Ridge Racer: Unbounded30.03.2012, Michael Krosta
Ridge Racer: Unbounded

Im Test:

Manchmal ist die Luft einfach raus, die Bremsen sind eingerostet, der Auspuff durchlöchert und der Motor gibt nur noch ein gequältes Stottern von sich. Höchste Zeit für eine Generalüberholung! Das dachte man sich auch bei Namco und hat Ridge Racer in die Werkstatt geschickt, um das alternde Konzept mit westlicher Hilfe umzukrempeln. Rast man mit Unbounded aus der Krise oder hätte man sich die Neuausrichtung sparen sollen?

Der Verfall

Es gab Zeiten, da war Ridge Racer der Stern am Arcade-Himmel: Auf der PSone erlangte der Titel aufgrund seiner perfekten Umsetzung des Spielautomaten Kultstatus und auch Nachfolger wie das grandiose Rage Racer oder Type 4 rasten immer ganz vorne mit. Auf der PS2 gab es mit dem Erscheinen des fünften Teils eine erste Ernüchterung, die mit den Jahren und jeder weiteren Fortsetzung etwas zunahm. Anstatt neue Inhalte zu entwickeln, setzte Namco verstärkt auf Recycling und verlor auch technisch immer mehr den Anschluss an die Spitze, die mittlerweile Newcomer wie Burnout mit frischen Ideen erobert hatten. Den vorläufigen Tiefpunkt erlebte man kürzlich auf der Vita, wo Ridge Racer zu einem DLC-Experiment degradiert wurde, das den Ruf der Marke weiter beschädigte.

Driften mal anders

Doch eines konnte man der Reihe niemals vorwerfen: Das voll auf Arcade getrimmte Fahrmodell war jederzeit klasse! In kaum einem anderen Spiel machte es dermaßen viel Spaß, lässig durch die Kurven zu driften und dabei selbst bei abartig hohen Geschwindigkeiten die Kontrolle über die Boliden zu behalten. Klar, die Mechanik ist total simpel – aber es war selbst bei der kastrierten Vita-Version einfach herrlich, sich auf den Pisten auszutoben. Ridge Racer versprühte genau wie Outrun oder auch Sega Rally den puren Arcade-Fahrspaß!

Der Schweif, den die Fahrzeuge bei gezündetem Nitro hinterlassen, sieht nicht nur furchtbar aus, sondern beeinträchtigt auch die Sicht.
Der Schweif, den die Fahrzeuge bei gezündetem Nitro hinterlassen, sieht nicht nur furchtbar aus, sondern beeinträchtigt auch die Sicht.
Damit ist es jetzt vorbei: Die Entwickler von Bugbear Entertainment haben nicht nur das Konzept der Serie auf den Kopf gestellt und mehr in Richtung ihres Überraschungshits Flatout getrimmt, sondern legen auch bei der Fahrphysik eine 180 Grad-Drehung hin – und machen dabei vieles kaputt, was die Serie einmal ausgezeichnet hat. Statt einer präzisen gibt es jetzt eine schwammige Lenkung, statt lockerem Kurvenschlittern eine gewöhnungsbedürftige Drift-Mechanik, bei der man die Flitzer nur dann vernünftig kontrollieren kann, wenn man einen entsprechenden Knopf gedrückt hält, was vor allem Kenner der Serie (und von den meisten Rennspielen) zu einem krassen Umdenken zwingt.

Dummerweise sind die Rutscheinlagen immer noch von großer Bedeutung, denn mit ihnen lädt man im Zusammenspiel mit Windschattenfahren und Sprüngen die Power-Leiste auf. Ist sie gefüllt, kann man die gesammelte Energie klassisch als Nitro einsetzen und sich einen kurzzeitigen Geschwindigkeitsschub verpassen. Alternativ nutzt man den zusätzlichen Schub dazu, um einen von bis zu elf Rivalen mit einem gezielten Takedown aus dem Weg zu räumen – Burnout lässt grüßen, doch reichen die Zweikämpfe hier nicht an das offensichtliche Vorbild heran. Wieso? Zum einen fehlt es Unbounded an der Intensität des Criterion-Meisterwerks. Es wirkt einfach billig, wie man die Kontrahenten hier aus dem Weg räumt und anschließend die mäßig inszenierten und ständig gleichen Unfälle in der Zeitlupenkamera betrachtet. Zum anderen lassen sich die Auswirkungen der Rempeleien nicht richtig nachvollziehen: Manchmal reicht schon ein kleiner Schubser, um der KI einen Totalschaden zu bescheren – ein anderes Mal will deren Energieleiste selbst bei heftigen Remplern einfach nicht abnehmen.

