Prison Architect22.07.2016, Mathias Oertel
Prison Architect

Im Test: Knastverwaltung auf Konsolen

Vor etwa einem dreiviertel Jahr ist Introversions Prison Architect (ab 6,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) auf dem PC nach gut dreijähriger Early-Access-Phase in die finale Version übergegangen. Auf Konsole war die Vorlaufzeit deutlich kürzer: Bereits nach wenigen Monaten im Preview-Programm können nicht nur Gefängnisdirektoren mit Xbox One, sondern zusätzlich auch die mit PlayStation 4 beweisen, ob sie ihre Häftlinge im Griff haben. Wir haben den Konsolenzuchthäusern einen Testbesuch abgestattet.

Konsolen-Knackis

Die Briten von Introversion sind immer für eine Überraschung gut. Nicht nur, dass sie mit der langwierigen Entwicklung samt steter Kommunikation mit der Community quasi das Paradebeispiel für optimale Early-Access-Entwicklung abgeben. Auch die Entscheidung, ein notorisch schwer auf Konsolen zu portierendes Spielprinzip wie Aufbau-Strategie in Angriff zu nehmen, zeugt vom Selbstbewusstsein der Darwinia-Macher - auch wenn sie sich hier die Dienste der Port-Spezialisten von Double Eleven gesichert haben, die u.a. bereits Titel wie Goat Simulator, PixelJunk Shooter oder Frozen Synapse Prime für Konsole umgesetzt haben.

Beim gelegentlich nötigen Mikromanagement ist die Konsolensteuerung etwas frickelig. Ansonsten wurden die Werkzeuge gut für Pad-Steuerung optimiert.
Und abgesehen von gelegentlich fitzeliger Steuerung ist das Vorhaben gelungen: Mit etwas Eingewöhnung geht der Bau einer Haftanstalt mit Nutzung des Pads gut von der Hand. Die Zellen, Versorgungs- und Verwaltungsräume sind schnell gebaut, eingerichtet, nötige Wasser- und Strom-Infrastruktur ebenso schnell geplant  und der Wuselfaktor sorgt wie am PC dafür, dass man mitunter einfach nur Minuten auf sein Werk starrt, wenn alle Räder ineinander greifen. Das Ziel dabei ist allerdings nicht nur finanziell auf sicheren Beinen zu stehen, sondern die Gefangenen im Idealfall zu rehabilitieren und damit wieder zu verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu machen. Jedoch fängt man als Prison Architect klein an: Mit einer leeren Fläche, die man anfänglich aus drei Größen wählt. Spätere Einwirkungen wie Zufallsereignisse, Gangs oder die Option des Scheiterns können  komfortabel festgelegt werden.

Alcatraz, Santa Fu oder Blümchenpflücken?

Und ab diesem Moment hat man sämtliche Freiheit. Weiterreichende Funktionen wie Arbeit für die Inhaftierten, patrouillierende Wachen, Videokameras und vieles mehr muss erst freigeschaltet werden. Doch auch ohne die tieferen Spielebenen, die später wichtig für das Überleben von sowohl Gefangenen als auch Angestellten sind, hat man genug zu tun. Fundamente müssen geplant und gelegt werden. Mauern müssen aufgezogen, Zellen ausgewiesen und eingerichtet sowie administrative Bereiche wie Büros, aber auch Küchen, Essensräume, Krankenstationen und vieles mehr festgelegt werden. Die Sicherheit darf dabei nicht zu kurz kommen, außerdem muss man für eine adäquate Strom- und Wasserzufuhr sorgen. Und das alles mit einem knappen Budget. Zwar bekommt man für jeden aufgenommen Häftling von Vater Staat

Die Kampagne gibt einem über fünf spannende Kapitel in vielen Bereichen eine Einführung in das Leben als Gefängnisdirektor.
eine Sofortgebühr sowie eine kontinuierliche Vergütung. Doch mit mehr Inhaftierten steigen auch die Anforderungen an Küche, Personal, Sicherheit sowie die allgemeine Versorgung. Man muss ständig die Finanzen im Auge behalten. Man kann zwar auch Subventionen beantragen. Die sind aber wiederum an Bedingungen geknüpft, die erfüllt werden müssen – mitunter innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens.

