Spider-Man: Edge of Time20.10.2011, Paul Kautz
Spider-Man: Edge of Time

Im Test:

Activisions Superhelden-Armada hat zur Zeit wieder Hochkonjunktur: Gerade eben hat die X-Bande mit »X-Men Destiny« einen höchst durchschnittlichen Auftritt absolviert, jetzt ist Kumpel Superspinne mal wieder dran. Und der hat nicht nur mit dem Musical ein Problem.

Spider-Man ist tot!

Das ist der Hauptbestandteil von Edge of Time: Endlos scheinendes, stupides Gekloppe gegen immergleiche Gegner in beengten Räumlichkeiten.
Das ist der Hauptbestandteil von Edge of Time: Endlos stupides Gekloppe gegen immergleiche Gegner in beengten Räumlichkeiten.
Jep, einfach so. Anti-Venom hat ihn kaputt gemacht, das bekommt man noch vor dem eigentlichen Intro zu sehen. Das wäre natürlich die Basis für das kürzeste Spider-Man-Spiel aller Zeiten, aber der durch unzählige Comic-Tode gestählte Fan weiß natürlich, dass der Exitus auch nur ein weiterer Anfang ist.

Das Ganze ist Teil einer ordentlichen Handlung, die damit zu tun hat, dass Walker Sloane, Träger der Oberbösewichtlache, mit der Größe seiner Megacorporation Alchemax nicht zufrieden ist. Also macht er das, was jeder vernünftige Firmenboss machen würde: In die Vergangenheit reisen und die Firma viel eher gründen. Zack, schon ist die Zukunft eine viel düsterere, Peter Parker nicht mehr Fotograf für den Daily Bugle, sondern ein Rädchen unter vielen im Alchemax-Getriebe. Das kann sich Miguel O'Hara, der machtvoll glänzende Spider-Man des Jahres 2099, natürlich nicht mit ansehen, also nimmt er per Zeittunnel und Telepathie Kontakt zu seinem Gegenwarts-Bruder auf, um mit ihm gemeinsam die Bedrohung durch Alchemax (und Anti-Venom sowie anderen Garstigkeiten) schnell aus den Welten zu schaffen. Ja, es ist Blödsinn. Aber es ist gut präsentierter, von witzigen Dialogen befeuerter Blödsinn. Außerdem ist der Einstieg sehr stimmungsvoll, woran der mächtig brummende Soundtrack aus der Feder von Gerard Marino (u.a. God of War) einen großen Anteil hat.

Das Spinnenleben ist eines der schwersten...

Wer Spider-Man: Dimensions gespielt hat, der weiß in etwa, womit er in Spider-Man: Edge of Time (ab 29,95€ bei kaufen) (EoT) zu tun hat - es fühlt sich nämlich wie eine Erweiterung an: Es gibt den dauernden Wechsel zwischen den Spinnen, Herausforderungen sind nahtlos ins Spiel eingebunden und dürfen über das bekannte Netz jederzeit wieder angegangen werden, es gibt goldene Spinnen und Energie zu finden, wodurch versponnene Upgrades möglich sind. Kennt man alles schon, fühlt sich aber trotzdem anders an, da es von allem weniger gibt: Nur noch zwei statt vier Spinner, weniger Upgrades, dadurch weniger Kampfmöglichkeiten, kaum noch Kombos - und die Herausforderungen gingen mir nach kurzer Zeit so auf die Nerven, dass ich irgendwann komplett auf sie verzichtet habe. Wer Freude daran hat, kann meist unter Zeitdruck soundso viele Feinde verkloppen, Portalenergie einsammeln oder schnellstmöglich von A nach B gelangen. In diesem Zusammenhang sollten auch die Freifall-Abschnitte erwähnt werden, die immer wieder vorkommen: Klettermaxe stürzt sich einen tiefen Tunnel hinab, in dem bemerkenswert viele Hindernisse einem ungestörten Fall im Weg stehen. Grundsätzlich eine spaßige Idee, die aber deutlich zu oft bemüht wird. Abteilung »Hirnschmelze«: Ein vier Kilometer tiefer Fall bedeutet auch, dass das Gebäude mindestens vier Kilometer hoch sein muss.

Man wechselt immer wieder zwischen  beiden Spinnenmännern hin und her, wobei die Unterschiede sehr gering ausfallen. Aber die Dialoge zwischen den beiden sind zum Teil sehr unterhaltsam.
Man wechselt immer wieder zwischen beiden Spinnenmännern hin und her, wobei die Unterschiede gering ausfallen. Aber die Dialoge zwischen den beiden sind zum Teil sehr unterhaltsam.
Der größte Unterschied zu den Vorgängern ist das Szenario: Während die zum großen Teil an der frischen Luft spielten, in der man nach Lust und Laune schwingen konnte, findet hier alles im Inneren eines riesigen Gebäudes statt. Das bedeutet nicht nur jede Menge Büros, Lager und Lüftungsschächte, sondern auch deutlich weniger Gelegenheiten zum freien Einsatz des Netzes. Sehr viel öfter als das berühmte Schwingen kommt abermals das Hinziehen zu vorbestimmten Punkten zum Einsatz - gähn.

