SSX28.02.2012, Mathias Oertel
SSX

Im Test:

Ein Hubschrauber hat mich am Kilimandscharo nach oben befördert. Ich stehe mit meinem Snowboard auf den Kufen des Helis und starre in den Berg. Nicht auf den Gipfel, sondern mitten in den Schlund dieses Monsters. Eine dunkle, mit Eis und Schnee gefüllte Höhle wartet auf mich.

Verdammt gefährlich

Ich lasse mich fallen, während mir der Pilot noch ein paar aufmunternde Worte über Funk zumurmelt. Ich nehme sie nicht mehr wahr. Mein Fokus liegt auf den Gefahren und den tödlichen Abzweigungen, die vor mir in der Dunkelheit lauern. Zum Glück habe ich eine Stirnlampe, die mir zumindest ansatzweise hilft, die düsteren Gewölbe zu erhellen. Ich muss nur ans Ziel kommen. Noch 2000 Meter. Woah, das war knapp, ich bin froh, dass ich ein Board gewählt habe, das eher auf Kontrolle denn auf Geschwindigkeit ausgelegt ist.

Gut, die Rail habe ich erwischt, wieder 200 Meter weiter gekommen. Die Leuchtfackeln am Boden helfen, durch schwierige Passagen zu navigieren. Noch 500 Meter bis zum Ziel. Der Pilot feuert mich an. Angesichts des nahenden Erfolges werde ich allerdings übermütig. Ich springe über die nächste Kuppe, nicht wissend, was mich erwartet. Mist, ich habe mich verschätzt, kriege das Board nicht mehr unter Kontrolle und rutsche vom Grat in die daneben liegende Erdspalte, aus der glühende Lava leuchtet. Tja. Und nochmal. Alles auf Anfang.

Tödliche Abfahrten

Insgesamt neun dieser thematisch und spielerisch interessanten sowie adrenalinschwangeren Abfahrten im Kampf gegen die Natur und Umgebung warten in SSX (ab 5,00€ bei kaufen) – eine pro Gebiet. Während man in den Rocky Mountains „nur“ gegen wilden Baumwuchs versuchen muss, das Ziel zu erreichen, bevor Gesundheit und ggf. Schutzkleidung  am Ende sind, muss man in Patagonien seinen „Wingsuit“ einsetzen, um klaffende Schluchten zu überbrücken. In der Antarktis trotzt man der Kälte, indem man so lange wie möglich in der Sonne fährt und versucht, schattige Höhlen zu meiden. Doch auch mit dünner Luft, Lawinen, fiesen Felsen und anderen Widrigkeiten muss man auf diesen „Boss-Strecken“ in aller Welt fertigwerden.

Und das alles nur, um den Sieg für Team SSX gegen den abtrünnigen Boarder Griff einzufahren. Okay: Die Story ist um ein Vielfaches dünner als die Models, die bei Heidi Klum um Ruhm, Ehre und einen Agentur-Vertrag kämpfen. Aber sie wird verdammt cool und stylisch erzählt: Comic-Sequenzen, die im Gegensatz zum Rest des Spiels nicht ins Deutsche übersetzt wurden, sollen eine Verbindung zu den insgesamt neun Boardern aufbauen, mit denen man die gut 50 Startpunkte der Offline-Kampagne abgrast. Übrigens muss man hier immer mit dem für das jeweilige Gebiet vorgesehenen Schneespezialisten antreten.

Egal ob Tag oder Nacht: Die SSX-Crew ist allzeit bereit.
Egal ob Tag oder Nacht: Die SSX-Crew ist allzeit bereit.
Auf die Gebiete wird man durch Rendervideos eingestimmt, die zwar etwas überbetont cool eingesprochen wurden, aber deren Musikvideostil mit rasanten Schnitten sowie schicken Effekten auch beim x-ten Anschauen nicht langweilig wird.