Wer will, kann natürlich sofort den Sprung ins kalte Wasser wagen und nach dem Motto „Aus Schaden wird man klug“ die anfänglich sehr angenehme Lernkurve in Angriff nehmen. Allerdings muss man im Gegensatz zur PC-Version auf die aus dem Spiel heraus erreichbare Online-Wiki verzichten. In die umfangreichen und gut miteinander verzahnten Mechanismen eingeführt wird man hier einzig mit der über fünf Kapitel laufenden Kampagne – die allerdings auch nicht alle Feinheiten behandelt. Untermalt von gut gezeichneten Zwischensequenzen wird man Zeuge einer teils sehr schonungslosen Geschichte. Man nimmt an einer Hinrichtung teil, muss mit ansehen, wie eine Gefängnisrevolte zahlreiche Unschuldige das Leben kostet und erfährt am eigenen Leib, dass Resozialisierung nicht vom Zaun gebrochen werden kann – vor allem, wenn die angestellten Wachen nicht mitmachen. Die Dialoge, die leider nicht vertont und auch nicht ins Deutsche übersetzt wurden, sind gut. Introversion packt ein gehöriges Maß an Gesellschaftskritik in die Texte, ohne jedoch mit dem erhobenen Zeigefinger zu wackeln – sehr schön!

Aller Anfang ist leicht

Hier ein Verwaltungskomplex mit Leichenhalle und Krankenstation, dort ein Besucherzentrum, am anderen Ende des hoffentlich eingezäunten Geländes stehen Räume für Gefangenenarbeit, Weiterbildung und Rehabilitation zur Verfügung. Man hat schnell alles Wesentliche von den eingestellten Arbeitern aufziehen lassen - zumal es an Konsolen auch die komfortable Auswahl von bereits funktionsfähigen sowie entsprechend eingerichteten Räumlichkeiten gibt. Die ersten Gefangenen sind da. Die Wachen nehmen sie in Empfang und leiten sie in die Zellen. Und solange alles noch überschaubar ist, sprich: mit weniger als 50 Inhaftierten, ist die Welt noch in Ordnung - vor allem, wenn man die Zufallsereignisse und Knastgangs ausgeschaltet hat, die einem bei höherem Gefangenenaufkommen das Leben zur Hölle machen können. Später kommen noch viele Optionen hinzu, die vom Zuteilen von Räumen für Ausbildung bis hin zu Patrouillenwegen, dem Einteilen von Wachen für bestimmte Gebiete sowie Sicherheitszonen in verschiedenen Stufen reichen, die nur von bestimmten Gefangenen betreten werden dürfen. Und natürlich kann man auch unangekündigte Razzien zur Suche von versteckten Waffen sowie Drogen durchführen oder die Inhaftierten zwangsweise in ihre Zellen zurückführen – muss dann aber auch mit den Konsequenzen wie erhöhter Reizbarkeit und Gewaltbereitschaft leben. Keiner geht gerne in die ebenfalls mögliche Isolationshaft. Zwar muss man mitunter in den Menü-Symbolen suchen, bis man am Ziel ist, doch angesichts der komplexen Möglichkeiten, die einem in Prison Architect zur Verfügung stehen, ist die Navigation auch per Pad beinahe kinderleicht. Der Bau von neuen Zellen oder Trakten wird später ebenfalls vereinfacht: Man kann eine "Klon-Funktion" erforschen lassen, mit der sich kleine Areale 1:1 übernehmen lassen, so dass man nicht mühsam jedes Bett, jede Gittertür und jedes Klo manuell setzen muss.

