Sorcery25.05.2012, Jörg Luibl
Sorcery

Im Test:

„Hat der alte Hexenmeister, sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister

Feuer frei, der Schrecken naht!

Der Zauberstab mit dem leuchtenden Kopf liegt gut in der Hand. Wenn ich ihn bewege, ahmt der freche Jungspund alles brav nach. Die Welt um den windschiefen Turm wirkt ebenso witzig wie märchenhaft und dieser übermütige Finn könnte auch in Fable oder Trine unterwegs sein. Wobei seine magischen Künste recht beschränkt sind: Da grast ein Schaf? Zack, einmal drauf gezuckt und es wird ein Schwein! Da steht eine Kiste? Zack, jetzt bist du Kleinholz! Aber weil sein Meister ausgeflogen ist, lässt er sich nach ein paar Zielübungen in ein gefährliches Abenteuer locken. Angeführt von einer überaus frechen Katze, die ihn veralbert und nicht ganz das zu sein scheint, was ihr weißes Fell vorgibt. Aber Finn hat nur explosive Flausen im Kopf – dabei beherrscht er mit dem Arkanblitz gerade mal einen von sechs Zaubern.

Voller Übermut stürzt sich der naive Jüngling in eine sechs- bis siebenstündige Schlacht, die zwar von wunderschönen Bilderbuchanimationen begleitet wird, aber zwischendurch weniger wie ein rätselhaftes Märchen, sondern wie ein Stabshooter anmutet. Man muss sich den Weg immer wieder freiballern:  Fünfmal, sechsmal, siebenmal - das Handgelenk zuckt und die Blitze fliegen wie aus der Pistole geschossen. Im Vergleich zu den wenigen leicht gelösten Rätseln kommt man hier auch deshalb ins Schwitzen, weil man die Kamera sehr oft manuell nachjustieren muss. Das ist also kein Fantasy-Kinderkram auf Schienen: Es gilt gleichzeitig über den Analogstick in Bewegung zu bleiben, Angriffen mit einer Rolle auszuweichen oder sie über den arkanen Schild rechtzeitig zu blocken, denn die orkähnlichen Feinde zaubern oder schießen nicht nur aus der Distanz – manche heilen sich auch wieder, wenn man sie nicht in einer Serie vernichtet.

Die Taktik der Elemente

In den Bosskämpfen muss man seine Zauber clever wechseln.
In den Bosskämpfen muss man seine Zauber clever wechseln. Wie kann man den verhexten Baumriesen nur besiegen?
Obwohl Sorcery aufgrund der märchenhaften Geschichte und seines kunterbunten Stils vielleicht wie ein simples Move-Abenteuer anmutet, steckt ein vollwertiges Action-Adventure drin. Wer auf der dritten von vier Stufen spielt, „Gamer“ genannt, der wird angesichts der elementaren Widerstände und mehrstufigen Bosse durchaus gefordert. Es geht zwar auch um ein wenig Präzision beim Zielen, aber mehr um Schnellfeuersalven gegen zig kleine Feinde, gut getimte Spezialschläge sowie die richtige Taktik gegen Schamanen, Spinnen, Trolle, Riesen & Co, denn sie besitzen Immunitäten. Dabei entsteht mitunter hektisches Gefuchtel, denn es gibt weder Deckung noch genügend Zeit. Droht man zu sterben, muss man einen Heiltrank erst über eine Schüttelbewegung aktivieren und dann über eine Trinkbewegung einnehmen – immerhin geht das auch im Lauf. Außerdem sind die Rücksetzpunkte fair verteilt.

