Penny Arcade's On the Rain-Slick Precipice of Darkness 326.10.2012, Paul Kautz
Penny Arcade's On the Rain-Slick Precipice of Darkness 3

Im Test:

Penny Arcade: Legendärer Webcomic, Hort immer größerer Spiele(r)messen und einer bedeutenden Wohltätigkeitsorganisation, Kämpfer für Computer- und Videospieler - und mittlerweile zum dritten Mal Mittelpunkt interaktiven Vergnügens. Jetzt auch für unterwegs.

“Talk like NORMAL PEOPLE!”

Final Fantasy, Dragon Quest, Phantasy Star - Fragen? Prima. “Penny Arcade’s On The Rain-Slick Precipice Of Darkness Part Three” (das ich jetzt nicht jedes Mal ausschreiben werde!) dürfte angenehm pixelige Gefühle in all jenen wecken, die auf Mega Drive und SNES mit den klassischen 16Bit-RPGs groß geworden sind. Und auch wenn es mit den ganz Großen dieser Zeit nicht mithalten kann, ist es doch mehr als nur eine Verbeugung vor dieser Ära.

Entwickler Zeboyd Games hat mit „Cthulhu Saves the World“ und „Breath of Death VII“ bereits mehrfach bewiesen, dass klassische RPG-Tugenden zwar alt aussehen mögen, aber dennoch noch lange nicht zum Alteisen gehören. Verbindet man diese Liebe zum Pixel nun mit der geschliffenen Feder von Jerry Holkins (den PA-Leser als „Tycho“ kennen dürften), ergibt sich eine ebenso interessante wie faszinierende Kombination: Ein RPG, das 16bittiger kaum sein könnte, mit Texten, die nicht nur Steampunk und Lovecraft,

Und so sieht das Ganze aus: Pixelig, zweidimensional, farbarm - und voller Liebe.
Und so sieht das Ganze aus: Pixelig, zweidimensional, farbarm - und voller Liebe.
sondern auch die Spielebranche und natürlich auch Penny Arcade selbst zielgenau aufs Korn nehmen. Allerdings (oder vielmehr: dankbarerweise) nur auf Englisch. Zum Teil durchaus anspruchsvollem Englisch, wohlgemerkt. Und, wie der Fremdsprachler so gern sagt, „foul-mouthed“ - wem bei einem treffsicher platzierten „fuck“ bereits die Luft wegbleibt, sollte besser die Finger vom Spiel lassen. Das hier ist zwar nicht gerade The Big Lebowski , aber es wird gerne mal geflucht.

Man muss PA nicht innig kennen, um Spaß am Spiel zu haben. Aber schaden kann’s nicht. Denn nur dann versteht man, was an Dr. Raven Darktalon Blood so düster ist. Wieso Jim ein Kopf im Einmachglas ist. Wer Anne-Claire , der Fruit Fucker , der obdachlose Interplay-Entwickler oder die Broodax sind. Und wieso ein Bossgegner ein T-Rex im Maßanzug ist.

“Attack of Le Crabomanceur!”

Man muss Penny Arcade nicht kennen, um das Spiel genießen zu können, aber natürlich schadet es nicht. Denn nur so versteht man auch die fieseren Insiderwitze.
Man muss Penny Arcade nicht kennen, um das Spiel genießen zu können, aber natürlich schadet es nicht. Denn nur so versteht man auch die fieseren Insiderwitze.

Das Szenario mag ungewöhnlich sein, das Spiel ist es nicht. Wer mit dem grundsätzlichen Aufbau von östlichen 16Bit-RPGs vertraut ist, der findet sich auch hier von der ersten Sekunde an zurecht: Bis zu vier Figuren sind in der Party, die Teilnehmer werden immer wieder mal ausgewechselt. Vier Schwierigkeitsgrade bieten genug Herausforderung für jeden Spielertypen; wer sich bei der anfänglichen Wahl vertan hat, darf auch innerhalb des Spiels noch am Anspruch kurbeln. Das ist nicht die einzige sinnvolle Verbesserung im Vergleich zu den Vorbildern. Hier darf man außerhalb von Kämpfen und Cutscenes jederzeit speichern (was allerdings manuell gemacht werden muss, ein Autosave gibt es nicht) und Zufallskämpfe gibt es nicht - alle Gegner stehen deutlich sichtbar auf der Oberwelt herum. Auch nett: Verlässt eine Figur die Party dauerhaft, lässt sie an ihr genutzte Items zurück.

