Ninja Gaiden 321.03.2012, Mathias Oertel
Ninja Gaiden 3

Im Test:

Wenn es um Spiele mit anspruchsvollem Schwierigkeitsgrad geht, kommt man gar nicht um  Ninja Gaiden herum. Höchst anspruchsvoll muss man sich jeden Fortschritt mühsam erarbeiten, jeder Kampf kann der letzte sein. Die gute Nachricht: Ryu Hayabusa meldet sich endlich zurück. Die schlechte: Ninja Gaiden 3 (ab 22,37€ bei kaufen) bricht mit wertvollenTraditionen.

Neuer Kapitän, neues Glück

Nachdem Tomonobu Itagaki, der geistige Vater von Meistermeuchler Ryu Hayabusa das Team verlassen hatte, um ein neues Studio zu gründen, fiel die Wahl auf Yosuke Hayashi, um Ninja Gaiden 3 (NG3) zu entwickeln. Auf dem Papier eine gute Entscheidung, hat er doch bereits mit Itagaki-San an Ninja Gaiden 1 auf der Xbox gearbeitet. Ihm zur Seite stand Fumihiko Yasuda, der ebenfalls ein guter Bekannter des Protagonisten Ryu Hayabusa ist und in Ninja Gaiden 2 als Leveldesigner tätig war. Doch die aktuelle Neuausrichtung der Serie, die einen Ruf als extrem fordernd genoss und bisher immer die Spreu der Casual-Spieler vom Hardcore-Weizen trennte, unterscheidet sich stark von dem, was Itagaki seinerzeit gestartet hat.

Im Vorfeld schwelten bereits Diskussionen um die optionale Move-Steuerung in der PS3-Version sowie vor allem um den moderaten Schwierigkeitsgrad. Dementsprechend hatte sich Hayashi-San vor kurzem (siehe auch die Vorschau) schützend vor Ryu Hayabusa gestellt und versucht, die Wogen zu glätten. Hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades konnte ich sogar  Entwarnung geben - so schien es zumindest. Denn was ich seinerzeit nicht wusste: Der spielbare Abschnitt war der vorletzte und dementsprechend wesentlich anspruchsvoller als der Rest des Spieles.

Theorie und Praxis

Nachdem nach etwa acht Stunden auf dem Schwierigkeitsgrad "Normal" der Abspann durchgelaufen ist, ich in den Statistiken einsehen konnte, dass ich auf dem Weg dorthin knapp über 1700 Gegner getötet habe, meist nur an Trial&Error-Sequenzen das Zeitliche segnete, kann ich aber nur noch sagen: Dies ist kein Ninja Gaiden mehr!

Was hat dieser finstere Maskenträger mit Ryu Hayabusa vor?
Was hat dieser finstere Maskenträger mit Ryu Hayabusa vor?
Zwar bleibt man der Tradition insofern treu, dass man den Katanaschwinger Ryu von Gebiet zu Gebiet lotst, aus dem man erst herauskommt, wenn man alle Feinde besiegt hat. Bislang stellte jedoch jede der aufwändig choreografierten sowie brutalen Auseinandersetzungen ein adrenalingeschwängertes Erlebnis dar, bei dem jeder gewonnene Kampf ein enormes Erfolgserlebnis darstellte - von den knallharten Bosskämpfen ganz zu schweigen. In Bruchteilen von Sekunden musste man auf die clever angreifenden und nur selten Fehler verzeihenden Feinde reagieren und die richtige Entscheidung treffen: Jetzt blocken, nun ausweichen, dann das Zeitfenster nutzen, um einen Gegenangriff durchzubringen und im besten Fall eine Kombo zu starten. Jeder Fehler konnte das Ende sein.

Und hier? Hier ist davon nicht mehr viel zu spüren: Die Arena-Kämpfe sind zwar immer noch geschmeidig animiert und wuchtig inszeniert. Doch sowohl Anspruch als auch Spannung muss man mit der Lupe suchen - und findet sie nur in vereinzelten Bosskämpfen. Wo vorher der Fokus auf Duellen gegen kleine Gruppen lag, geht es nun gegen eine deutlich größere Anzahl an Feinden, wobei man sowohl Spannung als auch Dramatik einbüßt.

