Im Test: Krimikömodie mit Bauklotzcharme
Die nackte Bauklotz-Kanone
Vor ein paar Jahren war Chase McCain ein junger, aufstrebender, sehr talentierter Cop in Lego City. Doch die Jagd auf den Schurken Rex Fury sollte sein Leben verändern: Sein Vorgesetzter heimst den Ruhm für die Festnahme ein. Und seine heimliche Liebe Natalia gerät in Gefahr, weil sie gegen Rex aussagen muss und danach in ein Zeugenschutzprogramm gesteckt wird. Doch seine Ideale als Verbrechensbekämpfer geraten trotz allem nicht ins Wanken. Er genehmigt sich zwar eine Auszeit und verschwindet für ein paar Jahre aus Lego City, doch nach seiner von der Bürgermeisterin initiierten Rückkehr ist er wieder mitten im Geschehen: Rex Fury ist aus dem Gefängnis ausgebrochen. Chase muss ihn wieder dingfest machen. Und die Welt retten. Und das Herz seiner Liebsten zurück gewinnen. Und die Stadt wieder aufbauen. Und und und.
Die Geschichte in Lego City Undercover wird keinen Preis gewinnen, zu oft hat man schon diese Elemente in entsprechenden Polizeiaction-Filmen in TV und Kino gesehen. Doch genau hier setzt eine der großen Stärken ein, die viele der Lego-Spiele kennzeichnet: Humor. Vor allem ältere Spieler werden sich an den augenzwinkernden Film-Anspielungen erfreuen. Dirty Harry kriegt ebenso sein Fett weg wie Colombo, Starsky & Hutch, Sherlock Holmes
Generationen-Konflikt
Das Problem: Viele der Gags und Anspielungen werden bei den jüngeren Spielern nicht zünden. Mitunter bezieht man sich hier auf Filme, deren Altersfreigabe deutlich höher als diejenige für das Spiel (USK ab 6) liegt und damit eigentlich für den Knirps vor dem Gamepad nicht geeignet ist. Zumindest sollten Kinder z.B. noch nicht mit den brachialen Frühwerken von Clint Eastwood oder Tom Cruise als Ethan Hunt in Berührung gekommen sein. Doch damit soll es auch genug mit dem erhobenen Zeigefinger sein. Denn abseits dessen hat auch die deutsche Lokalisierung gelegentlich Schwierigkeiten, den Witz des englischen Originals zu transportieren. Nirgendwo wird dies deutlicher als beim Baustellen-Vorarbeiter, der Arnold Schwarzenegger charakterisieren soll. Im Original wird der markante Englisch-Dialekt des Österreichers vom Sprecher beinahe zum Verwechseln ähnlich nachgeahmt. Und die Dialogschreiber haben mich immer wieder zum Lachen gebracht – nicht nur, weil sie typische Arnie-Phrasen wie „Are you a girlie-man?“ verwenden. Sondern vor allem, weil in nahezu jedem Satz irgendein anderer Film, in dem Schwarzenegger mitgespielt hat, auftaucht und in einen komödiantischen Kontext gepackt wird. In der deutschen Fassung, die ansonsten einen professionellen sowie gut besetzten Eindruck hinterlässt, geht nicht nur in dieser Szene von diesem Wortwitz verloren: Zwar wird über einen österreichischen Dialekt wenigstens ansatzweise ein Bild von Arnold heraufbeschworen, doch beinahe alle Filmanspielungen bleiben in der Übersetzung unbeachtet – schade.
Doch dies ist nicht der einzige Bereich, in dem sich Traveller’s Tales unschlüssig ist, an wen sich Lego City wenden soll. Denn während sich vorrangig Ältere mit dem Humor anfreunden können, richtet sich der Schwierigkeitsgrad im Allgemeinen an Einsteiger und Jüngere. Wie man es aus den Lego-Spielen der letzten Jahre kennt, muss man nicht nur Bauklotz-Gebilde zerstören, sondern sieht sich auch immer wieder Feinden gegenüber, die man hier allerdings nicht nur ausknocken, sondern im Idealfall mit Handschellen festnehmen muss. Das Problem: Die Auseinandersetzungen sind bar jeden Anspruchs. Es gibt keine Kombos im eigentlichen Sinne und zu allem Überfluss
Offene Bauklotz-Welt mit Levelstrukturen
Die Kämpfe kann man also beinahe mit geschlossenen Augen erledigen. Doch glücklicherweise hat Lego City Undercover noch mehr zu bieten. Lego City ist groß (ich würde das Gebiet in etwa doppelt so groß wie Vice City aus der GTA-Serie schätzen), bietet abwechslungsreiche Stadtviertel und ist mit Figuren und Passanten ansprechend belebt. Hinsichtlich der Kulisse bleibt man dem Stil treu, den man seit Jahren verfolgt und bietet eine nett anzuschauende „echte“ Metropole, bei der die interaktiven bzw. zerstörbaren Elemente sowie die Bewohner und Fahrzeuge aus Legosteinen gebaut sind. Angesichts der realen Bauklotzherkunft hätte es sich hier zwar noch mehr als bei jedem anderen Lego-Titel der letzten Jahre angeboten, alles mit den Plastiksteinen zu errichten – zumal man ja auch mit Lego Worlds in dieser Hinsicht konsequent ist und Erfolg hat. Doch durch diesen bekannten Mix ergibt sich nach wie vor ein ganz spezieller charmanter, eigenständiger Stil.