Ausrüsten, Rasen & Überleben

Außer in den angesprochenen "Deadly Descents" muss man sein Können offline in Trickwettbewerben sowie in Rennen unter Beweis stellen. Bei Ersterem muss man das weitläufig offene sowie viele Routen offenbarende Terrain navigieren und möglichst optimal Sprünge, Grinds sowie Bodentricks zusammenfügen, um den Multiplikator und damit auch die Punktzahl zu steigern.

Aber ganz ohne Tricks kommen auch die Rennwettbewerbe nicht aus: Nur über Sprünge etc. kann man Boost aufbauen, der im richtigen Moment eingesetzt den Unterschied zu den CPU-gesteuerten Fahrern ausmachen kann. Da man in der Luft und bei Tricks jedoch

Waghalsige Tricks und spektakuläre Stunts gibt es im Sekundentakt.
Waghalsige Tricks und spektakuläre Stunts gibt es im Sekundentakt.
Geschwindigkeit verliert, ist man hier ständig auf der Suche nach dem besten Kompromiss aus Stunts, Speed und Streckenkenntnis - kennt man die eine oder andere Abkürzung, kann man den Abstand zum Vordermann rapide verkürzen bzw. entsprechend vergrößern, wenn man in Führung liegen sollte.

Der Arcade-Ansatz, der SSX schon immer auszeichnete und auch hier von Konkurrenz wie den Amped- oder Stoked-Serien absetzt, kommt voll zum Tragen: Die Steuerung ist sehr direkt, Kollisionen mit der Umgebung werden außer bei Frontalunfällen sehr weich berechnet und verzeihen dementsprechend einiges. Ist man nicht gierig und stoppt die Trickausführung rechtzeitig, sieht das Spiel einem auch die eine oder andere unglückliche Landung mit leicht quer stehendem Board nach, die bei anderen Titeln schon mal zum Sturz führt. Auch Sprünge in tiefe Abgründe sind kein Problem, solange man auf Schnee und nicht im Abgrund landet. Der Spaß an spektakulären Stunts und halsbrecherischer Geschwindigkeit bei Schneeabfahrten steht hier im Vordergrund - und das macht SSX so gut wie kein anderer Titel.

Klassisch, modern, übertricky

Veteranen können sich zur Trickausführung die klassische Steuerung alter SSX-Teile einstellen. Doch um die volle Trickdröhnung zu bekommen, empfehle ich die neue Steuerung über den rechten Analog-Stick (mit Modifikation über Schultertasten). Im Wesentlichen kann man diese als Mix aus Skate und Amped bzw. Stoked bezeichnen. Jeder Trick besteht aus zwei Stufen: Mit der ersten Bewegung gibt man die Hand an, mit der man das Board greift. Mit der zweiten die Seite, an der man das Brett manipulieren möchte. Ein Beispiel: Drückt man zuerst nach links und dann nach rechts, führt die linke Hand einen so genannten "Mute" aus. In entgegengesetzter Richtung führt die rechte Hand einen "Stale Fish" aus. Zusammen mit regulärer und "invertierter" Position (Goofy) kommt man so auf stolze 24 Tricks, die mit Salti und Schrauben zusätzlich aufgewertet werden können.

Der "Wingsuit" wird genutzt, um Schluchten zu überbrücken.
Der "Wingsuit" wird genutzt, um Schluchten zu überbrücken.
Hat man die "Tricky"-Anzeige einmal gefüllt, hat man Zugriff auf weitere 24, so genannte "Über"-Tricks. Und schafft man nun nochmals, die Leiste komplett aufzufüllen, warten 24 "Super Über"-Tricks sowie ein für jeden Boarder individueller Spezialstunt. Selbstverständlich bekommt man im Tricky- bzw. Super-Tricky-Zustand auch andere Grinds zu sehen, wenn man auf den Rails schliddert.

