World of FableCraft mit unsichtbaren Grenzen
Nach einem Kampf wartet meist üppige Beute - zu schade, dass die Benutzerführung im Inventar misslungen ist.
Wer steckt hinter dem visuellen Design? Tood McFarlane? DER Todd McFarlane? Der von Spawn? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sich 38 Studios und Big Huge Games den Art-Designer von Blizzard, genauer: World of WarCraft ausgeliehen haben, der mitunter einen Blick auf Fable 3 geworfen hat, bevor er die Welt von Amalur entworfen hat.
Dafür, dass ein derart bildgewaltiger Comic-Zeichner mit Hang zu Düsterem dahinter steht, ist das Design zu brav, zu gleichgültig, zu sehr auf den größtmöglichen Konsens getrimmt - oder auch kurz: nicht markant genug. Das erste große Gebiet, in dem man sich herumtreibt, ist hübsch - keine Frage. Die Big Huge Engine bringt Areale mit passabler Sichtweite und viel Bewegung hier und dort auf den Bildschirm - ich habe mich sofort in den bunten Welten wohl gefühlt und mich z.B. daran erfreut, wenn in einer Höhle die Flora auf meine schicksalhafte Anwesenheit reagiert und luminiszent aus dem Boden treibt. Pop-ups und mitunter springenden Schattenwurf kann man dabei allerdings ebenso beobachten wie leichte Bildrateneinbrüche bei großem Gegneraufkommen mit gleichzeitigem Einsatz von Spezial-Angriffen. Die grundsätzlichen Animationen und die Effekte bei den Kämpfen können sich sehen lassen, auch wenn die Mimik zu hölzern wirkt und den Unterschied zu den letzten Offline-Rollenspielen von Bioware sehr deutlich macht.
Austauschbare Fantasy
Und so sehr es mir Spaß macht, durch Sonnen durchflutete Wälder oder Nebel verhangene Flussläufe zu laufen, mich an den in der Welt verteilten Altären mit einer temporären Verbesserung ("Buff") auszustatten und mich an den schönen Lichteffekten zu erfreuen, so sehr ärgere ich mich darüber, dass die Welt Amalurs trotz aller Ansätze nicht eigenständig genug wirkt. Fable 3, Dark Souls und Skyrim, mit ein paar Einschränkungen sogar die Dragon Age-Serie und selbst Dungeon Siege 3 haben etwas Eigenständiges, das zusätzlich dafür gesorgt hat, die Neugier zu entfachen.
Dabei geht man hinsichtlich der Entscheidung "Offene Welt vs. Schlauchlevels" einen interessanten Hybrid-Weg: Man kann ähnlich den Elder Scrolls jederzeit überall und (ohne Nachladen) die gesamte Welt bereisen, wird hier aber irgendwann durch die übermächtigen Gegner aufgehalten. Aber die Reise dorthin führt durch angenehm große Areale, die durch kleine Verbindungsschläuche verbunden werden. Diese werden übrigens gut kaschiert und z.B. als kleine Höhle oder durch eine Hügellandschaft führenden Feldweg getarnt, bei dem man rechts und links etwa zwei bis fünf Meter Platz hat.
Offene Welt oder Schlauchlevels? Amalur bietet beides und nutzt Schläuche, um großräumige Areale miteinander zu verbinden.
Aber gerade angesichts des interessanten (und vermutlich ressourcenschonenden) Ansatzes bleibt Amalur im ersten Gebiet in dieser Hinsicht einfach zu zahm, zu gewöhnlich. Erst mit dem Fortschritt in den zweiten großen Bereich, die kargen Wüsten von Detyre, die nicht nur von Untoten wimmeln, sowie den anderen Gebieten wird Reckoning eigenständiger - auch, weil das Gegnerdesign wie bei den übergewichtigen Wüstentrollen deutlich stärker skurrile McFarlane-Einflüsse zur Schau stellt. Dennoch sind Skyrim oder Dark Souls als bild- und erzählgewaltige Welt schlichtweg eine Stufe weiter .
Online-Einflüsse?
Liegt es vielleicht daran, dass man bei 38 Studios unter dem Codenamen Copernicus auch einen Online-Abstecher nach Amalur plant und daher einen World of WarCraftschen Wiedererkennungseffekt vor Augen hatte? Wenn dem so ist, ist es zwar logisch, dass man visuell keine zu große Diskrepanz zwischen On- und Offline-Amalur aufkommen lassen wollte. Dennoch wäre man besser beraten gewesen, diesem neuen Fantasy-Universum von Beginn an mehr Eigenständigkeit und kreatives Design zu spendieren.