True Crime: Streets of LA15.11.2003, Mathias Oertel
True Crime: Streets of LA

Im Test:

Fahren, Schießen, Kämpfen und immense Bewegungsfreiheit erinnert an was? Richtig: Rockstars GTA-Serie. Auf Grund der frappierenden Ähnlichkeit dürfte es Activisions Epos True Crime: Streets of L.A. schwer haben, sich aus dem Schatten der erfolgreichen Serie spielen zu können. Im Test verraten wir Euch, wieso Action-Fans trotzdem einen Ausflug nach Los Angeles wagen sollten und in welchen Punkten True Crime das scheinbare Vorbild weit überragt.

Hollywood-Epos zum Mitspielen

Bereits zu Anfang der Entwicklung hat das Team von Luxoflux ein Ziel gehabt: einen deutlich vom Hong Kong-Kino inspirierten Action-Film zum Mitspielen auf die Beine zu stellen. Der Schauplatz: Los Angeles. Der Hauptdarsteller: Nick Kang, ein Polizist, der nach seiner Suspendierung auf Grund übermäßiger Gewaltanwendung bei der EOD landet (Elite Operations Division). Und bereits sein erster Fall führt ihn in ein Wespennest, in dem Triaden und Russenmafia nur auf ihn warten. Und über all dem lauert zusätzlich noch der Schatten der Vergangenheit: Was ist mit Nicks Vater –ebenfalls ein Cop- passiert, der vor Jahren spurlos verschwand? Die Antwort wartet in den Straßen von L.A.

Snoop Dogg als freispielbarer Charakter.

(Xbox)

GTA Los Angeles?

True Crime hat von Beginn an zwei gewaltige Probleme: GTA 3 und GTA Vice City. Rockstars Kult-Serie hat es geschafft, den Begriff Genre-Mix und darüber hinaus den Standard für Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit in Spielen neu zu definieren. Und da True Crime in genau die gleiche Kerbe schlägt und dazu noch mit nahezu identischen Gameplay-Elementen überzeugen möchte, drängt sich bereits nach den ersten Spielminuten der Verdacht auf, dass Luxoflux nur vom Erfolg der GTA-Serie zehren möchte.

__NEWCOL__Doch hat man diese Vorurteile erst einmal überwunden und sich mit den oberflächlich gesehen ähnlichen, aber im Detail deutlich unterschiedlichen Gameplay-Mechanismen vertraut gemacht, beginnt man True Crime zu schätzen.

Übungen am Schießstand bringen Upgrades!

(Xbox)

Filmreife Story

Natürlich wird auch in diesem Test GTA immer wieder als Gradmesser herhalten müssen. Umso erfreulicher ist es, dass True Crime es tatsächlich schafft, auch Vice City-gestählte Spieler zu überraschen.

Nehmen wir zum Beispiel die Story, die sich trotz aller Freiheiten beständig als roter Faden durch das Spiel zieht. Deutlich ausgefeilter, erzähltechnisch stärker und mit verschiedenen Enden versehen, könnte die Geschichte absolut als Drehbuch für einen Hollywood-Film durchgehen.

Daher war es auch eine gute Wahl, bekannte Schauspieler für die Synchronarbeit zu gewinnen: u.a. haben sich Christopher Walken (King of New York, Pulp Fiction), Gary Oldman (Leon, True Romance), Michelle Rodriguez (Blue Crush), Michael Madsen (Reservoir Dogs) und Russell Wong (New Jack City, Romeo must Die) hinters Mikrofon begeben, um den Spielcharakteren den nötigen Tiefgang zu geben, der sich auch prompt im Spiel bemerkbar macht und für Stimmung sorgt.

Stadtrundfahrt

Sämtliche zur Verfügung stehenden Spielelemente sind GTA-gestählten Zockern wohlbekannt, wurden von Luxoflux jedoch mit einem Twist versehen. Die Bewegungsfreiheit wurde z.B. massiv vergrößert: Das befahr- und belaufbare Stadtgebiet von L.A. umfasst mehr als 250 Quadratkilometer. In einigen Missionen habt ihr zwar ein Zeitlimit zu beachten, doch es gibt mehr als genug Gelegenheit, sich einfach mal einem Sightseeing-Trip hinzugeben.

