Blood Stone 00705.11.2010, Paul Kautz
Blood Stone 007

Im Test:

Kein neuer James Bond-Film weit und breit, den MGM Studios steht das Wasser finanziell gerade bis zur Unterlippe. Trotzdem erscheinen zeitgleich nicht eines, sondern gleich zwei Spiele um den berühmten Geheimagenten? Das Remake von GoldenEye für Wii sowie der blutige Stein für PC, 360 und PS3. Merkwürdige Welt, diese Welt...

Ein echter 007

Video: Einmal mehr mimt Daniel Craig den berühmten Geheimagenten - dieses Mal ganz ohne Film im Rücken.Fast alle bisher veröffentlichten Bond-Spiele (von denen es mehr als 20 gibt) basierten auf dem einen oder anderen Film - Blood Stone gehört zu den wenigen Ausnahmen. Nichtsdestotrotz werden alle Bedingungen für stilechtes Agentenflair erfüllt: Die Story stammt aus der Feder des Bond-Veteranen Bruce Feirstein, Daniel Craig und Judy Dench sorgen als James Bond und M für Authentizität - und das Intro ist mal verdammt lässig, was wohl auch an den sehr guten Titelsong »I'll take it all« von Joss Stone und Dave Stewart liegen dürfte. Kurz gesagt: bondiger geht's nicht.

Einer der größten Nachteile des zwei Jahre alten Vorgängers Ein Quantum Trost war für 360- und PC-Agenten, dass ihnen die größtenteils furchtbare deutsche Sprachausgabe aufgezwungen wurde. Das ist dieses Mal nicht der Fall, denn auf allen Plattformen kann man unter mehreren Sprachen wählen. In der englischen Fassung kommen Daniel Craig, Judy Dench und Joss Stone persönlich zu Wort, in der deutschen Version übernehmen das motiviert quasselnde Synchronsprecher.

Ein Mann weniger Worte

Blood Stone besteht aus drei Spielelementen: dem Shooter (aus der Schulteransicht), dem Jason Bourne-kompatiblen Nahkampf sowie, bei einem Entwickler wie Bizarre Creations nicht überraschend, den Fahreinlagen mit unterschiedlichen Vehikeln. Zwischen den dreien gibt es keine schroffen Trennungen, gerade das Ballern und das Kämpfen gehen nahtlos ineinander über. Wobei die Nahkämpfe auch extrem simpel sind: Man muss nur eine Taste zu drücken, um einen Takedown zu initiieren, der jeden Gegner sofort ausschaltet. Das geht sogar aus der Deckung heraus, wobei das bedauernswerte Opfer um Ecken, über Tische oder aus Fenstern hinaus gezogen wird. Wie beim Bourne Komplott sind diese Manöver situationsabhängig, und es gibt verdammt viele davon.

Gleich in der ersten Mission sitzt man hinter dem Steuer eines Motorbootes, um einen Waffenhändler zu verfolgen. Das ist aber noch lange nicht das letzte Mal, dass man sich in einem Vehikel tummelt, es gibt mehrere Verfolgungsjagden in edlen Karossen (und einem Abschleppwagen) sowie einen Ausflug in einem Luftkissenboot, den man allerdings nicht selber kontrolliert. Das Fahrmodell ist sehr einfach und hat nichts mit der Qualität eines Project Gotham Racing von Bizarre zu tun, erfordert trotzdem etwas Gewöhnung: Alle Vehikel steuern sich über eine virtuelle Mittelachse, was sich anfangs komisch anfühlt. Spätestens wenn man in 

Der neue Bond ist eine Mischung aus Shooter, Nahkampf und wilden Verfolgungsjagden in diversen Vehikeln. Man hat oft die Wahl zwischen reiner Action und unauffälligem Vorgehen.
einem Aston Martin mit Vollgas durch eine explodierende Raffinerie jagt, über brüchiges Eis schliddert und sich ein Rennen mit einem Zug liefert, sind diese Gedanken vergessen - die Verfolgungsjagden werden teilweise brillant inszeniert! Zwar laufen die vielen, vielen, vielen Krachbumm-Skripte immer gleich ab, auch der Zivilverkehr auf den Straßen fährt immer identisch. Nichtsdestotrotz tut diese Abwechslung dem Spiel gut - das war ja schon bei Liebesgrüße aus Moskau nicht anders.