Hilfloses Opfer

Zack - ein Rempler reicht und schon wird man angesichts der rüden KI wieder zum hilflosen Opfer!
Zack - ein Rempler reicht und schon wird man angesichts der rüden KI wieder zum hilflosen Opfer!
Das gilt leider auch umgekehrt, denn man wird ebenfalls immer wieder Opfer von rüden Attacken, denen man nichts entgegensetzen kann. Das ist besonders bitter, wenn man in Führung liegend kurz vor der Ziellinie von hinten abgeschossen wird und als Folge dessen wertvolle Plätze verliert, denn erst bei einer Positionierung unter den ersten drei gilt eine Veranstaltung innerhalb der Karriere als gemeistert. Im Gegensatz zu den anderen Fahrern fehlt beim Spielerauto eine Schadensanzeige – man kann den Zustand deshalb nur grob anhand von einer qualmenden oder gar brennenden Karosserie abschätzen. Doch selbst wenn man in einem frisch gespawnten Neuwagen die Fahrt fortsetzt, reicht ein gezielter Treffer schon aus, um dem Gefährt einen weiteren Totalschaden zu bescheren – ganz toll, so machen Spiele Spaß!

Frustattacke

Ungewöhnlich: Zum Driften muss ein Knopf festgehalten werden.
Ungewöhnlich: Zum Driften muss ein Knopf festgehalten werden.
Doch Frust ist bei Unbounded dank der KI ohnehin ein ständiger Begleiter. Die Eroberung der Bezirke von Shattered Bay fängt noch ganz gemächlich an, doch recht früh spielen die anderen Fahrer die allmächtige Gummiband-Karte und arbeiten mit weiteren unfairen Tricks. Zum einen ist es erstaunlich, wie schnell die Kontrahenten ihre Poweranzeige aufladen können – schon wenige Meter nach dem Start zünden oft die ersten Fahrer den Nitro, was man anhand des hässlichen und völlig übertriebenen Schweifs der Rücklichter erkennen kann, der zudem noch die Sicht behindert und selbst durch andere Fahrzeuge hindurch scheint. Der erwähnte Gummibandeffekt arbeitet vornehmlich in eine Richtung – nämlich zugunsten der KI. Liegt sie zurück, klebt sie einem kurze Zeit später wieder am Heck, schießt einen ab oder überholt selbst ohne Nitro mit einem wahnwitzigen Geschwindigkeitsüberschuss. Ich kam mir mehr als einmal verarscht vor, wenn mich die KI trotz meiner fehlerfreien Fahrleistung einfach einkassiert hat. Ich habe kein Problem damit, wenn Rennen anspruchsvoll und fordernd sind. Aber es muss nachvollziehbar sein, warum ich nicht gewinnen kann. Hier hängt es mir zu sehr von Faktoren wie dem Gummibandeffekt, der Aggression der KI und damit einfach zu sehr vom Zufall ab, ob ich als Erster das Ziel erreiche – das fahrerische Können spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Zusätzlich bedient sich die ohnehin übermächtige KI eines weiteren fiesen Tricks: Ab und zu schießen sich die Kontrahenten auch mal gegenseitig ab oder begehen Fahrfehler, die in einem Totalschaden enden. Was man dann beobachten kann, bringt mich endgültig auf die Palme, denn kurz nachdem ich das noch brennende Wrack passiert und einen Platz gewonnen habe, wird der einstige Unfallwagen plötzlich vor mir auf die Strecke zurückgebeamt und ich bin die Position wieder los. Geht’s noch? Ein Indiz, das geflunkert wird, erkennt man auch daran, dass die Platzanzeige vorausfahrender Boliden sich trotz fehlendem Überholmanöver verändert oder komplett ausgeblendet wird. Das lässt mich nicht nur ernsthaft an der Qualitätssicherung von Namco Bandai zweifeln, sondern raubt mir auch noch den letzten Funken Motivation, mich weiter ernsthaft mit dem Spiel zu beschäftigen. Übrigens tritt das Phänomen selbst nach den ersten Updates der Verkaufsversion immer noch plattformübergreifend auf – zunächst hatte ich noch gehofft, es würde lediglich unsere Testfassung betreffen.

