The Darkness 208.02.2012, Paul Kautz
The Darkness 2

Im Test:

»The Matrix« war ein exzellenter Film. Nicht nur wegen der männlichen Action, der eleganten Bullet-Time oder der cleveren Handlung. Sondern für mich vor allem wegen der klugen Fragen. Eine davon lautete »Hattest du schon mal einen Traum, der dir vollkommen real schien? Was wäre, wenn du aus diesem Traum nicht mehr aufwachst? Woher würdest du wissen, was Traum ist und was Realität?« - etwas, das man sich auch in The Darkness 2 (ab 14,90€ bei kaufen) problemlos fragen kann.

Die Frage aller Fragen

Was wäre euch lieber? Jung zu sein, Anführer einer mächtigen Mafia-Familie, reich, machtvoll, skrupellos, mit wallenden dunklen Locken gesegnet? Gleichzeitig mit einem Dämon verflucht, der nicht nur dafür sorgt, dass einem bissige Tentakelarme aus den Schultern schießen, sondern auch dafür, dass man alles, was einem im Leben lieb und teuer ist, früher oder später schonungslos verliert. Oder bildet ihr euch dieses Leben nur ein, in einer Gummizelle, kahlrasiert, von den Menschen umgeben, die in euren Träumen vorkommen - nur dass sie hier Wärter, Ärzte, Schwestern und komplett bekloppte Patienten sind. Was ist Traum, was ist Realität? Oder ist sogar schon diese Trennung ein erheblicher Denkfehler?

Eine Sache, die im Vorfeld schon für viel Aufregung sorgte und mittlerweile zu Tode diskutiert wurde, ist der neue Grafikstil: Vorher war The Darkness (TD) eher realistisch gehalten, jetzt dominiert der Comic-Look. Ränder umgeben die Figuren, die Texturen sind handgemalt, die Pinselstriche sind dick, die Farben intensiv, die Schraffuren elegant. Machen wir es kurz: Ich finde es super! Es passt hervorragend zum Spiel, das

Say hello to my little friend: Die beiden Tentakel sorgen wieder einmal für den größten Spaß, den man mit der Finsternis haben kann.
Say hello to my little friend: Die beiden Tentakel sorgen wieder einmal für den größten Spaß, den man mit der Finsternis haben kann.
ja bekanntermaßen seine Wurzeln im Comic hat, und macht eine Verspieltheit möglich, die zu teilweise wunderbar abstrusen Ideen führt.

Hello Darkness, my old friend

The Darkness war ein wichtiges Spiel. Nicht, aufgrund seines Artdesigns oder weil es den Shooter an sich irgendwie voran gebracht hätte. Nein, im Gegenteil - die Ballermechanik gehörte zu seinen Schwächen, was übrigens im Nachfolger nicht anders ist. Nein, das Wichtige war die Tatsache, dass sich die Entwickler von Starbreeze einfach immer wieder Zeit ließen mit der Regie. In einem Moment zersäbelte man Dutzende Feinde mit seinen grimmigen Tentakeln, verwandelte andere in zuckende Kugellager - und im nächsten kuschelte man mit seiner gepiercten Freundin vor dem Fernseher, um den 1962er Gregory-Peck-Film »To Kill a Mockingbird« anzusehen. In voller Länge, wenn man das wollte. In heutigen Zeiten, in denen man im normalen Shooter von seinem Sergeant oder einem mysteriösen Strippenzieher im Hintergrund von einem Schlauchlevel voller getriggert auftretenden Feinde zum nächsten gehetzt wird, war das einfach… anders. Ungewohnt. Schön. Und dann wurde einem die kreischende Bohrmaschine ins Gesicht gedrückt.