Geiselnahme? Nicht mit mir.

(PS2)

Dabei fällt auf, dass das Ambiente von L.A. gut eingefangen wurde. Egal ob Downtown, Beverly Hills, Century City oder Santa Monica: wer schon einmal in Los Angeles war, wird sich sofort heimisch fühlen. Manche Haus- und Landschafts-Texturen bleiben dabei zwar etwas blass, doch unter dem Strich hat die Grafikabteilung eine mehr als gute virtuelle Ausgabe der Stadt der Engel auf die Disc gepresst.

GTA und mehr

Kämpfen, Schießen usw. kennt man ebenfalls aus GTA. Aber auch hier hat Luxoflux Elemente eingebaut, die True Crime deutlich von der Konkurrenz abheben. Überall in der Stadt verteilt, finden sich Trainingmöglichkeiten, die eure jeweilige Fähigkeit verbessern. __NEWCOL__In der Polizeifahrschule könnt ihr euer Geschick am Steuer aufpolieren und im Lauf der Zeit neue Manöver lernen, die von Blitzstarts über 180 Grad-Turns bis hin zum Nitro reichen.

In den Dojos lernt ihr neue Griffe und spezielle Manöver, die ihr einsetzen könnt, wenn euer Gegner im Kampf betäubt ist.

Und auf dem Schießstand schließlich könnt ihr euch neue Fähigkeiten wie genaues Zielen, schnelleres Nachladen sowie Waffenupgrades wie z.B. Lasersucher aneignen.

Diese Fähigkeiten sind später immens wichtig: Dass es einfacher ist, einen Scharfschützen mit einem gezielten Schuss auszuschalten, als immer nur wie wild auf ihn zu feuern, ist logisch.

Doch das Training ist nicht kostenlos. Die Währung, die euch auch ermöglicht, bei Apotheken eure Gesundheit aufzufüllen bzw. an Tankstellen euer Fahrzeug zu reparieren, sind Polizeimarken-Punkte. Mit jeder erfolgreichen Mission erhöht sich das Punktekonto.

Yin und Yang im Einklang... Der Gangster an der Mauer.

(PS2)

Gut oder böse?

Doch nicht nur die von der Story vorgegebenen Missionen sorgen für ein rasantes Ansteigen des Kontos: Während ihr durch die Stadt lauft oder fahrt, kommen über Polizeifunk immer wieder zufällig ausgewählte Aufträge, deren Erfüllung euch freigestellt ist.

Das Angebot reicht dabei von normalen Straßenkämpfen bis hin zu Geiselnahmen. Wer dabei wild um sich schießend den Kampf auflöst oder den Geiselnehmer inklusive Geisel erledigt, bekommt zwar Punkte wegen erfolgreicher Verbrechensbekämpfung gutgeschrieben, muss aber dafür ein Absinken seines Cop-Ratings in Kauf nehmen. Wer hingegen die Verbrecher mit Schüssen in Arme oder Beine neutralisiert und die Opfer nicht mit ummäht, bekommt nicht nur mehr Verbrechensbekämpfungspunkte, sondern steht auch auf der guten Seite.

Gleiches gilt für die immer wieder auftauchenden Stealth-Missionen. Wer die Feinde mit Schlägen betäubt oder mit der Betäubungspistole erledigt, entwickelt sich zum Good Cop. Wer ihnen einfach das Genick bricht, wird zum Bad Cop und sieht zum Abschluss ein anderes der zahlreichen Enden der verzweigten Story.

Fahren und zielgenaues Schießen? Kein Problem.

(PS2)

Da die verschiedenen Elemente im Spiel etwa gleich gewichtet werden, sollte man alles so gut es geht trainieren. Doch auch ohne Upgrades kann man es mit entsprechendem Geschick schaffen, sich bis zum Ende vorzuwühlen – was wieder für das durchdachte Balancing spricht, das auch durch die automatische Speicherung an bestimmten Punkten unterstützt wird.

__NEWCOL__GTA und weniger

So sehr sich True Crime in punkto Charakterentwicklung und der Verbesserung der grundlegenden Spielelemente positiv von den GTA-Spielen unterscheidet, so sehr lassen sich auch zahlreiche Nachteile ausmachen. Allen voran die Spieldauer: Auch das immens große Stadtgebiet von Los Angeles kann nicht verhindern, dass man nach etwa 15 bis 25 Stunden das Finale gesehen hat.