Das Kampfsystem ist einfach, aber interessant; das Reihenfolge-System und die verschiedenen Klassen bringen Tiefe ins Spiel.
Das Kampfsystem ist einfach, aber interessant; das Reihenfolge-System und die verschiedenen Klassen bringen Tiefe ins Spiel.
Richtig interessant wird PA3 durch zwei Dinge: das Kampfsystem und die Klassen. Ersteres ist eine Mischung aus physischen und magischen Attacken; je nach gewählter Figur und Klasse liegt der Fokus woanders. Das Ganze funktioniert im Grunde rundenbasiert, bekommt aber durch ein „Reihenfolge-System“ eine interessante hektische Echtzeit-Note. Denn alle Figuren treten nacheinander im Kampf an, wobei einige (schnellere) sich quasi auch vordrängeln können. Hat man ein Auge auf diese Querulanten und einen „Blocker“ im Team, kann man sie wieder nach hinten schubsen. Das mag am Anfang keine Rolle spielen, spätestens im letzten Spieldrittel kommt man ohne dieses notwendige Taktieren kaum noch weiter. Normale Angriffe können jederzeit ausgeführt werden, für die durchschlagskräftigeren braucht es Magiepunkte - und von denen hat man zum Rundenbeginn einen. Mit jeder neuen Runde gibt es einen weiteren dazu, so dass Abwägen gefragt ist: Nutze ich jetzt noch einen schnöden Normalangriff und hebe mir die dicken Geschütze für die nächste Runde auf, oder entfache ich jetzt schon ein kleineres Höllenfeuer? Das Schöne: Experimente werden nicht so harsch bestraft wie früher. Geht ein Partymitglied in der Hitze des Gefechts drauf, wird es nach dem Sieg der anderen automatisch wiederbelebt, alle bekommen die volle Energie zurück.

“I hate every part of what you just said.”

Das Abenteuer ist sehr linear, man wird von einem Kampf zum nächsten geschleust.
Das Abenteuer ist sehr linear, man wird von einem Kampf zum nächsten geschleust.
Kommen wir zu den Klassen: Jede Figur hat eine Grundklasse, die sich im Laufe des Spiels um zwei Zusatzklassen erweitern lässt. Normalerweise würde man jetzt etwas wie „Ninja“, „Mönch“ oder „Weißmagier“ erwarten, aber wir reden hier von Penny Arcade. Das bedeutet nicht nur die Anwesenheit des Cardboard Tube Samurai , sondern auch Klassen wie den Masochisten („With the power to attack your enemies and yourself simultaneously“) oder den Dinosorcerer („With the power to turn into big honkin’ dinosaurs“) - ja, man kann sich, genug MP vorausgesetzt, in einen verdammten T-Rex verwandeln!

Es gibt natürlich viel mehr Klassen als Partymitglieder. In jedem anderen Oldschool-Rollenspiel würde das bedeuten, dass man sich festlegen und dann mit seiner Entscheidung leben muss. Aber nicht hier: Nicht genutzte Klassen leveln automatisch mit, wenn auch etwas langsamer als aktive. Das bedeutet, dass man jederzeit wechseln kann, wenn man merkt, dass man mit einer Klasse partout nicht zurechtkommt. Neue Stufen bedeuten mehr Lebensenergie, mehr Power und natürlich neue Zaubersprüche. Und die braucht man auch, denn die Gegnerhorden sind nicht nur angriffsstark, sondern auch höchst abgefahren. U.a. bekommt man es mit Axtfischen, teuflischen Pantomimen in verschiedenen Größen (inkl. „Optimus Mime“), Denkerstatuen, überquellenden Mülltüten, brennenden Mädchen und bissigen Bilderrahmen zu tun.

