London Underground Simulator07.06.2011, Mourad Zarrouk
London Underground Simulator

Im Test:

Die TML Studios stachen im Bereich der Alltags- und Berufssimulationen bislang meist positiv hervor. Wird den Erfurtern das mit der dritten Ausgabe ihrer World of Subways-Serie erneut gelingen? Kann man vielleicht sogar an die Qualität des Omnibussimulators anknüpfen?

Ab in den Londoner Untergrund

Der
Der "Arbeitsplatz" eines Londoner U-Bahn Fahrers.
Publisher Aerosoft steht für solide Simulationen, das hat der Test zum OMSI vor gut zwei Monaten bekräftigt. Wenn man dort bereits den dritten U-Bahn Simulator in Zusammenarbeit mit TML veröffentlicht, dann darf man davon ausgehen, dass man sein Geld in ein vernünftiges Spiel investiert. Ob der Paderborner Simulationsspezialist seinem guten Ruf gerecht wird?. Nachdem man 2008 bereits mit der New Yorker U-Bahn unter dem Hudson zwischen New Jersey und Manhattan auf Tauchstation gehen konnte und ein Jahr später die U7 vom Rathaus Spandau quer durch Berlin nach Rudow lenken konnte, ist es jetzt die berühmte Londoner Tube. Auch hier haben sich die Entwickler freilich nur einer Linie angenommen, aber wieder einer sehr interessanten und historisch bedeutsamen: Die Circle Line hat ihren Weg mit  ihrem kompletten aktuellen Verlauf einschließlich des im Dezember 2009 neu eröffneten Abschnittes nach Hammersmith ins Spiel gefunden. Simuliert wird also eine Strecke von  27 Kilometern und 35 Stationen.

Vorsicht am Bahnsteig: Neue Engine fährt ein  

Eines der Highlights der Simulation: Grandios inszenierte Stationen
Eines der Highlights der Simulation: Grandios inszenierte Stationen
Damit ist die aktuelle  Strecke  knapp vier Kilometer kürzer als die der zweiten Edition (Berlin) und gleich 23 Kilometer kürzer als die erste (New York), doch bei Letzterer fiel der größte Streckenabschnitt auch auf einen sehr langen und ereignislosen Teil (Unterquerung des Hudson) und bekanntlich geht ja ohnehin Qualität vor Quantität. So präsentieren die Entwickler in der aktuellen Edition eine neue Grafikengine auf  Basis der Vision Engine von Trinigy, die z.B. in Gothic 4 oder auch Stronghold 3 zum Einsatz gekommen ist, und das sieht man auch. Nach der von Aerosoft bekannten Online-Aktivierung lande ich in einem  futuristischen, aber auch recht minimalistischem Startbildschirm. Zur Wahl stehen „Fahrplan“ oder „Aufgaben“. An den regulären Fahrplan-Verkehr will ich mich nicht gleich wagen und so werde ich bei der ersten der (nur) zehn Aufgaben fündig: „Einweisung“...das könnte man wohl als Tutorial auffassen. Ein älterer Mann namens „Danny“ wurde mir zugeteilt um mich in die Bereitstellung und Bedienung eines Londoner U-Bahn-Zuges einzuweisen.

Unterwegs mit Danny

Vorbildlich: Die automatisierte Stationsansage muss korrekt eingestellt werden.
Vorbildlich: Die automatisierte Stationsansage muss korrekt eingestellt werden.
Danny ist leider stumm, so muss ich mich dem geschriebenen Wort Vorlieb nehmen. Ich erfahre, dass ich zunächst am hinteren Zugteil die Rücklichter aktivieren muss, bevor ich ich anschließend vorne den Zug in Betrieb nehme. Wie sich das für eine Simulation gehört, gibt es viele Knöpfe und Schalter zu drücken und vieles muss in der korrekten Reihenfolge aktiviert werden. Danny weist mich zwar nicht aktiv auf Fehler hin, aber es geht einfach nicht weiter, wenn ich den korrekten Ablauf nicht einhalte. Komfortabel bzw. intuitiv geht anders, aber seinen Zweck erfüllt das Ganze auch so. Schon bald setzt sich „mein“ Zug mit rumpeln und dem Surren des Elektromotors  in Bewegung. Das Ganze hört sich absolut realistisch an, sieht erstaunlich echt aus und fühlt sich authentisch an. In meiner ersten Fahrt soll ich noch keine Passagiere mitnehmen und nur auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie die Signale achten, was zu Beginn schon fordernd genug ist. Überfahre ich ein rotes Haltesignal, ist der Einsatz nämlich ebenso abrupt beendet wie bei einer deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung...in London versteht man da wohl keinen Spaß. So lerne ich auf meiner ersten Fahrt den Bremsweg an den Bahnsteigen korrekt einzuschätzen, denn schließlich will der Zug immer korrekt an der vorderen Begrenzung „geparkt“ werden. Auf der Rückfahrt sollte mir Danny dann eigentlich noch wertvolle Hinweise zum Thema „Verhalten an den Stationen/Fahrgasttransport“ mitteilen, doch irgendwie wollte Danny ab der Hälfte der Strecke nicht mehr mit mir kommunizieren. Vielleicht ist er auch zwischenzeitlich vor Angst ins Wachkoma gefallen, jedenfalls gab es am Ende auch keine Auswertung ohne Bewertung meiner Fahrkünste. Ernüchternd.