Bullet-Time gibt´s auch.

(Xbox)

Denn im Endeffekt konzentriert sich das Spiel zu sehr auf die Story. Daran können auch die Zufallsmissionen nichts mehr ändern, die man allerspätestens dann außer Acht lässt, wenn man sich alle Upgrades antrainiert hat. Und von diesem Moment an saust man geradezu durch die Missionen.

Und abseits von Story-Alltag und Polizeifunk gibt es wenig zu entdecken. Klar: Man kann Snoop Dog freispielen, wenn man alle 30 in der Stadt versteckten Knochen gefunden hat. Doch dies ist nichts im Vergleich zu den zahlreichen Goodies und Gimmicks, die man in den GTA-Spielen zur Verfügung hat und die schnell zu einer Spieldauer jenseits der 50-Stunden-Marke führen und Spieler immer wieder ans Pad ziehen.

Außerdem wirkten GTA 3 und Vice City in sich runder und abgeschlossener. Selbst wenn man in True Crime ausnahmslos alle Enden gesehen hat, bleiben ein schales Gefühl und der Wunsch nach mehr zurück.

Technisch ok

Teilweise phänomenal sind die Zwischensequenzen in Spielgrafik: rasant geschnitten, mit schönen Kameraeinstellungen versehen und sauber vertont, hat man bei einem Actionspiel endlich mal wieder das Gefühl, einen clever inszenierten Film zu sehen und aktiv daran mitzuwirken.

Feuern aus allen Rohren.

(Xbox)

Auch die Atmosphäre, die bei den Fahrten und Märschen durch L.A. aufkommt, ist in sich stimmig und durchweg gut. Allerdings muss man auf Verkehrsstaus und überfüllte Highways verzichten: Die Straßen sind zwar immer mit Passanten und Fahrzeugen gefüllt, doch typisches Großstadt-Flair kommt selten auf.

Anscheinend war dies der Preis, den man für das immens große und ständig ruckelfrei in den Speicher strömende Stadtgebiet zahlen musste.

Während die Animationen der Figuren gut gelungen sind, gibt es abseits der Hauptcharaktere wenig Textur-Abwechslung. Die Einwohner L.A.s sehen aus wie aus dem Klonlabor und scheinen zudem noch alle beim selben Schneider Kunde zu sein – hier hatte GTA mehr zu bieten.

Zudem sorgen diverse Clipping-Fehler und Kamera-Probleme immer wieder für optische Unstimmigkeit und in einigen Fällen sogar für Frust. __NEWCOL__So z.B., wenn ich bei einer Verfolgsjagd abhebe und dann mitten auf der Leitplanke lande, die dann durch mein Fahrzeug clippt und die Kollisionsabfrage schließlich dafür sorgt, dass ich nicht mehr raus komme.

Unter dem Strich ist True Crime zwar noch ein ganzes Stück davon weg, GTA die Grafikbutter vom Brot zu nehmen, liefert aber im Schnitt eine gute Leistung ab, die allerdings auf der PS2 deutlich besser ist als auf der Xbox.

Kein Radio, aber cool!

Zwar gibt es keine Radiostationen wie bei den Grand Theft Autos, doch der mitgelieferte Soundtrack mit einer Songanzahl jenseits der 70 sorgt genau so für Vergnügen wie die musikalischen Ausflüge nach Vice City. Denn nicht nur der typische West Coast-Rap schallt euch entgegen – auch Heavy Metal und Pop gehören zum guten Ton.

Weniger überzeugen können die Fahrgeräusche, die bis auf wenige Ausnahmen alle gleich zu klingen scheinen und bei weitem nicht das Leistungsspektrum der Fahrzeuge widerspiegeln.

True Crime - John Woo-Style!

(PS2)

Und auf die hervorragende Sprachausgabe sind wir ja schon zu Beginn des Tests eingegangen. In diesem Zusammenhang müssen wir noch die deutsche Lokalisierung erwähnen.

Die Entscheidung, das Spiel im englischen Original zu belassen und nur mit Untertiteln zu versehen, ist gut und inhaltlich auch sauber umgesetzt.

