Grand Slam Tennis 210.02.2012, Benjamin Schmädig
Grand Slam Tennis 2

Im Test:

Es war ein großes Tennisjahr! Der Djoker bricht die jahrelange Dominanz des Nadal/Federer-Gespanns und sowohl Top Spin als auch Virtua Tennis gingen innerhalb weniger Monate in die vierte Runde. Jetzt will EA die vergangenen zwölf Monate mit einem Ass aus dem Nichts entscheiden.

Kleines Tennis - jetzt groß

Grand Slam Tennis? Das war doch... richtig: Es war EAs Flirt mit Nintendos MotionPlus-Controller. Exklusiv auf Wii schlug man den Ball übers Netz - das Spiel übersetzte die Bewegungen der Remote in virtuelle Schläge. Das Ergebnis ließ allerdings zu wünschen übrig, sowohl spielerisch als auch finanziell. So scheint es jedenfalls, denn Grand Slam Tennis 2 (ab 35,97€ bei kaufen) würdigt die Nintendo-Konsole keines Blickes. EA turtelt diesmal ausschließlich mit Xbox 360 und PS3.

Der Daumen-Dreh

Auch der Dreh mit der Remote spielt kaum noch eine Rolle. Natürlich darf der Ball mit dem Schwung des "Move" über die PS3-Courts geschmettert werden, im Vordergrund steht allerdings auf beiden Konsolen die Steuerung über den rechten Analogstick: Die Bewegungen des Daumens ahmen dabei die eines Tennisarms nach - alle Schlagarten sollen

Neben Sharapova auf dem Platz? Wie glaubwürdig fühlt sich die neue Steuerung an?
Neben Sharapova auf dem Platz? Wie glaubwürdig fühlt sich die neue Steuerung an?
möglich sein, sogar die Richtung des Schlags wird so bestimmt. Kinect-Athleten müssen übrigens komplett auf eine Bewegungserkennung verzichten - und sind damit gut bedient. Schließlich bestimmen Move-Spieler die Richtung und Stärke ihrer Bälle nur leidlich genau, so dass echte taktische Ballwechsel kaum möglich sind. Lob und Stopp sind ohnehin nur durch Halten zusätzlicher Knöpfe möglich - schwach! Und weder die automatische Bewegung der lizenzierten Profis noch der alternative Zweitcontroller in der anderen Hand erhöhen die Genauigkeit.

Doch wie ruft man drei verschiedene Schlagvarianten sowie Lob und Stopp über einen Analogstick ab? Ist auch hier das Drücken bestimmter Tasten notwendig? Tatsächlich hat EA ein cleveres System ausgetüftelt, das zwischen dem einfachen Vorwärtskippen des Sticks, einer aktiven Zurück-Vor-Bewegung und dem Zurückschnappen des Sticks aus der unteren Hälfte in die Mittelstellung unterscheidet. Letzteres löst einen Slice aus. Schiebt man den Analogstick aus der unteren Hälfte in die obere, spielt man hingegen einen Top Spin und schiebt man ihn von der Mitte nach oben, schlägt man ohne Spin. Die Richtung der Stick-Bewegung bestimmt bei allen Schlägen die Schlagrichtung, weshalb der linke Stick ausschließlich fürs Laufen genutzt ist.

Das Prinzip funktioniert: Geschwindigkeit der Vorwärtsbewegungen sowie präzise Richtungseingaben entscheiden über Platzierung und Geschwindigkeit eines Balls, gute Beinarbeit ist zudem eine unverzichtbare Grundlage für genaue Schläge - im Wesentlichen fängt Grand Slam Tennis 2 die Grundlagen des Sports ein. Ganz ohne Modifikatoren kommt das System dabei nicht aus, denn während die rechte Schultertaste einen Slice zum Stopp macht, variiert die linke einen Schlag zum Lob.

