Sonic Generations31.10.2011, Jan Wöbbeking
Sonic Generations

Im Test:

Sonic 4 hat es vorgemacht: Wenn sich Sega Mühe gibt, kommen wieder richtig gute Plattformer dabei heraus. Auch Sonic Generations (ab 17,76€ bei kaufen) soll die Fließband-Ableger der Jahre davor vergessen machen. Pünktlich zum 20. Geburtstag schickt Sega sein Maskottchen auf eine Zeitreise durch die Seriengeschichte.

Sonic + Sonic = doppelter Spaß?

Jeder der Level besitzt zwei Akte. Im ersten läuft und kugelt sich der klassische Sonic von links nach rechts...
Urlaubsstimmung pur: In jedem der idyllischen Levels geht's von links nach rechts...

Statt rein zweidimensionalen Levels gibt‘s diesmal einen flotten Mix aus 3D und Seitenansicht. Die Story schmeißt den heutigen Sonic und sein 16-Bit-Gegenstück zusammen in ein Zeitloch: Auf der großen Geburtstagsfeier schwebt plötzlich eine schwarze Monsterfratze über der grünen Wiese und saugt Tails, Amy und sämtliche anderen Gäste in eine grell weiße Zwischenwelt außerhalb von Raum und Zeit. Neben allerlei Freunden aus der Vergangenheit haben sich auch diverse altbekannte Bösewichte und Rivalen wie Shadow hierher verirrt. Ich schlüpfe abwechselnd in die Rolle der zwei Sonics. Während ich durch die weiß leuchtende Oberwelt laufe, kann ich jederzeit per Knopfdruck zwischen ihnen wechseln, allerdings erst nach einer kurzen Schwarzblende. Auch vor dem Start eines Levels muss ich relativ lange warten – die Ladezeiten halten sich mit rund 15 Sekunden aber in erträglichen Grenzen. Inmitten der weißen Zeitwüste warten allerlei zertrümmerte Portale zu altbekannten Kulissen.

Wenn ich den ersten Akt starte, lande ich einem klassischen 2D-Level: Die Sonne scheint, die Ringe klingeln und die Wiese ist derart saftig, dass sogar Sonic von den Halmen grün angeleuchtet wird. Vom gelegentlichen Grünstich abgesehen sehen die Kulissen aber traumhaft aus. Wenn ich durch Green Hill düse, bewegen sich am Horizont jede Menge Hügel und idyllische Wasserfälle in mehreren Ebenen mit. Alles ist ganz wie früher auf dem guten alten Mega Drive – nur noch viel hübscher! Im Vordergrund tummeln sich die bekannten Käfer, Kampfwespen und mit den Zähnen klappernde Piranhas. Wie früher erledige ich die Biester, in denen ich ihnen mit einem herzhaft oldschooligem „Gnuuiip!“-Geräusch auf den Kopf springe. Oder ich rolle sie einfach in Kugelform mit Schmackes über den Haufen. Ebenfalls dabei ist die aufladbare Kugelattacke aus Sonic 2: Einfach hinknien, Knopf gedrückt halten, loslassen und schon kugele ich meinem Widersacher mit einem fiepsenden Hochfrequenzton entgegen.

Wilde Perspektiv-Wechsel

Gehe ich das gleiche Level mit dem modernen Sonic an, muss ich umdenken. Dank aufladbarem Boost rase ich von Beginn an unheimlich flott voran. Nach einem weiten Sprung helfen mir die nützlich postierten Gegner weiter: Bin ich nah genug, erscheint ein Zielkreuz über ihren Köpfen. Ein Knopfdruck und der Ziel suchende Angriff lässt mich in einer Zehntelsekunde zu ihnen zischen. Ich plätte einen Roboter nach dem anderen von oben und überquere nebenbei elegant den Abgrund. Zwischendurch gibt es wilde Perspektivwechsel.

...und in die Tiefe. Die nah hinter Sonic platzierte Kamera sorgt für ein enormes Geschwindigkeitsgefühl.
...und später auch in die Tiefe. Die nah hinter Sonic platzierte Kamera sorgt hier für ein enormes Geschwindigkeitsgefühl.