Unverändert gut

Dabei hat man die Kampfmechanik nicht einmal stark verändert: Viele Kombos werden Veteranen in der einen oder anderen Form wiedererkennen. Das Block-, Konter- und Ausweichsystem funktioniert im Wesentlichen ebenfalls wie in den letzten Teilen; gleiches

Die Gefechte werden wuchtig und brachial inszeniert, sind aber meilenweit vom Tiefgang und der Spannung der Vorgänger entfernt.
Die Gefechte werden wuchtig und brachial inszeniert, sind aber meilenweit vom Tiefgang und der Spannung der Vorgänger entfernt.
gilt für die Wurfsterne oder den automatischen Chiburi-Move nach einem Kampf, bei dem Ryu sein Katana durch die Luft flirren lässt, um das Blut von der Klinge saftig auf den Boden flatschen zu lassen. Einzig die Bogennutzung mit einer semiautomatischen Zielhilfe ist neu und erfordert minimale Eingewöhnungszeit.

Dennoch hat man unter dem Strich zu selten das Gefühl, hier den neuen Teil von Ninja Gaiden zu spielen. Die Kämpfe, bei denen Tecmo einem Welle auf Welle entgegenwirft und dabei generell nie den Punkt findet, wann es genug ist und somit immer wieder den Bogen überspannt, erinnern eher an ein anderes Zugpferd aus dem Tecmo Koei-Stall: Die Dynasty Warriors.

Dort laufen die Kämpfe meist nach folgendem Muster ab: Knopfhämmern, um Komboketten aufzubauen und damit die so genannte Musou-Leiste zu füllen, damit man einen magischen Angriff vom Stapel lassen kann, der die Gegner ins Verderben zieht. Ersetzt man in dem Satz Musou durch "Chi" und "magischen Angriff" durch "Ninpo", hat man Ninja Gaiden 3. Traurig, aber wahr.

Dass man mit der Tradition brechen möchte, ist nicht per se schlecht. Doch wenn man sich nicht weiterentwickelt, sondern nur versucht, die größtmögliche Masse zu erreichen und dabei faule Kompromisse eingeht, tut man niemandem einen Gefallen. Weder den Fans der Serie, die eine adäquate Fortsetzung erwarten, noch den Neueinsteigern, die nach Dark Souls einen weiteren Vertreter anspruchsvoller Spiele kennenlernen möchten. Ausnahmen sind die Bosskämpfe, bei denen es zur Sache geht und bei denen die Unterschiede zu den alten Auftritten von Ryu Hayabusa geringer ausfallen.

Doch viele andere Elemente der Vorgänger wurden fallen gelassen. Es gibt nur noch eine magische Ninpo-Attacke, man hat keine Waffenauswahl mehr, es gibt kein Inventar: Alles wurde auf das Wesentliche reduziert, wobei man das Wesentliche vergessen hat: Spaß und Anspruch.

Lass das Lichtschwert stecken

Beim ersten Mal ist der Ninpo-Angriff noch interessant.
Beim ersten Mal ist der Ninpo-Angriff noch interessant. Da es aber keine Alternative gibt, hat man sich irgendwann daran sattgesehen.
Auf "Hart" wird es übrigens tatsächlich schwerer. Allerdings nicht, weil die Gegner sich besser verhalten (auch wenn sie mehr blocken), sondern weil es einfach noch mehr Wellen gibt, die man abwehren muss...

Im Umkehrschluss ist der für Einsteiger konzipierte Helden-Schwierigkeitsgrad mit seinem semiautomatischen Block-/Konter-System ein Hohn: Hier kann man teils auch ohne auf den Bildschirm zu schauen, die Gegner in Grund und Boden schnetzeln  - außer es geht um kurze Reaktionstests, die einen bestimmten Knopfdruck fordern.

Da die auf PlayStation 3 optionale Move-Steuerung nur aus wildem (sinnlosen) Rumgefuchtel besteht, bei dem man auf höheren Stufen kaum Überlebenschancen hätte, ist es nicht verwunderlich, dass man den Lichtdongel nur als "Held" nutzen kann.

Dunkler Held, strahlendes Monster?

Auch das erzählerische Konzept mit dem Ansatz des "Japanese Dark Hero", der "Böses" tun muss, um das Gute zu erreichen, ist kaum mehr als ein Vorsatz für das bei den Kämpfen imposant inszenierte, aber letztlich banale Katana-Gemetzel, das Ryu von London über Russland, die Antarktis oder ein Atoll im Indischen Ozean bis nach Tokyo führt.  

Bei Platinums Sexyhexy Bayonetta ging auch nicht alles mit logischen Dingen zu und einiges wirkte konstruiert - es blieb aber innerhalb der Geschichte konsequent und inhaltlich stimmig. Hier hingegen biedert man sich über verschiedene Klischee-Stilmittel dem westlichen Publikum an, die nur selten bis gar nicht zusammengeführt werden.