Große Spieler, kleiner Platz

Gerade bei Lob und Stopp zeigen sich aber erste Schwächen: Die Spezialschläge gehen viel zu leicht von der Hand. Es braucht kein Timing oder gutes Stellungsspiel, wie es z.B. Top Spin 4 verlangt - die gezogene  Schultertaste macht fast jeden Schlag zur Raffinesse. Spätestens in solchen Momenten entpuppen sich die Ballwechsel als oberflächliche Simulation, die auf geschicktes Taktieren wenig Wert legt. Selbst schwierige Drop Volleys gelingen ohne Mühe.

Es fehlen weitere Feinheiten, die gerade die Top Spin 4-Duelle zu packenden Matches machten. Wo Top Spin z.B. zwischen einem harten und einem schwächeren, dafür aber sehr präzisen Schlag unterscheidet, zählt hier nur das rechtzeitige Aufladen der Ausholbewegung.

Grand Slam Tennis 2 ist Nadals Spiel: Hin- und Herlaufen stellt es am besten dar.
Grand Slam Tennis 2 ist Nadals Spiel: Hin- und Herlaufen stellt es am besten dar.
Die Profis laufen außerdem über weite Strecken automatisch zum Ball, wodurch einige Finessen des Stellungsspiels nahezu unmöglich sind. Man kann etwa nicht schneller zum Ball gehen, um ihn eine Idee früher übers Netz zu spielen - in Top Spin ein wichtiger Kniff.

Nicht zuletzt gelingt es kaum, den Gegner durch weite Bälle nach hinten zu drängen oder (von Stopps abgesehen) durch kurze ans Netz zu ziehen. Auch weil die Spieler im Vergleich zum Platz sehr groß erscheinen und überzogen schnell sprinten, ist es fast unmöglich, durch eine taktische Spielweise einen Angriff vorzubereiten: Stopps sind ein Kinderspiel - dafür erläuft sie der Gegner ohne Schwierigkeiten. Auch einen mit kleinem Winkel gespielten Ball erreicht man zu leicht – kann ihn aber nicht mit einem besonders präzisen Return kontern. Nachlassende Ausdauer spielt übrigens keine Rolle. So beschränkt sich Grand Slam Tennis 2 auf das trotz Einschränkungen wichtige und spannende Laufspiel, vernachlässigt andere Facetten aber sträflich.

Das Aufschlag-Ass

Muss man sich eigentlich auf die ungewöhnliche Art der Analogstick-Steuerung einstellen oder geht es auf dem herkömmlichen Tastenfeld auch bequemer? Es geht - und zwar ganz ausgezeichnet. Ganz ähnlich wie in Top Spin 4 muss man die Schusstaste möglichst zeitig gedrückt halten, bevor man sie im richtigen Moment loslässt. Das taktische Spiel wird dadurch allerdings nicht besser. Man ist nur deshalb im Vorteil, weil Prinzip und Timing

So gute Aufschläge gibt es sonst nirgendwo, weil es das Risiko beim zweiten Aufschlag einbezieht.
So gute Aufschläge gibt es sonst nirgendwo, weil das Risiko beim zweiten Aufschlag eine Rolle spielt.
leichter zu durchschauen sind und weil die Analogstick-Steuerung keine Vorteile bietet. Das Zielen über den Stick ist zwar unabhängig von der Laufbewegung, doch das Spiel zieht den Profi ohnehin so früh zum Ball, dass man sehr  zeitig zielen kann. Hier hat selbst das schwächere Virtua Tennis 4 die Nase vorn, weil Sprint und Ausholbewegung genauer aufeinander abgestimmt sein müssen.

Es gibt aber ein Element, mit dem das zweite Grand Slam Tennis mächtig auftrumpft: der Aufschlag. Obwohl man nämlich ähnlich wie in Top Spin viel zu einfach perfekte Aufschläge auf die Gegenseite knallt, lassen sich die meisten Bälle ohne übertriebene Schwierigkeiten returnieren. Besser noch: Während man sowohl in Top Spin als auch in Virtua Tennis mit spielerischer Leichtigkeit krachende zweite Aufschläge über Netz drischt, erhöht man hier das Risiko, je härter man den Ball spielt. Das kommt dem echten Tennis erfrischend nahe!

