Im Test:
Fantasy-Bestseller im Rollenspielpelz
Auf den ersten Blick verströmt dieses Game of Thrones (ab 14,95€ bei kaufen) das Flair eines epischen Rollenspiels: Zwar kann man nur die zwei vorgefertigten Charaktere Mors Westford und Alester Sarwick durch die turbulenten Ereignisse des Jahres 298 führen, aber diese lassen sich recht ausführlich hinsichtlich der Stärken, Schwächen sowie Fähigkeiten anpassen. Sie gewinnen Erfahrung, steigen auf und können individuell ausgerüstet werden, wobei jede Waffe und Panzerung vom Stiefel bis zum Helm angezeigt wird. Das Artdesign ist zwar bei weitem nicht so prägnant wie in The Witcher 2, aber es fängt den mittelalterlichen Stil der Serie über die Kleidung gut ein. Und wenn man im Schneegestöber vor der knapp zwei Kilometer hohen Mauer steht, kommt Stimmung auf. In Schulterperspektive bewegt man seinen Charakter durch die Schwarze Festung, während man die Kamera nach Belieben dreht.
Man beginnt das erste Kapitel also überaus neugierig mit dem bärbeißigen Mors, der seit 15 Jahren bei der Nachtwache dient. Er muss sich zunächst um feige Deserteure und
Wer die Welt von George R.R. Martin strategisch erleben will, sollte zum offiziellen Brettspiel in zweiter Edition greifen, das die politischen Intrigen sehr gut inszeniert. Wir haben es im Rahmen unserer Brettspieltipps besprochen. Wildlinge im hohen Norden kümmern, bevor ihn die Story in brisantere Ereignisse verstrickt. Was hat er mit der Hand des Königs zu tun? Wer war er, bevor er zur Mauer ging? Im zweiten Kapitel schlüpft man dann viel weiter im Süden in die Rolle von Alester, der als junger Lord vor ebenso vielen Jahren seine Heimat Flussrath verließ und gerade als Roter Priester aus dem Exil zurückkehrt. Sein kürzlich verstorbener Vater hat allerdings ein Wespennest hinterlassen: Die Bevölkerung rebelliert und die Nachfolge wird zur familiären Zerreißprobe, obwohl er der älteste Sohn ist – da hilft nur ein Besuch am Königshof. Das Schöne ist: Es gibt keine typischen Quets à la „Töte zehn Ratten“ oder „Hol zehn Kräuter aus dem Wald“, denn alles ist erzählerisch inspiriert.
Zwei Charaktere, zwei Perspektiven
Hört sich gut an? Hört sich theoretisch sogar klasse an, fast wie bei einer Pen&Paper-Charaktererschaffung! Aber das ist praktisch alles irrelevanter Murks an der Oberfläche, nichts als vielleicht gut gemeintes, aber letztlich rein statistisches Blendwerk. All diese Fähigkeiten wirken sich nur darauf aus, wie effizient Alester und Mors kämpfen – und selbst dort nur marginal, denn über die mächtigen Boni der Rüstungen und Waffen lässt sich alles ausgleichen oder ignorieren. Warum soll ich mich um die Ausdauer kümmern, die u.a. Lebenskraft erhöht, wenn ein schnöder Schild oder ein Kettenhemd dasselbe bringt? „Paranoid“ heißt im Klartext: Die Trefferquote sinkt um zehn Prozent ab drei Feinden. „Intelligenz“ bringt Preisnachlässe und mehr Kampfpunkte. Es gibt z.B. weder ausführlichere Dialoge oder gar mehr Antworten bei erhöhter Intelligenz noch bessere Schleichwerte oder gar spezielle Ausweichmanöver bei toller Gewandtheit. Es werden einfach ein paar Zahlen verändert, was sich kaum auf der Erlebnis mit Mors oder Alester auswirkt. Dort stehen die schwachen Gefechte gegen dumme Feinde im Vordergrund.