Oft hängt sich die Kamera direkt hinter Sonic: Etwa die Hälfte der Zeit über schalten die modernen Levels in diese 3D-Perspektive. Dann fühlt sich das Spiel ähnlich rasant an wie Sonic Adventure auf dem Dreamcast – allerdings geht es diesmal noch ein ganzes Stückchen flotter zur Sache. Wenn man den Level gut kennt und sich elegant durch alle Fallen mogelt, ist man schneller unterwegs als in Wipeout. Ich renne über eine grüne Wiese, rolle durch ein paar Loopings, hüpfe ab und zu über kleine Hügel und „ziehe“ mich mit der Homing-Attacke über einen Abgrund. Eine halbe Sekunde später grinde ich schon über die nächste Schlucht: Die langen Schienen muss ich nur grob anpeilen, um sicher auf ihnen zu schliddern. Ab und zu ein Spurwechsel und ein Sprung über ein paar Bomben – dann folgt der Absprung: In der Schwebe lade ich durch einfache Knöpfchendrück-Stunts meinen Boost auf.

Hängen geblieben

Der Startpunkt: In der schneeweißen Zeitloch-Oberwelt trifft Sonic auf alte Bekannte und verleiht den Levels nach und nach Farbe.
Der Startpunkt: In der schneeweißen Zeitloch-Oberwelt trifft Sonic auf alte Bekannte und verleiht den Levels nach und nach Farbe.

Bei all der Hektik tritt natürlich wieder das klassische Serien-Problem zu Tage: Ab und zu verliere ich den Überblick – oder lande nur deswegen in einer Stachelgrube, weil ich die Gefahr überhaupt nicht vorausahnen konnte. Im Verhältnis zu einigen anderen 3D-Vorgängern passiert das aber seltener: Meist behält man die Kontrolle und flutscht in einem angenehmen Rhythmus durch die Sprungpassagen. Außerdem besitzen die Levels traditionell mehrere Ebenen: Wenn man es nicht schafft, die ideale Route zu nehmen, versucht man es eben ein Stockwerk tiefer. Das verschlechtert zwar die Abschluss-Wertung, andererseits bietet sich so genug Motivation, es beim nächsten mal besser zu machen.

Genau hier zeigt sich eine gewaltige Stärke des Spiels: Wenn ich ein Gebiet gemeistert habe, muss ich dort noch ein paar weitere Herausforderungen angehen, damit ich die Schlüssel zum Boss-Portal freischalte. Vor allem die Time-Attack-Wettrennen gegen einen durchsichtigen Doppelgänger haben mich gewaltig angespornt. Sobald man das Level kennt, macht es natürlich doppelt so viel Spaß, beim dritten Anlauf drei mal so schnell hindurch zu düsen. Bevor man sich die Zähne ausbeißt, kann man auch einfach zu einem der anderen gelungenen Wettkämpfe wechseln. Mal spiele ich mit dem Kroko-Diskjockey Vektor eine Art Sound-Tennis und schleudere fliegende Noten mit der Homing-Attacke zurück, später kämpfe ich in Endzeit-Kulisse gegen Sonics Rivalen Shadow. In diesem Gefecht muss ich meinen Boost geschickt mit Ringen und Sprung-Stunts auffüllen und dem finsteren Igel ein Power-Up vor der Nase wegschnappen. Dann noch ein paar Attacken mit fliegenden Felsbrocken – und schon befindet sich ein weiterer Chaos Emerald in meiner Sammlung. Die Edelsteine sind natürlich wieder in den Welten verstreut. Statt sie zu suchen, bekomme ich sie aber frei Haus nach dem Besiegen von Bossgegnern und Rivalen.

Ab und zu schliddert man auf Schienen entlang.
Ab und zu gibt es kurze Schlidder-Einlagen.

