Red Dead Revolver19.06.2004, Mathias Oertel
Red Dead Revolver

Im Test:

Das Wildwest-Genre boomt: The Westerner, Dead Man´s Hand, Darkwatch. Nach jahrelanger Dürre (eigentlich gab es seit Outlaws keinen vernünftigen Pistolero mehr) geraten die Mythen von Revolverhelden wieder in den Mittelpunkt der Spielewelt. Und Rockstars Red Dead Revolver (ab 45,00€ bei kaufen) lädt die Knarren, um ganz oben in der Action-Welt mitzuspielen. Im Test verraten wir, ob´s klappt!

Was lange währt...

Die Geschichte des Spieles lässt eigentlich nicht auf ein Erfolg versprechendes Produkt schließen: Vor einigen Jahren bekamen die Angel Studios von Capcom den Auftrag, einen Wildwest-Shooter zu produzieren, der ausgehend von den ersten Bildern und Filmen wie ein Onimusha in Texas wirkte. Doch dann kam urplötzlich das Aus für den Titel: Capcom zog sich zurück und das Projekt lag brach.

Die Wende kam mit Rockstars Kauf der Angel Studios, die fortan als Rockstar San Diego und mit kreativer Hilfe des New Yorker Hauptquartiers den Titel fertig stellten und auf Rockstar-typischen Look und Gameplay-Mechanismen trimmten.

Reds Rachefeldzug

Die Story orientiert sich an einschlägigen Themen und Mythen, die einem durch Film und TV bekannt sind und bietet daher wenig Überraschungen: In Reds Jugend wird seine Familie von Banditen getötet. Er schwört Rache und als erwachsener Kopfgeldjäger hat er die Möglichkeit, an den Gangstern Vergeltung zu üben.

Wie schon gesagt: an sich nichts Besonderes.

Doch Rockstar San Diego hat es geschafft, im Zusammenspiel von Gameplay, Grafik und Sound eine glaubwürdige Western-Welt zu schaffen, die die fordernde Third-Person-Action gut einrahmt.

In einem geschickten Story-Schachzug übernehmt ihr sogar die Kontrolle über einen der Endgegner!

(Xbox)

Gameplay-Mix

Über 27 Kapitel zieht sich Reds Abenteuer hin, in dem ihr in bestimmten Abschnitten auch die Kontrolle über andere Figuren übernehmt – selbst einer seiner Endgegner wird von euch in einem Level gesteuert.     __NEWCOL__Da gegen Ende (Achtung: Spoiler-Warnung!) die anfangs losen Story-Fäden dieser Nebencharaktere schlüssig zusammengefügt werden und sie teilweise an eurer Seite kämpfen, hat das anfänglich scheinbar nach Schema F gestrickte Drehbuch noch eine Überraschung in petto.

Jack Swift ist einer von diversen spielbaren Charakteren, die die Story ergänzen.

(PS2)

Überhaupt muss man sagen, dass die packende Inszenierung von Red Dead Revolver zusammen mit der auf beiden Systemen gelungenen Steuerung darüber hinweg trösten kann, dass im Endeffekt nur altbekannte Gameplay-Mechanismen gemischt und zu einem spannenden Action-Cocktail mit Wildwest-Touch gerührt werden.

Das Bemannen von stationären Geschützen ist genau so bekannt wie die dominierende Third-Person-Ballerei, die nur von eingestreuten Ruhephasen, nervenaufreibenden Duellen und kleinen Ausritten zu Pferde unterbrochen wird. Und trotzdem macht es einen Heidenspaß. Das mag zum einen daran liegen, dass Rockstar wieder einmal grundsolide Handwerksarbeit geleistet hat.

Doch zum anderen wird mit Red Dead Revolver endlich einmal wieder ein Titel dem sträflich vernachlässigten, aber in letzter Zeit aufkeimenden Cowboy-Genre gerecht.

Es gibt zahlreiche Waffen zu finden bzw. von eurem schwer verdienten Kopfgeld zu kaufen, das jeder Abschuss mit sich bringt. Da sich alle in Reichweite, Durchschlagskraft sowie (sehr wichtig!) Nachladezeit und Munitionsmenge unterscheiden, solltet ihr immer überlegen, welche Kombination ihr mit euch führt. Zwar gibt es auf eurem beschwerlichen Weg durch Canyons und Städte auch die Möglichkeit, die Waffen der Getöteten durch einfaches Drüberlaufen aufzusammeln, doch an die Qualität eurer Waffen reichen diese Standard-Modelle nur selten heran.

