Im Test:
Den Namen kenn ich doch?
Moment mal! Wie heißt die Heldin? Ayumi? Da war doch was? Richtig: Ende 2008/Anfang 2009 kam ein Titel namens X-Blades heraus. Hier sprang eine meist nur leicht bekleidete und üppig gebaute Blondine mit zwei Schwerten oder Knarren in passabler Devil May Cry-Manier durch Comic-Kulissen, machte Gegner nieder und suchte nach Schätzen.
Mittlerweile hat Ayumi dem Cartoon-Stil entsagt, doch der Rest (inklusive "Blades" im Titel) findet sich auch in Blades of Time (ab 0,81€ bei kaufen) (BoT) wieder, das mehr als nur ein spiritueller Nachfolger ist. Zwar hat die Protagonistin ein paar neue Asse im Ärmel, mit denen sie die Gegner aufmischen kann. Doch im Wesentlichen richtet sich das Spielprinzip nach folgender Formel: Neues Gebiet entdecken, Gegner bekämpfen, ggf. ein oder mehrere Rätsel lösen (und eventuell ein paar weitere Gegner bekämpfen), einen Zwischen- und/oder Endboss besiegen und dann weiter in das nächste Areal, wo der Zyklus mit nur geringen Abweichungen wieder von vorne beginnt.
Deutsch als erste Wahl
Bevor ich weiter auf Mechanik usw. eingehe, muss ich meinen Frust loswerden – über die englische Sprachversion, die es tatsächlich schafft, die deutsche Fassung hinsichtlich mangelnder Qualität zu übertreffen. Schon die deutschen Sprecher haben Schwierigkeiten, die Figuren mit Leben zu füllen. Was nicht nur an der mangelnden Lippensynchronität oder der generell hölzernen Mimik liegt. Denn BoT ist ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht gut ist, wenn die Sprecher und der Regisseur bei den Aufnahmen nur den Text vor sich und keine Ahnung davon haben, wie die Situation im Spiel ist oder was die Figur vorher erlebt hat. Technisch zwar sauber, fehlt häufig jede Emotion bzw. sie wird nur sehr verhalten vorgetragen.
Doch im Gegensatz zur englischen Version wirken die deutschen Sprecher tatsächlich wie Mitglieder der Royal Shakespeare Company. Denn was ihre englischen Kollegen abliefern, ist tatsächlich noch schlechter und (man will es kaum glauben) mindestens ebenso lippenasynchron.
Technisch mau
Hatte der Vorgänger noch einen Anime-Grafikstil, der Ayumi gut zu Gesicht stand, geht man nun Richtung "Realismus" - und damit interessanterweise den entgegengesetzten Weg von The Darkness II. Und damit macht man gleich ein ganzes Fass neuer Probleme auf. Denn kommt man bei Comicgrafik mit der einen oder anderen unscharfen Textur noch davon, indem man sich auf den Stil herausredet, hat man hier kaum noch eine Chance. Und man muss auch nicht lange warten, bis man in der PlayStation 3-Fassung schwache, verwaschene oder trübe Texturen entdeckt: Gleich im Tutorial geht es mit diesen visuellen Defiziten los, die sich nicht nur konstant durch die Abschnitte ziehen, sondern immer wieder von fiesen Bildratenproblemen gepeinigt werden. Ich bin normalerweise nicht der Ruckel-Pedant und mir ist es häufig egal, ob das Spiel jetzt konstant mit 30 Frames läuft oder sporadisch auf 28 einbricht. Doch wenn ich mit dem Fantasy-MG anfange, die stets nach gleichem Muster zerbrechenden Vasen und Kisten zu zerstören und die Engine (ohne Gegner auf dem Schirm) auf geschätzte zehn oder zwölf Bilder pro Sekunde abfällt, vergeht mir die Lust am Weiterspielen.