Wer überleben will, muss seinen aufladbaren Heldenrundumschlag  einsetzen und seine Zauber ständig wechseln. Also heißt es zum einen, nur mit Feuerstößen gegen den Frostschamanen, nur mit Eisblitzen gegen die Feuersylphen vorgehen. Sehr schön: Wer seine Feinde über drei, vier Treffer komplett vereist, kann sie anschließend über einen Schildstoß zersplittern. Und wenn Skelettkrieger mit blockenden Schilden auftauchen, sollte man diese erstmal mit einem Erdstoß beseitigen. Neben diesen einfachen Regeln des manchmal fummeligen, weil nur über Drehungen des Move-Controllers ausgelösten Zauberwechsels, muss Finn später auch Kombinationen beherrschen: Erst eine kleine Feuerwand, dann einen Wirbelwind hinein und schon tanzt eine brennende Säule über das Schlachtfeld, die sich mit kleinen Luftstößen weiter dirigieren lässt. Wenn man in sie zusätzlich seine Blitze schleudert, spucken zig Funken aus ihr und sorgen für Schaden im weiten Rund.

Wo sind die cleveren Rätsel?

Hier einen Fels wegheben, da eine Brücke reparieren: Die wenigen Rätsel sind zu simpel.
Hier einen Fels wegheben, da eine Brücke reparieren: Die wenigen Rätsel sind zu simpel.
Es gibt allerdings nur ein halbes Dutzend dieser effizienten Kombinationen wie Eisbomben und Gewitterstürme. Und sie sind im letzten Drittel des Abenteuers nicht mehr so wichtig, denn dann hat man mit dem Blitzschlag und der Blitzfalle zwei nahezu übermächtige Waffen parat: Ersterer fällt die Feinde manchmal bei einem Treffer, Letztere hält auch viele kleine bei ständigem Schaden fest. Dass Finn dennoch gefordert wird, liegt an den knackigen Bosskämpfen, in denen er wieder cleverer wechseln muss.  Und das geht manchmal in die Hose. Das erste Problem hier: Zu häufig nimmt Finn automatisch die kleineren Viecher ins Visier, obwohl man eigentlich ein Körperteil des Obermotzes anvisiert - sehr ärgerlich, diese automatische Zielaufschaltung. Das zweite Problem: Die Unreal-Engine lässt es zwar ordentlich krachen, aber es gibt neben leichten auch einige schwere Einbrüche in der Bildrate – bis hin zu einem Stopp über zwei Sekunden mitten im Gefecht. Sorcery ist hinsichtlich des Art- und Figurendesigns sehr ansehnlich, aber man muss auch mit permanentem Tearing und schwachen Hintergründen leben.

Abseits  der explosiven Gefechte werden Abenteurer von den anderen Spielelementen eher enttäuscht. Denn obwohl es immer wieder ruhige Phasen der Erkundung in teilweise idyllischen Schauplätzen gibt, ist man dort eher mit dem Sammeln von Gold und Zutaten über das ständige Zerdeppern von Vasen, Kisten sowie Steinen als dem Suchen oder Experimentieren beschäftigt. Finn kann nur an bestimmten Pilzen klettern und wird häufig von unsichtbaren Levelgrenzen aufgehalten, obwohl dahinter ein Raum zu sehen ist. Wird man zu Beginn noch mit kleinen Aufgaben neugierig gemacht, wenn man seinen Arkanblitz z.B. wie einen Curveball schleudern muss, damit er einen Felsbrocken richtig trifft, oder wenn man Flüsse vereist, um sich einen Weg zu schaffen, halten sich diese logischen Kombinationen in Grenzen. Meist geht es darum, offensichtliche Hindernisse über simple, aber dennoch fehleranfällige Bewegungen des Zauberstabs aus dem Weg zu räumen, zerstörte Brücken über ebenso schnöde Aktionen zu reparieren oder gar Schlüssel einfach vorwärts zu bewegen und zu drehen.

Charakterentwicklung über Tränke

Wer Feuer und Wind kombiniert, erzeugt einen Flammensturm.
Wer Feuer und Wind kombiniert, erzeugt einen Flammensturm, den man mit Luftstößen noch bewegen kann.
Warum bleibt man auf dieser Ebene der Rätsel ein Kinderspiel? Das ist schade, denn Sorcery beweist zwischendurch, dass der Move-Controller durchaus präzise und intelligent eingesetzt werden kann. Zwar hat man keine Zielgenauigkeit in der Ferne, aber auf kurze und mittlere Distanz kann man sehr punktgenau mit seinen Geschossen agieren. Nur bietet man abseits der Zerstörung nicht genug spielerische Herausforderungen oder gar bewegungssensitive Spannung. Im Gegenteil: Das aktive Mixen von Tränken über dem dampfenden Kessel wirkt zwar zunächst stimmungsvoll, ist aber irgendwann nur noch nervig, denn man muss jedesmal  langweilige Schüttel- und Rührbewegungen nachäffen.

