Tony Hawk's Pro Skater HD18.07.2012, Paul Kautz
Tony Hawk's Pro Skater HD

Im Test:

Kaum ein Sportler hat in seinem jungen Leben schon so viel Auf und Ab erleben müssen wie Tony Hawk. Dabei geht’s nicht um die athletischen Errungenschaften, denn in da bleibt der Birdman auf alle Zeiten legendär. Nein, es geht ausschließlich um die Spiele mit seinem Konterfei: Die wandelten sich von "Besser geht’s kaum!" zu "Ungenießbarer Murks!" Welches Extrem wird diesmal erreicht?

Alles wird gut

Wirklich. Ich weiß es. Denn ich starte Tony Hawk’s Pro Skater HD und als Erstes schallt mir "Superman" von Goldfinger entgegen. Nach all dem Hickhack um den Soundtrack und den vielen damit verbundenen Wehlauten ist das ein deutliches Ausrufezeichen: Das hier ist Tony Hawk’s Pro Skater wie ihr es kennt und liebt, ihr nostalgischen Säcke!

Allerdings, und da fand die Lizenzgerangelfreude der Entwickler wohl ihre Grenze, sind nicht alle geliebten Songs drin. Das Spiel ist ein Best-of der beiden ersten Teile, in denen sich zusammengerechnet immerhin 26 Ska-, Punk-, Metal- und Hip-Hop-Tracks von Dead Kennedys über Suicidal Tendencies und Rage Against the Machine bis hin zu Unsane fanden. Die schlechte Nachricht: Von denen haben es gerade mal sieben ins neue Spiel geschafft. Die gute Nachricht: Das sind sieben der besten! Anthrax, Goldfinger, Powerman 5000, Millencolin oder Bad Religion sorgen für erfreut zuckende Fußgelenke. Die beste Nachricht: Die sieben neuen Songs (u.a. von Pigeon John, Lateef The Truthspeaker, Apex Manor oder Telekinesis) gehen ebenfalls sehr gut ab und passen super zum Spiel!

Tony Hawk - The Next Generation

Die sieben Levels entspringen den ersten beiden TH-Spielen - das Layout ist gleich geblieben, das Ganze wurde nur aufgehübscht.
Die sieben Levels entspringen den ersten beiden TH-Spielen - das Layout ist gleich geblieben, das Ganze wurde nur aufgehübscht.
Wie gesagt: Best-of. Was so viel bedeutet wie "Nicht alles, aber das Beste davon". Fangen wir mit den Skatern an: Von der alten Bande sind nur Tony Hawk, Rodney Mullen, Eric Koston und Andrew Reynolds übrig geblieben - deren Polygonfiguren sichtbar an Alter gewonnen haben. Dem gegenüber steht die neue Skater-Generation: Zum einen Jungspunde wie Jake Harrison, Nyjah Huston oder Riley Hawk (Tonys Sohn), zum anderen Trophäensammler wie Chris Cole. Und auch die Frauenfraktion kommt nicht zu kurz, Emily Westlund und Lyn-Z Adams Hawkins Pastrana sei Dank (die Elissa Steamer ersetzen). Es gibt auch Bonusfiguren wie Officer Dick, aber das fröhlichste Extra ist die Nutzung des eigenen Avatars. Okay, er ist im Vergleich zu den anderen Skatern etwas groß geraten, wodurch es aussieht, als sei er aufm Fingerboard unterwegs - aber der Spaß ist trotzdem groß. Ganz der Tradition früherer Spiele entsprechend muss die Karriere für jeden Skater einzeln durchgespielt werden.