Das klingt zwar alles kompliziert, ist im Spiel aber sehr intuitiv zu bewerkstelligen. Die Steuerung leistet sich keine Aussetzer, so dass man sich auf das anständige Anforderungsprofil konzentrieren kann: Will man die Höchstpunktzahlen erreichen, muss man sich spätestens ab dem fünften Gebiet gehörig anstrengen und sollte auch wissen, wo man den Boost in Trickwettbewerben einsetzen muss, um an ganz besondere Stellen zu gelangen und z.B. über die Scheibe des Helikopters zu gleiten oder an seinen Kufen zu hängen, bevor man sich wieder in die Tiefe stürzt. Dass sich trotz des Umfangs die Tricks und Stunts irgendwann wiederholen und man sich etwas an ihnen satt gesehen hat, ist ebenso zwangsläufig wie bedauerlich. Doch auf die Gesamtmotivation hat es wenig Einfluss, da man alle Hände voll zu tun hat, um seine Kombokette aufzubauen.

Hilfe benötigt?

Die Boarder lassen sich mit allerlei Schnickschnack ausrüsten. Eigene Figuren können nicht erstellt werden.
Die Boarder lassen sich mit allerlei Schnickschnack ausrüsten. Eigene Figuren können nicht erstellt werden.
Bei all der Herausforderung wird der frustfreie Spaß jedoch nicht vergessen. EA hat sichergestellt, dass absolut jeder ungeachtet des Fähigkeitsgrades die Offline-Kampagne bewältigen kann. Scheitert man häufiger an einer Herausforderung, bekommt man die Gelegenheit, zum nächsten der linear angeordneten Wettbewerbe zu ziehen. Die Mitglieder des „Vereins wider der Casualisierung von Spielen“ werden jetzt wahrscheinlich Zeter und Mordio schreien. Doch dabei sollte nicht vergessen werden, dass diese Möglichkeit nur eine Option darstellt, die man nicht wahrnehmen muss. Ich wurde auch an einigen Stellen in Versuchung geführt, habe dem aber widerstanden. Denn bejaht man diese Aufforderung, entgehen einem viele Inhalte und Vorteile für weitere Rennen sowie den Explore-Modus - dazu gleich mehr.

Überspringt man z.B. die Initialrennen jeder Region, bekommt man die Comic-Strips der einzelnen Boarder nicht zu Gesicht. Selbstverständlich gewinnt man beim Überspringen auch weder den ausgeschriebenen Geldpreis noch das Gros der Erfahrungspunkte. Und das sind zwei Faktoren, die bei SSX eine wichtige, miteinander verbundene Rolle spielen. Je höher die Stufe des Fahrers ist, desto bessere Ausrüstung kann er sich im spielinternen Shop für die schwer verdiente Währung besorgen. Boards z.B. haben die drei Eigenschaften Tricks, Boost und Geschwindigkeit, die sich gewaltig unterscheiden können, aber mitunter ein tiefes Loch in den Geldbeutel spülen. Aber auch die speziellen Ausrüstungsgegenstände wie Atemgeräte, Stirnlampen oder der Wingsuit haben unterschiedliche Attribute. Als Faustregel gilt je teurer, je besser, je effektiver. Sprich: Höhere Chancen auf den ersten Platz. Man schadet sich also letztlich selber, wenn man zu häufig von der "Vorspul-Funktion" Gebrauch macht.

Herrscher über Zeit und Raum

Apropos vorspulen: Zurückspulen ist auch möglich, maximal etwa 30 Sekunden. Das ist für mich nicht einmal ein Kniefall vor dem Gelegenheitsspieler, sondern vielmehr eine weitere Möglichkeit, den zwangsläufig durch Ambition aufkommenden Frust auch für erfahrene Pad-Boarder zu minimieren. Irgendwann fährt man ständig am Limit, um die Höchstpunktzahl oder Bestzeit zu knacken, kleine Fehler können in diesem Fall zu entscheidenden Punktverlusten führen. Und um die Kombo aufrecht zu erhalten und den Absprung vielleicht noch optimaler zu erwischen (ganz abgesehen davon, dass ein Sprung in die endlose Tiefe sowie folgende Ladezeit zwecks Rücksetzen auf den Startpunkt dadurch vermieden werden kann), nehme ich die paar Sekunden gerne an. Zumal ich auch eine Strafe in Form eines Punktabzugs (die Höhe ist abhängig von der Dauer des Zurückspulens) bekomme.