Richtig ernüchternd bis enttäuschend sind die Verwandlungen in Ratte oder Eule: In Gestalt des Nagers kann man zwar durch enge Tunnel schlüpfen und weitere Kisten finden, aber all das nur an vorgegebenen Punkten und nahezu auf Schienen –die spätere Gefahr durch Spinnen oder das Ausweichen von Säure können nur andeuten, was mit etwas mehr Freiheit und Kreativität möglich gewesen wäre. Noch schlechter als diese Einbahnstraße ist allerdings, dass man als Vogel nicht selbst fliegen, sondern nur zuschauen kann; und das, obwohl sich Move dafür angeboten hätte.

Immerhin gibt es auf der alchemistischen Ebene wenigstens etwas Abwechslung, zumal man den Zauberlehrling damit verstärken kann. Es gibt acht Zutaten, die man finden oder bei einem sporadisch auftauchenden Händler kaufen kann. Aus drei Zutaten lassen sich zig Tränke erforschen, die Finn nach der Einnahme permanent stärken: Man kann man allgemein die Lebenspunkte, die Stärke der Zauber oder spezieller den Schaden des Feuers, die Dauer der Frostfalle oder des Wirbelwinds erhöhen. Man kann den Erdstoß mit einer Lähmung versehen oder die Resistent gegen Elemente verbessern. Man kann die Ausschüttung von Gold, die Heilwirkung oder den Rabatt beim Händler erhöhen.

Fazit

Sorcery hat mich als eines der wenigen Spiele für PlayStation Move etwas neugierig gemacht. Die charmante Story wird wie ein Märchen erzählt, der Fantasystil erinnert an eine Mischung aus Trine und Fable. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass ein vollwertiges Action-Adventure daraus wird: Das ist kein Casualgefuchtel für Kids, sondern ein fordernder Zauberstab-Shooter gegen Feinde mit Immunitäten, die man nur über den rechtzeitigen Elementwechsel oder Kombinationen besiegen kann. Aber warum hat man innerhalb der Gefechte so sehr auf die Masse gesetzt? Warum zwingt man mir die automatische Zielaufschaltung auf? Dadurch und aufgrund der nervösen Kamera entsteht manchmal mehr Hektik als nötig. Meist muss man Wellen an Feinden wegballern, so dass die Präzision der Bewegung in den Hintergrund gerät – das fühlt sich zwischendurch an wie ein arkaner D-Day. Angesichts der hübschen Kulisse ist es zudem ärgerlich, dass das explosive Geschehen so oft ins Stocken gerät. Das Kombinieren der Zauber macht ja Laune, aber es sind recht wenige und gerade in den ruhigen Phasen der Erkundung fehlen dem Abenteuer mehr clevere Rätsel sowie kreative Herausforderungen für den Einsatz der Magie. Stattdessen muss man in elender Monotonie aktiv Tränke zusammen schütteln, Schlösser wie ein Idiot über eine Vorwärtsbewegung öffnen, Hindernisse hinweg wischen oder hundertfach Kisten für Gold und Zutaten zertrümmern. Warum so viel banales Fuchteln? Denn sowohl über angeschnittene Blitze als auch mehrstufige Aufgaben wird teilweise angedeutet, was möglich gewesen wäre! Sorcery ist über sechs Stunden durchaus unterhaltsam, denn es wird liebevoll präsentiert und teilweise witzig erzählt. Aber hier ist letztlich zu viel simple Zerstörung, zu wenig kreativer Zauber drin.

Wertung

PlayStation3

Sorcery ist ein charmant präsentiertes Abenteuer. Letztlich ist zu viel hektische Zerstörung, zu wenig rätselhafter Zauber drin.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.