Jet Set Radio13.09.2012, Michael Krosta
Jet Set Radio

Im Test:

Jet Set Radio (ab 7,98€ bei kaufen) gilt als einer der Vorreiter, der der Verwendung von Cel-Shading-Techniken in Videospielen zum Durchbruch verholfen hat. Dem stylischen Comic-Look ist es auch zu verdanken, dass die abgedrehte Mischung aus Inliner-Funsport und Sprüh-Action selbst heute noch klasse aussieht, obwohl die Dreamcast-Konsole schon lange ausgemustert ist. Trotzdem hat Sega dem Klassiker für das Comeback auf 360 und PS3 eine HD-Frischzellenkur spendiert. Hat sich der Aufwand gelohnt?

Zurück in Tokyo-to

Inhaltlich ist man dem Original treu geblieben: Im fiktiven Tokyo-to kämpfen Graffiti-Gangs in drei Bezirken um die Vorherrschaft, die alle an das reale Tokio angelehnt sind. Die von Liebeskummer geplagten Love Shockers treiben sich im Shoppingviertel Shibuya herum, während die nachtaktiven Noise Tanks in ihrem Roboter-Outfit die Straßen und Gebäude von Benten mit ihren Sprühdosen verschönern. Die Horrorfilm-Fans von Poison Jam bilden die dritte Fraktion, die den Krogane-Bezirk als Heimat auserkoren hat und mit Furcht erregenden Masken auftritt. Klar, dass jede Gang ihr Einflussgebiet vergrößern möchte und deshalb auch in fremden Territorien die eigenen Graffiti-Tags verteilt.

Der Spieler schlüpft in die Rolle des 15-jährigen Beat, dem Anführer der GGs (Graffiti Gang/Gangsters). Und weil so ganz alleine eine Gang ihrer Bezeichnung nicht unbedingt gerecht wird, werden in den ersten Tutorial-Abschnitten mit Gum und Tab die ersten Mitglieder rekrutiert. Später schließen sich weitere Graffiti-Spezialisten der Truppe an, falls man ihre Herausforderungen annimmt und deren Parcour-Vorlagen erfolgreich imitiert. Jeder der Skater unterscheidet sich in den Bereichen Kraft, Graffiti und Stunts.

Auf der Flucht

Sobald man sprühen kann, erscheint ein Icon.
Sobald man sprühen kann, erscheint ein Icon.
Die meiste Zeit ist man auf seinen Inlinern in den drei Bezirken unterwegs, um unter Zeitdruck alle vorgegebenen Wände mit eigenen Graffitis zu besprühen und damit die Konkurrenz zu vertreiben. Dazu fährt man einfach an die mit Pfeilen markierten Stellen, drückt den linken Trigger und meistert den folgenden Reaktionstest, bei dem man den linken Analogstick den Piktogrammen entsprechend bewegt. Leider hält sich die Abwechslung hier in Grenzen, denn die Bewegungen laufen immer nach dem gleichen Prinzip ab. Sind sie verinnerlicht, entwickelt sich aber mit der Zeit ein gewisser Flow für Kombinationen, der das Punktekonto nach oben schnellen lässt.

Bevor man loslegen darf, müssen erst Sprühdosen gefunden werden, die überall in der Gegend herumliegen und kurze Zeit nach dem Einsammeln wieder erscheinen - für Nachschub ist also gesorgt. Allerdings ist nicht jeder glücklich über diese Art der kunstvollen Stadtverschönerung: Polizeichef Onishima hat es sich auf die Fahnen geschrieben, jeden einzelnen der Vandalen hinter Gitter zu bringen und greift auf der Jagd nach ihnen wie ein wilder Cowboy zum Revolver. Damit nicht genug, denn zum einen stehen ihm SWAT-Teams mit Tränengas zur Seite und zum anderen greift sogar die Armee mit Fallschirmjägern sowie schwerem Geschütz wie Panzern in den Bandenkrieg ein.

Steuerungsprobleme

Beat ist der AAnführer der GGs.
Beat ist der Anführer der GGs.
Entsprechend sollte man die Gesundheitsanzeige immer im Auge behalten, wenn man mit Schlagstöcken vermöbelt oder von Bleikugeln durchlöchert wird. Das Aufsammeln von Heilsprays ersetzt den Besuch im Krankenhaus, während blaue Behälter gleich fünf Sprühdosen beinhalten. Neben dem Sprayen ist auch die Skate-Mechanik simpel ausgefallen: Mit dem rechten Trigger gibt man Extraschub und auf Knopfdruck wird gesprungen. Stunts werden dabei automatisch ausgeführt - man muss also keine großartigen Kombos lernen. Zudem kann man auf allen möglichen Geländern, Rutschen und anderen beeigneten Objekten grinden. Auch hier reicht ein einfacher Sprung und schon greift eine Automatik - eine manuelle Gewichtsverlagerung gibt es nicht.     