Gut oder böse? Es liegt an euch!

(PS2)

Störend ist dabei nur die Größe der Untertitel. Bei einigen der Zufallsmissionen poppt auf einmal ein Text auf, der durchaus mal die Hälfte des Bildschirms einnehmen kann und enorm beim Fahren stören kann.

Versionsunterschiede

Für einige Multi-Konsolenbesitzer wird sich die Frage stellen, welche Version sie sich besorgen sollen. Und nachdem wir beide Versionen intensiv gespielt haben, neigen wir dazu, die PS2-Version zu favorisieren. In punkto Steuerung –vor allem beim übersensiblen manuellen Zielen- liegt die PS2 zwar hinten, doch das wird durch die durch die Bank bessere Grafik nahezu spielend einfach aufgefangen.

__NEWCOL__Die Xbox-Fassung wirkt zwar auf den ersten Blick klarer, doch wo die PS2 mit einem leichten Schleier die in der Entfernung aufpoppenden Landschaftsteile einigermaßen kaschieren kann, bekommt die Xbox das volle, ungeschönte Pop-Up-Programm.

Zudem hat die Xbox-Version mit Mip-Mapping-Problemen zu kämpfen: Auf den Highways sieht man in der Entfernung ein schlichtes graues Hinweis-Schild, das urplötzlich ohne Vorwarnung die richtige Textur spendiert bekommt, während euch die PS2 jederzeit den richtigen Effekt vorgaukelt.

Im Zweifel auch mal in Deckung gehen.

(Xbox)

Und auch wenn die Autos auf der Xbox mit Environment-Mapping versehen wurden und dementsprechend realistischere Lackspiegelungen ermöglichen, wirkt L.A. auf der PS2 einfach lebendiger und im Endeffekt schöner.

Fazit

Ist True Crime ein würdiger Nachfolger für GTA oder zumindest eine spielenswerte Alternative? Viele Elemente sind hier wie da zu finden und sorgen zwangsläufig für einen Vergleich, doch wo die GTA-Serie in den zweifellos gut aufeinander abgestimmten allgemeinen Gameplay-Elementen auf Dauer stagniert, sorgt das Upgrade-System in True Crime für zusätzliche Motivation. Egal ob Kämpfen, Fahren oder Schießen: alles wirkt ausgereifter als bei GTA. Auch die Story ist um einiges ausgefeilter als bei den GTA-Spielen und sorgt mit ihren multiplen Enden, den zufälligen Cop-Missionen und den Verzweigungen immer wieder für Atmosphäre. Wo True Crime jedoch massiv zurückstehen muss, ist die Spieldauer: nach etwa 15 bis 25 Stunden ist der gut inszenierte Action-Spaß vorbei – zum gleichen Zeitpunkt wurde man bei GTA gerade erst warm. Auch die Gesamtstimmung kann vor allem auf Grund des mangelnden Großstadt-Flairs nicht ganz mit den Rockstar-Kultspielen mithalten. Es wirkt insgesamt einfach nicht so rund und in manchen Punkten zusammengestückelt. Höchst befremdlich ist allerdings, dass die ansehnliche Grafik, die insgesamt nicht das pompöse Ausmaß von GTA erreicht, auf der PS2 mindestens eine halbe Klasse besser ist als auf der Xbox. Die wiederum kann mit der besseren Steuerung punkten. Doch sei es, wie es ist. Das Vorhaben der Entwickler, einen Action-Film zum Mitspielen abzuliefern, ist gelungen!

Pro

filmreife Story
cooler Soundtrack
über 250 Quadratkilometer Los Angeles
Zufallsmissionen
zahlreiche Upgrademöglichkeiten der Fähigkeiten
diverse Endsequenzen
durchdachte Steuerung
famose Sprachausgabe
Good Cop/Bad Cop-Rating

Kontra

Untertitel extrem groß
Großstadt ohne Flair
Clipping
und Kamera-Probleme
sensible Steuerung beim manuellen Zielen (PS2)
vergleichsweise biedere Grafik (Xbox)

Wertung

PlayStation2

XBox

Kann nicht an GTAs Thron kratzen, aber unterhält auf gutem Niveau.

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