The Cursed Crusade29.09.2011, Benjamin Schmädig
The Cursed Crusade

Im Test:

Ich will doch nur spielen! Aber ich darf nicht. Stattdessen zerquatscht die Stimme meines Vaters schon eine gefühlte halbe Stunde lang jeden Spannungsbogen. Immer dann, wenn ich das Gamepad hoffnungsvoll fester fasse, redet der alte Ritter einfach weiter. Und es wird kaum besser, als ich das dröge Tutorial lange später endlich überstanden habe. Tempelritter und die Kreuzzüge - worin liegt eigentlich die Faszination? Dieses Spiel findet darauf keine Antwort.

Papa Bayle

Wenn ich mich in der Rolle von Denz de Bayle auf die Suche nach meinem verschollenen Vater mache, geschieht das aus reinem Eigennutz: Denz hofft, dass ihn sein alter Herr von einem Fluch befreien kann. Ein Fluch immerhin, der ihn ihm Kampf schneller und stärker macht. Denn was den Tempelritter erzählerisch fast umbringt, versetzt ihn auf Knopfdruck in eine spielerisch coole Parallelwelt - als befänden sich hinter der Fassade unserer Welt brennende Mauern und verirrte Geister. So weit, so vielversprechend.

Sicher: Glaubhafte Figuren sucht man vergebens. Daran ändert auch Denz' Freundschaft zu seinem Begleiter Esteban Noviembre nichts, der wie durch Zufall am selben Fluch leidet. Das ist deshalb so, damit die Entwickler keine spielerischen Unterschiede für das kooperative Abenteuer erfinden mussten. Geschickt eingefädelt! Passt aber, denn das Duo müht sich auch erzählerisch nur auf dem Niveau frühpubertärer Spielplatzunterhaltung um Charakterzeichnung. Von einem spritzigen Army of Two sind die Partner weiter entfernt als vom nächsten McDonalds. Und während die Handlung um Mythos und Geschichte zumindest auf dem Papier reizvoll ist, wird sie von staubtrockenen, viel zu langen Vertextungen in rotzöden Kameraeinstellungen zu Tode geplappert. Tatsächlich würde ich nicht darauf wetten, dass ich mehr gespielt als zugehört habe.

Das Timing der Templer

Ein ganz anderes Problem sind nämlich die kurzen Arenakämpfe in Abschnitten, deren Umfang man mit einer Schmiege ermessen könnte. Hier und da fällt Entwickler Kylotonn (Speedball 2: Tournament, Bet on Soldier ) zwar ein, dass man mal ein paar Meter mit vorgehaltenem Schild gegen aus der Ferne schießende Bogenschützen laufen könnte – viel mehr aber auch nicht. Meist schiebt man mit Kumpel Esteban einen Karren aus dem Weg, rennt ein paar Meter und schon steht da ein Dutzend Krieger, derer man sich im Handumdrehen entledigt. Jeden neuen Abschnitt beginnt man zudem mit nur einer Waffe und darf von vorne sammeln - was schon deshalb ein furchtbares Gefummel ist, weil sich die Waffen kaum vom Boden abheben.

Das Traurige ist: Der Kampf hätte richtig gut sein können! Schließlich verzichtet The Cursed Crusade (ab 3,90€ bei kaufen) auf blitzschnelles Knopfdruckhämmern und gibt einem taktischen Kombo-System den Vorzug. Denn weil Denz und Esteban mit Einhändern oder Zweihändern, mit zwei Klingen, mit Klinge und Hammer, Klinge und Schild oder Klinge und Schlägerl umzugehen wissen, haben sie zahlreiche Angriffsmöglichkeiten. Verschiedene Waffen sind dabei gegen bestimmte Feinde besonders wirksam. Wer eilig die zwei Angriffstasten und den Tritt zum Durchbrechen der Verteidigungsstellung malträtiert, kommt jedenfalls nicht weit: Das Timing spielt beim Abrufen der zahlreichen Angriffe eine wichtige Rolle. Man muss außerdem selbst blocken oder einem Tritt ausweichen, brutale Finisher geben einem angeschlagenen Gegner den Rest, der Partner kann einen Feind zum Ausführen des finalen Hiebs festhalten und in der Nähe von offenem Feuer drückt man die Köpfe der Feinde in die Flamme.

Gnadenlos

Die unbarmherzige Inszenierung tut dem Spiel gut, weil die Gefechte dadurch eindrucksvoller wirken. Auf jeden Fall sind sie intensiver als das dröge Schwertschwingen im inhaltlich ähnlichen The First Templar. Blutspritzer und eine Kameraführung, die dem Geschehen aus dichter Nähe folgt, tun ihr Übriges. Aktiviert man den Fluch, schreitet man zudem durch die Hölle: Ruinen befinden sich dort, wo in Wirklichkeit feste Mauern stehen. Statt Regenwolken erstrecken sich brennende Berge über den Horizont. Feinde sehen wie fleischige Untote aus. In diesem Modus richten Denz und Esteban nicht nur mehr Schaden an, sie verbrennen ihre Gegner auch mit magischem Feuer. Zu lange dürfen sie aber nicht in dieser Hölle bleiben, denn irgendwann frisst der Zustand ihre Kraft auf. Nett: Liegt einer am Boden, kommt der Tod in dieser Welt buchstäblich auf ihn zu. Ist man schnell genug, kann man den Gevatter ein paar mal mit Magie zurückhalten. Irgendwann sollte der Partner dem geschlagenen Kumpel allerdings wieder auf die Beine helfen.

Das Konzept ist wirklich gut und macht in kurzen Schüben sogar Spaß. Letztendlich wird es aber in höllisch öden Arenascharmützeln verheizt, von schrecklich einfallslosen Gegnern nie ausgereizt und von einer überflüssigen Charakterentwicklung verwässert.