      

Max Payne lässt grüßen

Besonderes Augenmerk verdient das so genannte "Dead Eye"-Feature, das wie eine Variante der Max Payne-Bullet-Time wirkt: Mit jedem Treffer steigt eure Dead Eye-Anzeige. Ist mindestens ein Feld komplett gefüllt, könnt ihr per einfachem Knopfdruck eine Zeitlupe aktivieren, in der ihr die Möglichkeit habt, ganz gezielte Treffer zu setzen. Sobald die Zeit abgelaufen ist, ihr den Befehl zum Schießen gebt oder alle Kugeln gesetzt wurden, wird wieder in Normalzeit umgeschaltet und der Bleihagel zieht auf die Gegner los – eines der optischen Highlights!

Das "Dead Eye"-Feature ist in etwa die Western-Variante von Max Paynes Bullet-Time!

(PS2)

Vor allem mit einem Revolver in jeder Hand kann mit diesem Feature eine Übermacht schnell dezimiert und ein entsprechender Multi-Abschuss-Multiplikator für das Kopfgeld erzielt werden.

Gameplay-Ungereimtheiten

Allerdings ist der Wechsel von Capcom zu Rockstar nicht ganz spurlos an Red Dead Revolver vorübergegangen.

Obwohl die Ruhephasen in der friedlichen Stadt Brimstone eine willkommene Erholung vom Kopfgeldjäger-Stress darstellen, bieten sie kaum spielerischen Nährwert. Die Unterhaltungen mit der Bevölkerung sind eintönig und haben keinerlei Einfluss auf den Fortgang der Story. Einzig die Besuche in Geschäften sind lohnenswert, da man hier z.B. neue Waffen bzw. Charaktere für den Multiplayer-Modus und Inhalte für das über 200 Seiten umfassende Journal kaufen, in dem viele Informationen über die Figuren, Waffen und Locations zu finden sind, die der Inszenierung zusätzliche Tiefe verleihen..

    __NEWCOL__Doch sobald es um die Action geht, gibt sich Red samt Freunden keine Blöße: Stylisch und mit zahlreichen Anspielungen auf einschlägige Filme kommen Shooter-Fans voll und ganz auf ihre Kosten.

Zwar dürften erfahrene Action-Spieler nur knapp acht Stunden mit Reds Vergeltung beschäftigt sein, doch der nach dem Ende freigespielte Bounty Hunter-Modus sorgt für einige zusätzliche Stündchen. Hier könnt ihr jederzeit in einen Level einsteigen, müsst aber bestimmte Aufgaben erfüllen.

Deathmatch-Duelle

Der Multiplayer-Modus kann da nicht mithalten: Charaktere und Locations gibt es zur Genüge, doch die Standard-Deathmatches für bis zu vier Spieler und die Duelle halten auf lange Sicht nicht das, was sie anfänglich versprechen – auch wenn mit den Poker-Karten, die es für jeden Abschuss gibt und die bei gesammelten Paaren oder gar einem Full House gewaltige Boni springen lassen, eine nette Variante hinzugefügt wurde.

Abhilfe hätte ein Online-Modus schaffen können, doch der hat es leider nicht in die endgültige Fassung geschafft.

Der einsame Rächer!

Fast alle gängigen Klischees und Mythen werden gut in die Story eingebunden.

(Xbox)

Xbox-Spieler werden sich daher vermutlich über die "Xbox Live"-Option wundern. Doch die bezieht sich nur auf die so genannte "Alertness", die es ermöglicht, dass euch andere Xbox-Spieler während einer Runde Red Dead Revolver erreichen können.   

Nicht pompös, aber stimmig

Machen wir uns nichts vor: Red Dead Revolver taugt nicht, um die grafischen Fähigkeiten der jeweiligen Konsole zu präsentieren – auch wenn die Xbox-Fassung mit höheren Texturen deutlich besser aussieht als das PS2-Pendant. Doch trotzdem sind sowohl Xbox als auch PS2 weit davon entfernt, hässlich auszusehen.

Denn mit allerlei Filtern wird hervorragend Filmatmosphäre geschaffen, die dem Spiel aus allen Poren trieft.  

Auf der Xbox sieht Red dank höher aufgelöster Texturen und klareren Bildern einen Tick besser aus als auf der PS2.

