Deadlight31.07.2012, Jan Wöbbeking
Deadlight

Im Test:

Einfach mal den Blick schweifen lassen. Inne halten und die rauchenden Überreste von dem begutachten, was noch vor wenigen Jahren ein pulsierendes Industriezentrum war. In  kaum einem Spiel hatte ich bislang so häufig Lust darauf, einfach mal stehen zu bleiben. Der Grund dafür ist der markante Kontrast: Die Schatten im Vordergrund erinnern an Limbo, doch dahinter bricht die Sonne durch die Wolken und taucht die Trümmerwüste in ein stimmungsvolles Licht.

Blick in eine bessere Vergangenheit

Klettern können die "Schatten" nicht. Wenn es zu viele werden, sollte man sie zu einem Auto locken und über ihre Köpfe hinweg springen.
Klettern können die "Schatten" nicht. Wenn es zu viele werden, kann man sie zu einem Auto locken und über ihre Köpfe hinweg springen.

Der Kontrast wirkt wie eine Metapher: Im düsteren Vordergrund wehre ich mich gegen zig Zombies, während die Welt dahinter wie eine Erinnerung an bessere Zeiten aussieht. Spielerisch lässt es der XBLA-Exklusivtitel ruhiger angehen als der Großteil der Survival-Konkurrenz. Beim frisch gegründeten Entwickler Tequila Works aus Madrid haben sich unter anderem ehemalige Entwickler von Castlevania: Lords of Shadow und Diablo III  zusammengefunden, um ihre bleiarme Vision der Zombie-Apokalypse umzusetzen. Auf meinem Trip durch die Trümmer bin ich oft ohne Waffe unterwegs. Wenn ich einen Revolver oder eine Schrotflinte finde, muss ich gut haushalten und jede Kugel einzeln mit dem linken Schulterknopf in die Trommel schieben.

Meist ist die es aber ohnehin die beste Idee, die hirntoten Heerscharen abzulenken und über ihre Köpfe hinweg in Sicherheit zu springen. Im Kern ist Deadlight (ab 11,99€ bei kaufen) nämlich ein klassisches Rätselspiel wie Another World oder Limbo. Die Welt hinter den Schatten ist nur ein Design-Element: Wie in einem klassischen 2D-Spiel kann ich nur nach links und rechts laufen oder springen. Anders verhält es sich bei den Zombies, welche hier passenderweise Schatten genannt werden. Sie  lauern oft auch im Hintergrund und schlurfen nach vorne, sobald ich ihre Aufmerksamkeit errege. Alles, was pechschwarz dargestellt wird, kann ich erreichen: Fußböden, Plattformen, Untote. Dazwischen gibt es allerlei Leitern, von Überlebenden gebaute Fallen, Generatoren und andere Dinge, welche ich geschickt manipulieren muss. Im Gegensatz zu den Castlevania-Ablegern für GBA und DS kann ich aber keine großen Areale erforschen oder Upgrades anhäufen. Stattdessen erstrecken sich die Rätsel immer über einen oder wenige Bildschirme.

Bedrohliches Szenario

Dieser Schuss war keine gute Idee: Wenn ein Untoter alleine angreift, sollte man die knappe Munition sparen und die Axt auspacken.
Dieser Schuss war keine gute Idee: Wenn ein Untoter alleine angreift, sollte man die knappe Munition sparen und die Axt auspacken. Gezielt wird beim Schießen übrigens mit dem rechten Stick und der kleinen roten Markierung.

Mein Alter Ego ist Randall Wayne, ein grummeliger Naturbursche mit Vollbart, Mitte Vierzig, aus einem verschlafenen Örtchen in Kanada. Sein Tagebuch gibt mir Auskunft über die Vorgeschichte der Tragödie: Der Titel spielt während der nuklearen Bedrohung in den Achtziger Jahren. Nach einem Bombenangriff auf Polen und Gerüchten über einen Chemieunfall breitet sich ein mysteriöse Virus über die komplette Welt aus. Im Kampf um schwindende Ressourcen werden auch die Vereinigten Staaten von ein paar Bomben getroffen.

Die wenigen noch nicht infizierten Menschen machen sich auf nach Seattle, denn dort soll es einem Gerücht nach einen letzten sicheren Hafen geben. Obwohl Pessimist Randall nicht wirklich daran glaubt, macht auch er sich auf in die Metropole. In den Wirren des Ausbruchs sind seine Frau und seine Tochter geflüchtet. Auf der Suche nach ihnen trifft er immer wieder auf Überlebende. Dazu gehören sein Kumpel Ben aus Kanada und diverse Überlebende, welche beim Kampf gegen die Untoten zusammenarbeiten.

Das letzte sichere Fleckchen?

Hier sieht die Sache schon anders aus: Wenn die komplette Meute zubeißt, geht es zurück zum letzten Checkpoint.
Hier sieht die Sache schon anders aus: Wenn die komplette Meute zubeißt, geht es zurück zum letzten Checkpoint.

