Moto GP 10/1118.03.2011, Michael Krosta
Moto GP 10/11

Im Test:

Capcoms Neuanfang mit der MotoGP-Serie im letzten Jahr war durchwachsen: Mit einer anspruchslosen Fahrphysik, dem peinlichen Kommentator sowie rempelnder Gummiband-KI wurden die Zweirad-Fans enttäuscht und waren bei der SBK-Konkurrenz  besser aufgehoben. Liefern die Entwickler von Monumental Games bei MotoGP 10/11 nach dem Fehlstart nur ein Saison-Update oder krempelt man wieder alles komplett um?

Vertraute Pfade

Auf den ersten Blick wirkt alles wie gehabt: Nach dem unspektakulären Intro offenbart das Hauptmenü mit der Weltmeisterschaft, Zeitfahren sowie dem Karrieremodus mit integriertem Personal- und Sponsorenmanagement alte Bekannte. Dazu gesellt sich neben dem Mehrspieler-Teil der Herausforderungsmodus, der allerdings nur eine neue Bezeichnung für Arcade darstellt. Im Gegensatz zu den anderen Modi gibt es hier keine Übungs- oder Qualifikations-Session, so dass man sich aus einer vorgegebenen Position an die Spitze kämpfen muss.

Drei Klassen, volles Lizenzpaket

Schön ist, dass die drei Leistungsklassen (125ccm, Moto 2 & MotoGP) schon von Anfang an freigeschaltet sind und lizenzierte Fahrer sowie Maschinen namhafter Hersteller wie Ducati oder Yamaha enthalten. Hat man bei WM-Läufen, Einzelrennen und Zeitfahren die freie Auswahl, muss man die Karriere zunächst auf den kleinsten Motorrädern beginnen und sich nach oben arbeiten. Das Programm für die Weiterentwicklung der Maschinen ist wie im letzten Jahr genau so vorhanden wie das Personal- und Sponsoren-Management. Wer sich nur auf seine Fahrerkarriere konzentrieren will, ist von diesen Features allerdings schnell genervt. Beim z.T. inkonsequenzen Bewertungssystem bleibt ebenfalls alles beim Alten, so dass auch hier oft KI-Rempler, für die man nichts kann, mit einem Punkteabzug bestraft werden, während eine saubere Fahrweise, das Heransaugen im Windschatten sowie Überholmanöver belohnt werden und sich neben der endgültigen Rennposition positiv auf die Endbewertung auswirken. Schön ist die Neuerung, dass man die Karriere jetzt auch im Team per Splitscreen angehen kann; das Ein- und Aussteigen ist dabei jederzeit möglich. Davon abgesehen sind auch Einzelrennen im geteilten Bildschirm möglich, wobei sich - je nach Klasse - sogar bis zu 25 weitere KI-Fahrer hinzuschalten lassen, womit sich im Splitscreen genau so viele Motorräder auf der Strecke befinden wie bei Solo-Rasereien. Selbst online fällt das Fahrerfeld mit bis zu 20 Piloten noch üppig aus, während der Netzcode trotz dieser Masse überraschend stabil läuft; Lags sind auch bei einer gut gefüllten Lobby die Ausnahme.

Leblos, aber schnell

Die Grafikengine bringt die Geschwindigkeit hervorragend rüber und läuft überwiegend flüssig - nur ab und zu kommt es zu kleinen Einbrüchen in der Bildrate, wenn sich zu viele Motorräder gleichzeitig auf einem Streckenabschnitt befinden und auch noch das Regenwetter Ressourcen beansprucht. Leider wirken die lizenzierten Pisten - insgesamt 18 an der Zahl, darunter das portugisische Estoril, der Sachsenring, Indianapolis und Neuzugänge wie das spanische Aragón Motorland - immer noch sehr steril. Vor allem beim Blick auf die Tribünen kommt keine Stimmung auf. Wo sind die geschwenkten Fahnen und Feuerwerk, mit denen man mehr Leben in die Kulissen zaubern könnte? Siegerehrungen und Champagnerduschen sucht man ebenfalls wieder vergebens. Zumindest bringen die gut modellierten Zweiräder sowie die geschmeidig animierten Piloten den Motorsport authentisch rüber.

Mehr Anspruch

Authentizität ist auch das Stichwort bei der Fahrphysik, denn hier vollzieht Monumental Games eine 180 Grad-Drehung: War der Vorgänger des letzten Jahres noch eine anspruchslose Arcade-Raserei, wird der Fokus hier deutlich stärker auf die Simulation gelegt. Wer Fahrhilfen wie ABS, Traktionskontrolle oder den Wheelie-Stop ausschaltet und sich auch noch manuell um das Getriebe der Maschine sowie die Haltung des Fahrers kümmern will, hat alle Hände voll zu tun, die enorme Kraft der Zweiräder zu bändigen. Hier werden also endlich auch Simulations-Fetischisten bedient, doch auch Anfänger bekommen dank der Fahrhilfen und einer optionalen Ideallinie eine Chance. Wer in den Online-Bestenlisten nach oben klettern will, wird außerdem zu einem sauberen Fahren gezwungen: Kommt man von der Strecke ab, wird umgehend eine Strafzeit auf die Rundenzeit addiert, doch spielt das eigentlich nur beim Zeitfahren, nicht aber den Rennen eine

Das Fahrerfeld ist angenehm groß - allerdings neigt die KI mitunter zu unfairen Rempel-Attacken und schiebt einen von der Piste.
große Rolle, so dass unerlaubtes Abkürzen an Schikanen meist ohne große Folgen bleibt - ein Umstand, der gerade in Onlinerennen gerne ausgenutzt wird.

