Im Test: Dickschädel mit eigenem Kopf
Fast wie Fahrradfahren lernen
Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man sich zum ersten mal in die Arena von Cobalt wagt. Erfahrungen aus anderen Plattform-Prüglern sollte man vorübergehend aus dem Muskelgedächtnis löschen, denn hier funktioniert alles ganz, ganz anders. Der Feind wird nicht mit dem rechten Stick, sondern automatisch angepeilt. Damit die Automatik aktiv wird, muss ich allerdings in die Hocke gehen. Oder schleichen. Oder den Stick nach oben drücken. Oder mein kleiner Roboter startet eine Rolle vorwärts und schießt im richtigen Moment stylish in die angepeilte Richtung und stößt dabei noch ein paar feindliche Kugeln zurück. Um die Verwirrung komplett zu machen, schaltet die Action immer wieder in Zeitlupe um. Klingt seltsam, oder? Genau so fühlt es sich zu Beginn auch an, doch nach einigen mühsamen Eingewöhnungs-Runden ermöglicht die sehr eigenwillige Handhabung coole Tricks und Manöver, die für zerbröselte Gegner und angenehme Adrenalinschübe sorgen.
Verbissene Pattsituationen
So kann es vorkommen, dass ein Team unter einer kleinen Festung lauert, während das andere es von oben mit Granaten eindeckt. Wer wagt sich als nächstes durch den kleinen Tunnel am Rand und setzt geschickt seine Fähigkeiten ein? Granaten, Molotov-Cocktails & Co sind zwar tödlich und können nicht mit einer Rolle abgewehrt werden, lassen sich aber zurückboxen oder mit Gewehrkugeln ablenken. Außerdem hilft oft die Zeitlupe weiter, wenn dem eigenen Cyborg massenhaft Projektile entgegen schwirren. Sein Gehirn kann die Wahrnehmung derart verzerren, dass ihm alles ganz langsam vorkommt und er sich bequem unter dem Kugelhagel wegducken kann - oder das Chaos mit Sprüngen oder anderen akrobatischen Tricks umgeht. Aber Vorsicht: Blendgranaten setzen die "Bullet-Time" kurzzeitig außer Gefecht.
Der Reiz der Trägheit
Wer die simulierte Trägheit zu seinem Vorteil nutzen möchte, sollte sich mit den drei Grundkategorien der Attacken auseinandersetzen. Die erste sind Schläge mit Robofäusten, Eispickeln und anderen Hilfsmitteln, die zweite Fernkampfangriffe mit allerlei Pistolen, Plasma- und Sturmgewehren. Die dritte schließlich umfasst alles, was sich zum Gegner schleudern lässt, darunter die enorm nützlichen Blendgranaten, Bomben, futuristische Minen und sogar Eier, aus denen putzig flatternde Aliens schlüpfen, die als KI-Helfer prompt auf den Gegner einhacken.
Auf der Suche nach der Menschheit
Wer genug vom schnellen Multiplayer-Gemetzel hat, kann sich in den Story-Modus stürzen, in dem sich der keine Cyborg nach einem Funkspruch auf den Weg zu einer verlassenen Weltraumkolonie macht. Die Menschen haben die Station verlassen und die Sicherheitssysteme spielen verrückt, so dass ich von Wachrobotern angegriffen werde. Auch die persönliche Vorgeschichte des Helden ist rätselhaft, weil seine Erinnerungen vor dem Einsatz gelöscht wurden. Ab und zu treffe ich allerdings auf gesprächige Aliens, welche in der fremden Welt herumwuseln und mir Hinweise auf die geheimnisvollen verstreuten Artefakte geben, die es zu sammeln gibt. Leider tickern die Dialoge nur durch kleine Textboxen, so dass die Geschichte beim Kämpfen und Entdecken in den Hintergrund tritt. Die Zeichnungen der Kulissen und außerirdischen Wesen wirken wie ein stilistisches Kuddelmuddel - oder wie unser Grafiker Ingo es ausdrückte: "Ich hätte echt nicht gedacht, dass all diese unterschiedlichen Bilder aus ein und demselben Spiel stammen". Eine Art Kampfhamster z.B. hat dicke Outlines wie in einem Comic verpasst bekommen. Andere Figuren besitzen derart kleinteilig gezeichnete Gesichtszüge, dass ich spontan die Augen zusammenkniff und mich kurz näher an den Bildschirm bewegte, um zu erkennen, was nun einen Mund, die Mütze oder etwas anderes darstellen soll.