Fehler über Fehler

Takedown!
Takedown!
Doch damit nicht genug, denn auch im restlichen Spiel wimmelt es vor Fehlern – sei es hinsichtlich der Technik oder dem Design. So kann es passieren, dass man nach einem Crash auf die Strecke zurückkommt, während ein anderes Fahrzeug durch den eigenen Boliden hindurch fährt als wären beide Geisterwagen. Anlass zur Kritik gibt auch der Spielmodus Vernichtungsangriff: Hier gilt es, entweder mit einem schweren Truck oder den Standardwagen Gegner wie Polizeikutschen oder andere Flitzer mit Hilfe der Poweranzeige zu schrotten. An sich keine schlechte Idee, doch die Umsetzung ist dermaßen stümperhaft, dass nur eine stupide Zerstörungsorgie ohne Sinn von ihr übrig bleibt. Im Prinzip beschränkt sich der Modus ausschließlich darauf, so schnell wie möglich die fix gefüllte Power zu entladen und einen der reichlich vorhandenen Gegner zu rammen. Was dann folgt, sind jämmerlich inszenierte Zeitlupen, in denen die erreichten Punkte mit jeder weiteren Rolle des Wracks aufgeschlüsselt werden. Und jetzt kommt der Designhammer: Während dem Betrachten dieser Sequenzen läuft das ohnehin knappe Zeitlimit einfach weiter. Klasse, oder? Im Umkehrschluss heißt das, dass man die Events oft nur dann bestehen kann, wenn man sie wegdrückt, um wertvolle Sekunden zu sparen. Dann wiederum stellt sich die Frage, warum man die Einspieler überhaupt implementiert hat? Gedanken hat man sich diesbezüglich offenbar nicht viele gemacht… Dabei hätte man allein dadurch für mehr Pepp sorgen können, dass man z.B. die kurzzeitige Kontrolle über die Wracks erlaubt, um noch mehr Chaos anzurichten und dadurch das Punkekonto zu erhöhen. Wenn man schon von Burnout abkupfert, dann bitte richtig…

Verwüstung leicht gemacht

Vor allem die Beleuchtung verleiht den Kulissen einen gewissen Glanz.
Vor allem die Beleuchtung verleiht den Kulissen einen gewissen Glanz.
Die Dominationsrennen als vorherrschender Spielmodus innerhalb der Kampagne haben ebenfalls ein offensichtliches Vorbild: Hier lässt sich die Powerenergie nämlich nicht nur als Nitro oder Rammattacke missbrauchen, sondern man prescht auch durch die Mauern von manchmal etwas spät markierten Gebäuden wie Diskotheken, Parkhäusern und Büros oder bringt geparkte Tanklaster zum Explodieren, deren Detonationswelle auch die unmittelbaren Verfolger trifft. Na, woran erinnert das? Richtig: Split/Second Velocity – ein weiterer Arcaderacer, der trotz kleiner Macken durchaus begeistern konnte. Unbounded schafft es dagegen nicht. Ein Grund dafür ist die mangelnde Kreativität, denn während man in der rasanten TV-Show der Black Rock Studios seine Gegner mit coolen Aktionen aus dem Weg räumen und sogar den Streckenverlauf deutlich verändern konnte, sind die Auswirkungen hier nur platt, vorhersehbar und vergleichsweise unspektakulär. Wenn man mal fünf der immer gleichen Laster über den Haufen gefahren hat, kann man nur noch müde gähnen. Nicht mal als sinnvolle Abkürzungen lassen sich die meisten Gebäudedurchfahrten nutzen – es ist einfach nur überflüssig. Was man mitnimmt, sind wertvolle Punkte, die man nicht nur für den Rang am Ende des Rennens, sondern auch das Zerlegen der Kulissen sammelt. Und kaputt geht hier viel: Genau wie schon Flatout überzeugt auch Unbounded mit viel Zerstörung auf und abseits der Piste. Da werden Verkehrsschilder abgerissen, Mauern durchbrochen und Bäume mit Motorkraft abgeholzt – je größer die Verwüstung, desto höher fällt der Punktesegen aus, mit dessen Hilfe man Zugang zu weiteren Veranstaltungen im jeweiligen Bezirk sowie neue Fahrzeuge bekommt.