Um so ein Gefängnis aus dem Boden zu stampfen, ist nicht nur viel Kapital, sondern auch vorausschauende Planung nötig.
Doch so ganz ohne Mikromanagement geht es auch als Gefängnisdirektor nicht. Vor allem, wenn es zu unvorhergesehen Ereignissen wie Bränden, Revolten oder einer unerwarteten Zahl an Neuankömmlingen kommt bzw. wenn neue Funktionen freigeschaltet werden, ist man erst mal mit viel frickeligem Navigieren beschäftigt. Das gilt auch beim Festlegen des Tagesablaufs, da man hier für die drei verschiedenen Gruppen (Inhaftierte mit geringem, normalen oder hohem Gefahrenpotenzial) unterschiedliche Einteilungen vornehmen kann. In anderen Bereichen wiederum geht  mir das Mikromanagement nicht weit genug. So kann man z.B. keine Schichten einteilen, was insofern zu Problemen führen kann, da die Angestellten auch erschöpfen und müde werden. Das Ergebnis: Entweder verlassen sie ihren Posten und gehen in den zur Verfügung gestellten Aufenthaltsraum, um die Batterien aufzuladen. Oder aber sie ruhen an Ort und Stelle aus. Bei einem Arbeiter kann das auch schon mal mitten in einer Bauphase passieren. Zudem gibt es vor allem bei den Arbeitern auch den einen oder anderen Bug: Sie stecken gerne mal in Mauern fest, was sich nur durch die Kündigung regulieren lässt oder finden partout nicht den kürzesten Weg zu ihrem Bauauftrag.

Comic mit Character

Jeder der Inhaftierten hat eine eigene Persönlichkeit - ganz im Gegensatz zu den Angestellten.
Doch abgesehen von diesen kleineren Fehlern, die zu keinem Zeitpunkt das Spiel massiv beeinflussen, und einer gewissen Routine nach dem x-ten Knastaufbau einsetzt, lässt mich Prison Architect nicht los. Man hat immer etwas zu tun. Es gibt immer etwas zu optimieren. Und die sich ständig verschiebenden Forderungen bzw. Wünsche der Gefangenen halten einen zusätzlich auf Trab. Mitunter ist es zwar unklar, wieso sie sich z.B. über das Essen beschweren, obwohl ich auf maximale Variation gestellt habe und auch die maximale Anzahl an Zutaten zulasse – obwohl dies gewaltig zu Lasten des Kontostandes geht. Doch im Großen und Ganzen sind Ursache und Wirkung sowohl bei negativen als auch positiven Erlebnissen nachvollziehbar und plausibel. Ein weiterer Faktor, der sich positiv auf die Motivation auswirkt, ist das audiovisuelle Design. Scheppernde Gittertüren, klappernde Schlüsselbunde, murmelnde Gefangene, Funkdurchsagen der Wächter: Alles sorgt für eine stimmige Sounduntermalung, die nachlässt, je weiter man herauszoomt.

Das comichafte und irgendwie an reduzierte South-Park-Figuren angelehnte Charakterdesign, das wunderbar zum klar strukturierten Blockbau der Umgebung passt, kann sich ebenfalls sehen lassen. Obwohl die Figuren nur aus wenigen stilisierten Segmenten bestehen, haben sie Charakter. Zudem lässt sich für jeden Inhaftierten eine Biografie einsehen, in der nicht nur seine bisherigen Straftaten aufgeführt sind, sondern ggf. auch ein Psychoprofil oder eine Übersicht über das Verhalten im Gefängnis gefunden werden können. Schade ist allerdings, dass diese Biografien nicht für die Angestellten zur Verfügung stehen. So wachsen einem die Knackis mehr ans Herz als die Wärter, Köche usw., die durch die fehlende Persönlichkeit austauschbar und im Fall von Revolten zu leicht ersetzbarem Kanonenfutter werden.