Naheliegenderweise strotzt das Spiel nur so vor typischem PA-Humor.
Naheliegenderweise strotzt das Spiel nur so vor typischem PA-Humor.
Das Abenteuer ist komplett linear: Eine Mission reiht sich an die andere, abgesehen vom Eindecken mit neuen Waffen oder Items gibt es nebenher nichts zu tun. Das Ganze spielt sich über die Touch-Kontrolle nicht ganz so angenehm wie mit Tastatur oder Gamepad, lässt sich aber trotzdem ohne größere Probleme bedienen, wenn man nicht gerade am Wurstfinger-Syndrom leidet - iPad-Nutzer haben da die Nase vorn. Die Präsentation ist, soviel sollte mittlerweile durchgekommen sein, liebevoll veraltet: Dicke Pixel und wenige Farben an allen Ecken und Enden, die Animationen beschränken sich auf zwei Bewegungen, es gibt keine nennenswerten Effekte. Das ist für den Pixellover kein Problem, allerdings sind gerade einige Hintergründe hässlich verwaschen - da hat wohl jemand eine unschöne Vorliebe für den „Soften“-Pinsel. Die iOS-Version ist eine Universal-App, die auf allen Geräten in nativer Auflösung läuft, also auch Fullscreen auf dem iPad oder dem iPhone 5 - auf Letzterem werden die Fonts allerdings etwas unglücklich skaliert und wirken dadurch leicht zerfasert. Das Beste am Spiel ist wirklich der Humor: Statt „????? has joined your group“ heißt es hier mal „Anne-Claire has forced herself into your group“, statt „you search the body“ steht da „Gabe and Tycho manhandle the dearly deceased for awhile. And I mean a while. As in, TOO LONG.“ Und sowohl Waffen- als auch Gegnerbeschreibungen sind zum Teil grandios trockene Einzeiler. “Bullet Wand: Very, very similar to a gun.”

Fazit

Ich bin seit dem großen Stilwechsel vor etwa zwei Jahren nicht mehr der größte Fan von Penny Arcade, komme aber trotzdem nicht ohne aus - ein, zwei Mal pro Woche schaue ich doch noch rein; einfach, weil die Texte unverändert grandios sind. Und das ist auch eine prima Parabel aufs Spiel: Wenn man nur einen Blick drauf wirft, kann man durchaus abgestoßen sein - das pixelige, farb- und animationsarme 16Bit-Design und die düdelige Musik sind nun mal nicht jedermanns Sache. Aber darunter verbirgt sich ein echtes Juwel; klein, aber wunderbar funkelnd! Denn On The Rain-Slick Precipice of Darkness 3 ist nicht nur eine absurde Parodie von Final Fantasy & Co., sondern auch selbst ein erstaunlich gutes 16Bit-RPG: Das Kampfsystem bietet mit seinen abgefahrenen Klassen jede Menge Abwechslung (und hat trotz der Runden-Basis eine angenehm hektische Echtzeit-Würze), viele sinnvolle Verbesserungen (wie das automatische Heilen bzw. Wiederbeleben von im Kampf gefallenen Partymitgliedern, das automatische Mitleveln von ungenutzten Klassen oder die Abwesenheit von Zufallskämpfen) ziehen klassischen Frustmomenten erfolgreich den Zahn. Schade nur, dass das Abenteuer verhältnismäßig kurz ist - aber in diesen acht Stunden wird man toll unterhalten.

Pro

edle Pixel-Präsentation...
witzige Texte
einfache Steuerung
interessantes Kampfsystem
guter Umfang
durchdachte, zum Teil herrlich absurde Spieler-Klassen

Kontra

...die natürlich dezent veraltet ist
belanglose Musik
teilweise hässlich unscharfe Hintergründe
nicht viel echte Handlung
keine Puzzles, nur Kampf
sehr linear
etwas zerfaserte Fonts auf dem iPhone 5

Wertung

iPad

Zum Teil herrlich albernes Oldschool-Rollenspiel mit interessanten Ideen - leider recht kurz und linear.

iPhone

Zum Teil herrlich albernes Oldschool-Rollenspiel mit interessanten Ideen - leider recht kurz und linear.

Android

Zum Teil herrlich albernes Oldschool-Rollenspiel mit interessanten Ideen - leider recht kurz und linear.

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