Mit einem klassischen Ridge Racer hat das genauso wenig gemeinsam wie ein Auto mit einem Flugzeug. Man kann sich deshalb zurecht fragen, ob die Serie sich damit nicht nur den Schauplatz, sondern auch sich selbst zerstört und dem Namen eher schadet. Ich habe per se kein Problem damit, dass der Spielablauf hier um das Prinzip der Verwüstung erweitert wird – auch wenn sie meist sehr sinnlos und aufgesetzt wirkt. Schade ist allerdings, dass das Element inkonsequent umgesetzt wurde, denn während ich durch die eine Wand problemlos durchbreche, fange ich mir bei einer anderen einen Totalschaden. Es erfordert einige Trial & Error-Anläufe, bis man weiß, welche Hindernisse der PS-Power standhalten und welche sich bei der Berührung in kleine Bröckchen verwandeln.

Eroberung von Shatter Bay

Viele Objekte auf und abseits der Piste lassen sich zerstören, um den Punktestand in die Höhe zu treiben.
Viele Objekte auf und abseits der Piste lassen sich zerstören, um den Punktestand in die Höhe zu treiben.
Abgesehen von den Dominations- und Vernichtungsrennen finden im Rahmen der Karriere auch eher klassische Disziplinen statt: In den Shinto-Events ist das Zerstören von Gebäuden z.B. tabu – hier steht vor allem der Positionskampf im Vordergrund und die gesammelte Power wird vornehmlich in den Nitro investiert. Das Abschießen von Konkurrenten ist aber auch hier möglich, was vor allem die KI gerne ausnutzt, die sich durch das Gummiband auch in diesem Modus unfaire Vorteile verschafft. Beim Zeitfahren geht es zum Glück alleine auf die Pisten, die meist mit fantasievollen Rampen, Halfpipes und entsprechend vielen Sprüngen aufwarten. Während der Fahrt sollte man möglichst viele Symbole einsammeln, um die Uhr für ein paar Sekunden anzuhalten. Klar, dass sich diese manchmal an schwer zu erreichenden Stellen befinden, die mit einem gewissen Risiko verbunden sind. Der Modus wird hin und wieder variiert, so dass man z.B. nicht nur gegen die Uhr, sondern auch eine Polizei-Armada antritt. Skurril: Obwohl ich bei manchen Missionen die Zielzeit auf die Hundertstelsekunde genau für die Top-Wertung mit drei Sternen erreicht hatte, wurde sie mir nicht als Sieg anerkannt und ich wurde lediglich mit zwei Sternen belohnt.

Die Auslagerung des HUD in die Kulisse hat Stil.
Die Auslagerung des HUD in die Kulisse hat Stil.
Die letzte Disziplin sind die Drift-Wettbewerbe, die erst dann funktionieren, wenn man das eher ungewöhnliche Prinzip hinter der Mechanik verstanden hat. Normalerweise wird das Schlittern durch die Kurven entweder durch einen schnellen Richtungswechsel oder das kurze Antippen der Handbremse eingeleitet. Hier nicht – stattdessen muss man den Knopf fürs Driften gedrückt halten, was zwei Probleme mit sich bringt: Zum einen fühlt es sich nicht intuitiv an, weil man in der Regel nicht auf diese Weise über die Pisten von Videospielen und schon gar nicht von einem Ridge Racer schlittert. Das letzte Mal, wo ich diese Mechanik erlebt habe, war beim Mario Kart-Klon Sonic & Sega All-Stars Racing. Zum anderen wird an keiner Stelle erwähnt, dass man es hier so machen muss. Ein ordentliches Tutorial oder Hinweise auf den Ladebildschirmen hätten Wunder gewirkt, denn wer klassisch driftet, hat kaum noch Kontrolle über den fahrbaren Untersatz! Doch selbst wenn man irgendwann den Bogen raus hat, sind die Rutscheinlagen nicht das, was man von einem Ridge Racer erwartet – es fühlt sich hier einfach nicht so rund an und man verliert oft zu viel Tempo bei dem Versuch, die Kurven mit Stil zu nehmen! Mit etwas Ein- und Umgewöhnung kann man sich zwar ganz gut auf die neue Mechanik einstellen, doch hätte ich den bewährten Ansatz trotzdem bevorzugt.