Filzige Karriereleiter

Vielleicht gibt das sogar der Karriere einen realistischen Anstrich, weil man die Kontrahenten nicht einfach... Nein. Pustekuchen. Mit Realismus hat diese Laufbahn kaum zu tun. Vielmehr bedeutet sportlicher Aufstieg die ständige Wiederholung aller vier Grand Slam-Turniere. Zwar darf man vor jedem Grand Slam an einem weiteren Wettkampf teilnehmen sowie Trainieren oder ein Showmatch austragen. Allerdings fühlen sich sowohl die glaubwürdige

Die Karriere ist das schwächste Element: Kein Match ist auf das Können des Spielers angepasst. Selbst Djokovic schlägt man in den ersten Stunden mit links.
Die Karriere ist das schwächste Element: Kein Match ist auf das Können des Spielers angepasst. Selbst Djokovic, den derzeit Besten, schlägt man in den ersten Stunden mit links.
Turnierreihenfolge bei Top Spin als auch die Arcade-Vielfalt bei Virtua Tennis dynamischer an.

Obwohl sich Grand Slam Tennis dabei grob an der Realität orientiert, erhält man nach gewonnenen Showmatches Ausrüstung, die unterschiedliche Fähigkeiten steigert. Und selbstverständlich steigert man auch im Training die Genauigkeit, Kraft, Schnelligkeit, das Netzsspiel, den Aufschlag und andere Werte. Jede Lektion trainiert zwei Fähigkeiten, falls man erfolgreich den Anweisungen John McEnroes folgt. Wohl um die Entwicklung überzogen starker Spieler zu verhindern, darf man jede Übung nur einmal ausführen - doch das ist nicht das Kernproblem der Karriere.

Der große Stolperstein ist ein absurder Schwierigkeitsgrad, denn selbst Anfänger gewinnen schon im ersten Jahr ihrer Laufbahn jedes Turnier. In den folgenden Jahren zieht die Schwierigkeit zwar langsam an, doch erfahrene Spieler werfen das Handtuch lange bevor sie gefordert werden. Es stimmt: Der selbst erstellte Profi darf sogar in Onlinepartien antreten - eine ermüdende Tortur wie diese ist ein voll ausgebildeter Athlet allerdings nicht wert! Es hilft auch nicht, dass man vor jedem Match die Länge und Anzahl der Gewinnsätze einstellen darf, wenn man ohnehin stundenlang kein Spiel (!) verliert. Ein variabler Schwierigkeitsgrad könnte ein Lösung sein, den sucht man jedoch vergebens.

Verschenkte Lizenzen?

Was nützt es da, das man nur in diesem Spiel auf dem lizenzierten Rasen von Wimbledon antreten darf, anstatt lediglich in "London" zu spielen? Und was haben die vielen Tennisgrößen, darunter Borg, Edberg, Becker oder McEnroe, in der aktuellen Karriere zu suchen? EA hätte besser daran getan, die einstigen Asse nicht als Aktive in die moderne Laufbahn einzubinden, zumal McEnroe gemeinsam mit Pat Cash auch kommentiert. Und selbst das wird nur halbherzig umgesetzt, weil das Duo ausgesprochen oberflächlich auf den Spielverlauf reagiert. Die Experten kennen nicht einmal die berühmten Filzgötter beim Namen; sie wissen weder Anektoden noch Besonderheiten zu erzählen und ihre wenigen Bemerkungen wiederholen sich schnell. Wer den Kommentar ausschaltet, erlebt das bessere Tennis-Feeling - eine verschenkte Chance.

Bedauerlich, dass sich die Legenden bis auf wenige Animationen zudem kaum unterscheiden. Lediglich die Bewegungen beim Aufschlag sowie markantes Jubeln werden originalgetreu eingefangen. In Nahaufnahmen bekommt man die Asse dafür kaum zu Gesicht, das Publikum reagiert zu verhalten und der Spannungsaufbau zwischen den Ballwechseln wird durch abrupte Bildwechsel stets unterbunden. Top Spin 4 inszenierte packendes TV-Tennis - Grand Slam Tennis 2 wirkt dagegen müde.