Bei Rennen ist diese Option ohnehin nur eingeschränkt nützlich. Denn während ich spule, fahren die anderen einfach weiter. Sprich: Der Abstand wird größer. Daher hat EA in diesem Fall alles richtig gemacht. Frustminimierung ohne Sieggarantie ist der ideale Kompromiss, um mit allen zur Verfügung stehenden (und: optionalen) Mitteln für gelungene Unterhaltung zu sorgen.

Die Welt ist meine Bühne

Spätestens, wenn es in den Explore-Modus geht, wird sich ohnehin die Spreu vom Weizen trennen. Denn die Offline-Story ist eigentlich nur die Pflicht, ein verlängertes Tutorial. Die Kür findet auf über 150 Drops in den neun Gebieten statt, also einer guten Verdreifachung der in der Geschichte zur Verfügung stehenden Abfahrten.

Der Clou: Alles, was man im Explore-Modus macht, hat eine Halbonline-Anbindung. Zwar fährt man in erster Linie weiterhin offline gegen drei Ghosts (stellvertretend für Entwickler des SSX-Teams) um Punkte bzw. gegen die Zeit, damit man sich im Bestfall die Goldmedaille schnappen kann. Doch ist man mit der Konsole online, wird die eigene Leistung als Ghost automatisch auf die Server geladen.

Die asynchronen Online-Wettbewerbe motivieren enorm.
Die asynchronen Online-Wettbewerbe motivieren enorm.
Das so genannte RiderNet, quasi das snowboardende Gegenstück zum Autolog der Need for Speed-Serie gibt Empfehlungen, wo man jetzt antreten sollte und erkennt, wenn jemand aus der Freundesliste SSX spielt. Der (oder die) kann jetzt nicht nur gegen die internen Rekorde, sondern auch gegen meinen Ghost antreten. Cool dabei: Schafft er es nicht, die Zeit oder den Punkterekord zu unterbieten, bekomme ich Credits gutgeschrieben - auch wenn ich offline bin oder eine Spielpause einlege. Ist er hingegen erfolgreich, bekomme ich wie beim Autolog oder auch Blur eine Mitteilung und kann meinerseits versuchen, die alte Reihenfolge wieder herzustellen.

Da das Erfahrung- und Währungssystem übergreifend ist und spätestens hier Streckenkenntnis sowie persönliche Fähigkeiten eine große Rolle spielen, wird die "Überspring"-Mechanik der Story eingemottet. Es kommt auf mich und die Boarder-Ausrüstung an. Schade ist allerdings, dass man auch hier nur auf die vorgefertigten Sportler zurückgreifen und keine eigenen erstellen kann. Dank unzähliger Boards und Klamotten, die es teilweise auch wie bei Action-Rollenspielen in "seltenen" (und extrem teuren) Varianten gibt und die eine gegenseitige Wechselwirkung mit weiteren Boni haben können, findet zwar auch eine Personalisierung statt. Doch für mich wäre mit einem auch hinsichtlich des Aussehens editierbaren Avatars der Anreiz nochmal größer, den Kumpels online zu zeigen, was eine Harke ist.

