart viel gute Laune.

Pro

massig überdreht-französischer Humor
detailverliebte Zeichnungen und herrlich bekloppte Animationen
hochgradig motivierende, teils knackige Levels
punktgenaue Steuerung
perfekt eingebundene Lums-Suche
wahnsinnig-genialer Soundtrack
bis zu drei Mitspieler können jederzeit einsteigen

Kontra

teils stupide, teils übertrieben schwere Bosse
weder Online-Koop noch Bestenlisten

Wertung

360

Wahnsinnig albern, wunderhübsch und hochgradig motivierend: Rayman Origins ist ein echtes Highlight für Freunde knackiger Oldschool-Hüpfer!

PlayStation3

Wahnsinnig albern, wunderhübsch und hochgradig motivierend: Rayman Origins ist echtes Highlight für Freunde knackiger Oldschool-Hüpfer!

Wii

Wahnsinnig albern, wunderhübsch und hochgradig motivierend: Rayman Origins ist echtes Highlight für Freunde knackiger Oldschool-Hüpfer!

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