Empfindliche Freunde?
Zwischen den Kämpfen bin ich wie in einem klassischen Action-Adventure auch in Alien-Siedlungen unterwegs. Hier sollte man bloß nicht versehentlich das Feuer eröffnen, sonst wird man schnell als Feind eingestuft. Ein versehentlich gezogenes Schwert dagegen sorgt beim lokalen Händler nur für ein paar gereizte Kommentare. Seltsam allerdings,dass ich direkt vor seinen Augen gemütlich das Lager aufbrechen und ausplündern kann. Auch während der Kämpfe verlieren erlegte Widersacher jede Menge Klimperkram, Geld und seltene Objekte. Die Suche nach dem Geheimnis um die verlassene Raumstation dreht sich vor allem um Kämpfe gegen Wachroboter. Zwischendurch muss auch der richtige Weg gefunden oder ein Schloss in einem Minispiel geknackt werden, doch meist turne ich in Zeitlupe um andere Blechbüchsen herum und zerlege sie mit Fäusten und meinem anwachsenden Arsenal. Im Raumschiff können die Gliedmaßen des Cyborgs zwischendurch ein wenig aufgemotzt werden.
Fordernde Tests
Deutlich besser gefallen haben mir die vielen Herausforderungen, die sich zum Teil auch kooperativ angehen lassen. In einer davon schleiche ich mich z.B. in eine kleine verschneite Planetenbasis, um Geiseln zu befreien. Natürlich wird Cobalt hier nicht zum Schleichspiel. Trotzdem hilft es, sich ruhig heranzuarbeiten, Überwachungskameras zu deaktivieren und die Wachen dann in kurzen schnellen Überfällen zu überraschen. Außerdem lässt sich oft die Umgebung nutzen: Als ich auf einer Anhöhe einen fetten Schneeball liegen sah, schlug ich ihn entzwei, kullerte ihn vor die Tür, lockte einen Wächter durch kurzes Öffnen herbei und überrollte schließlich drei Gegner, die nicht schnell genug über die frostige Kugel hüpfen konnten.
Fazit
Wenn ich Cobalt mit einem Wort charakterisieren müsste, wäre es "seltsam". Entwickler Oxeye würfelt in seinem Jump-n-Run-Gemetzel derart viele Eigenheiten und ungewöhnliche Steuerungstechniken zusammen, dass es einige Stunden braucht, bis man sie wirklich verinnerlicht hat. Dann lassen sich in den lustigen Mehrspieler-Matches aber richtig coole Tricks abziehen und clevere Spielzüge starten. Schade, dass die Entwickler dabei ein wenig den Fokus aus den Augen verloren haben: Man kann eine Unmenge an Modi ausprobieren, Herausforderungen meistern und Belohnungen einsacken - es fehlt aber ein stringentes Fortschrittssystem, welches den Spieler motivierend durch diesen Wust leitet. Auch das Art-Design und der nur mäßig spannende Story-Modus hinterlassen einen wirren Eindruck, zumal letzterer gelegentlich unter Abstürzen leidet. Wer sich auf das Durcheinander einlässt, wird dank der sehr eigenwilligen Spielmechanik aber mit intensiven Duellen und Schießereien belohnt, die sich angenehm anders anfühlen als in den üblichen 2D-Keilereien.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Spaßiges Mehrspielergemetzel mit angenehm eigenwilligen Mechaniken. Das Design von Kampagne, Zeichnungen und Menüs wirkt allerdings ziemlich wirr.
XboxOne
Spaßiges Mehrspielergemetzel mit angenehm eigenwilligen Mechaniken. Das Design von Kampagne, Zeichnungen und Menüs wirkt allerdings ziemlich wirr.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.