In Shatter Bay dreht sich alles um den Gewinn von Punkten, denn sie öffnen die Türen zu weiteren Events und lassen mich in der Rangliste weiter aufsteigen, was mir den Zugriff auf neue Bezirke und Boliden erlaubt. Event-Punkte werden nicht global, sondern für jeden der neun Bezirke von Shatter Bay einzeln gesammelt. Dabei muss man sich teilweise ganz schön anstrengen, wenn man den Zugang zu allen sieben Veranstaltungen jedes Bezirks erhalten möchte. Der Fahrerrang setzt sich dagegen aus allen erreichten Ergebnissen zusammen.

Wiederholungsgefahr

Oft reicht ein gezielter Rempler, um einen Neuwagen in ein unbrauchbares Wrack zu verwandeln.
Oft reicht ein gezielter Rempler, um einen Neuwagen in ein unbrauchbares Wrack zu verwandeln.
Trotz der unterschiedlichen Gebiete gleichen sich die Schauplätze oft zu sehr und zumindest Teile von ihnen werden auch zwischen den Bezirken ausgetauscht. Die Folge: Selbst in frisch freigespielten Events wird man immer wieder von einem Déjà-vu heimgesucht. Nicht nur hinsichtlich der Zerstörung und den mäßig modellierten Fahrzeugen mit ihrem rudimentären optischen Schadensmodell werden die Flatout 2-Wurzeln deutlich – auch die Technik erinnert an den Spaßraser aus dem Jahr 2007. Die Details an Gebäuden, Boliden und Asphalt befinden sich auf einem ähnlichen Niveau, doch haben die Entwickler hinsichtlich der Beleuchtung zugelegt und werten die Kulissen immer wieder mit schicken Lichteffekten auf, die den vorherrschenden Braun- und Grautönen etwas mehr Glanz verschaffen. Stylisch ist die Einbettung von Abständen und Rundenzahl an die Gebäudefassaden, Brücken oder Leitplanken – so muss ein modernes HUD aussehen. Im Gegenzug hat man aber leider einen Innenspiegel vergessen. Stattdessen deutet lediglich ein rotes Schimmern am unteren Bildschirmrand die ungefähre Position der Verfolger an – alternativ hilft auch ein Blick zurück. Während die beiden Außenansichten gelungen sind, ist die Innenansicht viel zu tief angesetzt. Das wirkt zwar schneller, doch leidet darunter die Übersicht; vor allem, wenn man durch Mauern und andere Hindernisse prescht.

Halbierte Bildrate

Ist auf dem Bildschirm zu viel los, kommt es vereinzelt zu Einbrüchen der Bildrate.
Ist auf dem Bildschirm zu viel los, kommt es vereinzelt zu Einbrüchen der Bildrate.
Auf den Konsolen muss man sich von der hohen Bildrate der Vergangenheit verabschieden: Ging es auf PS3 und 360 zuletzt mit 60 Bildern äußerst flüssig zu, wird sie hier halbiert. Die PC-Version macht trotz Grafikfehlern in den Zeitlupeneinspielungen eine bessere Figur. Fliegen zu viele kleine Teilchen durch die Gegend, geht es auf den Konsolen sogar weiter bergab und es kommt zu vereinzelten Ruckeleinlagen. Das kann man aufgrund der vielen zerstörbaren Objekte zwar in einem gewissen Maß nachvollziehen, aber schön ist es trotzdem nicht. Das gilt übrigens auch für den Soundtrack: Ging es zuletzt mit der Vita-Version musikalisch mit treibenden Beats und passenden Songs wieder bergauf, stellt die Zusammenstellung von Unbounded für mich klanglich den derzeitigen Tiefpunkt der Reihe dar, wenn stumpfsinniger Elektromatsch aus den Boxen quillt, den ich kaum noch als Musik bezeichnen würde. Deutlich besser hören sich die unterschiedlichen Motoren der Boliden an und auch die Zerstörung der Gebäude wird durch ein tiefes Brummen des Subwoofers gut rübergebracht.

