Gladius26.12.2003, Jens Bischoff
Gladius

Im Test:

Das alte Rom scheint lebendig wie noch nie. Nach der Filmbranche hat auch die Videospiel-Industrie das antike Kaiserreich wieder für sich entdeckt. Doch wo die einen auf rasante Streitwagen-Duelle, strategische Kriegsplanung oder blutige Arena-Action setzen, will Lucas Arts mit Gladius (ab 42,99€ bei kaufen) rundenbasierte Strategie-Rollenspiele wieder in Mode bringen. Ob mit Erfolg oder nicht, erfahrt ihr im Testbericht.

Die Ruhe vor dem Sturm

Ein unsicherer Frieden liegt über den Ländern von Gladius als Ursula und Valens losziehen, um die besten Gladiatoren im ganzen Kaiserreich zu werden. Während Barbarentochter Ursula anfangs einfach nur der erdrückenden Obhut ihres Vaters entfliehen will, möchte Gladiatorensohn Valens unbedingt in die Fußstapfen seines ermordeten Daddys treten und die jäh beendete Familientradition erfolgreich fortsetzen. Wessen Abenteuer ihr hautnah erleben wollt, bleibt euch überlassen, letztendlich sind die Schicksale der beiden aber unzertrennlich miteinander verflochten und viel weitreichender als zunächst vermutet.

Geländevorteile: Am Anfang werdet ihr über ein Tutorial mit Steuerung und Spielmechanik vertraut gemacht (GC).

Todgeweihte mit Mannschaftsarzt

Nebenbei bestimmt die Charakterwahl auch den künftigen Schwierigkeitsgrad und Ausgangsort, denn während Ursula sich zunächst im rauen Nordagh einen Namen machen muss, mischt sich Valens von Anfang an im kaiserlichen Imperia unter die Todgeweihten. Bis zum Finale im Kolosseum von Caltha müssen beide aber erst jede Menge regionaler Ligen, Turniere und Meisterschaften bestreiten sowie fleißig Mitstreiter rekrutieren und ausbilden.__NEWCOL__

Gekämpft wird nämlich meist in Teams und wirklich sterben tut in den Arenen aufgrund erstklassiger ärztlicher Versorgung schon lange niemand mehr. Zufallsbegegnungen außerhalb der Kampfarenen können hingegen jederzeit tödlich enden. Doch wer auf der Reise zum nächsten Austragungsort die Straßen nicht verlässt, hat ohnehin nichts zu befürchten und zu entdecken gibt es abseits der Wege auch nicht viel.

Magere Spielwelt: Die Weltkarte dient eigentlich nur zum Pendeln zwischen den einzelnen Arenen (Xbox).

Meister aller Klassen

Spielablauf und Steuerung werden euch über ein begleitendes Tutorial ausführlich erklärt und selbst Ladepausen werden zur Beantwortung häufiger Fragen genutzt. Dabei ist das Spielprinzip eigentlich recht einfach: Ihr tingelt von Stadt zu Stadt, besorgt euch in der örtlichen Schenke Informationen und Ausrüstung, rekrutiert bei Bedarf ein paar willige Kämpfer und nehmt an verschiedenen Liga-Wettbewerben teil. Für Siege kassiert ihr Pokale, die euch zur Teilnahme an regionalen Turnieren berechtigen, an deren Ende der Gewinn der Landesmeisterschaft und die Weiterreise ins nächste der insgesamt vier Gladiatorenreiche steht.

Abwechslung trotz Areneneinerlei

Hin und wieder gilt es auch spezielle Aufgaben zu bewältigen oder jemand einen Gefallen zu tun, um Zugang zu weiteren Wettkämpfen zu erhalten, aber letztendlich finden auch diese Einsätze in der Arena statt. Zwar hat jeder Ort seine eigene, unverkennbare Kampfarena, aber im Prinzip sind sich diese doch sehr ähnlich und bieten neben der individuellen Optik lediglich unterschiedliche Größen, Hindernisse und Bodenbeschaffenheiten. Trotzdem werden die Kämpfe so schnell nicht langweilig. Das liegt vor allem an den variantenreichen Teilnahme- und Siegbedingungen. So sind immer wieder nur bestimmte Rassen, Klassen, Erfahrungsstufen oder Teamgrößen erlaubt und Sieger ist nicht immer der letzte Überlebende, sondern hin und wieder auch derjenige, der den meisten Schaden verursacht, am längsten eine vorgegeben Position verteidigt, die meisten Fässer in der Arena zerstört oder als Erster das gegnerische Basis-Monument vernichtet hat.