London ist nicht Spandau

Rücksicht zahlt sich aus: Sind alle Passagiere eingestiegen?
Rücksicht zahlt sich aus: Sind alle Passagiere eingestiegen?
Etwas beleidigt mache ich mich dann aber doch an meinen ersten „richtigen“ Auftrag: Ich soll einen Kollegen vertreten und muss dazu erst mal als Passagier (!) zur entsprechenden Station fahren, um dort den Zug in Betrieb zu nehmen. Und so warte ich am Bahnsteig in Echtzeit auf die U-Bahn; etwas was ich im echten Leben tunlichst zu vermeiden versuche. Als sie nach etwa fünf realen Minuten endlich da ist, muss ich noch geschlagene zehn Minuten U-Bahn fahren, bis ich endlich an „meinem“ Zug ankomme...die Entwickler haben schon einen schrägen Sinn für Humor. Immerhin: Die übrigen Passanten (besonders die weiblichen) sind deutlich hübscher anzusehen als im OMSI oder auch noch dem City Bus Simulator 2010 und sie bewegen sich sogar! Nun gilt es das erste Mal einen Fahrplan einzuhalten, Passagiere ein- und aussteigen zu lassen und natürlich zusätzlich auf die Geschwindigkeit sowie die Signale zu achten. Wie man sich denken kann: Der erste Einsatz schlug fehl. Aber warum genau? Am Ende erfahre ich lediglich, dass ich nur 58 von mindestens 60 notwendigen Kriterien erfüllt habe. Welche Fehler ich genau gemacht habe, darüber bleibe ich im Unklaren - das ist suboptimal. Trotzdem: Mein Ehrgeiz ist geweckt und nun will ich es schaffen! Aber nicht nochmal als U-Bahn-Passagier! So suche ich mir ein anderes Szenario aus, starte direkt am Gleis und diesmal geht alles gut – meine erste erfolgreiche Fahrt, nun bin ich bereit für den „Fahrplan“.

Fazit

Wenn ich in meinem Zug durch die detailliert realisierte Circle Line rattere, die Räder in den Kurven gefährlich quietschen und der Stahl laut schleift, wenn ich am Banhsteig bremse, dann kommt tatsächlich ein authentisches Gefühl rüber. Und genau davon lebt jede Simulation: Es muss sich real anhören, aussehen und auch real „anfühlen“. Der London Underground Simulator fühlt sich in der Tat echt an und ist auf einem guten Weg. Was ihn vom OMSI unterscheidet ist die Vielfalt, die Rückmeldung der Fahrgäste, eine Fahrplanauswertung und mehr Funktionsumfang bei den Bedienelementen. Hier kann ich das Sonnenrollo eben nicht herunterziehen und auch sonst gibt es einige Funktionsbereiche, die nicht bedienbar sind. Sonne und Regen gibt es, aber wo bleibt der berühmte Londoner Nebel oder auch mal Schnee? Und natürlich wären weitere „spannende“ Einzelmissionen wünschenswert. Warum nicht mal ein verrückter U-Bahn-Surfer, oder eine Grafitti-Crew oder sogar mal ein handfester Unfall, der mehr Abwechslung in den Betriebsalltag brächte? Trotzdem: TML macht vielleicht noch nicht alles richtig, aber verdammt vieles besser! Wer mit dem Thema Schienen, Fahrpläne und speziell London etwas anfangen kann, wird hier keinesfalls enttäuscht.

Pro

originalgetreu nachempfundene Streckenabschnitte
...hier vor allem der einzelnen Haltestellen
detaillierte Darstellung der Züge
realistische Geräuscheffekte
realistische, physikalisch korrekte Steuerung der Züge
längerer Bremsweg bei Nässe
wichtigste Bedienelemente der Züge implementiert
dynamisches Wettermodell (Regen, Sonne)...
Mitfahren möglich...
Unterstützung besonderer Hardware (Train Controller)
Original Streckenfahrpläne der Circle Line
Sanktionen bei Verkehrsverstößen
programmierbares Ansagesystem mit Originalstimme

Kontra

keine Leistungskontrolle
kein Sprechfunk integriert
keinerlei Multiplayer-Optionen
keine In-Game-Musik möglich
überschaubarer Spielumfang
häufige Pop-Ups
zu wenig Einzelaufgaben
... allerdings fehlen Nebel oder Schnee
... und leider manchmal unumgänglich

Wertung

PC

Licht am Ende des Tunnels: TML ist auf dem richtigen Weg. Diese Simulation ist nicht perfekt, aber sie hält was sie verspricht.

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