Kämpfe mit Zeitlupenplanung
Unter den Befehlen sind neben einfachen Hieben, Heil- und Gifttränken sowohl defensive als auch offensive Spezialangriffe, die allerdings zusätzliche Energie verbrauchen. Mit diesen kann man z.B. gezielt die Aktionen des Feindes durchbrechen, ihn verspotten, betäuben oder effektive Kombinationen einleiten: Den Gegner als Mors erst mit dem Hund entwaffnen, ihn dann zu Boden schlagen und mit einem gezielten Treffer den Garaus machen. Als Alester kann man Feinde in Brand stecken und dieses Feuer noch beschleunigen oder gar zur Flächenexplosion eskalieren lassen. Diese Pseudomagie des Roten Priesters ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber effizient.
Zu wenig Taktik, zu wenig Übersicht
Das hört sich gut an, aber praktisch ist das Kampfsystem weder Fisch noch Fleisch. Zum einen fällt es angesichts der schlechten Übersicht schwer, die richtigen Konterbefehle für die Gegner zu finden, so dass sie situative Spannung verloren geht. Aber letztlich reicht meist die schnöde Verkettung eigener Angriffe ohne große taktische Überlegungen, um auf dem normalen der drei Schwierigkeitsgrade siegreich zu sein. Eine wenigstens rudimentäre Cleverness der Feinde? Nicht vorhanden! Auch das System von unterschiedlichen Trefferauswirkungen bei leichter, mittlerer sowie schwerer Rüstung, ist zunächst lobenswert: Immerhin gibt es für alles eine passende Waffe. Aber letztlich ist das nur ein Statistikblender. Wenn man die Schadensquote z.B. über die Stärke erhöht, kommt man
Zum anderen sieht es lächerlich aus, wenn man als Bogenschütze direkt vor dem Feind in die Knie geht, um ihn zu treffen. Mal abgesehen davon, dass Alester nach einem Angriffsbefehl auch noch automatisch (!) zwei, drei Meter gen Feind trabt, bevor er den Pfeil von der Sehne lässt – wie lächerlich ist das denn? Man kann überhaupt keinen Vorteil aus der Distanz gewinnen, deshalb rate ich trotz der Möglichkeit eines zweiten Waffensets von der Wahl eines Schützen bei Alester dringend ab; man sollte ihn als Nahkämpfer spielen. Aber nicht nur der Fernkampf sieht albern aus: Auch die allgemeine Kampfchoreografie wirkt alles andere als authentisch, wenn lange Stangenwaffen und kurze Messer nahezu identisch eingesetzt werden. Man kommt also weder als Rundentaktiker noch als Fan mittelalterlicher Schwertkämpfe auf seine Kosten, zumal die KI nicht nur grenzdebile Manöver einleitet, sondern später nicht nur bei Sicht, sondern auch auf Patrouille gerne tote Kameraden ignoriert. So kann man sich natürlich primitiv vorwärts metzeln - die Schleichabschnitte mit Mors sind ein Witz.
Das spielerisch Besondere an Mors ist ja, dass er die übersinnliche Fähigkeit der Geistwanderung besitzt – so kann er in den Körper seines Hundes fahren und aus dessen Perspektive die Welt erkunden. Als Vierbeiner kann man in Egosicht die Fährte verschollener Bewohner aufnehmen oder sich optimal an Wachen vorbei schleichen. Aber das wird so billig inszeniert, dass von Stealth-Action keine Rede sein kann: Man folgt gelber, grüner oder blauer Fährte, um Zielpersonen oder Schätze zu finden, bellt dann sein Herrchen herbei oder zerfleischt voll gepanzerte Wachen, indem man mehrmals einen Knopf drückt. Die liegen dann tot herum und werden auch noch von ihren Kameraden ignoriert - von Geräuschen und Spuren fange ich gar nicht erst an.
Enges Korsett ohne Freiheiten
Immerhin kann man in der Rolle des Roten Priesters eine Rebellion auf mehrere Arten unterdrücken. Hier deutet das Spiel an, was möglich gewesen wäre, wenn man sich mehr auf die Kommunikation statt den Kampf konzentriert oder es sogar komplett als Adventure designt hätte. Indem man sich beide Seiten des Konfliktes anhört und dann urteilt, kann man sich wenigstens etwas in die Rolle des künftigen Lords hinein versetzen. Allerdings wird das in der simplen Dialogführung so offensichtlich gemacht, dass man kaum ins Grübeln kommt – zumal nahezu jeder gewählte Weg ans Ziel führt.
