Im Test:
Schwarzweißer Ballsport
Wo ist die Farbe? Wo ist die Dreierlinie? Und wo zur Hölle bin ich? Willkommen im Jahr 1965: Bill Russell und seine Boston Celtics treten gegen die Los Angeles Lakers an – und zwar in Schwarzweiß! Nicht nur das: Man spielt mit den damals geltenden Regeln, die noch keine Distanzwürfe mit einem Extrapunkt belohnten. Entsprechend anders fühlt sich das taktisch an: Es geht etwas gedrängter unter dem Korb zu, weniger geordnet im Halbkreis außerhalb der Zone. Ohne Farbe wirkt das genau so seltsam wie faszinierend.
Man kann nicht nur den legendären Center Bill Russel steuern, sondern das ganze alte Celtics-Team. Also verwundert es nicht, dass man so viele Weiße in verdammt kurzen Shorts und langen Strümpfen dribbeln sieht – selbst die Schriftart für die Anzeigen hat man historisch korrekt übernommen. Und das Beste kommt noch: Die sehr lebendigen rückblickenden Kommentare. Es wird aus der heutigen Perspektive über Bills Karriere, seine Fähigkeiten und die damaligen Rivalitäten auf der Center-Position gesprochen, die übrigens auch im Spiel sehr gut zur Geltung kommen – das ist für Basketballfans Nostalgie und Information pur! Etwas ernüchternd waren hingegen die langen Ladezeiten bis zum historischen Tip-Off sowie einige Abstürze auf dem Weg dorthin.
In der Arena mit Legenden
Dirk Nowitzki wurde auf Wunsch vieler Fans komplett überarbeitet. |
2K Sports hat an die charakteristischen Merkmale in der Spielweise gedacht: Es ist einfach klasse, mit Kareem Abdul-Jabbar diese eleganten Hakenwürfe, die den „Sky Hook“ als Begriff geprägt haben, einzuleiten oder die unorthodoxe Wurfhaltung von Magic Johnson zu sehen. Schön ist auch, dass man die wichtigsten Team-Rivalitäten der jeweiligen Periode thematisiert und man beide nach einem Sieg freischaltet: 76ers vs. Bucks 85/85 oder Knicks vs. Magic 94/95.
Es gibt nur drei Wermutstropfen für Zeitreisende, zwei kleine und einen größeren: 2K Sports zeigt zum einen moderne Bandenwerbung in der Vergangenheit – okay, kann man verschmerzen. Genauso wie die Tatsache, dass sich das Publikum in den 60ern genauso verhält wie in den 90ern. Aber zum anderen erlaubt man keine Online-Spiele mit den freigeschalteten klassischen Teams! Warum nicht?
Es wäre zu cool gewesen, mit den grandiosen Boston Celtics der 80er gegen die Chicago Bulls der 90er anzutreten – selbst wenn es nur in Freundschafts- und nicht in Ranglistenspielen möglich gewesen wäre. Schließlich philosophieren auch die Kommentatoren darüber, wie ein Larry Bird in bester Verfassung gegen einen Michael Jordan ausgesehen hätte! So kann man die alten Legenden nur offline erleben - schade.
Leider kann man dem Online-Modus ohnehin kein großes Lob aussprechen. Erst nachdem man ein neues 2K-Konto eingerichtet und schließlich die E-Mail bestätigt hat, kann man dieses Jahr loslegen - übrigens dürfen Managerfreunde die "Association" zusammen online erleben. Aber die schwache Technik lädt nicht unbedingt zum Internet-Spiel ein. Es gab zwar schon einige Patches seit Release in den USA, aber sowohl der Netzcode als auch das Matchmaking machen noch Zicken. Gerade im Vergleich zu aktuellen Fußball- oder Eishockey-Spielen sind die Lags und frühen Abbrüche nervend.
Basketballsimulation vom Feinsten
Aber zurück in die Offline-Gegenwart von Nowitzki & Co – der übrigens entgegen der Versprechungen der Entwickler immer noch nicht ganz nach Dirkules aussieht. Aber dafür bewegt er sich genau so: Er zeigt z.B. seinen gefürchteten einbeinigen Sprungwurf, der kaum zu verteidigen ist. Die Gesichter sind ohnehin der einzige Schwachpunkt in der grandiosen Präsentation, der z.B. Fußballspielen hinterher hinkt: Klar sind viele All-Stars von Bryant über Duncan bis Garnett gut zu erkennen. Aber wer ein wenig NBA schaut, wird sich sehr oft wundern, warum so viele virtuelle Profis ihren realen Vorbildern so unähnlich sehen. Da müsste 2K Sports in Zukunft etwas mehr investieren.