Wie schon der Vorgänger nimmt sich auch The Darkness 2 Zeit für ruhige, wichtige Momente. Die meisten davon kann man überspringen - sollte man aber nicht!
Wie schon der Vorgänger nimmt sich auch The Darkness 2 Zeit für ruhige, wichtige Momente. Die meisten davon kann man überspringen - sollte man aber nicht!
Sorry für den Stimmungskiller. Aber TD war kein Spiel der falschen Bescheidenheiten. Was da gefoltert und gematscht wurde, würde selbst Jack Bauer neidisch machen. Das wurde im zweiten Teil etwas zurückgekurbelt, aber dennoch bleiben Schwachmägen u.a. Ausflüge in die Eiserne Jungfrau und herausgerissene Kehlen nicht erspart, selbst in der deutlich gekürzten deutschen Fassung - fühlt euch also gewarnt! Und trotzdem hält auch der neue Entwickler Digital Extremes diese wunderbare Balance zwischen notwendiger Grausamkeit und verführerischer Entspannung. Es gibt kein Zeitlimit für den Tanz mit Jenny - wer möchte, kann mit ihr bis morgen früh den Slowblues schunkeln. Die Freunde in Jackies Villa haben deutlich mehr als nur einen Satz für einen übrig, mit manchen kann man richtig lange Gespräche führen. Das Sockenpuppentheater von Tom in der Irrenanstalt ist ein fantastisch choreographierter, richtig langer Comedy-Knaller! Ihr wollt das nicht? Dann pfeift drauf! Packt die Tentakel der Finsternis aus, nehmt zwei Uzis in die Hände, kanalisiert all eure Wut in die Ballerfinger, zeigt den Drecksäcken, wer hier die Hosen an hat! Geht alles. Okay, das Spiel ist dann nur fünf Stunden lang und kein Kracher, aber unterhaltsam. Dann werdet ihr auch nicht merken, dass so komplett surreale Momente wie der WW1-Ausflug im Vorgänger leider fehlen.

Wer nix wird, wird (Finsternis-)Wirt!

Immer wieder hat Jackie Visionen von einer Klinik - ist er wirklich da, wo er ist, oder hat er nur Wahnvorstellungen? Wie auch immer: Wenn er schon da ist, kann er sich auch die grandiose Puppenshow gönnen.
Immer wieder hat Jackie Visionen von einer Klinik - ist er wirklich da, wo er ist, oder hat er nur Wahnvorstellungen? Wie auch immer: Wenn er schon da ist, kann er sich auch die grandiose Puppenshow gönnen.
Es sind wieder die gemeinen Tentakel, die den Unterschied machen: Mit dem linken kann man Personen und Dinge greifen, mit dem rechten wild um sich schlagen, mit der Kombination aus beiden sehr kurzen Prozess mit den bedauernswert wimmernden Widersachern machen. Man stelle sich einfach vor, einen Feind an beiden Beinen zu halten und dann einmal kräftig zu ziehen… nun, das appetitliche Resultat nennt sich in der englischen Fassung nicht umsonst »Wishbone«. In der deutschen passiert - nichts. Der Gegner macht einen ungewollten Spagat und wird dann weggeworfen. Sieht komisch aus. Generell gibt es für das hiesige erwachsene Publikum weniger Gewalt: Keine Zerstückelungen, die Körper bleiben ganz, weniger Hinrichtungen, keine klaffenden Wunden, weniger Blut, einige geschnittene Zwischensequenzen. Immerhin fressen die Tentakel jetzt tatsächlich auf Wunsch die Herzen erledigter Gegner, um Energie zu regenerieren, und nicht mehr ihre ominösen »Seelen«.

Für jeden Kill gibt es mehr oder weniger »Essenz«, die man an bedrohlich leuchtenden Stationen in »Talente« investieren darf. Diese sind in vier große, sehr unterschiedliche Bereiche unterteilt: Mal geht es um Waffen (da erhält man u.a. größere Magazine oder die sehr praktische »Waffenkanalisierung«, dank der man mehr Schaden in kürzerer