Der große Preis

Mit der Offline-Geschichte fertig? Der Explore-Modus hat seinen Reiz verloren? Vor allem Letzteres kann ich mir schwer vorstellen, doch wenn dies der Fall sein sollte, hat SSX ein Gegenmittel parat: Die globalen Events. Diese Wettbewerbe finden zwar ebenfalls größtenteils "asynchron" statt wie die Vergleiche im Explore-Modus, doch hier kämpft man nicht gegen Vorgaben des Entwicklerteams und nur eingeschränkt gegen Freunde. Stattdessen ist die gesamte SSX-Welt die Konkurrenz.

Willkommen auf der dunklen Seite...
Willkommen auf der dunklen Seite...
Auf jedem Drop kann ein zeitlich begrenzter Wettbewerb stattfinden, wobei man für viele eine mitunter happige Teilnahmegebühr (natürlich mit Ingame-Credits) entrichten muss. Die Idee dahinter: Je mehr Teilnehmer dabei sind, umso höher ist der auszuschüttende Gewinnpool - das gilt auch für die kostenlosen Vergleiche. Basierend auf der Leistung (man kann so viele Versuche starten, wie man will) wird man in eine der vorhandenen Gewinngruppen eingeteilt, die ähnlich einem Lotteriesystem den Pott prozentual unter sich aufteilen. Während der beste Teilnehmer z.B. 400.000 Credits einheimst, bekommen die 400 Fahrer in einer unteren Kategorie nur 17.000 Credits gutgeschrieben. Mein persönlicher Favorit dabei ist das "Überleben": Hier muss man gefahrene Meter einsammeln. Solange man Rüstungsschutz bzw. Gesundheit übrig hat, wird man nach Ende der Abfahrt wieder nach oben kutschiert und muss wieder nach unten - was allerdings dadurch erschwert wird, dass sich z.B. eine Nebelwand den Berg hochschleicht und die Sicht von Lauf zu Lauf zunehmend beeinträchtigt.

Wer nur seine Freunde in einen Wettbewerb verwickeln möchte, kann dies ebenfalls innerhalb der Global Events: Mit allen zur Verfügung stehenden Einstellungsmöglichkeiten kann man schnell und unkompliziert private Sessions aufsetzen und seine Freunde sowie deren Freunde einladen. Man kann sogar festlegen, ob bis zum Schluss die Rangliste nicht eingesehen werden darf.

Mein Geotag, deine Herausforderung

Die Kulisse ist farbenfroh und läuft meist flüssig, zeigt im Texturdetail aber Schwächen.
Die Kulisse ist farbenfroh und läuft meist flüssig, zeigt im Texturdetail aber Schwächen.
Und wem das immer noch nicht reicht, kann über das Geotag-System usergenerierte Sammelwut entfachen. Diese Symbole bekommt man an Schlüsselstellen in der Story und kann sie zusätzlich im Shop erwerben. Zwar jagt man im Explore-Modus hauptsächlich hinter den vom Entwickler-Team versteckten Geotags her, doch man hat auch die Gelegenheit, eigene Symbole zu platzieren.

Man hat einen waghalsigen Sprung hingelegt, bei dem man sicher ist, dass der nicht so schnell wiederholbar ist? Man möchte den anderen SSX-Spielern eine fiese Herausforderung hinterlassen? Dann nichts wie kurz die Rückspulfunktion angeschmissen und an der entsprechenden Stelle ein Geotag platziert und man hat der Welt seinen Stempel aufgedrückt. Das Besondere: So lange der Geotag nicht eingesammelt wird, generiert er Credits, die dem Konto gutgeschrieben werden, wenn man das nächste Mal online ist. Apropos: Auch ohne Online-Pass kann man an den Global Events teilnehmen. Die Gewinne werden jedoch erst ausgeschüttet, wenn man den Titel "aktiviert" hat.

