Assassin's Creed: Revelations15.11.2011, Mathias Oertel
Assassin's Creed: Revelations

Im Test:

Ein neues Jahr, ein neues Assassin’s Creed: Ubisoft wird nicht müde, seine Meuchelmörder alljährlich auf die Spielewelt loszulassen. Doch kann man dem Abenteuer nach dem gelungenen Brotherhood neue Facetten hinzufügen? Und schafft man es, die Geschichte um Desmond, Ezio und Altair sowohl geschickt zusammenzuführen als auch die Trilogie um den florentinischen Anführer der Bruderschaft angemessen zu beenden?

Schockschwerenot!

"Moment - Das ist doch nicht Desmond! Zumindest nicht der Desmond Miles, der mich in den letzten drei Jahren stets durch dunkle Animus-Abende begleitet hat." Das waren meine Gedanken, nachdem ich zu Beginn von Assassin's Creed Revelations (ACR) ein neues Charaktermodell erblickte.

Nicht nur hier wurde der Darsteller ausgetauscht: Auch die anderen Protagonisten Altair und Ezio Auditore haben sich scheinbar verändert. Altair hat ebenfalls nicht mehr viel mit seinem Vorgänger gemeinsam, der übrigens in der PS3-Version als Gratisspiel beiliegt.

Der gealterte Ezio hat gleichsam eine Wandlung durchgemacht und hat nicht mehr viel mit seinem jüngeren  Pendant aus dem Italien des ausgehenden 14. Jahrhunderts gemein. Obwohl das Abenteuer nur etwa zehn Jahre nach Brotherhood spielt, wirken die Helden fast fremd. Das kann doch alles kein Zufall sein? Richtig: Je länger man spielt und je tiefer man in die verschachtelten Erzählstrukturen eintaucht, umso mehr Kleinigkeiten fallen einem auf, die vielen Mutmaßungen Tür und Tor öffnen und die hoffentlich von Ubisoft beabsichtigt sind. Denn die einzige andere Erklärung wäre ein inkonsequentes Artdesign, das gar nicht zu sonst so akribisch recherchierten Reihe passen würde.

Das Erzählmysterium

Dasssich  Altair und Ezio in ihrem Alterungsprozess sowohl hinsichtlich ihrer Philosophie als auch des Aussehens zunehmend ähnlicher werden, dürfte Basis für zahlreiche Diskussionen werden, die durch das bereits angesprochene veränderte Aussehen Desmonds (er hat z.B. seine Narbe verloren) weiterhin angeheizt werden. Was steckt hinter diesen subtilen Änderungen?

Durch die vielschichtige Geschichte, die seit Teil 1 stets darum bemüht war, einen Bogen zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zu schlagen, bleiben viele Möglichkeiten offen. Auch das Assassinen-Credo "Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt!", das über dem bis in die Moderne schwelenden Kampf zwischen Templern und Assassinen schwebt, dürfte eine Argumentationsgrundlage werden, wenn es darum geht, die Charakterwechsel zu rechtfertigen. Eine wichtige Rolle dürfte dabei auch der Defekt des Animus spielen, in dem Desmond in einer Art Koma sprichwörtlich festsitzt – auf einer digitalen Insel, die wiederum Zutritt zu seinen besonderen Erinnerungen ermöglicht und auf der er das Veteranen bekannte "Subjekt 16" höchstpersönlich trifft.

Ihr seid verwirrt? Keine Bange: Auch Einsteiger werden behutsam in das Zeitreise-Abenteuer geführt. Doch je mehr Teile man bereits gespielt und sich entsprechend Hintergrundwissen angeeignet hat, umso mehr Kleinigkeiten fallen einem auf

Starke Story mit Fragezeichen

Die Abschnitte mit Altair wurden gut in das erzählerische Konzept eingebaut.
Die Abschnitte, in denen man mit Altair unterwegs ist, wurden gut in die erzählerische Struktur eingebaut.
Ubisoft macht es jedenfalls spannend und setzt sich mit den Designentscheidungen erzählerisch unter Druck. Anstatt "nur" ein stimmiges Ende für die Abenteuer Ezios anzubieten, werden weitere ältere Stränge wie Altair wieder aufgenommen und neue Pfade (auch in Hinblick auf Teil 3) ausgelegt.