Das Figurendesign geht in Ordnung, die Inszenierung ist jedoch konfus.
Das Figurendesign geht in Ordnung, die Inszenierung ist jedoch konfus.
Stellvertretend sei das Mädchen erwähnt, dass nach einem Unfall seine Eltern verloren hat, seitdem nur noch über Handy-Getippe kommuniziert und als vermeintlichen emotionalen Höhepunkt Ryu den Text "Be my daddy" zeigt. Dieses Stilmittel hätte funktionieren können, wenn es ordentlich inszeniert worden wäre! Doch wie bei fast allen anderen Zwischensequenzen (das Ende ausgenommen, das mich auf Gefühlsebene tatsächlich packen konnte) und dem grundsätzlichen Spieldesign bleibt hier vieles zu oberflächlich, zu inkonsequent, zu unglaubwürdig und zusammenhanglos.

Das beginnt bei einzelnen Figuren und hört erst bei einem Hauptthema auf: Ryu wurde mit einem slavischen Fluch belegt, dem "Griff des Mordes" (im Original "Grip of Murder"). Dieser breitet sich von seinem rechten Arm aus und soll sinnbildlich die Qualen darstellen, die die von ihm Getöteten erdulden mussten und die er nun in sich aufsaugt. Der Fluch bereitet sich in seinem Körper aus und droht ihn zu töten.

Damit hat man in der Theorie ein interessantes Thema. Wie wäre es denn, wenn Ryu an Schlüsselstellen vor die Wahl gestellt würde, ob er nun weiter mordet oder doch versucht, einen anderen Weg zu finden? Doch wie viele andere Stilmittel ist auch der Fluch nur ein oberflächliches Element - er wird nur genutzt, um für billige Dramatik zu sorgen. So etwa, wenn der Schmerz in seinem Arm in regelmäßigen Abständen so gewaltig wird, dass Ryu nur noch schleichend zum Levelausgang gehen kann. Wohl wissend, dass jeder weitere Feind den Fluch nur verstärkt, muss man weiter metzeln - schwach.

Wiedersehen macht Freude

Die Idee des von seinen Opfern gepeinigten Meuchelmörders ist klasse - die Umsetzung nicht.
Die Idee des von seinen Opfern gepeinigten Meuchelmörders ist klasse - die Umsetzung nicht.
Vermutlich um die Serien-Fans zufrieden zu stellen, gibt es jedoch viele kleine Anspielungen auf die Vorgänger (teils sogar auf die erste Ninja Gaiden-Serie, die auf dem NES ihren Anfang nahm): Ayana taucht auf, man besucht das Dorf Haybusa, in einer Art "Traumsequenz" ist man in Abschnitten aus Teil 1 und 2 unterwegs und als Höhepunkt gibt es Cameo-Auftritte von Muyamasa und Robert T. Sturgeon.

Klar: Ich habe mich über diese Anspielungen gefreut. Noch mehr hätte ich allerdings gejauchzt und gejubelt, wenn Ninja Gaiden 3 auch spielerisch Bezug auf die Vorgänger nehmen würde, anstatt sich zu einem austauschbaren Allerwelts-Gekloppe zu entwickeln, das zwar in seinen wenigen guten Momenten zu unterhalten versteht, aber einen überhaupt nicht mehr in einem atemlosen Würgegriff hält.

Gewalt als Stilmittel

Nicht nur der Schwierigkeitsgrad war ein Markenzeichen der Ninja Gaidens, auch die Gewaltdarstellung hat die Titel hochgradig interessant gemacht - das fand auch die BPjM, die die 360-Version von Teil 2 auf den Index gesetzt hat, so dass Tecmo für die PS3-Neuauflage (mit dem Untertitel "Sigma") kleine Änderungen einbaute.

Teil 3 hingegen wird nicht in Gefahr kommen, indiziert zu werden: Die USK hat Ryu das Siegel "Ab 18" aufgedrückt - und das vollkommen ungeschnitten. Doch wie unterscheidet sich Teil 3 von den Vorgängern? Zum einen gibt es keine abgetrennten Körperteile mehr.