Wie übrigens auch beim kompletten Einfrieren des Systems sowohl im neunten als auch im letzten Kapitel. Dass man zudem beim Prä-Finalkampf gelegentlich durch die Geometrie ins Bodenlose fallen kann, frustriert ebenfalls. Technisch sauber sieht wirklich anders aus - auch wenn ein Großteil der Auseinandersetzungen flüssig über den Bildschirm gespült wird und nur die Kamera mit ihrem Rumgezicke für Missmut sorgt. Auf der 360 bietet sich ein ähnlich unpoliertes Bild: Zwar gab es keine Abstürze oder Stillstände oder die
Interessantes Artdesign
Dabei ist die Kulisse nicht per se marode. Denn auch der neue Ansatz hat ein paar interessante Momente. Die farbenfrohe, häufig organisch wirkende oder metallene Architektur wurde in üppig bewaldete oder mit sonstiger Flora bewachsene Gebiete gestellt. Das Gegnerdesign liegt über einen Großteil der Story irgendwo zwischen den Zenobiten Clive Barkers und den Protoss der StarCraft-Serie - vor allem die Ätherwächter könnten Ahnen der Fraktion aus Blizzards Strategie-Universum sein. Aber mitunter bekommt man auch Drachenwesen, fliegende Varianten des "Mad Hatters" aus Alice im Wunderland und zum Leben erweckte Eisrüstungen zu Gesicht.
Ebenfalls interessant: Die karge Wüste, in der man sich nur im Schatten der sporadisch vorhandenen Gebäude und der Felsformationen bewegen darf, da die direkte Sonnenbestrahlung ein rapides Absinken der Gesundheit zur Folge hat.
Doch letztlich verpuffen alle visuellen Ideen, da die Engine zu selten in der Lage ist, die Vision der Entwickler überzeugend darzustellen: Ecken hier, Pixel da, platte Texturen dort, Krümelschatten, Tearing. Schade, denn eigentlich macht mich die von klassischer Fantasy, aber auch mit Steampunk-Einschlägen geprägte Welt neugierig.
Spielerisch in Ordnung
Hinsichtlich des Spieldesigns hingegen scheinen an einigen Punkten gute, wenngleich meist bekannte Ideen durch. Die Schwertkampf-Kombos z.B. gegen locker von der Hand, die Spezialangriffe, die man sich im Lauf der Zeit aneignet, sind ebenso mächtig wie nett anzuschauen. Wieso man allerdings zur Benutzung der Projektilwaffe den rechten Stick klicken muss, ist für mich nicht nachvollziehbar. Dies ist unnötig kompliziert und schadet der Kampfdynamik eher.
Doch hat man sich daran gewöhnt, kommt man bei den Auseinandersetzungen schnell in einen Fluss, bei dem die timingbasierten Konter sowie das kalkulierte Ausweichen (Blocks gibt es keine) vor allem gegen Zwischengegner eine wichtiger Rolle spielen. Gegen Ende scheint Gaijin allerdings die Fantasie ausgegangen zu sein. Anstatt einen mit neuen Gegnern (und Strategien) zu überraschen, setzen sie einem einen Bosskampf-Marathon vor - und das haben Titel wie Devil May Cry 4 bereits deutlich besser inszeniert.
Aus eins mach zwei mach vier
Dass man in Spielen die Zeit zurückdrehen kann, ist spätestens seit Prince of Persia - Sands of Time nichts Neues. Auch Titel wie Braid oder Timeshift nutzen diese Option. Hier wird sie jedoch hinsichtlich Action auf ein neues Niveau gebracht. Denn solange der großzügig vorhandene Vorrat nicht zur Neige geht, kann man nach kurzer Abkühl-Pause nicht nur einen "Zeitklon", sondern zwei, drei, vier und mehr Versionen von Ayumi erstellen. Das ist anfänglich zwar etwas verwirrend, wird aber glücklicherweise nicht nur
Einige andere Einfälle werden leider nicht so konsequent weitergeführt wie die Manipulation von Zeit und Raum. Dazu gehören z.B. die Abschnitte, in denen die so genannte Chaos-Energie dafür sorgt, dass man nur langsam vorwärts kommt. Abhilfe schafft der "Schild der Ordnung", den Ayumi wie einen Zauber wirken kann und der auch versteckte Gegner sichtbar macht, die in dessen Reichweite verwundbar sind.