Gelungener Level-Remix

Die Welten bieten einen bunten Mix aus bekannten Schauplätzen. Aus der 2D-Ära z.B. ist neben Green Hill auch Chemical Plant aus Sonic 2 vertreten und aus der Dreamcast-Zeit die Skateboard-Abfahrt über den Dächern von San Francisco. Besonders spannend sind die Neuinterpretationen. Im Fall der Westküstenmetropole ist die Umsetzung besonders cool geraten. Der riesige Truck aus der 3D-Fassung verfolgt mich auch hier. Ab und zu rast er aus dem Hintergrund ins Bild, um mir die Plattformen unter den Füßen wegzurammen. Außerdem sind überall Skateboards versteckt, auf denen ich ähnlich wie bei Joe Danger durch Loopings rausche. Auch futuristische Kulissen aus dem letztjährigen Sonic Colors sind enthalten. Die freundlichen Wisp-Aliens verleihen Sonic kurzzeitig die Fähigkeit, zwischen den Plattformen in Raketenform nach oben zu düsen oder als pinkfarbene Stachelkugel an der Decke entlang zu rattern. Diese Abschnitte sind eine willkommene Abwechslung, da sie etwas ruhiger ausfallen und es einige Schalterrätsel zu lösen gibt. Neben derlei Spezialfähigkeiten stehen im Shop außerdem einige „Perks“ zur Wahl – ähnlich wie in Sonic und der Schwarze Ritter. Dazu gehören ein Boost-Bonus, ein Schild und andere Kleinigkeiten, welche sich auf einer Ausrüstungs-Karte zusammenstellen lassen.

Nervige Boss-Kämpfe

Traumhaft schön: Der Remix des Klassikers Green Hill aus dem allerersten Sonic the Hedgehog.
Traumhaft schön: Der Remix des Klassikers Green Hill aus dem allerersten Sonic the Hedgehog.

Außerdem gibt’s in einem Trophäen-Raum natürlich den obligatorischen freischaltbaren Schnickschnack zu bewundern. Unter den Boni befindet sich das erste Spiel vom Mega Drive, Artworks, Musik-Stücke aus dem gelungenen Soundtrack sowie die schrecklich kindischen Zwischensequenzen. Wer es klassisch mag, darf zur japanischen Synchro umschalten: Ob „Sonicöööh“ oder „Tailsöööh“ – im Land der aufgehenden Sonne wird an fast alle Namen ein ellenlanges und für deutsche Ohren albern klingendes „Öööh“ gehängt. In der Original-Fassung geht Doctor Eggman außerdem auf seinen Namenswechsel ein; in der deutschen Vertonung fällt sein selbstironischer Kommentar einfach unter den Tisch. Zusätzlich sind auf der Disk auch Deutsch, Englisch und sämtliche anderen Sprachfassungen plus die dazugehörigen Untertitel enthalten.

Doch egal, zu welcher Version ich auch wechselte: Das Overacting und die grellen Piepsstimmen gingen mir schnell auf die Nerven. Das gilt vor allem für die Bosskämpfe, welche allgemein nicht so durchdacht wirken wie der Rest des Spiels. Das Gefecht gegen Eggmans riesigen Mech-Roboter macht Spaß, doch bei den übrigen Bossen wird es schnell arg unübersichtlich. Dank der verwirrenden Kameraregie und seltsamer Kommandos wusste ich manchmal minutenlang nicht, was überhaupt zu tun ist oder warum ich schon wieder draufgegangen bin.

Leaderboards statt Multiplayer

Deutlich besser gelungen sind die Online-Challenges: Angelehnt an Endlos-Hüpfer wie Doodle Jump versucht man, sich in 30 Sekunden so weit wie möglich in den Level vorzukämpfen. Auch die kleinen Schildchen wurden dort von dort abgekupfert: An ihnen sieht man, wie weit es Spieler aus der Freundesliste geschafft haben. Oder man schließt eines der Level komplett ab und vergleicht seine Endwertung in den Leaderboards. Echte Multiplayer-Modi gibt es aber nicht.

Zwischendurch stehen Wettrennen gegen Rivalen wie Metal Sonic auf dem Programm.
Zwischendurch stehen Wettrennen gegen Rivalen wie Metal Sonic auf dem Programm.

Wer die entsprechende Hardware besitzt, kann das Spiel auf beiden Konsolen in stereoskopischem 3D spielen. Besonders gut sieht das Ergebnis aber nicht aus. Die Darstellung funktioniert zwar deutlich besser als noch in der Vorschau-Fassung, doch durch den blitzschnellen Ablauf und „nur“ 30 Bilder pro Sekunde wird es ziemlich anstrengend für die Augen. Außerdem fallen hier Geisterbilder durch die starken Farbkontraste besonders stark auf.