Leider gibt es keinen Skater-Editor mehr. Dafür darf man aber mit seinem Avatar loslegen.
Leider gibt es keinen Skater-Editor mehr. Dafür darf man aber mit seinem Avatar loslegen.
Das sollte allerdings grundsätzlich nicht allzu lang dauern, denn sie besteht nur aus sieben Levels. Und wer mit den Originalen vertraut ist, dürfte auch wenig Probleme damit haben, die bekannten Aufgaben (vom Erreichen bestimmter Punktzahlen über das Sammeln von SKATE bis hin zum Ollie über schlafende Saufbrüder) zu meistern - wie gewohnt hat man dafür pro Lauf zwei Minuten Zeit. Sowie dankbarerweise allzeit den in THPS2 eingeführten Manual, auch wenn leider auf den aus Teil 3 bekannten Revert verzichtet wurde. Profis, die alle Abschnitte ratzfatz zu 100% meistern, werden sich darüber freuen, dass dadurch die so genannten "Projectives" freigeschaltet werden - irre schwere Aufgaben, an denen sich auch die härtesten Gamepadkurbler die Zähne ausbeißen dürften.

Ein paar Vertreter der alten Skatergarde (hier: Rodney Mullen) sind ebenso dabei wie neue Gesichter.
Ein paar Vertreter der alten Skatergarde (hier: Rodney Mullen) sind ebenso dabei wie neue Gesichter.
Auch bei der Auswahl der Levels haben sich die Entwickler auf Fan-Favoriten beschränkt: Vom Warehouse über Venice Beach und die Mall bis Downhill Jam und Marseille ist alles drin, was Freude bereitet. Wer mit dem Spielsystem nicht ganz so vertraut ist, dürfte allerdings schnell an Grenzen stoßen. Denn das Freischalten der Levels ist an das Erfüllen von Aufgaben in der vorherigen Stage geknüpft. Wenn man also mal in einem Level partout nicht weiter kommen sollte, dann wird der nächste nicht freigeschaltet. Immerhin kommen einem die Entwickler einen Schritt entgegen: Ruft man das Pausen-Menü auf, zeigt einem eine Übersichtskarte die groben Positionen aller Einzelaufgaben an. Einen Editor gibt es allerdings nicht.

Sportliche Zombies

Neben der Karriere darf man sich auch weitere Modi gönnen, allerdings immer schön nach Skatern getrennt. Einzelsession, Fun-Skaten, Hawkman und Kürbiskopf-Überleben.

Die Steuerung geht einfach von der Hand, es sind viele Tricks möglich.
Die Steuerung geht einfach von der Hand, es sind viele Tricks möglich.
Die ersten beiden dürften selbsterklärend sein, die anderen beiden sollen kurz beleuchtet werden: In "Hawkman" sammelt man wie Pac-Man farbige Perlen ein, idealerweise alle auf einmal - gut, um Kombo-Linien zu lernen, aber sonst ziemlich belanglos. "Kürbiskopf-Überleben" ist da schon deutlich interessanter: Von der ersten Sekunde an wächst der Kopf des Skaters bedrohlich an, sind 100 Prozent erreicht, macht es PAFF! und ein bunter Konfettiregen schwebt herab. Um das zu vermeiden, muss man so lang wie möglich immer ausgefeiltere Tricks auf den Asphalt legen. Gemeisterte Modi bringen mehr virtuelles Geld, wofür man sich bessere Skater-Werte, frische Boards (jetzt ohne Achsen- oder Rollen-Einstellungen) oder zusätzliche Spezialtricks kaufen kann. Und wer seiner Meinung nach einen irrsinnig beeindruckenden Score erbrettert hat, kann diesen auch direkt aus dem Spiel heraus auf Facebook veröffentlichen.

Einige meiner schönsten Erinnerungen an die frühen Tony Hawks verbinde ich mit dem lokalen LOSER: Zwei Skater treten nacheinander an, einer legt einen Trick vor, ein anderen muss diesen punktmäßig überbieten. Versagt er, gibt es einen Buchstaben eines vorher definierten Wortes. Standardmäßig war das SKATE, bei uns ging es immer darum, nicht zum BOHLEN zu werden.