Immer wieder Probleme
Die Crux: Der Radius ist nicht allzu groß und letztlich ist man alle paar Sekunden dabei, auf dem Digikreuz den Schild zu aktivieren - und das wird schnell langweilig. Der Kompass, der nicht nur den Weg zum Ausgang weist (wieso eigentlich? die Abschnitte sind im Normalfall sehr linear), sondern auch die Richtung zu versteckten Schatztruhen anzeigt, ist prinzipiell ebenfalls eine nette Idee. Doch die Ansicht, in der Ayumi schneckenlangsam auf den Kompass starrend durch die Botanik wandert, nervt irgendwann nur noch - das ginge doch auch schneller.
Dass man Kisten zerstört und dort zur Belohnung die so genannte Chi-Energie bekommt, die man auch beim Töten von Feinden als Beute ergattert und für neue Fähigkeiten eintauschen kann, kennt man auch seit Jahren. Dies zieht sich erfolgreich durch die Devil May Crys, God of Wars und Bayonettas dieser Welt. Der Unterschied: Dort werden die ergatterten Seelen, Orbs und was immer tatsächlich für alle sichtbar gezählt. Man weiß immer genau, wie viele man hat und wie viele einem noch bis zum nächsten Upgrade fehlen.
Multiplayer, den keiner braucht
Dass Gaijin zusätzlich zur Story einen onlinefähigen Zweispielermodus eingebaut hat, ist zwar auf dem Papier ein netter Gedanke. Doch in der Umsetzung lässt die im Deutschen als "Kampagne" betitelte Eroberung und Zerstörung von Türmen, die man übrigens auch solo mit schwacher KI-Unterstützung in Angriff nehmen kann, zu wünschen übrig. Die Rückspul-Funktion fehlt, die Action wirkt chaotisch bis hektisch, Taktik wird höchst selten benötigt. Was in der Theorie wie eine reduzierte Schulterperspektiven-Variante von League of Legends klingt, ist in der Praxis zu langweilig - obwohl man hier viel entdecken bzw. freispielen kann und man durch Zufallsereignisse gefordert wird.
Fazit
Schade, Gaijin! Der (in-)offizielle Nachfolger von X-Blades aus dem Jahre 2008 enttäuscht trotz interessanter Ansätze. Nicht nur, weil die technische Seite mit einigen Matschtexturen und mitunter starken Bildrateneinbrüchen nicht zum Weiterspielen anregen kann. Sondern auch, weil viele gute Ideen nur kurz angefasst und dann fallen gelassen werden. Einzig das "Multiple Rückspulen" wird konsequent genutzt und immer wieder eingestreut, um für Abwechslung vom soliden Action-Alltag zu sorgen. Der Rest ist weitgehend herkömmliches Arena-Gehüpfe, -Gekloppe und -Geballer - wobei der Wechsel nicht mehr so dynamisch stattfindet wie noch im Vorgänger. Apropos: Auch wenn das Artdesign mit seinem grobkörnigen Filter und den knalligen Farben durchaus Vorzüge hat, konnte ich mit dem Anime-Ansatz aus X-Blades mehr anfangen - zumal er technisch konsequenter durchgezogen wurde. Und dass es irgendwann mal dazu kommen würde, dass ich eine deutsche Version (die auch nicht gerade mit Qualität punktet) der englischen vorziehe, hätte ich auch nicht gedacht. Dank passabler Bosskämpfe und prinzipiell gelungener Schwertkampf-Action ist Blades of Time kein absoluter Totalausfall, doch selten wurde so viel Potenzial verschenkt wie hier.
Wertung
360
Technisch minimal besser als auf PS3, aber auch auf der 360 werden die interessanten Ideen von der unsauberen Engine überschattet.
PlayStation3
Arena-Prügler à la Devil May Cry mit interessanten Ideen und herben Technik-Problemen.
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