Tuning verboten

Das Fahren im Windschatten füllt neben Drifts und Sprüngen ebenfalls die Poweranzeige.
Das Fahren im Windschatten füllt neben Drifts und Sprüngen ebenfalls die Poweranzeige.
Beim Design des Fuhrparks hat sich Bugbear nicht besonders viel Mühe gegeben: Mit ihrem Hochglanz-Lack erinnern die Boliden an die Schlitten aus Need for Speed: Underground – mit dem Unterschied, dass es hier keine lizenzierten Fahrzeuge gibt. Entsprechend mussten die Entwickler selbst ans Zeichenbrett, doch besonders stylisch sehen die Vehikel Marke Eigenbau nicht aus – hier wäre mehr drin gewesen. Zumindest sollen sich die einzelnen Exemplare hinsichtlich Tempo, Beschleunigung, Handling, Robustheit und Drift voneinander unterscheiden – bis auf Letzteres merkt man davon allerdings nicht viel. Schade auch, dass man keine Möglichkeiten hat, das Aussehen mit Aufklebern zu verschönern – stattdessen muss man mit langweiligen Standardlackierungen leben, bei denen lediglich Farbtöne ausgetauscht werden. Wo sind die coolen Designs der Pac-Man- und Galaga-Boliden, die früher das Auge erfreuten?

Auch der leichte Tuning-Aspekt, der zuletzt bei der Vita-Version von Ridge Racer zum Experimentieren einlud, fehlt hier. Dabei hätte es durchaus eine Bereicherung darstellen können: Wäre es nicht toll gewesen, mit zusätzlichen Teilen die Powerleiste schneller laden oder durch weitere Gebäude brettern zu können? Chance vertan!

Willkommen in meiner Stadt

Es gibt viele Dinge, in denen Unbounded enttäuscht – nicht nur als ein Teil der Ridge Racer-Reihe, sondern auch als Rennspiel unabhängig vom großen Namen. Tatsächlich kommt für mich der Titel aufgrund seiner vielen Schwächen, Fehler und des unausgewogenen Balancings der Schrottpresse gefährlich nahe – zumindest, wenn man sich einzig auf die mangelhafte Karriere einlässt. Doch wenn das Spiel eines richtig macht, dann ist es der gelungene Editor: Innerhalb der Karriere schaltet man diverse Blöcke frei, mit deren Hilfe man sich ohne großen Aufwand eigene Pisten basteln kann. Diese beinhalten sowohl eine bestimmte Streckenführung (z.B. gibt es Kurven-Blöcke und Brücken-Blöcke) als auch (zerstörbare) Gebäude und ein gewisses Grundlayout, so dass man durch die Vorgaben kreativ leicht eingeschränkt wird. Allerdings hat man die Möglichkeit, Objekte wie Fässer, Kisten, Tanklaster, Sprungschanzen etc. manuell zu platzieren und dem Kurs dadurch eine individuelle Note zu verleihen. Davon abgesehen, bietet die schiere Anzahl an Blöcken genügend Kombinationen, um für Abwechslung zu sorgen.

Wird die KI durch menschliche Piloten ersetzt, kommt endlich Freude auf.
Wird die KI durch menschliche Piloten ersetzt, kommt endlich Freude auf.
Doch damit nicht genug: Nach dem Vorbild von Shatter Bay können Spieler eigene Städte erschaffen, sie mit Events füllen und online veröffentlichen. Sämtliche Modi der Karriere stehen zur Verfügung, um eigene Herausforderungen zu erstellen, wobei man z.B. auch Tageszeit und den Schwierigkeitsgrad der KI festlegen darf, während man in Shatter Bay mit den Vorgaben der Entwickler leben muss. Bereits jetzt wird das Feature hervorragend von der Community angenommen und die Spieler versuchen, neben Shatter Bay auch weitere Städte zu dominieren. An Nachschub wird in den nächsten Monaten sicher kein Mangel herrschen, obwohl einige Probleme der Karriere auch hier bestehen bleiben. Namco wählt übrigens regelmäßig User-Städte aus und präsentiert sie für einen begrenzten Zeitraum prominent auf dem Startbildschirm des Onlinemodus. Wer lieber direkt gegen andere Spieler fahren möchte, bekommt ebenfalls die Gelegenheit dazu: Bis zu acht Raser dürfen in den kreierten Städten oder den Pisten von Shatter Bay um den Sieg kämpfen – und das ist auf jeden Fall unterhaltsamer als sich den unfairen Aktionen der KI zu stellen. Während unseren Testfahrten hinterließ der Netzcode einen sehr guten Eindruck – von Lags oder Abbrüchen wird man verschont.  Einen Splitscreen oder gar verrückte Minispiele wie noch bei Flatout sucht man hier allerdings vergeblich