Das normale Geballer macht mit den beidhändig tragbaren Waffen zwar Spaß, ist aber trotzdem nur Standard.
Das normale Geballer macht mit den beidhändig tragbaren Waffen zwar Spaß, ist aber trotzdem nur Standard.
Zeit macht), mal um mehr Nutzen aus Hinrichtungen (die dann u.a. Lebensenergie oder Munition geben), mal um Extras wie angreifende Insektenschwärme. Und dann ist da natürlich noch der Finsterling: Dieses Mal gibt es nur einen, aber dieser rülpsende, furzende und gelegentlich auf Gegnerreste pinkelnde, in der englischen Fassung mit breitem Cockney-Akzent quasselnde Teufelsaffe hat erstaunlich viel Persönlichkeit. Normalerweise trabt er automatisch in Jackies Nähe herum, lenkt selbständig Feinde ab oder weist den Weg. Hin und wieder schlüpft man auch in seine Haut und kriecht mit ihm durch Tunnel und Röhren. Die Abschnitte sind spielerisch nicht besonders gehaltvoll, aber der Finsterling ist allein schon für seine trockenen Kommentare ein wertvoller Begleiter.

Das Licht ist der Feind der Dunkelheit

Was wie ein Glückskeksspruch klingt, ist hier essentieller Spielbestandteil: Denn wenn Jackie in den Strahl einer Lampe tritt, dann verschwinden die Tentakel, das Bild wird gleißend hell, ein ekliger Fiepssound bestimmt den Ton. Geht man ganz entspannt vor und kümmert sich gezielt um potenziell störende Lichtquellen, übersteht man die

Die deutsche Version ist wieder einmal geschnitten - besonders die Hinrichtungen sind nur noch ein blasser Schatten ihrer selbst.
Die deutsche Version ist wieder einmal geschnitten - besonders die Hinrichtungen sind nur noch ein blasser Schatten ihrer selbst.
meisten Kämpfe ohne Probleme. Denn so wie die Feinde Anfangs nichts weiter als Tentakelfutter sind, so gerissen werden sie später - zumindest anfangs: Auf einmal setzen sie Licht als taktische Waffe ein, richten fette Strahler auf Jackie oder schmeißen mit Lichtgranaten nach ihm. Dann gibt es Widersacher, die sich ebenfalls die Kräfte der Dunkelheit zunutze machen, sich nicht einfach greifen lassen, sich teleportieren können oder Jackies Waffe mit einer Elektropeitsche klauen. Anfangs kommt das noch überraschend, der Schreck ist ebenso groß wie der Spaß. Doch die Vorgehensweise dieser »Bruderschaftler« bleibt bis zum Spielende gleich, nach kurzer Zeit sind die einzelnen Gruppen kein Problem mehr - und dann bleibt nur noch der nervende Vorteil über den Großangriff. Zwar heilt sich Jackie im Tentakel-Modus automatisch selbst zum Teil, aber irgendwann ist einfach mal Schluss. Aber das lässt die Finsternis natürlich nicht zu, weswegen es automatisch zum letzten Checkpunkt zurück geht, der gelegentlich nicht optimal platziert ist.

Der neue Comic-Grafikstil bricht zwar mit dem Vorgänger, passt aber hervorragend zum Spiel. Besonders die Figuren profitieren stark davon.
Der neue Comic-Grafikstil bricht zwar mit dem Vorgänger, passt aber hervorragend zum Spiel. Besonders die Figuren profitieren stark davon.
Wie schon im ersten Teil darf Jackie mehrere Waffen tragen und diese auch wild kombinieren, was vier Angriffsmöglichkeiten ergibt - klingt fummelig, ist es aber nicht. Allerdings sind die Ballereien nicht zuletzt aufgrund der sehr berechenbar agierenden KI nicht das Highlight des Spiels. Ich habe die Knarren irgendwann nur noch im Notfall benutzt und mich sonst darauf beschränkt, die Feinde möglichst kreativ mit den Tentakeln oder spitzen, nach ihnen geworfenen Dingen auseinander zu nehmen. In unregelmäßigen Abständen warten auch Bosskämpfe, die aber ebenfalls kaum in die Spielegeschichte eingehen dürften - denn sie sind in erster Linie lang, aber nicht sonderlich kreativ.