Dass man es mit der Neuausrichtung ernst meint, zeigt auch der Blick auf das Setup, wo man nicht nur die Fahrhilfen nach Wunsch einstellen kann, sondern auch an der Reifenmischung, dem Getriebe und Differenzial sowie der Federung (inklusive Radstand) herum spielt. Konnte man im Vorgänger nur grobe Veränderungen vornehmen, darf man hier in ganz feinen Schritten den Schraubenschlüssel ansetzen und das perfekte Setup heraustüfteln. Die KI lässt sich in vier Stufen einstellen, aber neigt auch dieses Mal wieder zu unfairen Rempel-Attacken, die erneut einige Schwächen in der Kollisionsabfrage offenbaren. Zumindest während WM- und Karriereläufen kann man aber auf ein optionales Heilmittel zurückgreifen, das auch in Forza Motorsport 3 schon viele Totalschäden rückgängig gemacht hat: Über das Pausenmenü lässt sich die fatale Szene ungeschehen machen, indem man die Zeit einfach zurückspult und vor dem Unfall wieder ins Rennen einsteigt. Warum das Feature aber "Zweite Chance" genannt wird, ist mir schleierhaft, da man die Funktion unendlich oft verwenden kann. Doch auch ohne die Verwendung dieses Tricks bzw. in Online- und Arcaderennen wird man nach einem Unfall schnell wieder zurück auf die Strecke gesetzt - leider nicht immer auf dem Asphalt, sondern ab und zu auch etwas abseits der Piste, was unnötig viel Zeit kostet und frustrierend sein kann.

  

Fazit

Zwar wurden bei MotoGP 10/11 einige Schwächen wie die rempelfreudige KI, fragwürdige Kollisionsabfrage, sterile Kulissen oder das zweischneidige Bewertungssystem aus dem Vorjahr übernommen, doch hat man sich auch viele Kritikpunkte zu Herzen genommen: Die Fahrphysik der Zweiräder hat mittlerweile auch für anspruchsvolle Raser etwas zu bieten, das Setup erlaubt Feineinstellungen für die Nachwuchs-Mechaniker und die Motoren röhren endlich mehr wie ihre realen Vorbilder aus den Boxen. Selbst der dämliche Kommentator wurde zum Glück ausgetauscht und durch einen professionellen Sprecher ersetzt, den man aus dem TV (und Buzz) kennt. Die Grafikengine bringt das Geschwindigkeitsgefühl auf den gut modellierten Bikes außerdem hervorragend rüber und der Splitscreen-Modus, der auch in der Karriere genutzt werden kann, ist eine gelungene Alternative zu den überwiegend lagfreien Online-Rennen. Über das Internet können immerhin bis zu 20 Piloten an den Veranstaltungen teilnehmen und sogar eigene Meisterschaften austragen. MotoGP 10/11 ist mit seinen vorhandenen Mängeln zwar noch weit davon entfernt, in Award-Regionen vorzustoßen, aber im Vergleich zum ernüchternden Auftritt im letzten Jahr hat Monumental Games mit dem jüngsten Ableger einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht! Jetzt bleibt es abzuwarten, ob Milestone mit SBK 11 erneut zum Gegenschlag ausholen kann...

Pro

überwiegend flüssige Grafikengine
lizenzierte Strecken & Fahrer
drei Leistungsklassen
Strafsystem...
anspruchsvolle Fahrphysik
großes Fahrerfeld (bis zu 27 Motorräder)
diverse Fahrhilfen
unterschiedliche Witterungsbedingungen
überwiegend lagfreier Onlinemodus
ordentliche Motorenklänge
Splitscreen-Rennen (mit KI-Zuschaltung)
optionale Splitscreen-Karriere
Setup mit Feineinstellungen

Kontra

z.T. aggressive Rempel-KI
mitunter fragwürdige Kollisionsabfrage
unglückliche Rücksetzpunkte
...das kaum Auswirkungen hat
Bewertungssystem nicht immer konsequent
leblose Kulissen
dynamische Herausforderungen oft problematisch
Streckenauswahl & Witterung nur per Abstimmung (online)
kein Schadensmodell an Bike oder Fahrer
kein LAN / System Link
keine Qualifying-Session (online)

Wertung

360

Nach dem Fehlstart im letzten Jahr, geht es mit der Moto GP-Serie endlich wieder bergauf - weiter so!

PlayStation3

Leicht stärkeres Flimmern als auf der 360, ansonsten identisch.

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