Fazit

Als Nachfahre von Ridge Racer ist Unbounded eine herbe Ernüchterung, denn mit der ruhmreichen Arcadereihe hat es bis auf den Namen nichts mehr gemeinsam. Wo ist die Faszination geblieben? Ich mache Namco nicht den Vorwurf, dass sie überhaupt etwas Neues ausprobieren, denn die Zeit ist eigentlich reif für frische Impulse! Aber beim Spielen verpuffen nahezu alle neuen Ansätze, weil sie nicht ausgereift sind: Das Driften funktioniert zwar besser als zunächst gedacht, sobald man das eigenwillige Knopfhalten verinnerlicht hat. Doch an den Komfort und das Gefühl der alten Arcadehochzeit reicht das nicht heran. Denn die Steuerung der Boliden ist zu schwammig und die Rennen verkommen durch den starken Gummibandeffekt sowie unfaire KI-Aktionen zu einem reinen Glücksspiel, bei dem das Fahrkönnen kaum noch eine Rolle spielt. Was hat Bugbear bloß geritten, nach dem spaßigen Flatout so etwas abzuliefern? Es reicht nicht aus, einfach nur die besten Ideen von Burnout oder Split/Second zu klauen und mit Flatout-Elementen zu mischen. Es kommt auch darauf an, wie man es macht – und hier enttäuscht die Neuausrichtung mit einer einfallslosen und aufgesetzt wirkenden Zerstörungsorgie, teils sinnlosen Modi und einem Soundtrack aus der Hölle. Fast alles, was Ridge Racer einmal ausgemacht und fasziniert hat, wird hier zunichte gemacht. Wie gesagt: Nichts gegen einen alternativen Ansatz, aber dann muss er auch funktionieren! Wäre die KI nicht so ätzend, die Steuerung präziser und das Schlittern noch einen Tick intuitiver, könnte Unbounded als Spinoff der Reihe durchaus Spaß machen. Den erlebt man allerdings nur im Streckeneditor, der zwar nicht an den Komfort und die Möglichkeiten aus ModNation Racers heran reicht, aber viele Freiheiten erlaubt und die Online-Community beleben wird. Dort liegt ohnehin die Rettung für Unbounded, denn wird die KI erst durch menschliche Fahrer ersetzt, erkennt man auch dank des sehr guten Netzcodes endlich einen Funken Freude am Rasen. Wer Unbounded alleine erfahren will und kein Interesse am Pistenbasteln hat, kann deshalb noch einige Prozente von unserer finalen Wertung abziehen, denn die Kampagne ist nahezu mangelhaft. Umgekehrt reiht sich die Raserei für mich in den Mehrspieler-Partien sogar im befriedigenden Bereich ein. Doch als Gesamtpaket ist Unbounded enttäuschend.

Wertung

360

Als Ridge Racer katastrophal, als alternativer Racer auch nicht viel besser: Unfaire Schummel-KI und die gewöhnungsbedürftige Steuerung sorgen für Frust! Der gute Editor, Community-Features und spaßige Onlinerennen retten Unbounded vor dem Totalschaden.

PC

Inhaltlich identisch zu den Konsolenversionen, aber technisch einen Tick besser.

PlayStation3

Als Ridge Racer katastrophal, als alternativer Racer auch nicht viel besser: Unfaire Schummel-KI und die gewöhnungsbedürftige Steuerung sorgen für Frust! Der gute Editor, Community-Features und spaßige Onlinerennen retten Unbounded vor dem Totalschaden.

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