Für die Geschichte ist Lego City jedoch letztlich nur der Durchreise-Schau- bzw. Spielplatz. Die wesentlichen Fortschritte erzielt man in 15 Missionen, die ganz klassischen Mechanismen folgen: Man muss Sprungsequenzen bewältigen, gelegentlich kämpfen, so viel wie möglich manipulieren oder zerstören, um die beliebten Legobolzen zu sammeln, die entsprechend akkumuliert ebenso für einen Zuwachs bei den insgesamt 450 zu erreichenden Goldklötzchen sorgen wie das Komplettieren von Sammlungen oder das Finden von Gegenständen. Hinsichtlich des Missionsdesigns zeigt man sich dabei gleichermaßen typisch wie abwechslungsreich, wenn man z.B. Fahrzeug-Verfolgungen, Ausspionieren oder Abhöraktionen anbietet. Dabei muss man jedoch wiederum bis auf wenige Ausnahmen gegen Ende mit einem niedrigen Schwierigkeitsgrad vorlieb nehmen – höchstens blutige Anfänger werden Probleme mit der einen oder anderen Anforderung bekommen. Das hat allerdings auch Vorteile: Jüngere Spieler können ohne elterliche Störung und ohne um Hilfe fragen zu müssen, mit Chase auf Abenteuer-Tour gehen.
Viel drin, wenig dran
Zu den zahlreichen freispielbaren Elementen gehören z.B. neue Fahrzeuge (insgesamt über 100) und beinahe 300 Figurenskins, die man als Alternative zu Chase in den jeweiligen "Kostümklassen" auswählen kann. Doch um an die ganz clever versteckten heranzukommen, muss man wie in der Spätphase der Kampagne viele Fähigkeiten miteinander kombinieren, um ans Ziel zu kommen. Mitunter kann dies zwar zeitaufwändig sein, doch richtige Kopfnüsse im Stile von "Verdammt noch mal, wie soll ich jetzt dahin kommen?" sind darunter spärlich gesät und dann meist im Bereich der Farbpistole zu finden, mit der man Schalter manipulieren oder Gegenstände einfärben kann. Dies ist ein weiterer Ansatzpunkt für Verbesserung in einer hoffentlich kommenden Fortsetzung. Wie auch die leider zu stereotype Ansammlung von Standard-Geheimnissen, bei der ebenfalls nur der Weg zum Ziel das herausfordernde Element darstellt. Statt 20 auf den Dächern versteckten Schweinen, die man per Kanone zur Farm zurück schießt, von der sie ausgebüxt sind, wäre es interessanter gewesen, als Polizist mit zufällig stattfindenden Verbrechen konfrontiert zu werden. Oder dass die ganzen Suchen-und-Finden-Missionen als Nebenaufgaben von Figuren eingeleitet werden. Oder dass die coolen Rennen und Hindernisläufe mit einer noch so einfachen Einleitung verknüpft sind – wie es übrigens bei einigen der über Abhöraktionen in flagranti erwischten Verbrecherbanden der Fall ist, die man unter Zeitdruck jagen und bekämpfen muss. Auf jeden Fall wäre eine verbesserte Einbindung in die offene Welt nützlich gewesen. In dieser Form wirkt vieles draufgetackert – was mich aber nicht davon abgehalten hat, an meinen Ausflügen durch die idyllischen Gebiete Spaß zu haben. Die Suche nach neuen Figuren und Fahrzeugen hat mich damals als Jäger und Sammler schon mehr Zeit jenseits der etwa zwölf bis 15 Stunden Kampagnendauer gekostet, als ich zugeben möchte. Und auch wenn Travelle's Tales sich hinsichtlich der Inszenierung abseits der Story keine Beine ausreißt, sind viele der angebotenen Aktivitäten mindestens unterhaltsam.