Lust auf Bärenfleisch? - Zufallsbegegnungen können nahezu komplett vermieden werden (PS2).

Alle Vorteile nutzen

Zudem gilt es Gelände-, Positions- und Klassenvorteile stets zu seinen Gunsten zu nutzen sowie elementare Zugehörigkeiten und regionale Publikumsvorlieben zu berücksichtigen. Während manche Volker nämlich auf fiese Angriffe von hinten, verheerende Zauberkräfte oder die Beschwörung wilder Tiere stehen, stößt dies bei anderen auf Empörung. Auf besonders schwere Treffer, erfolgreiche Kombo-Attacken oder belustigende Spezialmanöver stehen aber fast alle und wer die Zuschauer auf seiner Seite hat, wächst schnell über sich hinaus und schlägt noch schneller und brachialer zu als sonst.__NEWCOL__

Satter Geschicklichkeitsbonus

Doch auch der Spieler selbst darf seinen Attacken eine Extraportion Schmackes verleihen, indem er einen auf einer Schwungleiste zügig von links nach rechts huschenden Cursor rechtzeitig stoppt, abwechselnd auf vorgegebene Tasten einhämmert oder eingeblendete Tastenfolgen unter Zeitdruck fehlerfrei nachtippt. Grobmotoriker und Reaktionsschwache können diese Funktion aber auch deaktivieren und automatisch berechnen lassen. PS2-Besitzer sollten sich eine Deaktivierung ebenfalls überlegen, da sich der Cursor auf der Sony-Konsole alles andere als gleichmäßig bewegt und kontrollierte Stopps deutlich schwerer fallen - obwohl man damit einen nicht zu unterschätzenden Teil seiner Einflussnahme auf das Kampfgeschehen komplett dem Zufall überlässt.

In die Luft gegangen: Protagonistin Ursula beim Ausführen eines magischen Spezialangriffs (GC).

Individuelle Charakterpflege

Bei der Charakterentwicklung kann man sich seiner Verantwortung hingegen nicht entziehen. Zwar werden die Statuswerte bei einem Level-Up automatisch angehoben, aber das Erlernen neuer Fertigkeiten wird vollständig vom Spieler bestimmt. So erhaltet ihr bei jeder Beförderung eine gewisse Anzahl an Talentpunkten, mit denen ihr Euren Recken spezielle Fähigkeiten beibringen könnt. Neben verschiedenen Elementar-, Kombo- und Spezialangriffen stehen hier auch Beschwörungen, Zauber oder dauerhafte Aktionsboni zur Wahl, die von Klasse zu Klasse sehr unterschiedlich sein können. Auch bei der Ausrüstung dürft ihr selbst Hand anlegen und zwischen zahlreichen Waffen, Rüstungen und Accessoires für eure bis zu zwanzigköpfige Gladiatorenschule wählen.

Runde um Runde

Das Kampfsystem selbst läuft rundenbasiert ab, wobei agilere Kämpfer und Publikumslieblinge häufiger zum Zuge kommen. Wer wann dran ist, lässt sich anhand einer einblendbaren Befehlsleiste ablesen, obwohl die Reihenfolge sehr von den ausgeführten Aktionen anhängt und sich entsprechend ändern kann. Als Orientierungshilfe ist sie allerdings ausreichend. Weniger ausreichend sind hingegen die lückenhaften Terrain- und Arena-Infos, anhand derer ihr eure Startaufstellung bestimmen solltet. Auch die eingeschränkte Kamerapositionierung bietet oft nicht die gewünschte Übersicht; vom Terrain abhängige Beweglichkeit sowie grafische Reichweitenanzeigen für eine kontrollierte Routenplanung suchen Profitaktiker ebenfalls vergeblich.

Wat, wer bist du denn? - Die Hintergrundgeschichte wird leider recht stiefmütterlich behandelt (PS2).

Unter Freunden

Trotzdem ist das Arena-Geplänkel relativ einfach zu bedienen und taktisch durchaus anspruchsvoll. Letzteres liegt allerdings nicht daran, dass die Gegner besonders clever wären, sondern eher daran, dass sie oft Klassen- oder Levelvorteile haben bzw. einfach in der Überzahl sind. Die Gegner-KI ist nämlich eher bescheiden und Duelle mit menschlichen Gegnern daher weitaus anspruchsvoller. Diese sind allerdings erst nach einigen Spielstunden, sprich dem Gewinn der ersten regionalen Meisterschaft möglich. Während sich auf GameCube und Xbox vier Spieler miteinander messen dürfen, sind auf der PS2 leider nur Zwei-Spieler-Duelle drin. Die kooperativen Arenenkämpfen, bei denen jeder Spieler einen oder mehrere Gladiatoren aus demselben Team übernimmt sind hingegen auf allen Systemen relativ witzlos und im Prinzip auch auf der PS2 sowie mit mehr als vier Mitspielern möglich.__NEWCOL__