Die Reise beginnt mit einer Exekution. Nachdem Randall ein infiziertes Gruppenmitglied in den Kopf geschossen hat, lockt das Geschrei seiner schockierten Freunde Untote an. Um sie abzulenken, trennt sich die Gruppe und Randall ist wieder auf sich alleine gestellt. Ich schlüpfe in seine Rolle und mache mich auf den Weg zum angeblich sicheren Stadion. Auf dem Weg dorthin finde ich immer wieder persönliche Gegenstände von verstorbenen oder geflohenen Anwohnern. Ausweise, Briefe und andere Kleinigkeiten erzählen die Geschichte hinter den zertrümmerten Kulissen.

Die letzten überlebenden Bewohner sind mir leider nicht alle freundlich gesinnt. In der Stadt scheint es eine marodierendes Guerilla-Grüppchen mit dem Namen „Das neue Gesetz“ zu geben, welche andere Überlebenden schikaniert. Ebenfalls mysteriös ist der Greis mit dem Namen „Die Ratte“. Der Obdachlose lebte bereits vor der Katastrophe unter der Erde und hat sich dort ein Labyrinth aus Fallen angelegt. Seltsamerweise lässt er nicht nur Infizierte, sondern auch mich den tödlichen Parcours passieren, während er mein Vorankommen mit erstaunlich sanfter Stimme und selbst erdachten Weisheiten kommentiert.

Tödliches Labyrinth

Was für ein Ausblick: Im Zentrum von Seattle kommt der beleuchtete Hintergrund besonders gut zur Geltung.
Was für ein Ausblick: Im Zentrum von Seattle kommt der hell erleuchtete Hintergrund besonders gut zur Geltung.

Das Bezwingen seiner Todesfallen ist einer der unterhaltsamsten Elemente des Spiels. Mal pfeife ich einen wankenden Untoten herbei, damit er für mich in die Falle tappt. Zack – schon hat ihn ein schwungvoll nach vorne zischendes, mit Stacheln präpariertes Brett erwischt. Während es zurück klappt, sprinte ich unbeschadet durch die Gefahrenzone. Danach ist Timing gefragt: Um nicht aufgespießt zu werden, schliddere ich einen Abhang nur zur Hälfte hinunter, hüpfe über zwei Stachel-Reihen und rolle so ab, dass die nächsten Fallen mich nicht mehr erwischen.

Als hilfreich erweist sich auch die Steinschleuder, welche „Die Ratte“ mir ausgehändigt hat. Mit ihr löse ich z.B. die Alarmanlage eines Autos aus. Das heulende Fahrzeug lockt wie in Dead Nation die humpelnden Untoten an, während ich über ihre Köpfe hinweg in Sicherheit springe. An anderer Stelle muss ich mit dem Revolver kleine Schlösser aufschießen. Cool ist auch das Rätsel, bei dem ich einem Trupp von Angreifern mit Hilfe hydraulischer Maschinen den Weg abzuschneide, während ein zweites Grüppchen in eine unter Strom gesetzte Pfütze läuft.

Ungleicher Überlebenskampf

Peitschende Regengüsse, Traumsequenzen und der ruhige Soundtrack erzeugen eine angenehm ungemütliche Endzeitstimmung.
Peitschende Regengüsse, Traumsequenzen und der ruhige Soundtrack erzeugen eine angenehm ungemütliche Endzeitstimmung.

Wenn sich Gewalt nicht umgehen lässt, sind zeitlich exakt platzierte Hiebe nötig. Der Kampf mit einer Axt ist einfach gestrickt, doch da die Schatten unterschiedlich schnell auf mich zu wanken, wird es trotzdem herausfordernd. Ein Moment zu früh und der Schlag zischt ins Leere. Während Randal sich kurz wieder fängt, hat der Angreifer genug Zeit ihm an die Kehle zu gehen und einen Energiepunkt zu stehlen. Jetzt ist schnelles Hämmern auf B gefragt, damit er sich losreißt.

Dann noch zwei Hiebe, ein Stoß und der Zombie liegt am Boden. Zum Abschluss halte ich die B-Taste gedrückt um ihm den Rest zu geben. Randall holt weit aus, befreit den Gegner von seinem Kopf und damit auch von seinem Leiden. Erst nach diesem Finisher bewegen sich erledigte Schatten nicht mehr. Wer nicht gründlich genug zuschlägt, muss sich also mit einer Armee torkelnder Stehaufmännchen herumärgern. Während der ganzen Aktion muss ich natürlich peinlich genau darauf achten, ob aus dem Hintergrund angelockte Gegner herbei strömen. Wenn mich mehrere Exemplare gleichzeitig umarmen, sterbe ich sofort. Dann geht es zurück an den letzten der meist fair verteilten Checkpoints. Außerdem muss ich ein Auge auf die Ausdauer behalten, schließlich ist Randall ziemlich schnell aus der Puste. Manchmal sorgen die Schatten übrigens für unfreiwillige Slapstick-Einlagen: Ab und zu laufen sie selbst für Zombies zu abgehackt durch den Hintergrund – oder zappeln wild in der Falle.