Die Aufgabenstellungen entsprechen den alten Spielen: Man hat zwei Minuten Zeit, um Buchstaben oder DVD zu finden und Highscores in unterschiedlicher Höhe zu erreichen.
Die Aufgabenstellungen entsprechen den alten Spielen: Man hat zwei Minuten Zeit, um Buchstaben oder DVD zu finden und Highscores in unterschiedlicher Höhe zu erreichen.
Das wird mir jetzt aber nicht passieren, denn Tony Hawk’s Pro Skater HD enthält weder einen lokalen noch den LOSER-Modus. Es darf nur online gegeneinander gerollert werden; im Trick-Turnier, beim Graffiti, dem Fun-Skaten oder der Kürbiskopf-Elimination. Und zwar bis zu vier Spieler hoch. Das Ganze funktioniert problem- und über weite Teile auch laglos. Aber trotzdem: Kein LOSER?

Technisch ist das Ganze... nun... es sieht zumindest besser aus als das 13 Jahre alte Original. Aber schön ist definitiv anders: Die Levels sind vom Aufbau her wie früher, nur mit mehr Details, besseren Texturen und schöneren Effekte aufgehübscht. Und gelegentlich (wie in Downhill Jam) deutlich düsterer. Die Skater erinnern zum Teil immer noch an sportliche Zombies, haben eine spaßige, aber nicht unbedingt realistische Physik und stehen etwas zu weit im Bild - gelegentlich wünscht man sich mehr Level-Übersicht, aber freie Kamera-Platzierung ist leider nicht gestattet. Das Ganze läuft grundsätzlich flüssig, aber nicht mit 60fps - gelegentlich spürt man deutlich, wie die Framerate einen Absacker macht.

Fazit

"Adieu, Tony Hawk - so schnell sehen wir uns nicht wieder!" – das war mein Abschlusssatz im Fazit des Tests von Tony Hawk: Ride. Und mein Abschied von der Reihe. Das war der Tiefpunkt, der Bodensatz, das Betteln nach dem Gnadenschuss. Ganz ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass sich der einst so ruhmreiche Name davon jemals wieder erholen kann. Denke ich übrigens auch heute nicht. Denn so spaßig Tony Hawk’s Pro Skater HD auch ist, so deutlich macht es, dass die Reihe am unterhaltsamsten ist, wenn sie sich auf den reinen Skate- und Trick-Spaß beschränkt. Das hat natürlich den Nachteil, dass es in erster Linie für die Leute gedacht ist, die schöne Erinnerungen an durchgespielte PSone-, Dreamcast- oder N64-Nächte haben. Mit entsprechend nostalgisch gefärbter Brille macht das auch heute noch einen Riesenspaß: Das ist Skaten pur, ohne Gebäudekletterei, ohne Jackass-Blödsinn, ohne sinnlose Autos oder nicht funktionierende Skate-Hardware. Setzt man allerdings die Gläser der Realität auf, stellt man schnell fest, dass man vor einem hässlichen Spiel voller veralteter oder zumindest fragwürdiger Designentscheidungen sitzt, in dem man nur online und nicht lokal gegeneinander antreten darf. Was mir aber immer noch tausend Mal lieber ist, als ein neues RIDE oder Proving Ground.

Pro

konsequentes Oldschool-Skaten
hilfreiche Kartenansicht
toller Soundtrack
einfache Steuerung
motivierende Karriere
unterhaltsame Mehrspielermodi

Kontra

veraltete Präsentation
teilweise merkwürdige Physik-Engine
zuckelige Avatar-Animationen
gelegentliche Übersichtsprobleme
beengendes Freischaltsystem
instabile Framerate
kein lokaler Mehrspielermodus, kein Splitscreen, kein LOSER
kein Editor

Wertung

360

Eine willkommene Reise zurück in die Zeit, als der Name »Tony Hawk« noch für Spielequalität stand. Allerdings hat der Zahn der Zeit deutliche Spuren hinterlassen.

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