Im Test:
Hoch lebe das Recycling
Ich mache es kurz und schmerzvoll: Mit WRC 2 bekommt man im Großen und Ganzen genau das, was schon letztes Jahr an Magerkost geboten wurde. Das fängt bei den langweiligen Menüs samt der furchtbaren Fahrstuhlmusik an, geht weiter über eine 1:1-Übernahme der Spielmodi bis hin zu den fiktiven Wertungsprüfungen der 13 Länder, die exakt den Pisten des Vorgängers entsprechen und damit auch untereinander bestimmte Abschnitte ständig wieder verwerten. Es ist schon eine Frechheit, was Milestone hier nach dem Copy & Paste-Verfahren in Sachen Streckenauswahl abzieht! Immerhin gibt es mit der Berlin Urban Rally einen neuen Schauplatz - eine so genannte "Special Stage" -, in der man mit den Rallyewagen durch die abgesperrten Straßen der deutschen Hauptstadt rast.
Technik von vorgestern
Technisch kann WRC 2 im Vergleich zu seinem hässlichen Vorgänger zulegen und bietet jetzt vor allem auf dem PC mehr Details am Streckenrand sowie eine aufgepeppte Beleuchtung. Ist die Engine damit endlich in der Gegenwart angekommen? Nein! Auch WRC 2 wirkt mit seinen schwachen Texturen, kargen Landschaften, ständigen Pop-ups und detailarmen Wagenmodellen wie ein Spiel aus der letzten Hardwaregeneration. Zudem ist der Unterschied zwischen PC- und Konsolenversionen hier noch deutlicher als zuvor - vor allem dank der höheren Bildrate und Auflösung wirken die motorisierten Kämpfe gegen die Natur am Rechner viel runder. Auf dem Niveau der PC-Version müsste sich WRC 2 eigentlich auf den Konsolen präsentieren: Angesichts dieser detailarmen Grafik und mit nur einem Fahrzeug auf dem Bildschirm sind die 60 Bilder pro Sekunde das Minimum, was die Engine plattformübergreifend leisten müsste - aber Fehlanzeige. Zumindest läuft der Grafikmotor rund; nur auf dem PC kann es bei maximalen Einstellungen (inkl. V-Sync) zu Einbrüchen in der Bildrate kommen, was angesichts des Gebotenen ebenfalls ein Armutszeugnis ist. Immerhin hat man es geschafft, beim Durchfahren von Pfützen endlich Wasser auf die Windschutzscheibe prasseln zu lassen, obwohl die Darstellung mit ihren paar Tröpfchen im Vergleich zu Kalibern eines Dirt 3 völlig billig wirkt.
Auch die Darstellung von Partikeln wie bei aufwirbelndem Staub enttäuscht, da sie selbst auf staubigen Pisten wie in Mexiko oder Australien kaum zur Geltung kommen. Da reißen auch die mitunter schicken Lichteffekte auf Strecken wie Finnland den Karren nicht mehr aus dem Dreck. Die schwachen sowie
Alle Teams & Fahrer der aktuellen Saison sind am Start - selbst die Dirt 3-Veteranen Kris Meeke und Ken Block. |
Fuhrpark-Zuwachs
Ein wenig Extraarbeit musste man bei Milestone nach all dem Recycling dann aber doch investieren - so ein Ärger aber auch, dass mit dem BMW Mini in der aktuellen Saison ein weiterer Hersteller sein Stelldichein in der Rallyeserie gibt. Zusätzlich
Neuzugang: Seit 2011 mischt auch der BMW Mini in der WRC mit. |
Richtig peinlich wird es, wenn man zur Cockpitansicht wechselt, denn diese sieht bei allen Fahrzeugen unabhängig von Hersteller und Klasse immer gleich aus. Zumindest verschmutzt die Karosserie zusehends und auch das Schadensmodell hat mit abfallenden oder wackelnden Teilen sowie einigen Dellen etwas zu bieten, obwohl es sich nicht immer ganz nachvollziehen lässt. Das gilt sowohl für die Darstellung als auch die Auswirkungen von Schäden - aber immerhin besser als nichts. Im Gegensatz zu Arcade-Vertretern wie der Dirt-Reihe oder Sega Rally kann bzw. muss man die Schäden hier in einem Servicebereich zwischen den Etappen unter strengen Zeitvorgaben reparieren lassen.
Verbesserte Fahrphysik
Die Fahrphysik wurde im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert: Hatte man damals noch das Gefühl, dass die Boliden generell etwas zu stark ausbrechen, wird das Grip-Niveau der verschiedenen Fahrbahnbeläge wie Schotter, Eis oder Asphalt glaubwürdiger erfasst und man kann dank des überarbeiteten Fahrwerks ein besseres Gefühl hinter dem Steuer entwickeln. Von einer realitätsnahen Umsetzung im Stil eines Richard Burns Rally ist man trotzdem noch sehr weit entfernt, denn trotz der Verbesserungen vermisst man zum einen den Hardcore-Anspruch des Vorbilds. Zum anderen fällt es schwer, einen gewissen Rhythmus zu entwickeln, mit dem sich der Fahrspaß entfalten könnte. Vor allem bei Sprüngen wirkt die Physik mitunter etwas seltsam, während die Boliden sich beim Überfahren kleiner Unebenheiten teilweise sofort überschlagen als wären sie federleichte Spielzeugautos. Dirt 3 mag zwar im Gegensatz zur WRC 2 den Fokus nicht auf die Simulation legen, aber das Fahren macht dort einfach deutlich mehr Spaß!