Schöne neue Stadtwelt?
Im Wesentlichen profitiert auch die Switch-Version von den Verbesserungen, die sich sowohl visuell als auch spielerisch mit dem Koop-Splitscreen bemerkbar machen. Dass man hier auf dem Touchscreen keine Sonderfunktionen erwarten darf (auch nicht im Mobilbetrieb) ist zwar schade. Doch das ist nichts gegen die technischen Schwierigkeiten, mit denen die Switch-Fassung von Anfang bis Ende zu tun hat. Es wirkt, als ob die Fassungen für die anderen Systeme auf Switch herunterskaliert wurden, anstatt eine auf der Vorgängerkonsole gut bis sehr gut laufende Kulisse für dieses Remaster anzupassen. Auch im TV-Modus wird das Spiel z.B. in einer kleinen Auflösung ausgegeben. Die Folge sind ausfransende Ränder und unschöne Kanten, die unterwegs allerdings nicht so stark ins Auge fallen. Auch die instabile Bildrate wirkt mobil nicht ganz so problematisch, ist aber sowohl in der S-Bahn als auch auf dem Wohnzimmersofa und dem großen Fernseher nervend. Denn obendrauf zeigen Pop-Ups und sehr grobe Schatten, beides Phänomene, die sich auf One und PS4 nur sehr vereinzelt blicken lassen, dass Switch technisch Wünsche offen lässt. Dafür allerdings nimmt Lego City Undercover auf Switch in der gepatchten Variante weniger als 9 GB ein, während auf den Festplatten der „großen“ Konsolen gut 20 GB veranschlagt werden. Doch ganz ehrlich: Lieber größer und flüssig und im Zweifelsfall mit ein paar Aliasing-Treppen wie auf der Xbox One als klein und scheinbar im Detail nicht optimiert. Wenn ihr die Wahl habt und (wie es Nintendo gewünscht hat) Switch als Zweitkonsole nutzt und unterwegs auf Lego City verzichten könnt, wählt lieber die Fassung für ein anderes System.
Fazit
Lego City Undercover inszeniert heute genauso wie vor vier jahren auf Wii U klassische Bauklotz-Mechanik in einer offenen Spielwelt, quasi ein Spielzeug-GTA. Die Welt lädt zum Erforschen ein und bietet Entdeckern viele Geheimnisse - die jedoch größtenteils irrelevant sind. Der Humor im Stile von Filmen wie "Die nackte Kanone" zündet hervorragend und bietet gelungene Anspielungen auf einschlägige Hollywood-Machwerke. Doch gelegentlich geht der Wortwitz in der deutschen Lokalisierung unter und jüngeren Spielern fehlt der Bezug, um die Gags komplett verstehen zu können. Erwachsene Lego-Fans können häufig herzhaft lachen (vor allem in der englischen Version), werden sich jedoch am kindgerechten Schwierigkeitsgrad reiben: Sowohl die Puzzles als auch die Kämpfe sind bis auf zu wenige Ausnahmen viel zu leicht. Dank der ansehnlichen und zumeist effektiv aufgewerteten Kulisse sowie des unwiderstehlichen Charmes der Bauklotz-Metropole habe ich dennoch erneut jede Minute in Lego City genossen. Allerdings vorrangig auf PS4 und One, denn auf Switch warten zusätzlich zu Pop-Ups weitere Mankos wie Bildrateneinbrüche – die beim Wii-U-Original eher selten waren. Doch immerhin profitieren auch Switch-Besitzer vom Hinzufügen des im Original noch fehlenden Koop-Modus. Unter dem Strich bleibt dennoch eine ordentliche Umsetzung eines der wohl am wenigsten beachteten Lego-Titel der letzten Jahre.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Gute Umsetzung eines charmanten Ausflugs in die Bauklotz-Stadt, die allerdings vorrangig über den zielsicher gesetzten Humor und die bewährte Mechanik punktet. Das Potenzial der offenen Welt wird allerdings nur angekratzt.
PlayStation4
Gute Umsetzung eines charmanten Ausflugs in die Bauklotz-Stadt, die allerdings vorrangig über den zielsicher gesetzten Humor und die bewährte Mechanik punktet. Das Potenzial der offenen Welt wird allerdings nur angekratzt.
Switch
Ein charmanter Ausflugs in die Bauklotz-Stadt, der allerdings vorrangig über den zielsicher gesetzten Humor und die bewährte Mechanik punktet. Das Potenzial der offenen Welt wird allerdings nur angekratzt, während Switch zusätzlich technische Probleme zeigt.
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