Bildstottern auf der PS3

Auch auf einem klassischen 2D-Fernseher ist es schade, dass die Engine nur 30 Bilder pro Sekunde produziert. Bis auf seltene Stotter-Einlagen bleibt das Scrolling zwar flüssig, doch gerade bei einem derart flotten Spielablauf hätten 60 Bilder für deutlich mehr Übersicht und Augenfreundlichkeit gesorgt. Wenn die Umsetzung gelingt, haben PC-Besitzer am 25. November also einen echten Vorteil. Auch eine 3DS-Version erscheint am gleichen Tag. Auf der PS3 leidet das Spiel übrigens zusätzlich unter einem dauerhaften Bildstottern. Es tritt zwar nur ganz dezent auf und mit der Zeit gewöhnt man sich daran – trotzdem wirkt das Scrolling weniger flüssig. Verursacht wird das Problem vermutlich dadurch, dass die PS3-Version offenbar wie die Demo nicht mit 30 sondern 32 Bildern pro Sekunde läuft . Davon abgesehen gleichen sich die beiden Konsolen-Fassungen aber.

Fazit

Sonic Generations macht richtig gute Laune. Manchmal bekam ich fast schon ein schlechtes Gewissen: Neben mir ärgert sich der arme Dieter mit dem gecrashten Videoschnitt-Rechner herum und ich habe im Angesicht der Katastrophe nichts Besseres zu tun, als fröhlich pfeifend vor der Konsole zu sitzen. Die Neuinterpretationen bekannter Levels sind unheimlich hübsch geraten und bieten mit ihrem Wechsel zwischen klassischen und 3D-Abschnitten jede Menge Abwechslung. Trotz der blitzschnellen Geschwindigkeit haben die Entwickler es geschafft, die Areale so zu gestalten, dass man nach einem Absturz meist noch die Kurve kriegt. Einige fiese Fallen lassen sich auch diesmal nur durch stures Auswendiglernen meistern, doch solche Situationen halten sich in erträglichen Grenzen. Für einen Gold-Award reicht es aber nicht ganz. Schuld daran sind vor allem die verwirrenden Bosskämpfe, gelegentliche Übersichtsprobleme und kleine Technik-Schnitzer. Trotzdem ist Sega mit Generations ein richtig guter Remix der Sonic-Geschichte gelungen!

Update zur PC-Fassung:

Mittlerweile ist die PC-Version auf Steam erhältlich (die Retail-Fassung kommt erst am 25. November in den Handel). Inhaltlich hat sich nichts geändert, auf technischer Ebene schon: In 1080p und mit etwas schärferen Texturen sehen die idyllischen Kulissen noch beeindruckender aus. Vor allem aber profitieren die Übersicht und das Geschwindigkeitsgefühl vom deutlich flüssigeren Scrolling. Komplett sauber läuft die Umsetzung aber nicht: Ab und zu kommt das Bild wie auf der PS3 ins Stottern und bleibt kurz hängen. Das Problem tritt hier aber viel seltener und schwächer auf. Wer einen aktuellen Spielerechner besitzt, sollte also zur PC-Version greifen, denn dort kommt der Geschwindigkeitsrausch noch besser rüber als in den Konsolen-Fassungen.

Pro

abwechslungsreiche Zeitreise durch die Sonic-Epochen
interessante 2D- und 3D-Varianten von Level-Klassikern
blitzschneller Geschwindigkeitsrausch
extreme Steigungen und Loopings, aber auch langsame Passagen
idyllische Kulissen voller knallbunter Details
beschwingte Remixes bekannter Soundtrack-Klassiker
frei wählbare Herausforderungen schalten Bosse frei
Online-Bestenlisten und Entfernungs-Wettlauf

Kontra

manche Fallen nur durch Trial & Error erkennbar
30 Frames sind etwas zu wenig für das pfeilschnelle Spiel (360, PS3)
leichtes Bildstottern (PC und vor allem PS3)
Bosskämpfe mitunter verwirrend
übertrieben kindische Dialoge und nervtötende Piepsstimmen
lange Ladezeiten
gelegentliche Pop-ups am Horizont

Wertung

360

Blitzschnell, abwechslungsreich und wunderhübsch inszeniert: Sonic Generations bietet einen gelungenen Mix aus Geschwindigkeitsrausch und klassischem Plattformer.

PC

Auf dem PC flutscht der Geschwindigkeitsrausch eine ganze Ecke flüssiger über den Schirm.

PlayStation3

Auf der PS3 leidet das gelungene Turbo-Jump-n-Run unter leichtem Bildstottern.

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