Dafür ist der Rest der Präsentation einfach fantastisch, egal ob Animation auf oder um den Platz herum: Mal abgesehen davon, dass sitzende Fans in der ersten Reihe tatsächlich nach Bällen greifen und dass Profis beim verzweifelten Rettungsversuch des Balles in selbige hinein stürzen, hat man die famose Zuschauerkulisse für die Play-Offs nochmal getoppt. Normale Ligaspiele werden recht schlicht inszeniert; also so, wie man das kennt. Aber sobald es in die entscheidenden Matches geht, werden einzelne Profis schon vor dem Tip-Off komplett animiert ins Zentrum gerückt, ihre Werte vorgestellt und verglichen. Wer in die Finalserie einzieht, darf sich zudem über frenetische Fans freuen, die bei Heimspielen eine ganze Arena in die eigenen Farben tauchen und so richtig mitgehen – das ist Gänsehaut und TV-Flair pur, denn auch die Kommentatoren lassen sich davon anstecken. Hier hinkt vor allem der virtuelle Fußball noch weit hinterher.
Vorbildliches Trainingscamp
Es gibt auch unter dem Korb einige neue Moves - der rechte Stick löst mehr Aktionen aus. |
Perfektionisten können sich mit prominenter Unterstützung richtig in die Spielmechanik reinknien. Berühmte Coaches wie Bird, Jordan oder Olajuwan machen eine Aktion am Korb vor, die man dann nachahmen soll – inklusive visualisierter Stickbewegungen als Hilfe. Das Ganze ist in mehrere Disziplinen wie Pässe, Würfe & Co unterteilt. Und am Ende muss man das Erlernte nochmal in der Praxis gegen den Coach anwenden, um das Trainingscamp abzuschließen. Ihr habt eine Bewegung vergessen? Wie ging nochmal der Spin? Später kann man alle Übungen wiederholen. Lieber Spielzüge studieren? Geht auch.
Der Fluch der Vielfalt: Die Überladung des Gamepads. Die Stickbewegungen für die einzelnen Manöver liegen teilweise so dicht beieinander, dass man schon mal die falschen auslöst, wenn man nur eine Sekunde zu spät oder nur ein Grad zu stark den Analogstick bewegt – im Trainingscamp muss man vieles wiederholen, weil es nicht exakt genug ausgeführt wurde. Passt man nicht auf, wird die falsche Animation abgespult. Und an alle Freunde von Move: Ja, theoretisch kann man die Leuchtdildos auf PlayStation 3 einsetzen. Aber praktisch kann man damit gerade mal einen Bruchteil der möglichen Manöver mehr schlecht als recht ausführen - man sollte sich das nur auf Partys zumuten.
Spielerische Verbesserungen
Das Spiel unter dem Korb ist körperbetonter, die Defensive stärker. |
Unterm Strich ist das dennoch ein Fortschritt, der Spiele in allen Modi anspruchsvoller macht, was den Aufbau und das Schützen des Balles angeht – man muss noch besser wissen, was man tut, und noch cleverer sein. Dabei helfen einem kleine Zusätze im Pass-System, das auch weite Anspiele über den Stick ermöglicht. Man kann außerdem über das bekannte Icon-System den gewählten Spieler direkt zum Off-the-Ball-Lauf animieren, was die Statik um die Zone herum genau so aufbrechen kann wie ein schneller Doppelpass. Alle Würfe liegen jetzt auf dem rechten Stick und sind je nach Situation komplett modifizierbar. Wer zum Korb zieht und ablegen will, aber auf dem Weg dorthin geblockt werden könnte, legt den Ball in die andere Hand oder ändert den Abschluss.
Außerdem wurde das Post-Spiel in der Zone von NBA 2K11 von Automatismen geplagt, denn man konnte einen Center oder Power Forward nicht individuell genug in Position und zum Abschluss bringen – da wurden zu hektisch zu lange Animationen gestartet. Hier gibt es große Fortschritte: Man spürt das Gewicht deutlicher, wenn man sich gegen den Verteidiger stemmt oder ihn in gebückter Haltung nach hinten auf Abstand hält (was er wiederum kontern kann). Außerdem wechselt man auf Knopfdruck jetzt schnell die Haltung – dann steht man z.B. nicht mehr mit dem Rücken und Gegner zum Korb, sondern schaut nach einem Schritt samt Drehung pass- oder wurfbereit direkt in die Zone. Natürlich geht das auch umgekehrt, was das Post-Spiel der großen Offensivspieler deutlich dynamischer gestaltet. Es macht Spaß, mit der rechten Schulter zu zucken, um dann links zum Korb ziehen! Dort beobachtet man bei Block und Vollkontakt auch weniger Clippings als beim Vorgänger.
Lebendige Karriere
Larry Bird war zwar nicht als Monsterblocker bekannt, macht aber auch in der Verteidgung gegen Magic Johnson eine gute Figur. |
Nachdem man sich einen Spieler für eine Position erstellt hat, macht man erstmal mit anderen viel versprechenden Neulingen ein Probespiel. Das Motivierende: Scouts von Vereinen schauen zu und interviewen einen danach. Bei mir haben die Houston Rockets, die Indiana Pacers und die Utah Jazz angeklopft.