Man arbeitet sich nach oben…

Selbst wenn man sich Zeit lässt, ist die lineare Kampagne nicht besonders lang: Sechs, vielleicht sieben Stunden, dann ist Schluss mit lustig. Danach kann man das Ganze nochmal von vorn auf einem höheren Schwierigkeitsgrad angehen (wobei man die bereits freigeschaltete Ausrüstung übernehmen darf), übersehene Reliquien suchen oder übrig gebliebene Talente freischalten. Oder man schnappt sich drei Freunde und kümmert sich um die »Blutrache«: Das sind kooperativ spielbare Mini-Aufträge, die parallel zur Haupthandlung laufen, aber nicht von Jackie, sondern anderen Mafiosi ausgeführt werden. Jede Figur hat eine andere Hauptwaffe (vom Katana bis zum Zauberstab) und eigene Talente, aber keine Tentakel - hier laufen die Gefechte größtenteils simpel ab.

Neben der Kampagne darf man sich auch zu viert online an Mini-Missionen wagen. Nicht überwältigend, aber ein netter Bonus.
Neben der Kampagne darf man sich auch zu viert online an Mini-Missionen wagen. Nicht überwältigend, aber ein netter Bonus.
Das Ganze ist ein netter Bonus, aber mehr nicht; immerhin sind deutsche und internationale Fassung online kompatibel.

In Sachen Soundkulisse gibt es nicht allzu viele Worte zu verlieren: Es rummst und kracht sehr ordentlich aus den Boxen, der Soundtrack tut nicht weh, bleibt aber auch nicht länger als unbedingt nötig im Gehörgang. Auffällig ist eigentlich nur der deutsche Jackie. Der macht seinen Job zwar im Großen und Ganzen gut, aber immer wieder passt das Gesprochene nicht so richtig zur Szene oder wird überbetont. Außerdem hört man ab und zu, wie Monologteile zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden - zwischen zwei Sätzen springt die Stimmlage auf einmal herum. Kein großes Problem, denn Fans der englischen Zunge können die Original-Sprachausgabe entweder durch Umstellen der Konsole oder direkt vom Sound-Menü aus wählen.

Fazit


Es gibt immer diese Fraktion, die mit Comicgrafik im Shooter nix anfangen kann. Der rate ich: Dann lasst es einfach. Euch sind schon so großartige Spiele wie XIII oder Borderlands durch die Lappen gegangen. Ich liebe den Grafikstil! Die handgepinselten Texturen, die lässigen Schraffuren - der realistische Stil war fraglos cool, aber jetzt hat die Finsternis mehr mit ihren Wurzeln zu tun als vorher. Schön auch, dass die neuen Entwickler die Idee der ruhigen Momente weiter führen: Der Tritt aufs Bremspedal verleiht dem Spiel und seinen Figuren spürbar mehr Tiefe, was wiederum der guten Handlung zugutekommt: Das ständige Hin und Her zwischen Fiktion und Wirklichkeit, die dreckigen Illusionen der Finsternis, Jackies stetes Trudeln in den Wahnsinn - sehr cool! Man kann sich auch einfach durch das Spiel ballern, erlebt in dieser Variante aber einen eher normalen Shooter mit schlaffer KI. Besonders wird er erst durch seine Tempowechsel, den kreativen Umgang mit den Tentakeln und der Umgebung, nicht aufgrund der durchschnittlichen Action, die so typisch für Digital Extremes ist. Schade auch, dass uns die deutsche Version wieder mal einen großen Teil des morbiden Schnetzelvergnügens vorenthält. Aber auch so bleibt The Darkness 2 ein ebenso unterhaltsamer wie kreativer Shooter - im Gegensatz zu seinem markanteren Vorgänger wird er allerdings wohl keine tiefen Spuren hinterlassen.

Wertung

360

Wie schon der erste Teil ein sehr ungewöhnlicher Shooter, mit einer verführerischen Mischung aus mächtiger Action und wunderbar ruhigen Momenten. Das Ballern an sich ist aber ziemlich durchschnittlich.

PC

Die PC-Version bietet von allen Fassungen die schönste Grafik, ist aber sonst inhaltsgleich.

PlayStation3

Wie schon der erste Teil ein sehr ungewöhnlicher Shooter, mit einer verführerischen Mischung aus mächtiger Action und wunderbar ruhigen Momenten. Das Ballern an sich ist aber ziemlich durchschnittlich.

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