Neu im Sortiment: Das Cheatofon

Den größten Teil der rund sechs Stunden langen Spielzeit verbringt der virtuelle Bond genau wie sein Filmkumpel mit dem Finger am Abzug: Pistolen, Schrotgewehre, MGs, sehr viel schallgeschützter Kram. Man darf allerdings immer nur eine Pistole sowie ein Gewehr gleichzeitig tragen, die man jedoch jederzeit gegen frische Waffen tauschen kann. Blood Stone nutzt ein simples Deckungssystem, aus dem heraus man auch feuern darf - und das entweder blind, gezielt oder per »Focus Aim«. Das ist keine Neuheit, vergleichbare Ketten-Kills gab es schon in Splinter Cell: Conviction , nichtsdestotrotz machen sie sehr viel Spaß: Mit einem gelungenen Takedown erhält man einen Focus Kill- bis zu drei davon darf man aufsparen. Sieht man sich einer Überzahl gegenüber, hält man einfach die Fokus-Taste gedrückt, woraufhin der nächstbeste Gegner automatisch ins Visier genommen wird - ein sicherer Treffer. Das geht bis zu drei Mal hintereinander.        

Gleich mehrere Male begibt man sich hinter das Steuer eines Fahrzeugs - an die Steuerung muss man sich erst gewöhnen, aber die rasanten Jagden sind großartig inszeniert!
Das Problem mit Blood Stone ist, dass man vom Spiel in sehr vieler Hinsicht bei der Hand genommen wird. Die sicheren Kills über das Fokus-System sowie die mächtigen Takedowns sind nur zwei Vereinfachungen, es gibt noch mehr: Über Kimme und Korn anvisierte Gegner werden halbautomatisch ins Visier genommen, so dass man sich nicht viel Mühe mit dem Zielen geben muss. Und mit dem Smartphone sinkt die Herausforderung noch weiter: Aktiviert man das Gerät, wird die gesamte Umgebung in ein grünes, flackerndes Digitalbild verwandelt - ähnlich dem ARI-System in Heavy Rain . Interessante Objekte (wie auf dem Boden liegende Waffen) werden farblich betont, so findet man u.a. Notizen und Informationen über Personen, die man sonst nicht entdecken würde. Das ist ebenso praktisch wie die Anzeige des nächsten Wegpunktes, die Manipulation von Sicherheitskameras oder das Hacken von Türschlössern. Problematisch wird's allerdings dadurch, dass damit auch die Position von Gegnern deutlich gezeigt wird, auch durch Wände hindurch. Man erkennt also ohne jeglichen Aufwand, wo sich Feinde aufhalten und wo sie hinlaufen - das Smartphone als serienmäßiger Wallhack. Natürlich muss man es nicht ständig benutzen, es wird auch automatisch deaktiviert, sobald man die zweite Hand braucht (also beim Kletter, Schießen, Kämpfen, Nachladen, Springen oder Türöffnen), aber dennoch macht es das ohnehin nicht besonders schwere Spiel nochmals einfacher. Vom Smartphone abgesehen gibt es übrigens keinen technischen Klimperkram aus den Q-Labors - wie in den letzten beiden Filmen ist auch der Spiel-Bond ein Mann der Tat, nicht der Gadgets.

Steifgeschossen

Die solide Story um Terroristen, die mit Biowaffen hantieren, führt Herrn Bond von Griechenland über Monaco und Istanbul bis nach Sibirien und Bangkok - grafische Abwechslung ist vorhanden. Und Qualität auch, denn einige Levels, allen voran der Einstieg in Athen, das Casino in Monaco, das Aquarium in Bangkok oder die Verfolgungsjagd in Sibirien, sehen hervorragend aus - andere wiederum, wie die Katakomben in Istanbul oder der burmesische Dschungel, lungern zwei Klassen 

Das Smartphone ist eine Art eingebauter Cheat: Es zeigt einem wichtige Informationen wie den nächsten Wegpunkt, außerdem kann man nur damit Inhalte sammeln oder Computer hacken. Es verrät einem aber auch die Positionen aller Gegner, was das Spiel nochmals einfacher macht.
darunter herum. Außerdem sind manche extrem niedrig aufgelösten Texturen sehr auffällig, etwa die Rohre in Sibirien. Ein ganz besonders schwerer Ausrutscher darf nicht vergessen werden: Die Figuren sehen zwar nicht schlecht aus, die Gesichter allerdings sind in erster Linie mit Totenmasken zu vergleichen - besonders M und Bond zeigen kaum eine Regung zwischen den Falten.