Die Scouts stellen jeweils zwei Fragen, z.B. ob man sich auch eine andere Position vorstellen könnte, wie man mit dem ersten Gehaltscheck umgeht oder ob man auch als Edelreservist zufrieden wäre. Wie in einem Rollenspiel kann man darauf vorsichtige, großspurige, neutrale oder zurückhaltende Antworten geben, die neben den vorherigen Leistungen auf dem Platz darüber entscheiden, ob man später gedraftet wird. Auch das wird klasse inszeniert: Auf einer Bühne werden im großen Stil alle neuen Spieler der Proficlubs einzeln vorgestellt – man sitzt aufgeregt dabei und fragt sich, welchen der Clubs man wohl überzeugt hat.
Ziel: Die Hall of Fame
Und danach geht es in der Karriere interaktiv weiter: Nach dem ersten Profispiel, bei dem man zunächst etwas auf der Bank schmort, aber bald Einsatzzeit bekommt, gibt es eine Pressekonferenz, auf der man teilweise tückisch über seine Leistung befragt wird. Auch dort hat man die Qual der Wahl zwischen Eigenlob, Neutralität oder Selbstkritik. Die Antwort sorgt dann umgehend für ein An- oder Absteigen von drei Werten: Man hat ein gewisses Ansehen in seinem Team, eines in der kompletten NBA und eines bei den Fans. Es ist schön zu sehen, dass alles im Laufe der Karriere eine Rolle spielt – selbst den Gehaltscheck kann man eigensinnig oder gemeinnützig einsetzen, auch Sponsorenverträge stehen auf der Tagesordnung. Die Karriere spielt sich auf dem Platz übrigens etwas leichter als im Vorgänger. Sprich: Man feiert eher Erfolge und steigt etwas zügiger auf, kann seine Fähigkeiten mit gewonnenen Erfahrungspunkten schneller verbessern.
Aber der leichte Schein trügt, denn das Ziel ist nicht irgendeine Position in einem NBA-Team zu sichern, sondern in die Hall of Fame aufzusteigen und so zu begeistern wie ein Bird oder Jordan – und dafür braucht man verdammt viel Zeit und Erfolg. Selbst wenn man vom Ergänzungs- zum Stammspieler aufgestiegen ist, muss man sich an Rekorde wagen.
Es geht nicht nur darum, je nach Position gute Pässe zu spielen und schlechte Passanforderungen zu vermeiden, gut defensiv zu arbeiten und Assists sowie Körbe zu machen – für all das bekommt man direkt Feedback, all das bestimmt auch die finale Note. Es gibt auch neue dynamische Ziele, die plötzlich eingeblendet werden: Man soll z.B. dazu beitragen den Punkterückstand auf zehn zu reduzieren. Das lässt die Karriere in NBA 2K12 so lebendig wirken wie in keinem anderen aktuellen Sportspiel.
Fazit
Was für ein herrlich inszenierter Sport! Kein anderes Spiel erreicht diese Qualität in der Präsentation von Publikum, lebendiger Karriere und historischer Zeitreise. Es macht unheimlich Spaß, die prägenden Spiele von Bird, Johnson, Drexler, Olajuwan & Co mit authentischen Farbfiltern und Trikots nochmal zu erleben – bis hin zum Schwarzweißdunk mit Bill Russel! Wer den Basketball der späten 80er und 90er geliebt hat, wird diesen neuen Modus genießen, zumal die rückblickenden Kommentare unheimlich informativ sind. Neben der dramatischeren Karriere überzeugt auch die Spielmechanik, die sowohl mehr Würfe und Bewegungen über den rechten Stick als auch ein präziseres und dynamischeres Post-Spiel in der Zone ermöglicht. Allerdings hat man es bei der lobenswerten Steigerung der Defensiv-KI etwas übertrieben, denn die scheint fast jeden Schritt zu erahnen – so viele Turnover habe ich in NBA noch nicht erlebt, was das Erlebnis je nach Skill wesentlich fordernder oder frustrierender macht. Schade ist zudem, dass der Online-Modus noch so wacklig ist. Im Internet braucht man etwas zu viel Geduld, bis es mal flüssig läuft.
Update: Auch auf Wii macht NBA 2K12 richtig Laune! Es ist keine degradierte Casual-Korbjagd, sondern inszeniert gerade mit dem unterstützen Classic Controller einen ähnlich simulativen Sport inkl. Karriere, Legenden & Co - von der Remote rate ich ab! Lediglich das ärgerliche Fehlen des Online-Modus sowie der Qualitätsunterschied zwischen Spielern und Publikum sorgen für Abzüge.
Pro
Kontra
Wertung
360
Das ist eine Sportsimulation, die offfline fast alles richtig macht, aber online Schwächen zeigt.
PlayStation3
Herrlich inszenierter Basketball, der nur von schwacher Online-Technik ausgebremst wird.
Wii
Nicht so ansehnlich und ohne Online-Modus: Aber ansonsten ebenso komplexer Sport für Simualtionsfans!
PC
Wer auf dem Rechner dunken will, kommt nicht um dieses Spiel herum - klasse!
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