Ein ambitioniertes Unterfangen - aber eines, das Ubisoft weitgehend bravourös bewältigt, wie ich nach etwa 16 bis 20 Stunden, einem fulminant inszenierten Finale und damit dem Ende der Hauptgeschichte bescheinigen muss. Ja: Einige Erklärungen wirken konstruiert, so etwa, wenn Ezio in einer Szene direkt mit Desmond kommuniziert. Auch einige andere Elemente aus der privaten Geschichte Desmonds scheinen im Gegensatz zu dem zu stehen, was u.a. im ersten Teil der Serie bereits als vermeintlicher Fakt festgelegt wurde. Dort wird gesagt, dass Desmond Barkeeper sei und keine Ahnung von den Assassinen habe, während hier etwas ganz anderes behauptet wird.

Doch unter dem Strich wird hier das bislang erzählerisch stärkste Meuchelmörder-Abenteuer vom Stapel gelassen. Vergangenheit, Gegenwart und Animus-Wirklichkeit werden mitunter bemüht, aber innerhalb der Spielwelt glaubwürdig miteinander vermengt, so dass die Ezio-Trilogie stimmungsvoll beendet wird. In Revelations gab es für mich einen der überraschendsten Momente in meiner Assassin's Creed-Geschichte, bei dem Spannungsaufbau und -auflösung so kurz und prägnant auf den Punkt kommen wie selten - innerhalb der globalen Geschichte ist dieser Moment nur klein und beinahe unwichtig, doch bei mir hat er einen Eindruck hinterlassen wie nur wenige Szenen in den bisherigen Assassin’s Creeds. Interessant ist auch die emotionale Reise beider spielbarer Assassinen, die mit zunehmendem Alter mit ihren eigenen Idealen und Werten konfrontiert werden und sich dort selbstkritisch mit ihnen auseinandersetzen müssen.

Einzig das Rätsel um Desmonds neues Aussehen bleibt ungeklärt, wobei (beinahe zwangsläufig) der Ausblick auf Teil 3 die Hoffnung nährt, dass dieses Stilmittel dort wieder aufgegriffen und zu einem schlüssigen Ende geführt wird.

Spielerisches Déjà-vu

Seilrutschen mit entsprechenden Meuchelmord-Möglichkeiten gibt es in Konstantinopel genug.
Seilrutschen mit entsprechenden Meuchelmord-Möglichkeiten gibt es in Konstantinopel genug.
Apropos Stilmittel aufgreifen und schlüssig fortführen: Natürlich erfindet man das Assassinenrad nicht neu, sondern baut in der Kampagne auf dem auf, was in den drei bisherigen Teilen etabliert wurde.

Zwar wurde der Schauplatz von Ezios Suche nach den Relikten Altairs in eine neue Ära (das frühe 16. Jahrhundert) und an einen neuen Schauplatz (Konstatinopel/das heutige Istanbul) verlegt, doch viele Elemente kennt man aus Rom, Florenz oder Masyaf, einem Schauplatz des ersten Teiles. Das Erobern von Stadtvierteln und das Errichten von Geschäften beispielsweise, die den Einfluss erhöhen und gleichzeitig einen steten Geldstorm sicherstellen. Allerdings hat man das um ein kleines, aber feines Detail erweitert: Rückt man das erste Mal in ein von Templern kontrolliertes Gebiet vor, ist der Anführer noch gänzlich unbekannt und muss erst einmal entdeckt werden (zur Erinnerung: in Brotherhood wurde der Chef sofort markiert). Durch diesen Kniff kommt zusätzliche Spannung auf. Denn während man den "Adlerblick" aktiviert, sieht man nicht, ob andere Wachen auf einen aufmerksam geworden sind bzw. wie weit ihr Verdacht reicht.

Auch dass man Fraktionen wie Söldner, Diebe, Romani (ersetzen die Kurtisanen aus Brotherhood) gezielt durch den Kauf von Häusern unterstützen und schließlich Vorteile durch das Erfüllen von bestimmten mit ihnen zusammenhängenden Missionen erlangen kann, kennt man aus Rom.

Die optionalen Sekundärziele (z.B. "Werde nicht entdeckt" oder "Töte dein Opfer aus einem Versteck"), die nur hinsichtlich der einhundertprozentigen Synchronität eine Rolle spielen, sind auch keine Neuerung, erfüllen ihren Zweck aber ebenso gut wie im Vorgänger. Auch viele andere Elemente und Stilmittel feiern eine Rückkehr. Und dennoch schafft es ACR, alles noch runder und harmonischer zusammenzufügen. Wie in den bisherigen Teilen gelingt der Spagat zwischen dem Aufgreifen bekannter Mechaniken und dem sinnvollen Verfeinern und Ergänzen, so dass sich ein runderes Spielgefühl ergibt. Dass die VR-Missionen des letzten Teiles mittlerweile wieder der Schere zum Opfer gefallen sind, bedauere ich allerdings.