Die Kehrseite der Medaille fehlt

Der Wuselfaktor ist hoch!
Auf den Fluchtmodus der PC-Version wurde auf den Konsolen verzichtet  - und eine Option, den 3D-Modus der PC-Fassung auch auf One oder PS4 zu aktivieren, habe ich ebenfalls noch nicht gefunden. Dennoch braucht man nicht nur auf "Freies Spiel" oder die Story zurückgreifen. Denn zum einen gibt es den so genannten "Warden-Modus": Hier stehen zehn bereits fertige Gefängnisse zur Verfügung, in denen man bestimmte Aufgaben erfüllen muss, bevor man nach eigenem Gutdünken schalten und walten kann.

Und als Ersatz für den auf Konsolen natürlich nicht verfügbaren Steam Workshop gibt es hier die "World of Wardens" als Tauschbörse für Gefängnisse. Sortier- und Suchfunktionen könnten zwar mehr Varianten oder Verknüpfungen anbieten, doch es gibt zahlreiche Haftanstalten, in denen man sich für seine eigenen Gefängnisse Ideen holen kann oder in denen man schlichtweg tun und lassen kann, was man will. Allerdings ist das Ganze mit einer Konto-Erstellung bei Double Eleven verknüpft, so dass all jene, die ihre Mail-Daten nur ungern teilen, vor verschlossenen Zellentüren stehen.

Fazit

Allen Vorbehalten zum Trotz liefert Prison Architect den Beweis ab, dass Aufbau-Strategie mit einer durchdachten Steuerung auch auf Konsolen funktionieren kann. Im Detail ist man zwar weder so schnell noch so genau wie mit der Maus-/Tastatur-Variante am Rechner, was angesichts des mitunter nötigen, manchmal aber nicht weit genug gehenden Mikromanagements frickelig werden kann. Doch nach kurzer Eingewöhnung hat man den Ausbau seiner Strafanstalt und die Resozialisierung der Inhaftierten im Griff. Tiefgang und Anforderungsprofil sind variabel einstellbar – wer es nicht so stressig mag, schaltet z.B. die zufälligen Ereignisse einfach aus und konzentriert sich auf Gefangene mit niedriger Sicherheitsstufe. Doch auch dann gibt es viel zu beachten, wenn man Sicherheit und Kontostand nicht gefährden will. Zum Glück wird die Kampagne nicht nur genutzt, um eine spannende Geschichte zu erzählen, sondern auch, um als umfangreiches Tutorial auf den Sandkasten-Modus vorzubereiten. Bemerkenswert: Jeder Gefangene hat seine eigene Biografie. Schade ist allerdings, dass die Angestellten, die einem eher am Herzen liegen sollten, namenloses Kanonenfutter sind. Und dass für den Austausch von Gefängnissen ein seperates Benutzerkonto zwingend erforderlich. Doch unterm Strich bietet Prison Architect auch auf PS4 und One richtig gute, fordernde sowie abwechslungsreiche Unterhaltung.

Pro

enorm hoher Wuselfaktor
superstylisches Artdesign
glaubwürdige Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung
gut erzählte Kampagne über fünf Kapitel
Warden-Modus mit zehn fertigen Strafanstalten
ordentliche Planungstools, die gut an Pad-Steuerung angepasst wurden
Inhaftierte mit Persönlichkeit
starke Gefängnis-Atmosphäre
stimmige Akustik
zufällige Ereignisse halten einen auf Trab
Wahl des Direktors mit Vor- und Nachteilen (freies Spiel)
World of Wardens bietet haufenweise neue Karten

Kontra

bei großen Karten mit vielen Gefangenen gelegentlich Bildratenprobleme
kleinere Bugs
Angestellte sind austauschbar und "Wegwerfware"
mitunter viel Mikromanagement nötig
keine Schichten einteilbar
World of Wardens nur mit gesondertem Nutzerkonto erreichbar
Konsolensteuerung im Detail etwas frickelig

Wertung

XboxOne

Trotz leichter Abstriche bei der Steuerung zeigt Prison Architect, dass sich spannende Aufbau-Strategie und Konsolen nicht ausschließen müssen.

PlayStation4

Trotz leichter Abstriche bei der Steuerung zeigt Prison Architect, dass sich spannende Aufbau-Strategie und Konsolen nicht ausschließen müssen.

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