Alterserscheinungen

Im Editor lassen sich auch eigene Muster erstellen.
Im Editor lassen sich auch eigene Muster erstellen.
Trotzdem ist es nicht einfach, präzise durch die Stadt zu skaten, denn die schwammige Steuerung macht dem Vorhaben für gezielte Sprünge meist einen Strich durch die Rechnung. Mir kommt sie im HD-Remake sogar noch etwas ungenauer vor als beim Dreamcast-Original. Dazu gesellt sich eine chaotische Kamera, die immer wieder für Orientierungsprobleme sorgt, da sie bei manuellen Schwenks ständig an Objekten hängen bleibt und beim Grinden plötzlich starr hinter der Spielfigur verharrt. Sega hätte gut daran getan, sich dieser Problematik zu widmen. Das Spielgefühl hätte schon allein davon profitiert, auch während dem Schlittern über Geländer die manuelle Kamera beizubehalten. Leider hat man die Chance nicht genutzt, um den Titel in diesen Bereichen zu modernisieren, so dass man ihm sein Alter noch deutlicher anmerkt.

Gelungene HD-Anpassung

Wo geht's hin?
An manchen Stellen wird man nicht verfolgt und kann durchatmen.
Hinsichtlich der HD-Optimierung hat man sich dagegen richtig Mühe gegeben: Die höhere Auflösung und die 16:9-Darstellung werten die Cel Shading-Optik deutlich auf,  während gleichzeitig Störfaktoren wie die auffälligen Pop-ups oder Kantenflimmern entfernt bzw. minimiert wurden. Auch beim Sound wurde Hand angelegt, denn statt den leicht verrauschten Samples des Originals dröhnen die Dialoge und der coole Soundtrack von DJ Professor K glasklar aus den Lautsprechern. Die starke Mischung aus Hip Hop, Funk, J-Pop und Elektro hat es immer noch in sich und passt perfekt zur Arcade-Action auf dem Bildschirm.

Leider hat man es auch beim HD-Remake versäumt, dem Spiel einen Onlinemodus zu spendieren, obwohl er sich sicher angeboten hätte. Wäre es nicht cool, wenn Gags im direkten Sprüh-Schlagabtausch gegeneinander antreten könnten? So bleibt es bei Bestenlisten im PSN und auf Xbox Live. Immerhin darf man auch hier wie beim Original eigene Spray-Vorlagen mit Hilfe eines Editors erstellen.

Fazit

Sega hat sich auf den ersten Blick Mühe mit der HD-Umsetzung von Jet Set Radio gegeben: Die Cel Shading-Kulisse ist dank der höheren Auflösung und Breitbild-Darstellung noch eine Spur schicker, zumal alte Probleme wie Pop-ups und Kantenflimmern nahezu beseitigt wurden. Daneben hat man die Soundqualität verbessert, so dass Dialoge und die coolen Musiktracks noch klarer durch die Boxen dröhnen. Doch leider wurde versäumt, neben der Technik auch die Spielmechanik aufzupolieren: Die ungenaue Steuerung sorgt im Zusammenspiel mit der grausigen Kamera immer wieder für Frust. Warum hat man die Probleme mit den Objekten nicht gelöst? Auch die eintönigen Schauplätze und die immer gleichen Aufgaben ernüchtern. Ja, Jet Set Radio hat seinen Beitrag in der Videospielgeschichte geleistet, Cel Shading salonfähig gemacht und die japanische Kreativität hinsichtlich ungewöhnlicher Spielkonzepte untermauert. Doch die Faszination von damals ist mittlerweile verschwunden, der Pionier-Bonus verpufft und die Spielmechanik überholt. Es reicht nicht mehr, HD-Remakes nur technisch aufzubohren. Stattdessen sollte man auch die Chance ergreifen, Elemente wie Steuerung oder Kamera im Rahmen der Modernisierung zu verbessern. Das hat Sega hier leider nicht geschafft. 

Pro

coole Cel-Shading-Optik
stimmungsvoller Elektro-Soundtrack
Spielfiguren mit verschiedenen Stärken & Schwächen
abgedrehtes Spieldesign
gelungene HD-Modernisierung
Graffiti-Editor
(Online-)Bestenlisten

Kontra

Kameraprobleme
ungenaue Steuerung
kein Online-/Mehrspielermodus
wenige Areale
auf Dauer etwas zu eintönig

Wertung

360

Technisch eine klasse HD-Portierung, doch hinsichtlich der bockigen Spielmechanik merkt man Jet Set Radio sein Alter leider an.

PlayStation3

Technisch eine klasse HD-Portierung, doch hinsichtlich der bockigen Spielmechanik merkt man Jet Set Radio sein Alter leider an.

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