Schön ist, dass man ab und zu in laufende Gespräche hinein horchen kann. So erfährt man mehr über aktuelle Geschehnisse oder politische Ansichten oder einfach nur regionales Geläster. Aber man kann kaum mal irgendwo einhaken und ein Gespräch abseits der vorgegebenen Questlinien führen – oder gar eine Quest aufschnappen. So beschränkt sich die Interaktion oft auf kaufen und verkaufen bei Händlern. Dort werden von Beginn an
Ansehnliche Architektur ohne Leben
Die zu Beginn ansehnliche Kulisse, die vor allem architektonisch überzeugt, mutiert im Laufe der Zeit immer mehr zur lieblosen Oberfläche. Es fehlen trotz der begrenzten Areale an allen Ecken und Enden die lebendigen Kleinigkeiten, sowohl grafisch als auch inhaltlich – man muss nur mal parallel The Witcher 2 anschauen, um den großen Unterschied in der Inszenierung zu erkennen, die hier in einer sterilen Hauptstadt gipfelt. Es mangelt nicht nur an einer prächtigen Visualisierung des geschäftigen Treibens in den Gassen, sondern auch an authentischer Atmosphäre. Es gibt zu oft unglaubwürdige Situationen, die sowohl die Story als auch das Spielprinzip ad absurdum führen.
Der Nachtwache fehlt das Geld für die Ausrüstung, aber man kann es einfach so in den Fluren aufsammeln? Die Leute betteln vor Armut in King’s Landing, aber das Geld liegt auf der Straße? Die Stadtwache schaut einfach zu, wenn es offene Kämpfe in den Gassen gibt? Man dringt in eine Burg ein, es gibt Sichtkontakt, aber nix passiert? Eine Falltür geht erst auf, wenn man alle Feinde besiegt hat? So entsteht übrigens nicht nur eine Situation, die nah an einer Sackgasse ist, wenn man einen Kampf nicht besteht.
Im Bann der Spinne
Das Spiel hat auch seine Momente. Als ich in der Rolle von Ser Alester in einem düsteren Flur des Red Keep mit Lord Varys diskutiere, macht dieses Abenteuer für einen Augenblick richtig Spaß. Der Dialog ist zum einen endlich mal etwas ausführlicher, strukturell verschachtelter sowie besser intoniert als die bisherigen Gespräche. Außerdem bekomme ich danach den Wesenszug „Nostalgisch“, der mir was bringt? Einen zusätzlichen Kampfpunkt pro Stufe – oh Mann. Aber zum anderen ist es für mich als Leser der Bücher einfach interessant, diesen geheimnisvollen Mann zu treffen, der die intriganten Fäden hinter den Mauern von King’s Landing spinnt. Es ist die Neugier auf die Charaktere der Romane, die mich weiter voran treibt, obwohl das Rollenspiel selbst leider hinter den Erwartungen zurück bleibt.
Die Frage der Übersetzung
Das ist zwar kein wertungsrelevanter Kritikpunkt an diesem Spiel, aber man muss sich auch hier auf „Lennister“ statt „Lannister“, auf „Struppel“ statt „Shaggydog“, auf „Graufreud“ statt „Greyjoy“ einlassen. Die Fernsehproduktion von HBO liefert aber nicht nur die textliche, sondern auch die stilistische Vorlage für dieses Rollenspiel. Im Hintergrund sorgt z.B. die wuchtige Titelmelodie von Ramin Djawadi (Fluch der Karibik) für Stimmung. Und deshalb sieht der bärbeißige Lord Commander der Nachtwache, Jeor Mormont, genauso hünenhaft aus wie der Schauspieler James Cosmo ihn darstellt. Er gehört in einem sehr durchwachsen synchronisierten, völlig lippenasynchronen und teilweise schlichtweg albern klingenden Abenteuer, noch zu den besten Charakteren.