Nathan Drake lässt grüßen

Den größten mechanischen Sprung haben die Zisternen gemacht. Die fristeten in Teil 2 ein Schicksal als deplatziert wirkende Sprungherausforderungen und wurden mit Brotherhood zu einem Bestandteil der Geschichte - ohne jedoch spielerisch von der "Oberwelt" abzuweichen oder sonstige Glanzpunkte setzen zu können. Aber erst mit den Fortschritten in Revelations werden sie zu einem Element, das ich in dieser Form nicht mehr missen möchte - wobei Ubisoft auch hier wieder weit entfernt davon ist, etwas neu zu machen.

Doch die deutlich von Uncharted inspirierten Klettersequenzen machen einiges her: Gut geskriptet, mit bislang im AC-Universum unbekannten Kamerafahrten, dramatischen Beinahe-Abstürzen von Ezio und hinter ihm zusammenstürzenden Strukturen lässt man keinen Zweifel, wer das Vorbild ist - und man kommt der Inszenierung der Drake'schen Ausflüge verdammt nahe.

Zumindest so nahe, dass ich mir wünschen würde, dass auch in der "normalen" Welt Ezios seine nach wie vor auf Schienen laufenden und nur selten fordernden Kletter-Eskapaden gelegentlich durch geskriptete Sequenzen aufgelockert würden.

Dass sich Revelations nach wie vor frisch spielt, liegt auch an den neuen Elementen, die Einzug halten. Da wäre z.B. die Haken-Klinge, die die (zu) mächtige Doppelklinge ersetzt und mit der man auch unkompliziert an den überall auf den Dächern zu findenden Seilen entlang gleiten kann – eindrucksvolle Meuchelmorde an Dachwachen inklusive!

Bombenstimmung

Die Kämpfe sind dynamisch wie eh und je.
Die Kämpfe sind dynamisch wie eh und je, wurden aber mit neuen Finishern härter als bisher in Szene gesetzt..
Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, Sprengsätze zu verwenden, die man sogar den eigenen Bedürfnissen entsprechend zusammenschrauben kann. Die "Granaten" bestehen aus drei Elementen, die sich wiederum aus einer Vielzahl an auffindbaren und zu erwerbenden Bestandteilen zusammensetzen. Das "Gehäuse" (auch haftend möglich) legt fest, ob die Sprengladung sofort beim Auftreffen, nach einigen Sekunden oder vielleicht erst durch einen Stolperdraht ausgelöst wird. Das benutzte Schwarzpulver beeinflusst die Reichweite der Ladung. Und die Effektfüllung beeinflusst schließlich die Wirkung. Mit Metallsplittern z.B. wird tödliches Schrapnell durch die Luft geschleudert. Mit Katzengold hingegen kann man niemanden ernsthaft verletzen, sondern lockt eher die Bevölkerung an, die den vermeintlich verstreuten Reichtum aufsammeln will.

Es geht jedoch noch subtiler: Man kann auch nur auf einen „Knalleffekt“ setzen, der alle Wachen in Reichweite anlockt. Oder man füllt das Gehäuse mit einer übelriechenden Substanz, um so die Mutter aller Stinkbomben zu werfen. Auch die Möglichkeit, mit Lammblut gefüllte Granaten auf die Gegner zu werfen, die durch das Blut an eine eigene Verletzung glauben und dementsprechend irritiert und verstört agieren, ist eine interessante Variante.

Schön ist, dass die Erledigung der abwechslungsreichen Mordaufträge durch den Einsatz der Granaten eine neue Dimension der Taktik erfährt. Weniger schön ist allerdings, dass man nur in wenigen Ausnahmesituationen (vorrangig hinsichtlich der Sekundärziele) überhaupt die Not hat, diese konzeptionell interessante Erweiterung der Spielmechanik zu nutzen. Ich gehe sogar so weit, dass man es bis auf die "Bombeneinführungs"-Mission schaffen kann, ganz ohne Granateneinsatz zum Ziel zu kommen. Das spricht zwar für die offene Struktur, die Assassin’s Creed auch innerhalb der Missionen pflegt, lässt die gesamte Bombenthematik aber vollkommen unnötig oberflächlich erscheinen.