Eine Frage des Systems

Auch bei der technischen Umsetzung weist Gladius auf der Sony-Konsole leichte Defizite auf. Zwar sind die Texturen weniger verwaschen als auf dem GameCube, aber auch nicht so scharf wie auf der Xbox. Und während das Geschehen auf der Xbox stets flüssig läuft, ruckeln Kameraschwenks auf dem Würfel gelegentlich und auf der PS2 sogar ständig. Zudem besitzt die Xbox-Fassung als einzige einen 60Hz-Modus sowie ein PAL-Balken-freies 50Hz-Bild. Auch die Kantenglättung funktioniert auf der Microsoft-Konsole am besten und die Ladezeiten sind wie gewohnt am kürzesten. Unschöne Clipping-Fehler gibt‘s hingegen in allen Versionen und die Publikumsanimationen sind teils so schlecht, dass sie fast schon wieder gut sind. Insgesamt geht die Grafik aber auf allen drei Konsolen in Ordnung - auch wenn man vieles noch hätte optimieren können.

Voll erwischt! - Schnelles und präzises Tastendrücken wird bei entsprechender Konfiguration mit einem satten Angriffsbonus belohnt (Xbox).

Die Welt ist klein

Die Spielwelt außerhalb der Arenen ist hingegen so karg und mickrig, dass man sie sich auch ganz hätte sparen können und auch die mit Spielgrafik und eingescannten Artworks erzählte Story kommt im Spielverlauf eindeutig zu kurz, so dass das kampflastige Spielgeschehen auf Dauer etwas eintönig wirkt. Positiv hingegen: die recht großzügige Handlungsfreiheit sowie die stimmungsvolle Soundkulisse mit orchestralem Raumklang und professionellen deutschen Synchronsprechern. Leider sind jedoch nur die wenigsten Dialoge vertont, während die Übersetzung stellenweise sogar recht schlampig wirkt. Dafür hat man sich aber die Mühe gemacht, die deutsche Version blutfrei zu gestalten, um eine Alterfreigabe ab 12 Jahren zu erreichen. Eine ungekürzte Alternative wie bei Acclaims Gladiator gibt es allerdings nicht, was aber auch nicht weiter tragisch ist. Wer trotzdem blutende Gladiatoren sehen will, muss halt importieren...

Fazit

Gladius macht als rundenbasiertes Strategie-Rollenspiel eine erstaunlich gute Figur. Zwar werden die gemächlichen Gladiatorenkämpfe auf Dauer spielerisch etwas eintönig, während die Story auf Sparflamme kocht, aber Taktiker und Tüftler dürften am Aufbau der ultimativen Gladiatorenschule dennoch lange Freude haben. Vor allem die großzügige Handlungs- und Entwicklungsfreiheit lädt immer wieder zum Experimentieren ein, während die Hatz nach neuen Mitstreitern, Fähigkeiten, Items und Trophäen bis zum Schluss motiviert. Schade nur, dass die mickrige Spielwelt jeden Forscherdrang bereits im Keim erstickt und einem die Gegner weniger durch fordernde KI-Routinen als durch schiere Überzahl und überlegene Charakterwerte gefährlich werden. Technisch ist Gladius solide, aber unspektakulär und nervt auf der PS2 mit Rucklern, die die Spielbarkeit beeinträchtigen und fehlendem Vier-Spieler-Modus. Für Stimmung sorgt hingegen der orchestrale Soundtrack und die trotz schlampiger Übersetzung erstklassige deutsche Synchro. Zudem habt ihr die Wahl zwischen zwei charakterbezogenen Storylines und könnt sowohl mit- als auch gegeneinander in die Schlacht ziehen.

Pro

60Hz-Modus (Xbox)
ausführliches Tutorial
professionelle Synchro
zwei wählbare Storylines
vermeidbare Zufallskämpfe
stimmungsvoller Soundtrack
angenehme Handlungsfreiheit
unzählige Charakterfähigkeiten
individuelle Charakterentwicklung

Kontra

mäßige KI
magere Story
karge Spielwelt
nervige Ruckler (PS2)
auf Dauer etwas eintönig
oft lückenhafte Arenen-Infos
teils schlampige Übersetzung
kein Vier-Spieler-Modus (PS2)
eingeschränkte Kameraführung

Wertung

GameCube

PlayStation2

XBox

Für gewiefte Taktiker & Knobler ein gefundenes Fressen!

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