Gefährlicher Zeitdruck

Der Überlebende "Die Ratte" hat sich unter der Erde ein Labyrinth aus tödlichen Fallen eingerichtet.
Der Überlebende "Die Ratte" hat sich unter der Erde ein Labyrinth aus tödlichen Fallen eingerichtet.

Nervig wird es bei den Verfolgungsjagden in der zweiten Spielhälfte. Hier funkt manchmal die etwas zu träge Steuerung dazwischen. Beim Überwinden eines Zauns muss ich exakt Randalls Animationsphasen abwarten, damit ich mit dem richtigen Timing die Leiter hinauf klettere, mich hinüber schwinge nach rechts ausrichte und dann abspringe. Ein falscher Knopfdruck oder ein zu weit nach oben gedrückter Analogstick wird sofort mit dem Tod bestraft.

Manche Situationen musste ich sogar rund zehnmal angehen, bis ich endlich alle Trial&Error-Sequenzen auswendig kannte und den rettenden Checkpoint in der Zeit erreichte. Okay, Randall ist nicht mehr der Jüngste, aber etwas flotter könnte er die Leitern schon hochklettern, wenn unter ihm ein Grüppchen Zombies nach seinen Füßen grabscht. Im Jahr 2012 sollte sich die Handhabung ruhig etwas stärker vom alten Prince of Persia abheben.

Unfreiwillige Pausen

-	Statt einer kompletten Lokalisation gibt es nur deutsche Untertitel. Die englischen Stimmen passen aber bestens zu Randall & Co.
Statt einer kompletten Lokalisation gibt es nur deutsche Untertitel. Die englischen Stimmen passen aber bestens zu Randall & Co.

Dank einiger kniffliger Situationen in der zweiten Hälfte gibt es eine ordentliche Spielzeit. Die Stoppuhr im Menü zeigte lediglich 2:45 Stunden an, doch da ich viele Szenen gleich mehrmals anging, saß ich gut sieben Stunden am Spiel. In einigen Bestenlisten lässt sich die eigene Leistung online vergleichen. Viel Zeit und Geduld kostet leider auch der Ladebildschirm, welcher bei jedem Scheitern erst einmal rund zehn Sekunden nachlädt.

Manchmal bin ich auch mit anderen Überlebenden unterwegs und muss mit ihnen zusammenarbeiten. Meine über dem Abgrund baumelnde Begleiterin ziehe ich z.B. auf das rettende Dach. Kurz danach krabbelt sie durch eine schmale Lücke und öffnet die Tür für mich von innen. Auch in solchen Momenten übernehme ich aber immer nur die Kontrolle über Randall. Die meiste Zeit über bin ich ohnehin auf mich allein gestellt. Einen Koop-Modus oder andere Mehrspieler-Varianten gibt es übrigens nicht.

Fazit

Respekt an Tequila Works: Schon mit ihrem ersten Titel beweisen die Spanier, dass man auch ein abgegriffenes Thema wie die Zombie-Apokalypse erfrischend anders inszenieren kann. Der Mix aus Schatten und gleißenden Hintergründen sieht richtig klasse aus. Auch der schwermütige Soundtrack und Randalls surreale Traumsequenzen passen gut zur Geschichte um versprengte Grüppchen von Überlebenden. Spielerisch bleiben die Spanier zwar konservativ und orientieren sich an Klassikern wie Another World oder Limbo – gerade deswegen hat mich der gelungene Mix aus Rätseln und knackigen Kämpfen aber sehr gut unterhalten. Gestört haben mich nur die etwas zu träge Steuerung, die häufigen Ladepausen sowie die Verfolgungsjagden unter Zeitdruck. Einer der stimmungsvollsten XBLA-Titel des Jahres!

Pro

kreativer Licht- und Schatten-Stil
glaubhaft inszenierte Zombie-Apokalypse
stimmungsvolle Wetter-Kapriolen im Hintergrund
motivierende klassische Rätsel-Action
Waffen- und Munitionsmangel sorgt für Spannung
unterhaltsame Story
unheimliche Traumsequenzen
schwermütiger Soundtrack
gute englische Synchronisation
interessante Fundstücke hauchen der Welt Leben ein

Kontra

nervige Verfolgungsjagden unter Zeitdruck
Steuerung etwas zu schwerfällig
Ladepause nach jedem Scheitern
manche Zombies leiden unter Animationsfehlern
deutsche Sprache nur in Untertiteln

Wertung

360

Ein stimmungsvolles Licht- und Schatten-Design, klassische Rätsel und Munitionsmangel machen Deadlight zu einem spannenden Überlebenskampf.

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