Big Templer is watching you

Auch hinsichtlich der Aufmerksamkeit durch die Templer sowie ggf. stärkere Verfolgung durch Wachen hat Ubisoft versucht, neue Wege zu finden. Dementsprechend gibt es jetzt ein globales System, bei dem nicht nur Meuchelmorde oder Diebstahl, sondern jede auffällige Aktion, die man durchführt, zu einer Erhöhung der Templer-Aufmerksamkeit führt. Dazu gehören nun z.B. auch der Erwerb von Immobilien sowie die Einnahme von gegnerischen Stützpunkten.

Der Clou: Hat man das Maximallevel erreicht, ist höchste Vorsicht angesagt. Zwar kann man weiterhin versuchen, durch das Ausschalten von Augenzeugen sowie die Bestechung von Herolden, den Aufmerksamkeitslevel zu senken. Doch sollte man im absoluten Alarmzustand entdeckt oder gar in einen Kampf mit Wachen verwickelt werden, greifen die Templer einen der Assassinen-Unterschlupfe an.

Um den umkämpften Stützpunkt wieder für sich zu gewinnen, muss man sich zum Eingang vorkämpfen, damit eine neue Spielmechanik gestartet werden kann: Die Den Defense. Hier haben sich die Entwickler die klassische Tower Defense als Vorbild genommen. Man positioniert seine Assassinen entlang einer schmalen Gasse, die zum Unterschlupf führt, um die in Wellen anrückenden Templer aufzuhalten. Jeder Abschuss bringt Punkte, die man nutzen kann, um z.B. zusätzliche Bollwerke auf der Straße zu installieren und zu bemannen oder die gefallenen Kameraden zu ersetzen.

Hier kann man zwar nicht mit reinrassigen Genre-Vertretern wie Dungeon Defenders oder Plants vs. Zombies mithalten. Doch als Ergänzung der bestehenden Mechaniken und inhaltliche Erweiterung der Assassin's Creed-Spielwelt ist die Den Defense gelungen.

Mittelmeer-Verteidigung

Auch hinsichtlich der Ausbildung angeheuerter Assassine (dieses Grundprinzip wurde mit Brotherhood eingeführt),  hat man die Mechanik erweitert. Wie bislang schickt man seine Rekruten auf Missionen im Mittelmeerraum. Neu ist jedoch, dass jeder gelungene Auftrag auch eine Einflussminderung der Templer in der jeweiligen Stadt mit sich bringt - irgendwann kann man sogar versuchen, die Stadt von seinen entsandten Meuchlern übernehmen zu lassen. Gelingt dies, spült sie in regelmäßigen Abständen nicht nur bare Münze, sondern auch Bombenbauteile in die klammen Taschen.

Apropos Assassinen: Obwohl Brotherhood bereits auf den Unterbau einer großen Attentäter-Gemeinschaft setzte, hat man erst in Revelations den nächsten Schritt gemacht und lässt Ezio bzw. Altair in einigen Missionen mit einer größeren Menge an Gleichgesinnten in den Kampf gegen die Templer ziehen. Dadurch ergeben sich zwar keine neuen inhaltlichen Optionen wie z.B. Ablenkungsmanöver etc., aber das Gefühl, als Teil eines größeren Konfliktes unterwegs zu sein, ist höher als bisher.

"Mein Name ist Desmond Miles."

Der Bomben- bzw. Granatenbau ist konzeptionell interessant, wird spielerisch aber nicht gefordert.
Der Bomben- bzw. Granatenbau ist konzeptionell interessant, wird spielerisch aber nicht gefordert.
Revelations wird nicht nur dazu genutzt, um die Geschichten Altairs und Ezios zu einem stimmungsvollen Ende zu bringen, sondern auch, um Desmond Miles als verbindende Figur weiter zu definieren. Zu diesem Zweck muss man sich auf den Weg durch die digitalen Wirren des defekten Animus machen. In diesen Abschnitten, die aus Ich-Perspektive gespielt werden und die dank ihres klinischenAussehens irgendwo zwischen Portal, Tron und der Matrix liegen, geht es deutlich ruhiger zu als in der hektischen Welt Ezios, mitunter beinahe meditativ.