Am besten kommen die Stars des Sports dort zum Einsatz, wo man ihre großen Momente noch einmal erlebt. U.a. lässt man Sharapovas Wimbledon-Sieg über Serena Williams oder das US Open-Finale zwischen Borg und McEnroe aus dem Jahr 1980 Revue passieren. Meist springt man dabei in den letzten und entscheidenden Satz, kann das

Lässt man große Tennismomente Revue passieren, weht viel Tennisflair über den Centre Court.
Lässt man große Tennismomente Revue passieren, weht viel Tennisflair über den Centre Court.
Match später aber alleine oder zu zweit komplett wiederholen. In diesen Herausforderungen atmet Grand Slam Tennis 2 viel Filzluft, denn die Aufgaben sind knifflig, ohne zu überfordern.

Die fehlende Herausforderung

Eine große Stärke sind auch die Onlinematches, wenn etwa gleichstarke Spieler im Einzelspiel oder im Turnier aufeinandertreffen. Tatsächlich zeigen sich im Duell mit einem starken Gegner feine Nuancen, die im Spiel mit der KI kaum spürbar werden - das gilt natürlich auch beim Spiel vor einem Bildschirm. Kleine Ungenauigkeiten werden eine Idee stärker bestraft, die Unterschiede zwischen Slice und Top Spin treten stärker hervor. Großes Tennis ist das nie, zumal man die Entscheidungen der Linienrichter nicht monieren darf. Unverständlich: Die Challenges sind ein wichtiges Element des modernen Tennis'!

Im Gegenzug weht ein wenig Realismus über die Online-Courts von Wimbledon sowie der US, French und Australien Open, wenn man auf jedem Platz um die internationale Krone kämpft. Das ist ein gelungener Anreiz, nicht nur im separaten Ranglistenspiel sein Bestes zu geben! Schade, dass der kurze Onlinewettstreit für die meisten Couch-Asse der einzige Anreiz  sein dürfte, zum Schläger zu greifen.

Fazit

Fast scheint es, als hätte EA lange an der Steuerung dieses Top Spin Light geschraubt – und darüber vergessen, dass der Weg zum Wimbledon-Sieg ebenso wichtig ist wie das Duell auf dem Centre Court. Die Karriere mit ihrem nie auf den Spieler angepassten Schwierigkeitsgrad ist jedenfalls der schwächste Teil. Das Abspulen der knappen Turnierreihenfolge ist ermüdend und der Einsatz  ergrauter Asse in einer aktuellen Laufbahn wirkt albern. Nur im spielbaren Rückblick ihrer großen Momente kommen die Legenden zur Geltung, obwohl die Präsentation des Sports sowohl visuell als auch akustisch austauschbar wirkt. Und spielerisch? Die Simulation der Armbewegung über den rechten Analogstick ist zwar eine durchdachte Neuerung, aber über die herkömmlichen Tasten hat man schneller Vorteile. Es fehlt zudem ein wichtiges Stück taktische Selbstbestimmung, weil viel Laufarbeit automatisch erledigt wird. Auch raffinierte Aktionen wie Stopps oder Lobs gelingen wie von selbst. Im Onlinespiel entwickelt Grand Slam Tennis 2 starke Momente - dynamischer als in Virtua Tennis 4 sind die Ballwechsel allemal. Ihnen fehlt aber die taktische Klasse eines Top Spin 4.

Wertung

360

Oberflächliches Tennis mit einer absurden Karriere: Die zahlreichen Lizenzen können die fehlende spielerische Herausforderung nicht ersetzen.

PlayStation3

Oberflächliches Tennis mit einer absurden Karriere: Die zahlreichen Lizenzen können die fehlende spielerische Herausforderung nicht ersetzen.

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