Und weil wir gerade bei dem leidigen Thema Online-Aktivierung und Micro-Transactions sind: SSX bleibt wie viele andere EA-Titel (z.B. die NFS-Serie) nicht davon verschont. Hier kauft man sich allerdings keine Ausrüstung im PlayStation Store oder dem Xbox Live Marktplatz, sondern Spielwährung, die man wiederum einsetzen kann, um sich Zutritt zu teuren Globalwettbewerben zu verschaffen oder sich das seltene Ausrüstungsteil unter den Nagel zu reißen. Unter uns: Damit kann ich leben. Denn mir wird durch dieses System nichts vorenthalten, ich kann durch investierte Zeit ebenfalls an die entsprechende Kohle kommen.

Stillleben in Weiß?

Während die Mechanik erfolgreich das Gefühl der "alten" SSX-Spiele in die Gegenwart führt, ohne dabei den Ursprung der Serie außer Acht zu lassen, muss sich die Technik ganz anderen Herausforderungen stellen. Denn war SSX auf SD-Systemen das Maß aller Snowboard-Dinge, muss sich der Reboot den Vergleich mit Titeln wie der Amped-Serie, Shaun White Snowboarding oder Stoked gefallen lassen. Die sind zwar allesamt älter, haben aber das Genre geprägt.

Selbst bei solchen "Schieflagen" hilft SSX, den Boarder für die Landung auszurichten.
Selbst bei solchen "Schieflagen" hilft SSX, den Boarder für die Landung auszurichten.
Während man Shaun Whites Winterausflug weitgehend mühelos hinter sich lässt, ist das Vorhaben gegenüber den letzten Amped- und Stoked-Episoden nicht so leicht durchzusetzen. Dass die Animationen der leicht comichaft designten Charaktere hin und wieder nicht ganz flüssig scheinen, fällt angesichts der umfangreichen Trickflut nicht schwer in die Waagschale. Doch hinsichtlich Gebietsgröße und entsprechender Weitsicht muss sich die Engine ganz schön anstrengen. Wo man bei den anderen Snowboard-Titeln den Blick in die Ferne schweifen lassen kann und auch häufig diese Ferne auf dem Brett erreichen kann, bleibt SSX deutlich schlauchiger - obwohl man auch hier verdammt viel entdecken kann. Die Sichtweite ist zwar ähnlich beeindruckend wie bei den genannten Titeln, aber man hat nie das Gefühl, dass man diese Weite auch erforschen kann. Und auf Animationen in der Umgebung wie z.B. nicht an den Wettbewerben teilnehmende Boarder oder Zuschauer muss man auch verzichten. Einzig der Helikopter ist als bewegter Begleiter stets dabei - und natürlich die anderen (Ghost-)Fahrer. Alles wird dem Arcade-Charakter der Abfahrten untergeordnet.

Details vs. Geschwindigkeit

Man hat selten Gelegenheit, eine derartige Weitsicht zu genießen.
Man hat selten Gelegenheit, eine derartige Weitsicht zu genießen.
Doch auch SSX hat seine Wow-Momente. Die werden im Allgemeinen aber eher durch das  clevere, stimmige Leveldesign hervorgerufen, das auch innerhalb der neun Regionen erfreulich unterschiedlich ist. Findet man in Siberien z.B. still gelegte Industrieanlagen und riesige Pipelines vor, auf denen man grinden kann, braucht man sich im Himalaya-Gebirge nicht über die Überreste abgestürzter Flugzeuge wundern – die man natürlich auch in seine Tricklines einbauen kann.

Und wenn man einmal über eine Klippe springt und geschätzte 100 Meter tief fällt, bevor man auf dem kühlen Weiß aufkommt, könnte einen fast Höhenangst oder Vertigo beschleichen. Das allerdings ist eher dem guten Geschwindigkeitsgefühl geschuldet, das die Engine mit ihrem Flirren bei Boost-Einsatz  beinahe in Burnoutmanier auf den Bildschirm bringt.