(Xbox)

Die überzeugenden Bewegungen der Figuren, deren Aussehen ähnlich GTA 3 einen leichten Comic-Touch zeigt sowie die vielfältigen und vom finalen Treffer abhängigen Ablebeanimationen unterstreichen den Eindruck, einen Spagetti-Western zum Mitspielen vor sich zu haben.

Daher wird es dann auch nur die wenigsten stören, dass die Sprünge der Pferde etwas unnatürlich aussehen, die Gesichter im Detail nicht so schön animiert sind und manche Umgebungstexturen mit Wiederholungserscheinungen zu kämpfen haben.

Denn unter dem Strich hat man oft das wohlige Gefühl, dass jeden Moment ein leicht verfremdeter Clint Eastwood mit Django im Schlepptau durchs Bild reitet, während er in Pat Garrett-Manier Jagd auf Billy the Kid macht. 

   __NEWCOL__Nicht vergessen sollte man die zielsicher gesetzten Spezialeffekte, die vorrangig bei den opulenten Explosionen auftauchen. Vor allem die Sprengung der Brücke im General Diego-Level sieht schlichtweg phänomenal aus und hätte auch aus "Ein Fressen für die Geier" (Clint Eastwood, Shirlay McLane, 1970) stammen können.

Ennio Morricone? Nicht ganz!

Die Western-Atmosphäre wird durch den fulminanten Soundtrack noch verstärkt: Zwar bekommt ihr während des staubigen Ausfluges keine Kompositionen von Meister Ennio Morricone zu hören, doch die lizenzierten Melodien italienischer Western passen zu Reds Abenteuern wie die Faust aufs Auge. Schließt man die Augen, hat man umgehend Django & Co im Kopf, die auch in der Story mit leichten Anspielungen bedient werden.

Stilecht geht es auch hoch zu Ross deftig zur Sache!

(PS2)

Die Soundeffekte stehen dem in Nichts nach: Pistolenkugeln schlagen ein, dass es eine wahre Freude ist, Körpertreffer werden mit einem dumpfen "Pfmp" angezeigt und Abpraller hören sich genau so an, wie man es in einem Film erwarten würde: etwas übertrieben, aber herrlich passend.

Einzig die englische Sprachausgabe kann nicht vollends überzeugen: Die Sprecher wurden zwar allesamt gut ausgewählt, doch das letzte Quentchen Atmosphäre fehlt den mitunter etwas motivationslos gesprochen Texten.    

Fazit

Wer Filme wie The Wild Bunch, die Django-Serie sowie Clint Eastwood-Streifen favorisiert, wird nicht um Red Dead Revolver herum kommen. Gespickt mit einschlägigen Zitaten, Mythen und Klischees, verpackt in eine nicht gerade herausragende, aber in sich stimmige und herrlich staubige Grafik und untermalt von einem famosen Soundtrack, kommt von der ersten Minute an feines Wildwest-Feeling auf. Allerdings wirken die Verbindungen der verschiedenen Spielstrukturen nicht immer stimmig – so ist das Herumlaufen in Brimstone eher ein Lückenfüller als ein Spielspaß förderndes Element. Dafür bekommen Einzelspieler sauber inszenierte Action im Sam Peckinpah bzw. Sergio Leone-Look, die einen bis zum Ende motiviert. Für Multiplayer-Gelage empfiehlt sich Red Dead Revolver allerdings nur eingeschränkt: zahlreiche Charaktere, das Poker-System und variantenreiche Kampfarenen können nicht verschleiern, dass die Spielmodi nur gehobenen Standard darstellen und auf Dauer wenig motivieren können - hier hätte ein Online-Modus Wunder gewirkt. Unter dem Strich bleibt ein Titel, der dem Wildwest-Genre endlich einmal gerecht wird und ähnlich wie Rise to Honor für Hongkong-Filme eine würdige Hommage an Sergio Leone, Sam Peckinpah, Enzo Castellari & Co darstellt.

Pro

gute Steuerung
schnörkellose Action
famoser Soundtrack
stimmige Grafik
passable Sprachausgabe
nette Wildwest-Story
Dead Eye-Bullettime
diverse spielbare Charaktere
spannende Duelle

Kontra

mageres Multiplayer-Erlebnis
kein Online-Spiel
leichte Gameplay-Schwächen
optisch kein Überflieger

Wertung

XBox

PlayStation2

Max Payne meets Sergio Leone!

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