Während man damit beschäftigt ist, die Umgebungsrätsel in Form von Datenströmen zu lösen, die aktiv durch den Bau von digitalen Elementen überbrückt werden müssen, hört man immer wieder Desmonds Stimme, die einem Schlüsselelemente seiner Vergangenheit erzählt. Diese Eindrücke werden häufig durch Bildeinblendungen oder eine Verzerrung der virtuellen Realität verstärkt, in der man sich befindet.

Eine plausible Erklärung abseits von Andeutungen und Spekulationen rund um das geänderte Aussehen Desmonds findet sich zwar auch hier nicht, doch diese Abschnitte sind eine weitere angenehme Unterbrechung des bekannten Spielrhythmus und zeigen, dass man sich viele Gedanken gemacht hat.

Aufgewertete Stagnation

Nicht ganz so viele Gedanken hat man sich um die Technik gemacht. Musste man ja letztlich auch nicht, da bereits Brotherhood die Systeme bis zum Letzten auszureizen schien - wenngleich zu Lasten einiger Texturendetails sowie auf Kosten von Rechenpower, die den KI-Routinen fehlte.

Und dennoch wirkt Revelations nochmals angehübscht. Vor allem die Gesichter der Hauptfiguren haben einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Zwar ist man immer noch ein Stück von der filigranen Mimik der letzten Bioware-Titel entfernt, doch innerhalb der Serie haben die Antlitze noch nie so weich gewirkt.

Bei den (Klon-)NPCs hingegen gibt es weniger Fortschritte zu vermelden. Vor allem die immer noch zu steife Kleidung ist ein Stein des Anstoßes - insbesondere, wenn man Opfer trägt und deren eigentlich luftige orientalische Kleidung allen Schwerkraft-Gesetzen trotzt.

Die Kämpfe hingegen wurden ebenfalls weiterentwickelt. Allerdings nicht hinsichtlich der dynamischen glaubwürdigen Animationen, die auf dem gleichen hohen Standard sind wie in den Vorgängern. Doch die dargestellte Gewalt ist gefühlt so hoch wie noch nie zuvor in der Serie. Gab es Teile, in denen Blutfontänen eher rötlichen Staubwolken glichen, geht Revelations ungleich expliziter zu Werke, wobei auch einige der neuen Finisher in diese Kerbe schlagen. 

Heimlicher Hauptdarsteller

Die Kulisse setzt mit ihrer betuchten Engine immer noch Glanzpunkte.
Die Kulisse setzt mit ihrer betuchten Engine immer noch Glanzpunkte.
Doch es sind nicht Ezio, Altair, Desmond oder die ebenfalls auftauchenden Niccolo und Mafféo Polo, die allen die Schau stehlen. Wie die ewige Stadt in Brotherhood ist es hier die Bosporus-Metropole, die den absoluten Hingucker darstellt. Die abwechslungsreichen Stadtviertel wirken authentisch, sind angemessen bevölkert und mit ansehnlichen Texturtapeten beklebt. Wenn es um die Recherche und Darstellung historisch akkurater Architektur geht, ist das Assassin’s Creed-Team eine Klasse für sich. Natürlich ist dies keine neue Erkenntnis. Doch es ist erfreulich, dass man sich nicht auf den bisherigen Lorbeeren ausruht, sondern sich erfolgreich bemüht, einmal gesetzte Standards mindestens zu egalisieren. Das trifft auch für die gesamte Akustik zu: Sowohl die jederzeit stimmungsvollen Kompositionen aus der Feder von Jesper Kyd als auch die durch die Bank gelungene Lokalisierung liegen mindestens auf dem Niveau des Vorgängers.

Auch bei der KI gibt es spürbaren Fortschritt. Zwar muss man im Kampf immer noch meist vergeblich hoffen, dass das Anforderungsniveau durch mehrere gleichzeitig angreifende Feinde gesteigert wird. Doch im Detail der Entdeckungsmechanik ist ein kleiner Fortschritt festzustellen.

Zumindest kommen Situationen wie im letzten Jahr, wo z.B. Wachen nicht einmal nach oben schauen, wenn man eine Leiche vom Dach wirft, deutlich seltener vor. Komplett ausradiert wurden die KI-Probleme jedoch immer noch nicht – allerdings ist es in Istanbul schwerer, aus Macken der Wachen-Intelligenz Profit zu schlagen, da das Gegner-Aufkommen erhöht und Patrouillenwege besser aufeinander abgestimmt wurden.