Zeitreisen
Scheinbar hat man sich auch bei Milestone die Konkurrenz von Codemasters angesehen und sich jetzt ebenfalls dazu durchgerungen, eine Rückspulfunktion einzuführen, mit der man Fahrfehler ungeschehen machen kann. Doch genau wie beim Vorbild ist die Anzahl der Anwendungen begrenzt. Potenzielle Möglichkeiten für Fehler und Abflüge gibt es genug - schade nur, dass man erneut automatisch auf die Strecke zurückgesetzt wird, wenn man sie nur ein paar Meter abseits verlässt. Wie
Die Partikeleffekte auf staubigen Pisten enttäuschen. |
Immerhin wurde die Karriere leicht aufgepeppt: Das Management der fiktiven Sponsoren ist übersichtlicher gestaltet und die Weiterentwicklung des Boliden mit Hilfe von Mechanikern oder Ingenieuren nimmt jetzt einen höheren Stellenwert ein. Auch beim Wagen-Setup werden jetzt feinere Abstufungen erlaubt und es gibt mehr Optionen, deren Einstellungen sich spürbar auf das Fahrverhalten auswirken. Wer sich die Arbeit sparen will, bekommt auch in WRC 2 ein breites Spektrum an Vorlagen für verschiedene Straßenbeläge und Witterungen. Apropos Witterungen: Zwar gibt es sowohl nasse als auch schneebedeckte Schauplätze, doch fehlt von einer dynamischen Wetterentwicklung oder gar Wettereffekten wie Schnee oder Regen jede Spur. Die Anteile an nassen Abschnitten sind bei jeder Etappe streng vorgegeben.
Auf die Schulbank
Abseits der Karriere, in der man sich vom Außenseiter in der Anfängerklasse bis zum Top-Team in der WRC hocharbeiten muss, kann man noch Weltmeisterschaften mit lizenzierten Fahrern und Teams absolvieren oder einzelne Rallyes bzw. Etappen in Angriff nehmen sowie sich beim Zeitfahren austoben. Als Vorbereitung ist eigentlich die WRC Rally School gedacht, die ihren Zweck wie schon im Vorgänger kaum erfüllt: Anstatt langsam an den Motorsport heran geführt zu werden und Techniken zu lernen, werden hier nur kurze Zeitprüfungen aneinander gereiht - langweiliger geht es kaum.
Geisterfahrer
Red Bull mischt nicht nur in der Formel Eins mit... |
Online spult Milestone - welch eine Überraschung - ebenfalls das gleiche Programm ab wie im letzten Jahr. Im Klartext heißt das: Es gibt nur Rennen gegen Geisterfahrer und das Erfahrungssystem ist aufgrund fehlender Belohnungen nicht mehr als reine Imagegeschichte und damit eigentlich überflüssig. Trotz der Beschränkung auf reines Solo-Zeitfahren geht vom Onlinemodus trotzdem eine gewisse Faszination aus, wenn man sich mit anderen Spielern misst - immerhin darf man neben Einzeletappen und Rallyes sogar ganze Meisterschaften mit bis zu 16 Spielern über die Internetleitung austragen. PC-Besitzer benötigen allerdings ein Gamespy-Konto, um Zugang zu den Onlinepisten zu bekommen - eine LAN-Alternative wird weder am PC noch auf den Konsolen geboten. Rennen am geteilten Bildschirm sind für Milestone immer noch keine Option für lokale Rennen - stattdessen setzen die Italiener wie beim Vorgänger auf das Hot Seat-Prinzip, bei dem die Spieler abwechselnd das Steuer des Wagens übernehmen. Das mag mal ganz spaßig sein, ist aber kein Ersatz für echte Duelle um die Bestzeit.
Fazit
Ach, Milestone, was ist nur aus euch geworden? Kann es vielleicht sein, dass euch die Kosten für die WRC-Lizenz über den Kopf gestiegen sind und ihr deshalb nicht mehr die finanziellen Mittel habt, um euch zu entwickeln? Oder ist es einfach nur Faulheit? Wie dem auch sei: WRC 2 steht vor allem im Zeichen des exzessiven Recyclings, denn angefangen bei den lieblosen Menüs über die Streckenauswahl bis hin zur Einheits-Cockpitansicht entspricht der Titel seinem Vorgänger - mit einer leicht aufgehübschten Präsentation. Trotzdem liegt man mit dieser Grafikengine und den mageren Soundeffekten immer noch mindestens eine Generation hinter dem zurück, was heute eigentlich möglich wäre. Auf dem PC sehen Wagen und Kulissen besser aus und dank der höheren Bildrate fährt es sich dort auch runder. Diese immer noch mittelmäßige Qualität wäre eigentlich das Mindeste, was man auch auf den Konsolen erwarten sollte, aber leider nicht bekommt! Hier hinterlässt WRC 2 einen deutlich schwächeren Eindruck. Immerhin geht es bei der Fahrphysik ein Stückchen weiter nach vorne, doch auch hier ist man noch nicht so authentisch, wie man es eigentlich sein will. Schön ist, dass im Gegensatz zu Dirt 3 einige Etappen länger ausfallen als die Zwei-Minuten-Quickies von Codemasters, obwohl die Fahrzeit pro Etappe auch hier stark schwankt. Wer über die magere Präsentation hinweg sehen kann und unbedingt im Rahmen der FIA-Lizenz Gas geben will, kann einen vorsichtigen Blick riskieren. Besitzer des Vorgängers brauchen dieses schwache Update nicht.
Pro
Kontra
Wertung
360
Bis auf leichte Verbesserungen bei der Fahrphysik und Technik entspricht WRC 2 seinem durchwachsenen Vorgänger.
PlayStation3
Das unverschämte Recycling überschattet die leichten Verbesserungen bei Fahrphysik und Technik.
PC
Dank höherer Bildrate und mehr Details eindeutig die beste Fassung von WRC 2, die aber trotzdem im Mittelfeld versackt.
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