Die Kämpfe könnten spannend sein - würden Gegner und Spieldesign nicht wie unfertige Dreingaben wirken.
Die Kämpfe könnten spannend sein - würden Gegner und Spieldesign nicht wie unfertige Dreingaben wirken.
So genügt es, jede feindliche Attacke erst abzuwehren, bevor man ungehindert kontert - die Parade klappt fast immer, weil das Zeitfenster zum Aktivieren viel zu groß ist. Mit eigenen Angriffen hält man sich hingegen zurück, da einige Feinde ebenfalls jeden Angriff abwehren. Recht bald verlässt man sich deshalb viel zu sehr auf die anspruchslose Riposte und vermisst das dynamische, unvorhersehbare Hin und Her packender Action.

Die zahlreichen Bewegungen mit den vielen Waffen gleichen sich zudem äußerlich und in der Höhe ihres Schadens so sehr, dass es überhaupt keinen Sinn ergibt, sie auswendig zu lernen. Und ich habe es wirklich versucht! Trotz eines Einstiegs, der mich kommentarlos mit einem Batzen Bewegungsmöglichkeiten und Waffenkombinationen stehen ließ, aber weder die Steuerung noch spielerische Inhalte zufriedenstellend erklärte. Besonders der Waffenwechsel ist eine Qual, weil das entsprechende Menü nie auf einen Blick anzeigt, unter welcher Taste sich welche Waffe versteckt.

Die unvollständige Kampf-Demo

Ich habe mich sogar an einer cleveren Entwicklung der Fähigkeiten „meines“ Denz' und meines Koop-Estebans versucht. Wenn man aber nach jedem Stufenaufstieg drei neue Angriffsketten freiklickt, bis den Templer endlich jede mögliche Attacke beherrscht, ist das einfach zu durchschaubar. Er lernt zwar auch stärker zuzuschlagen, länger den Fluch zu nutzen oder mehr Treffer einzustecken. Die Auswirkungen dieser Entwicklung halten sich aber in so überschaubaren Grenzen, dass ich zugunsten besserer Action gerne verzichtet hätte. Unterm Strich wirkt The Cursed Crusade um sein Kampfsystem herum wirkt so beliebig, dass man von einer Tech-Demo reden könnte...

... wenn die Technik denn mitmachen würde! Tut sie aber gelegentlich nicht. In der PC-Version fing es mit der Fehlermeldung an, das Spiel hätte mein E-Mail-Programm nicht gefunden. Wofür es das wohl brauchte? Inzwischen hat ein Update zumindest diesen Fehler behoben. Trotzdem bleiben Ungereimtheiten wie Feinde, die mitten in der Bewegung erstarren oder ein plötzlich verschwundener Esteban. Will man auf dem geteilten Bildschirm der Xbox 360 spielen, stellt sich hingegen der Ton komplett aus. Dabei gehört die solide Sprachausgabe zu den Stärken des Abenteuers... Aber den Splitscreen hatte Kylotonn wohl sowieso nur halb im Auge - anders lassen sich Kameraeinstellungen, bei denen man nur die Unterkörper der Helden sieht, nicht erklären. Einzig die geringe Teilnahme am Onlinespiel – man findet kaum Gleichgesinnte – kann man den Verweigerern mitfühlend verzeihen.

Fazit

Fähige Entwickler hätten aus den Fundamenten ein richtig spannendes Abenteuer bauen können! Schließlich hat man mit zahlreichen Angriffen, Ausweichschritt, Parade und brutalen Finishern viele taktische Möglichkeiten - auch das Umschalten zwischen Wirklichkeit und Höllenwelt trägt dazu bei. Partnerspieler freuen sich zudem über das gemeinsame Erleben, egal ob online oder am gleichen Bildschirm. Die Geschichte wird allerdings so lieblos kaputterzählt, dass selbst ich mich als Nie-Wegklicker zum Anhören zwingen musste. Das Abklopfen ständiger Mini-Scharmützel ist an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten. Die Gegner agieren ähnlich clever wie ihre Kollegen aus Dynasty Warriors. Und die Entwicklung neuer Fähigkeiten ist eingleisig, eigentlich sogar überflüssig. Weil Taktik deshalb kaum eine Rolle spielt, weil sich sowohl Solisten als auch kooperative Abenteurer über Programmfehler ärgern und weil der Ablauf so vorhersehbar ist wie das abschließende Wort im Sonntagsgebet, versacken die guten Ansätze schon nach wenigen Minuten in der Bedeutungslosigkeit.

Pro

brachiale Kämpfe mit einigen taktischen Möglichkeiten...
etliche Angriffsketten mit zahlreichen Waffen...
zu zweit online und auf geteiltem Bildschirm spielbar

Kontra

...die man viel zu selten nutzen muss
...die sich kaum voneinander unterscheiden
Esprit-freie Dialoge zerquatschen jeden Spannungsbogen
eintöniger Ablauf; ständige kleine Arenakämpfe
eingleisige Charakterentwicklung
überladener Einstieg, einige Funktionen werden nicht erklärt
unübersichtlicher Waffenwechsel, unhandliches Waffenauflesen
technische Fehler, vor allem im gemeinsamen Spiel

Wertung

360

Die kooperative Kampagne entschädigt nicht für die lustlos erzählte Geschichte, die eingleisige Charakterentwicklung und die spielerische Eintönigkeit.

PC

Auch die technische beste Version hinterlässt keinen überzeugenden Eindruck: Dieser Kreuzug ist nicht einmal den bösen Fluch wert.

PlayStation3

Gute Ideen, unzureichende Umsetzung. The Cursed Crusade geht in der Belanglosigkeit unter.

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