 Gründe für hektische Mimik gäbe es allerdings mehr als genug, denn die Abwechslung im Missionsdesign kann sich sehen lassen: Zwischen all den Ballereien, Takedowns und Vollgas-Ausflügen gibt es auch ruhigere Abschnitte, in denen man mal eine Kontaktperson finden oder komplett unbemerkt vorgehen muss. Gelegentlich tauchen auch die unvermeidlichen Reaktionstests auf, ein Mal muss man auch vor einem gigantischen Tunnelbohrer flüchten. Allerdings gibt es keinen Bosskampf oder einen ähnlichen Höhepunkt. Apropos: Dass es mal soweit kommen würde, dass ich eine Installation lobe, hätte ich mir nie erträumen lassen. Aber es muss mal sein: Die Installation der PC-Version sieht schweinecool aus! Wer mit der Demoszene vertraut ist, dürfte mit dem Begriff des Endloszooms etwas anfangen können - genau so einen bekommt man mit Bond-Motiven zu sehen, während die vielen Daten auf die PC-Platte geschaufelt werden. Technisch nehmen sich übrigens alle Fassungen nichts: 360- und PS3-Fassung sehen identisch aus, auf dem PC sticht nur das optionale Anti-Aliasing hervor.

Nach der verhältnismäßig kurzen Einzelspielererfahrung wartet noch die glitzernde Welt des Online-Spaßes - und der ist begrenzt: 16 Spieler dürfen sich im Team Deathmatch, einer »Last Man Standing«-Variante sowie einem Auftrags-basierten Spielmodus austoben. Je länger und erfolgreicher man spielt, desto höher steigt man im Rang auf, desto mehr Waffen und Spielfiguren schaltet man frei. Spielt sich genauso unspektakulär wie es klingt, außerdem ist der Multiplayermodus nicht ruckelfrei: Zwar ist die Grafik flüssig, Treffer werden auch zuverlässig erkannt, aber die Spielfiguren hoppeln unschön durch die Arenen.    

Fazit

Ein neues Spiel, aber kein neuer Film? Sehr schade, denn ich mochte die letzten beiden Aufsmaul-Streifen sehr. Macht aber nix, denn das Spiel transportiert die Quintessenz der Lackaffen-freien Filme sehr gut auf die Fernseher: Coole Fights, teilweise hervorragend inszenierte Rasereien, ein bisschen Stealth hier und da - es hätte eigentlich ein sehr guter Genremix werden können. Zu schade nur, dass die Designer ein bisschen zu sehr auf Stromlinienaction bedacht waren, denn das Spiel ist wirklich verdammt leicht: Die Takedowns sind ebenso  mächtig wie die Focus Kills, das Smartphone ist quasi ein eingebauter Cheat, den man jederzeit aktivieren kann, man wird ständig mit der Nase auf das nächste Ziel gestoßen, die sehr großzügige Zielerfassung nimmt einem all die Arbeit ab. Was bleibt, ist ein schöner Actionkracher, mit dem man sechs unterhaltsame Stunden verlebt. Nicht mehr, nicht weniger.

Pro

gute Grafik
variantenreiches Kampfsystem
toller Soundtrack
abwechslungsreiches Missionsdesign

Kontra

dumpfe Gegner-KI
recht kurz
zu leicht
unspektakulärer Mehrspielermodus

Wertung

360

James Bond funktioniert auch ohne dazu gehörigen Film prima: Blood Stone ist keine spielerische Offenbarung, serviert aber solide Action und coole Verfolgungsjagden.

PC

Die PC-Fassung ist technisch etwas besser als die Konsolenversionen, inhaltlich aber identisch.

PlayStation3

James Bond funktioniert auch ohne dazu gehörigen Film prima: Blood Stone ist keine spielerische Offenbarung, serviert aber solide Action und coole Verfolgungsjagden.

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