Zu den Highlights gehört also dieses Gespräch mit Varys. Nicht nur, weil er sehr gut getroffen wurde und mich angenehm verschwörerisch ausfragt, sondern weil ich tatsächlich mit meiner Figur Alester in den geheimen Gängen des Red Keep unterwegs bin. In diesem Kapitel kann man ein Gefühl für die labyrinthische Parallelwelt bekommen, ein Symbol für die politischen Intrigen am Königshof. Leider wird man auch hier spielerisch in den Gängen nicht gefordert und völlig plump vor die Königin gebracht. Plötzlich steht man als Eindringling vor Cersei Lannister und muss sie von seinen Absichten überzeugen. Und das wird unheimlich schlecht inszeniert. Spätestens dort verliert selbst der treueste Leser die Lust auf weitere Peinlichkeiten. Was sagte ein Entwickler von Cyanide noch auf dem Vorschau-Event? Sein Vorbild sei Planescape Torment? Und George R.R. Martin, der Schöpfer der Romanwelt, habe an Textzeilen und Details mitgefeilt? Oh Mann…
Schrecklich simple Dialoge
Hinzu kommen schwere Bugs: Es kann z.B. passieren, dass man eine Quest mit Mors nicht vollenden kann, weil beim Levelübergang zum Zielort aus einer Frau, die man beschützen soll, genau der Mann wird, der sie verfolgt. Hört sich blöd an, ist aber so – plötzlich hat man den Jäger in der Gruppe und kann die laufende Aufgabe nicht beenden. Selbst nach mehrmaligem Laden des Autosaves passierte immer dasselbe: Frau weg, Mann da, Quest nicht abschließbar. Erst nach einem Neustart der Konsole und erneutem Laden eines früheren Spielstandes war es möglich, die Quest ohne Wechselbalg abzuschließen. Gut, dass man mehrere Spielstände anlegen kann.
Fazit
Was für ein Reinfall! Dieses Abenteuer hat zwar seine Momente, wenn man mit interessanten Charakteren wie einem Lord Varys spricht, den man aus den Büchern kennt. Zu Beginn hat man noch richtig Lust, wenn es an der Mauer stimmungsvoll schneit und mit dem Lord Commander einer der wenigen gut synchronisierten Figuren spricht. Aber sobald eine Cersei Lannister auftritt und sich wie eine dumme Gans bequasseln lässt, könnte man über die primitiven Gespräche fluchen. Sobald Wachen in Stealth-Abschnitten ihre gerade zerfleischten Kollegen übersehen, könnte man schreien. Überhaupt dieser kantige Pitbull, der sich mal eben durch Plattenpanzer beißt! Dann die lächerlichen Fernkampfsituationen! Wer hat denn da Regie geführt? Das Spielerlebnis wird immer wieder von diesen Schwächen getrübt. Hinzu kommen Grafikfehler und teilweise schwere Bugs, die man nur mit Neuladen umgehen kann. Ich habe mich als begeisterter Leser der Romane richtig auf dieses Abenteuer gefreut. Und als die Entwickler auf meine Nachfrage zur Vorschau noch verkündeten, dass sie sich Planescape Torment zum Vorbild nehmen, war ich so erleichtert, dass ich direkt nochmal mit Morte losgezogen bin. Wie konnte ich nur so naiv sein? Ja, Architektur und Kleidung sind gelungen. Ja, man kann Kleinigkeiten des Spielverlaufs beeinflussen und es gibt in beiden Storysträngen erzählerische Wendungen. Aber jetzt ist nur noch Ärger übrig, denn dieses viel zu actionreiche, viel zu oberflächliche Abenteuer hat nicht nur eines der schlechtesten Kampfsysteme der letzten Jahre, sondern wird dieser großartigen Serie hinsichtlich der plumpen Dialogführung sowie komplett unglaubwürdiger Situationen einfach nicht gerecht. Das macht mich richtig sauer, denn gerade aus dieser hervorragenden mittelalterlichen Fantasywelt hätte man ein großartiges Rollenspiel machen können.
PS: Wie das besser geht, demonstriert das Pen&Paper-Regelwerk von Robert J. Schwalb, das bei Green Ronin erschienen ist. Damit könnt ihr weitaus authentischer und stimmungsvoller durch die Sieben Königreiche streifen.
Pro
Kontra
Wertung
360
Das hat diese hervorragende Fantasy-Welt nicht verdient: Ein primitiver Actiontrip im Rollenspielpelz.
PlayStation3
Schwaches Kampfsystem, dumme KI, technische Probleme, kaum Freiheiten sowie unglaubwürdige Situationen - Finger weg!
PC
Was für ein Reinfall! Dieses Abenteuer hat zwar seine Momente für Romanleser, aber viel zu viele spielerische Schwächen.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.