Team Ninja hat die Chance verpasst, der Serie einen Neuanfang zu spendieren.
Die Katana-Kämpfe sind auch hierzulande ungeschnitten.
Egal wo das Katana landet, bleibt alles dran. Das mag einige vielleicht abschrecken, doch mit einer erhöhten Blutausschüttung sowie einer mitunter etwas hektischen Kamera, die bei "Finishern" dicht ans Geschehen zoomt, bekommen Gorefans weiterhin einiges geboten.

Doch abseits der Animationen des Katanaballetts sowie der sehenswerten Effekte, bietet Ninja Gaiden 3 nicht viel fürs Auge. Zwar laufen die Gefechte mit sauberen 60 Bildern pro Sekunde ab, die nur von Tearing hier und da gestört werden. Doch insgesamt sind die Kulissen gerade mal durchschnittlich und im Falle der Kriegsflotte am siebten Tag sogar zu klinisch-steril.

Wenigstens die Akustik punktet auf breiter Front: Die (englische) Sprachausgabe geht in Ordnung, bei den Gefechten klirrt das Metall, Explosionen lassen den Subwoofer beben, zischt und schwuscht sich die Klinge durch Fleisch und Knochen und flatscht das Blut auf Boden und die Innenseite des Bildschirms

Langeweile abseits der Kampagne

Die draufgestülpt wirkenden Mehrspieler-Duelle sind unnötig hektisch.
Die draufgestülpt wirkenden Mehrspieler-Duelle sind unnötig hektisch.
Hat man die Geschichte bewältigt oder möchte abseits der Kampagne metzeln, kann man sich an den optional kooperativen "Ninja Trials" oder dem Mehrspielermodus für bis zu acht Online-Meuchelmörder versuchen. Hinter Erstem verbergen sich meist fünf bis zehn Minuten dauernde Arena-Kämpfe mit kleinen Sonderaufgaben, die man auch solo angehen kann, um Erfahrung für seinen Ninja zu sammeln. Diese führt zu Levelaufstieg und damit zu neuer Ausrüstung und neuen Fähigkeiten, wobei man hier nicht einmal ansatzweise den Tiefgang und den Umfang einschlägiger Shooter erreicht. Die Clan-Kriege wiederum sind Duelle von maximal vier Meuchlern großen Gruppen, wobei auch hier zusätzlich zu den Deathmatch-Regeln Zusatzaufgaben warten.

Während man den Herausforderungen einen gewissen Unterhaltungswert und Anforderungsgrad nicht absprechen kann, wirken die Online-Duelle draufgestülpt: Hektisch, unübersichtlich und größtenteils spaßfrei habe ich nach ein paar Sessions die Segel gestrichen.

Fazit

Nahezu alles, was man mit Ninja Gaiden assoziiert, wurde Massenkeilereien zum Fraß vorgeworfen: Spannende Gefechte, ein höchst anspruchsvoller Schwierigkeitsgrad und Mystik. Ich gehe sogar so weit und sage, dies hier ist wenig mehr als ein Dynasty Gaiden oder Ninja Warriors. Obwohl das Kampfsystem nur leicht modifiziert beibehalten wurde, gibt es im Umfeld gravierende Änderungen, von denen viele mit Volldampf nach hinten losgehen. Das Motiv des zerrissenen Helden, der unter der Last seiner Opfer leidet, ist z.B. hochinteressant, wird aber vollkommen belanglos verpulvert. Überhaupt wirkt die Geschichte spröde, uninspiriert und unnötig klischeeverseucht. Doch es ist vor allem der Wechsel hin zu Welle auf Welle an langweiligen Auseinandersetzungen sowie simplen Reaktionstests, der deutlich macht, welchen großartigen Einfluss Ninja Gaiden-Vater Itagaki-San auf das Design der alten Ninja Gaidens hatte: Mit dem neuen Kapitän am Ruder sowie der Anbiederung an den westlichen Markt und die größtmögliche Käufergruppe befindet sich Ryu Hayabusa auf einem gefährlichen Sinkflug. Dank der Bosskämpfe, der gut inszenierten Dynamik in den Auseinandersetzungen sowie den interessanten Ninja-Herausforderungen schafft man es gerade noch, nicht komplett abzustürzen.

Wertung

360

Die Kampfmechanik überzeugt wie eh und je, doch im Umfeld entfernt man sich immer weiter von den Wurzeln. Dies ist mehr Dynasty Gaiden als eine echte Fortsetzung der Ryu Hayabusa-Saga.

PlayStation3

Die inhaltliche und spielerische Neuausrichtung geht nach hinten los: Dies ist kein würdiger Nachfolger der Ninja Gaiden-Serie.

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