Hilf mir, Zukunftshoschi!

Im Laufe der etwa sieben Stunden langen Kampagne wechselt man immer wieder zwischen den beiden Spideys hin und her, worauf man allerdings keinen Einfluss hat. Zwischendurch gibt es immer wieder Überlappungen zwischen beiden Welten (was der eine bei sich macht, hat Einfluss auf die Umgebung des anderen), außerdem sind die Dialoge zwischen beiden wie schon erwähnt teilweise sehr unterhaltsam. Die ausschließlich englische Sprachausgabe (optional mit dt. Untertiteln) ist sehr gut: Zwar kommt Neil-Patrick Harris leider nicht mehr zum Zug, aber Josh Keaton (der in Dimensions noch den Ultimate Spider-Man sprach) und Christopher Daniel Barnes als Miguel O'Hara (vorher: Spider-Man Noire) machen einen sehr guten Job - und Walker Sloan wird von Val Kilmer angemessen sinister vertont.

Beide Spinnenmänner verfügen sowohl über einen eigenen als auch einen gemeinsamen Upgrade-Pool: Grundsätzliche Bewegungen werden für beide zusammen verbessert, spezifische Sachen und Angriffe für jeden einzeln. Dazu braucht es Portalenergie und goldene Spinnen; Ersteres gibt es überall, Letztere sind teilweise sehr gut versteckt, wobei ein immer heftiger blinkendes Symbol Hinweise gibt. Der Weg zu den besser versteckten Boni führt meist über alle möglichen Wände und durch Schächte hindurch, in denen man die nach wie vor extrem störrische Kameraführung zu hassen lernt. Die Grafik ist nicht so abwechslungsreich wie in Dimensions, aber besticht durch elegante Animationen sowie sehr schöne Grafikeffekte. Jedenfalls im Falle der 360- und PS3-Fassung, der Wii-Variante mangelt es erheblich an Details, aber dafür läuft sie schön flüssig. Nur hier muss man außerdem mit einer gewöhnungsbedürftigen Steuerung leben, die z.B. die Angriffe auf verschiedene Richtungen des Digipads legt.

Fazit

»Edge of Time«? Eher »Ätsch, wir kürzen!« Das Ganze fühlt sich wie eine inhaltlich abgespeckte Erweiterung zu Dimensions an - das Spielsystem ist nahezu identisch, ansonsten wurde an allen Ecken und Enden gespart: Es gibt zwei Spinnenmänner weniger, das Kampfsystem ist mangels echter Kombos deutlich simpler, die Ausbaumöglichkeiten wurden verknappt. Das mag man noch alles als Gesundfasten durchgehen lassen, aber was gar nicht geht, ist in einem Spider-Man-Spiel auf das zu verzichten, was in einem Spider-Man-Spiel wirklich Spaß macht: Das motivierende, von Juchzlauten begleitete Netzschwingen durch Hochhausschluchten. Dadurch, dass das Abenteuer in einem großen Gebäude stattfindet, gibt es kaum Gelegenheiten, das Netz sinnvoll auszupacken. Resultat: Man rennt und krabbelt von einer öden Gegnergruppe zur nächsten, kloppt stupide herum, drückt ein paar Schalter und beginnt das Ganze von vorn. Schade um die ordentliche Handlung, die gelungenen Wechsel zwischen den beiden sowie die gute Präsentation. Viel mehr trauern sollte man aber um die Zeit, die man mit Edge of Time verschwendet, während man Batman: Arkham City spielen könnte.

Pro

ordentliche Präsentation
einfache Steuerung
dramatische Musik
viele Netz-Kräfte
unterhaltsame Dialoge

Kontra

einschläferndes Missionsdesign
größtenteils nervende Herausforderungen
fummelige Wandkrabbeleien
beengte Räume, kaum Netzschwingen
kaum Kombo-Möglichkeiten
uninteressante Bossfights
simple, abwechslungsarme Kämpfe

Wertung

360

Ein Spider-Man-Spiel, das zu kurz, zu uncool und zu langweilig ist.

PlayStation3

Ein Spider-Man-Spiel, das sehr unspidermannig ist - ganz zu schweigen von kurz, abwechslungsarm und langweilig.

Wii

Inhaltlich identisch zu den anderen Fassungen, technisch drei Klassen darunter und mit gewöhnungsbedürftiger Steuerung gestraft.

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