Online-Meuchelmörder 2.0

Beim Multiplayer-Modus, der letztes Jahr seine Premiere feierte setzt man ebenfalls auf Detail-Änderungen, statt das gelungene Konzept umzuschmeißen, das für mich eines der erfrischendsten Mehrspieler-Erlebnisse der jüngeren Spielegeschichte darstellt.

Die Prämisse bleibt unverändert: Man schlüpft in die Rolle eines Assassinen, der den Auftrag hat, eine andere Figur zu töten, deren Konterfei man kennt und die man auffinden muss. Jetzt geht es aber nicht darum, dass alle das gleiche NPC-Ziel haben und der schnellste die Punkte bekommt. Denn jedes potenzielle Opfer ist menschlich: Und nicht nur das: Während man selber sein Ziel sucht, steht man selber auf der Abschussliste eines anderen Spielers.

Die Spannung, die sich letztes Jahr beim Katz-und-Maus-und-Katz-Spiel ergeben hat, stellt sich auch in Revelations umgehend ein. Und mit insgesamt zehn Spielmodi, darunter auch Deathmatch und eine Capture-The-Flag-Variante als Hommage an klassische Modi, die man auf neun gut designten Karten erleben darf, ist im Gegensatz zum Vorjahr ein ansprechender Umfang gewährleistet.

Zusammen mit einer überarbeiteten Menüführung, haufenweise Statistiken, einem Rangsystem, sowie Trainingsmöglichkeiten ist der Assassin’s Creed-Multiplayer für mich nach wie vor die wichtigste Alternative zur einschlägigen Balleraction aus den Häusern Dice und Infinity Ward – auch wenn die maximale Spieleranzahl mit acht Teilnehmern immer noch zu klein ausfällt.

Fazit

Muss sich ein Spiel immer wieder neu erfinden, um Spaß zu machen? Nein, denn auch spürbare Tradition kann sehr gut unterhalten. Revelations zeigt, dass nicht nur große Innovationen, sondern auch kleine Änderungen vollkommen ausreichen können, um zu fesseln. Natürlich kann man dem Ende der Ezio-Trilogie vorwerfen, dass es mit Ausnahme der zu selten erforderlichen Bomben oder der Den Defense inhaltlich zu wenig Neues geboten wird - vor allem wenn man den Fortschritt vom zweiten Teil zu Brotherhood als Maßstab nimmt. Doch das Abenteuer wirkt spielerisch noch runder und hinsichtlicher der Story reifer, weshalb ich Ubisoft diese Stagnation nicht übel nehme. Zum einen ist die Reise ins alte Konstantinopel abseits der geklonten Figuren immer noch ein architektonischer Augenschmaus. Zum anderen ist Revelations das erzählerisch bislang stärkste Assassin’s Creed. Zwar werden immer noch nicht alle Fragen um Desmond Miles als verbindende Hauptfigur beantwortet (ganz im Gegenteil: es kommen noch einige hinzu), doch die offenen Fäden um Ezio und Altair werden schlüssig und stimmungsvoll miteinander verknüpft. Egal ob in der Kampagne oder im erweiterten, nach wie vor hoch spannenden Mehrspielermodus: Ubisoft inszeniert eine gelungene Fortsetzung mit starkem erzählerischen Fokus, die wie geschaffen ist für kalte Winterabende.

Pro

Bomben als neues Element...
erzählerisch starke Zusammenführung der bisherigen Hauptfiguren
KI-Probleme vermindert...
Verfeinerung bekannter Mechaniken
ansehnliche Kulisse
stimmungsvoller Soundtrack
cineastische Erlebnisse à la Uncharted in den Zisternen
abwechslungsreiche neue Mechaniken (Desmond-Abschnitte, Den Defense)
spannender Mehrspieler-Modus
gelungene Lokalisierung

Kontra

... das leider spielerisch nicht gefordert wird
Kluft zwischen Hauptfiguren und NPCs wird visuell immer größer
... aber nicht komplett behoben
Engine am Limit (Tearing und Pop-Ups)
neues Aussehen alter Protagonisten nicht ausreichend erklärt
Mehrspielermodus weiterhin nur für max. acht Spieler

Wertung

360

Ein gelungener Abschluss der Ezio-Saga, der sowohl spielerisch als auch vor allem erzählerisch überzeugen kann.

PlayStation3

Die Ezio-Saga wird sowohl spielerisch als auch erzählerisch zu einem stimmungsvollen Ende gebracht. PS3-Spieler freuen sich zusätzlich über Teil 1 als Bonus-Beilage.

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