Test: Face Noir (Adventure)

von Benjamin Schmädig



Face Noir (Adventure) von Daedalic
Face Noir
Entwickler:
Publisher: Daedalic
Release:
31.07.2012
Spielinfo Bilder  
Die Wirtschaftskrise als Spielidee: Die italienischen Entwickler Mad Orange bleiben zwar nicht im Heute, besinnen sich aber auf das Amerika der 30er Jahre. Als die Depression am Geldbeutel nagt, floriert die fiktive Welt des Alkohols, der harten Sprüche und blutiger Gewalt - die Welt des Film... Verzeihung: Face Noir.

Sanftes Raubein

Es ist eine Welt, in der Regenströme auf holprigen Asphalt prasseln. Nebelschwaden kriechen aus schwarzen Gullideckeln und ziehen an den verschlagenen Fenstern geschlossener Eckläden vorbei. Jazz schwingt aus kratzigen Lautsprechern. Eine Stimme
Regen, Schmutz und lange Mäntel: Der Krimi beginnt vor einer klassischen Film Noir-Kulisse.
Regen, Schmutz und lange Mäntel: Der Krimi beginnt vor einer klassischen Film Noir-Kulisse.
erzählt zu körnigen Zeichnungen von ihrem Auftrag: Sie soll eine junge Dame bei einem Techtelmechtel erwischen - Familienangelegenheiten. Die Stimme, sie gehört  Privatschnüffler Jack Maria Del Nero... und hat leider mit dem abgehalfterten alkoholsüchtigen Ex-Cop, den sie verkörpert, so viel zu tun wie Smartphones mit Drehscheiben.

Viele Stimmen passen nicht zu den Figuren dieses rauen Krimis und dem Synchronstudio fehlte offenbar auch ein Regisseur, der mit dem Plot vertraut war. So plätschern etliche Zeilen mit träger Belanglosigkeit daher, während andere an völlig unpassender Stelle Aufregung signalisieren. Die Verpackung verspricht eine "hochwertigem deutsche Sprachausgabe" - das Gegenteil ist der Fall und eine anderssprachige Fassung gibt es nicht. "Tschüs", rotzt der Polizeibeamte lustlos, aber laut zum Abschied - das geht doch nicht!

Wo ist das Rätsel?

Der Fall des schlüpfrigen Fotos dient natürlich nur als Aufhänger: Schon bald stolpert Del Nero in ein Verwirrspiel, in dem er bald selbst die Hauptrolle spielt - als Angeklagter in einem Mordfall. Die Geschichte ist unterhaltsam, stützt sich mit souveräner Selbstverständlichkeit auf die Klischees des fast namengebenden Film Noir und zeigt
Und bevor es sich der raubeinige Protagonist versieht, steht er selber im Mittelpunkt des verzwickten Plots.
Und bevor es sich der raubeinige Schnüffler versieht, steht er selber im Mittelpunkt des verzwickten Plots.
interessante Rückblicke in die Vergangenheit eines Charakters. "Nicht linear", wie der Werbetext verspricht, ist sie allerdings nicht, denn die Ereignisse werden wie auf einer schnurgerade Kette aufgezogen. Weil ich dadurch stets an das eine nächste Rätsel gebunden bin, versank ich recht schnell in einem einförmigen Rhythmus: Sobald ich wusste, was zu tun war, tat ich es und zog weiter.

Das geht schon deshalb so leicht von der Hand, weil es keine nennenswerten Kopfnüsse gibt. Tatsächlich besteht die eigentliche Herausforderung oft darin, ein Rätsel überhaupt zu finden, weil der nächste Schritt nicht schlüssig dargelegt wird. Wenn ich keinen Hinweis erhalte, spreche ich doch z.B. keine Person an, von der ich erst vor einer halben Minute alles Wichtige erfahren habe. Hier musste ich genau das tun. Und dass man durch Probieren statt durch Knobeln auf die Lösung kommen muss, darf einem Adventure nicht passieren!


Kommentare

MasterFeidn schrieb am
Ich kann eigentlich nichts mit Adventures anfangen, habe dieses Spiel nur gespielt, da es einer Zeitschrift beilag.
Ich muß sagen, die Stimmung ist prächtig. Habe das Spiel abends bei Regen gespielt und die Story ist klasse. Klar nervigen Such und Laufquest sind nervig, aber das ist bei einem Adventure nun mal so.
Die 58% passen nicht, hier würde ich Spiele wie Autobahn-Raser einordnen.
Jarnus schrieb am
Deshalb werden Adventures hier auch schonmal in boshafter Ignoranz zum PC-Spiel des Jahres gekürt. Oder aus nächster Nähe mit Gold und Platin beworfen. Achtung: Feinde, überall Point&Click-Feinde!
dafür werden hier auch in ziemlicher regelmäßigkeit adventures verrissen, die weltweit ansonsten 80%+ wertungen einfahren!
haudida_dude schrieb am
4P|T@xtchef hat geschrieben:Deshalb werden Adventures hier auch schonmal in boshafter Ignoranz zum PC-Spiel des Jahres gekürt. Oder aus nächster Nähe mit Gold und Platin beworfen. Achtung: Feinde, überall Point&Click-Feinde! :wink:
Der Vorwurf war wohl auch eher ein Schuss in den Ofen. Seit ich gelesen habe, dass Benjamin Heavy Rain zu seinen größten Enttäuschungen zählt wundert mich die Wertung auch etwas weniger. Nach etwa 6-8h Spielzeit ist Face Noir für mich definitiv zu einem Geheimtipp avanciert, vielleicht mit einem Alpha Protocol vergleichbar. Es hat paar Macken in der Bedienung und ist technisch angestaubt, bietet dafür aber eine spannende Story ganz ohne Fremdschäm-Momente und eine authentische Film Noir-Atmosphäre. Und da gibt es nicht viele Spiele ein von denen ich das sagen würde. Was die Rätsel betrifft hat bislang alles Sinn gemacht. Dass mir nicht ständig in großen Lettern vorgehalten wird was ich genau zu tun habe finde ich eher positiv, weil es realistisch ist. Aber ich gehöre auch zu den Leuten die sich bei Skyrim über den GPS-Navi-Kompass beschweren...
Wie auch immer, da liegt wohl eine Menge im Auge des Betrachters.
Jörg Luibl schrieb am
Deshalb werden Adventures hier auch schonmal in boshafter Ignoranz zum PC-Spiel des Jahres gekürt. Oder aus nächster Nähe mit Gold und Platin beworfen. Achtung: Feinde, überall Point&Click-Feinde! :wink:
HanFred schrieb am
x206hase2 hat geschrieben:Ein echter Adventure-freund liest sich die Tests mal lieber von Genreexperten!
Genau, es hat keinen Wert sich über 4P-Reviews aufzuregen. Es reicht zu wissen, dass sie hier keine Adventurefreunde testen lassen, da wohl keine im Team sind.
schrieb am