THW-Simulator 201227.04.2012, Mourad Zarrouk
THW-Simulator 2012

Im Test:

Generationen von Wehrdienstleistenden wussten das Technische Hilfswerk (THW) als „Langzeitalternative“ zu schätzen. Wer dem nachtrauert, der erlebt mit dem THW-Simulator sein blaues Wunder.

Mädchen für alles

Die blauen Fahrzeuge des THW wird jeder schon einmal gesehen haben. Sie kommen bei Überschwemmungen, Großbränden zur Unterstützung der Feuerwehr oder auch  Sturmschäden zum Einsatz. Mit so einem eher unspektakulären Ereignis beginnt mein Abenteuer: Ein Sturmtief hat an einer Straße Bäume entwurzelt, die bereits in handlichere Stücke zersägt wurden. Diese müssen nun von der Straße geschoben werden. Ein Sprecher weist mich in die einzelnen Teilaufgaben ein. Anschließend klappere ich mit dem  Einsatzleiter einige Wegpunkte ab und begutachte den  Ort. Schließlich gilt es den Fuhrpark zu bewegen.

Ein Bergungsräumgerät, ein Lastwagen (KAT-1) und der Gerätekraftwagen (GKW I) wollen nacheinander zum Ziel chauffiert werden – immerhin ist der Weg nicht weit. Jetzt müssen sämtliche Einsatzkräfte mit Warnwesten ausgestattet werden. Dazu klicke ich jeden der etwa sechs Hansel an, laufe mit ihnen zum GKW und klicke dort auf das entsprechende Symbol - das ist nicht wirklich spannend. Anschließend muss der Einsatzort abgesichert werden. Dazu rüste ich per Mausklick eine beliebige Einsatzkraft mit Pylonen und eine mit Warnbaken aus. Überflüssigerweise muss ich nacheinander mit beiden einzeln zur vorgegebenen Position latschen und dort an der jeweiligen Stelle klicken. Schließlich darf ich mit den eigentlichen Räumungsarbeiten beginnen. Die verlaufen, wie für Alltagssimulationen üblich, recht monoton und versprühen den Charme von Telearbeit. Nach einer Weile ist die Straße freigeräumt und der Sprecher teilt mir mit, dass die Aufgabe damit erledigt sei und der Rest nicht mehr in die Zuständigkeit des THW fiele.

Fluten und andere Katastrophen

Zählt zu den Höhepunkten: Die Arbeit mit dem Kran und er anschließende Boot-Einsatz.
Zählt zu den Höhepunkten: Die Arbeit mit dem Kran und der anschließende Boot-Einsatz.
Die folgenden Einsätze gestalten sich schon etwas spannender: Da muss ein Steg zu einem von der Flut bedrohten Altenheim gelegt werden oder es müssen Flutopfer per Mehrzweckarbeitsboot von Dächern, Bäumen und Ampeln aufgelesen werden. Auch die statische Absicherung eines durch eine Gasexplosion stark beschädigten Hauses gehört als Amtshilfe für die Feuerwehr zu den Aufgaben des THW. Das hört sich auch alles recht spannend an, doch drei Dinge trüben den Spielspaß merklich. Erstens: Die Vorbereitung des Einsatzes läuft immer nach demselben Schema-F ab. Das mag realistisch sein, aber es nervt, wenn ich jedes mal einzeln mit einem Hansel zur einen Ecke der Straße laufen muss (Pylonen) und anschließend zur anderen - und dann das Ganze nochmal mit einem anderen wegen der Warnbaken. Zweitens: Ich „baue“ auch nicht wirklich etwas. Vielmehr bereite ich alles vor, klicke dann auf bestimmte Objekte und anschließend an die vorgegebene Stelle an der  diese positioniert werden sollen. Das hat mit dem kreativen Prozess des „Bauens“ nichts zu tun. Drittens: Die Physik ist fehlerhaft. Insbesondere bei Einsätzen, wo ich per Radlader mit Stapleraufsatz Gegenstände auf Paletten von einem LKW abladen und an eine andere Stelle verfrachten soll, ist mir des Öfteren die Hutschnur geplatzt. Der Raum zum Rangieren ist häufig sehr begrenzt, die Steuerung sehr träge, da kann es nicht angehen, dass eine Bordsteinkante meinen tonnenschweren Radlader derart zum Hüpfen bringt, dass die mühsam aufgenommene Ladung anschließend wie ein Tischtennisball von dem Stapleraufsatz hüpft. Das geht gar nicht! Es ist auch schon vorgekommen, dass sich  der Koloss dabei derartig verkeilt hat, dass er in Ermangelung einer „Rückstelltaste“ nicht mehr zu verwenden war! Zwar kann ich per F12  Aufgaben  „überspringen“ und so den Einsatz doch noch zum Abschluss bringen, aber das kann ja nicht im Sinne des Erfinders sein.

Licht und Schatten

In der Galerie erfährt man viel Wissenswertes über den THW.
In der Galerie erfährt man viel Wissenswertes über das THW.
Glücklicherweise kommt der Radlader nicht immer zum Einsatz. Einsätze mit dem Boot leiden z.B. nicht an den Physikaussetzern. Auch die Bedienung des Ladekrans am LKW funktioniert tadellos und gehört zu den Höhepunkten. Ein großes Übungsgelände lädt zudem zum Üben und zum freien Spiel ein, wenn die zehn Einsätze absolviert sind, auch das ist lobenswert. Zudem erfahre ich in der Galerie allerhand Wissenswertes über die Geschichte und Gegenwart des THW plus Details zu den Einsatzfahrzeugen. Grafik und Sound liegen über dem Standard für Alltagssimulationen. Bedauerlicherweise gibt es keine Auswertung der Einsätze, so dass ein Ranglisten-Spiel nach Schnelligkeit oder Effizienz nicht möglich ist; ein Mehrspieler-Teil fehlt.

Fazit

Mit Crenetic betritt ein neues Entwicklerstudio im Markt der Alltagssimulationen die Bühne. Gelungenes Debüt? Schwer zu sagen. Einerseits treiben mich die häufigen Physikaussetzer und die träge Steuerung des Radladers zur Weißglut, andererseits hat dieses Spiel (eine Simulation ist es nicht) durchaus seine Momente und nimmt sich des Themas auch angemessen an. Das Aufgabenfeld des THW wird recht umfassend abgebildet, es wird viel Hintergrundwissen vermittelt. Sogar optisch kann man im Vergleich zu anderen Spielen in diesem Sub-Genre durchaus punkten. Wetterwechsel sowie Dämmerungs- und Tageszenarien sind an Bord. Personen können zudem nicht einfach „durchfahren“ werden wie sonst in Spielen dieser Art üblich. Ok, dass sie unbeirrt stehenbleiben wie zur Salzsäule erstarrt und tonnenschweren Einsatzfahrzeugen trotzen ist allerdings auch nicht sehr glaubwürdig. Es gibt sogar eine vernünftige Sprachausgabe und das ist schon fast eine kleine Revolution in diesem Genre. Mit korrekter Physik wäre der Einstand rundum gelungen und die Wertung wäre auch deutlich höher ausgefallen. So bleibt es, was es ist: Ein - abgesehen von der mangelhaften Physik - recht solider Einstand. Etwas für Menschen mit Geduld und Interesse an der Arbeit des THW.

Wertung

PC

Die Arbeit des THW wird anschaulich inszeniert - wenn nur die Physikaussetzer nicht wären!

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