Sicher: Der Schnee staubt nicht so schön und wischt nicht so eindrucksvoll durch die Landschaft, wie man es sich von einem Titel im Jahr 2012 wünschen würde und wie es andere Snowboard-Titel bereits praktizierten. Und im Detail lassen einige Texturen, vor allem Abgrenzungen von z.B. Felsen zu Schnee sowie Eistapeten zu wünschen übrig. Zudem kann man in vereinzelten Situationen nach einem Sprung zwischen zwei Felsen steckenbleiben, so dass nur noch die Rückspulfunktion oder ein Neustart der Strecke hilft. Dennoch: Angesichts des ungezügelten und über alle Modi hinweg sprudelnden Spaßes, den ich mit SSX bislang hatte, ist mir das beinahe egal. Selbst die in schnellen Kurven selten einbrechende Bildrate (auf der PS3 geringfügig häufiger) ist mir gleichgültig.

Musikalisches Trick-Gewitter

Während die deutsche Sprachausgabe zu einem Großteil für meinen Geschmack übertrieben cool wirkt, aber technisch in Ordnung geht, gibt es an der musikalischen Untermalung nichts auszusetzen. Das beginnt bei der Auswahl der gut 50 Tracks (davon fast 40 lizenzierte Songs) und hört erst bei der Abmischung auf. Denn wie beim allerersten SSX, das zum Start der PS2 erschien, verändert sich die Akustik abhängig vom Geschehen. Hebt man z.B. zu einem gewaltigen Sprung ab, wird die Musik schwächer, beim Carven kann die Melodie von rechts nach links (oder umgekehrt) faden, bei Grinds oder Boost-Verwendeung wird wiederum ein anderer Effekt eingesetzt, selbst bei Stürzen reagiert die akustische Untermalung. Mitunter sind die Unterschiede zwar nur subtil, aber das Ergebnis der live „remixten“ Musik ist gelungen. Man kann sogar seine eigenen Tracks hochladen und dann im Spiel verwenden.

Fazit

Cool, cooler, SSX: Der Snowboarding-Altmeister meldet sich eindrucksvoll zurück. Dabei profitiert er nicht nur davon, dass die letzten schneetreibenden Titel wie Amped 3, Stoked oder Shaun White Snowboarding ein Weilchen zurückliegen. Denn auch mit Konkurrenz im Nacken bräuchten sich EAs Boarder keine Gedanken um ihre Vormachtstellung machen. Die 150 Abfahrten in neun Gebieten sind zwar nicht ganz so offen wie bei anderen Titeln, bieten aber tonnenweise Geheimnisse und viele Wege, um ans Ziel zu kommen. Die Tricks gehen dank akkurater Steuerung locker von der Hand, die halbautomatische Justierung der Boarder unterstützt den Arcade-Charakter, ohne die Wettbewerbe zu verzerren. Letztlich kommt es auf die eigenen Fähigkeiten sowie die Boarder-Ausrüstung an. Und die "asynchronen" Online-Wettbewerbe gegen Freunde (und die ganze Welt), bei denen man ohne Lobby-Wartezeiten oder Lags quasi wie im Offline-Modus den Berg hinunter rauscht, sind eine ebenso simple wie geniale Idee - so müssen Ranglisten-Wettbewerbe aussehen! Technisch kann man zwar immer wieder schwache Texturen und harte Übergänge z.B. von Felsen zum Schnee entdecken. Doch die stören letztlich ebenso wenig wie die sporadischen Bildrateneinbrüche bei schnellen Wendungen. Was einem in Erinnerung bleibt sind die spektakulären Stunts, die halsbrecherische Geschwindigkeit, die gelungene  Verbindung von Aktion und Musik sowie vor allem der ungezügelte Spaß.

Wertung

360

Cooles Arcade-Snowboarden mit fetten Tricks und motivierenden Spielmodi, aber technischen Schwächen im Detail.

PlayStation3

Cooles Arcade-Snowboarden mit fetten Tricks und motivierenden Spielmodi, aber technischen Schwächen im Detail.

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