Fuel Overdose21.12.2012, Michael Krosta
Fuel Overdose

Im Test:

Hach, was war das früher schön: Ein paar Leute eingeladen, den Vierspieler-Adapter an die PlayStation geklemmt - und schon wurde bei Micro Machines oder Supersonic Racers gejauchzt, geflucht oder schadenfroh gekichert. Runde für Runde war es die reine Freude, die kleinen Flitzer über die phantasievollen Kurse zu dirigieren und die Konkurrenz zu verblasen. Kann Fuel Overdose von i-Friqiya die alte Faszination neu entfachen?

Die Rennen der Zukunft

Das Grundprinzip erinnert an die Klassiker: Aus einer leichten Iso-Ansicht inklusive dynamisch schwenkender und zoomender Kamera jage ich mit den kleinen Automodellen über die Pisten, die vom fiktiven Sportwagen über Pick-Ups bis hin zu mächtigen Trucks reichen. Doch mit Fahrkünsten alleine ist es nicht getan, denn in der zerstörten Endzeit-Welt von Fuel Overdose regieren die Waffen. Entsprechend ist jedes Fahrzeug mit einem MG, zielsuchenden Raketen und Minen ausgestattet, wobei man jederzeit zwischen den drei Systemen wechseln kann. Dauerfeuer-Naturen sollten sich aber zähmen, denn die Munition ist begrenzt und kann erst nach den Rennen gegen Geld aufgestockt werden. Zusätzlich lässt sich die hart verdiente Kohle in den Waffenausbau oder Fahrzeug-Upgrades wie bessere Reifen investieren. Auf der Strecke sollte man  auch die Augen nach Bomben offen halten, die an vereinzelten Abschnitten positioniert werden und sich per Fernzünder auslösen lassen, sobald sie von einem Cursor markiert werden.

Und schon hat es wieder gekracht!
Doppelter Schock: Zum einen der Angriff, zum anderen die Präsentation.
Neben den Waffen verfügen die Boliden über einen Greifhaken: Mit ihm schnappt man sich nicht nur voraus fahrende Wagen und zieht sich im wahrsten Sinne des Wortes an ihnen vorbei. Man kann die Verbindung auch dazu nutzen, dem Gegner im Schlepptau einen fiesen Stromschlag zu verpassen, indem man eine Taste gedrückt hält, während die beiden Fahrzeuge miteinander verbunden sind. Aber Vorsicht: Mit dem richtigen Timing kann der Angriff gekontert werden. In manchen Kurven darf man sogar den Fliehkräften ein Schnippchen schlagen, indem man sich in die dort aufgestellten Pfosten einhakt und mit Schwung durch die Kehre hindurch schleudert.

Um sich Angriffen zu erwehren, aktiviert man eine Schildfunktion, die das Fahrzeug gegen sämtlichen Beschuss abschirmt. Das Problem dabei: Die dafür nötige Energie wird von der Berserker-Anzeige abgezwackt, die sich nach eingesteckten Treffern füllt. Das heißt im Klartext, dass man also erst Treffer einstecken muss, um sich anschließend vor ihnen schützen zu können. Ziemlich sinnfrei, oder? Allerdings lässt sich die gesammelte Berserker-Kraft auch offensiver entladen, denn genau wie bei einem Beat'em Up verfügt jeder der zwölf Charaktere über individuelle Kräfte und Superangriffe, die sich mit bestimmten Richtungsfolgen am rechten Analogstick auslösen lassen.       

(Zu) viel zu tun

Das Ziel ist anvisiert...
Das Ziel ist anvisiert...
Fassen wir kurz zusammen: Ich soll also fahren, dabei Waffen bedienen und wechseln, meinen Greifhaken in Gegner bohren und mich durch Kurven schleudern, meine Berserker-Energie und Munition im Auge behalten sowie mit speziellen Kombinationen Super-Angriffe vom Stapel lassen? Darf es vielleicht noch etwas mehr sein? Stimmt, es gibt ja auch noch die Bomben, die ich fernzünden kann. Zudem gibt es eine Race-Danger-Wette, bei der man mit etwas Glück die Erlaubnis einen verheerenden Angriff bekommt, der nicht nur einen Teil der Strecke, sondern alle anderen Fahrer in Mitleidenschaft zieht. Meine Güte, was haben sich die Entwickler nur dabei gedacht, die Spielmechanik so dermaßen zu überladen? Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen und so endet alles dort, wo ich es schon nach dem Tutorial vermutet habe: im totalen Chaos!   

Ständig wird man beschossen, beharkt, in die Zange genommen, abgedrängt oder in Explosionen verwickelt. Schon kleinste Berührungen mit anderen Fahrzeugen können einen völlig aus der Bahn werfen, weil die Boliden scheinbar federleicht sind. Gefühlt alle paar Sekunden wird man um 180 Grad gedreht oder in eine Massenkarambolage verwickelt. Aufgrund der schwammigen Steuerung fällt es entsprechend schwer, Hindernissen auszuweichen oder die Karre ordentlich auf dem Strecke zu halten. Der KI fehlt es zudem offensichtlich an virtuellem Hirnschmalz: So kann man immer wieder beobachten, wie sie in Kurven schnurstracks geradeaus weiterfährt oder dusselig gegen eine Wand brettert. Einmal kam mir sogar ein Geisterfahrer entgegen! Das „getarnte Gummiband“ gibt mir dann den Rest: Liege ich hinten, bauen die anderen Fahrer einfach so viel Mist, dass ich flugs wieder nach vorne komme. Doch kaum bin ich an der Spitze, heizen sie mir als Führendem richtig ein und lassen sich nicht mehr abhängen. Selbst in den Anfänger-Wettbewerben ist es frustrierend, was die KI da abzieht.

Ruckelige Darstellung

Die Pfeile auf dem Boden sollen die Orientierung erleichtern - klappt nur leider zu selten.
Die Pfeile auf dem Boden sollen die Orientierung erleichtern - klappt nur leider zu selten.
Dazu gesellen sich eklatante Übersichtsprobleme: Zum einen ist die Kamera oft zu nah am Geschehen, so dass man nicht vorausschauend fahren kann. Die Richtungspfeile, die auf den Asphalt gepinselt wurden, sind da nur eine kleine Hilfe, während sich die Minikarte diesbezüglich sogar als komplett nutzlos erweist. Zum anderen erfolgen manche Schwenks viel zu schnell und hektisch, was die Orientierung zusätzlich erschwert.

Hinzu kommt die schwache Technik: Mit ihren grob gezeichneten Objekten und kargen Landschaften macht die Kulisse nicht viel her und wird selbst vom betagten Micro Machines in Sachen Stil sowie Präsentation um Längen geschlagen. Trotzdem geht hier die Bildrate auf einigen Strecken derbe in die Knie! Beim Sound sieht es nicht viel besser aus: Das generische Summen der Motoren schmerzt genauso in den Ohren wie die harmlosen Effekte und das Gedüdel beim Fahren, das ich nur widerwillig als Musik bezeichnen würde. Einzig in manchen Menüs kann man die Ohrenstöpsel angesichts erträglicher Stücke wieder entfernen.

Wer braucht schon eine Story?

Mit dem Greifhaken kann man sich durch Kurven schwingen.
Mit dem Greifhaken kann man sich durch Kurven schwingen.
Neben Einzelrennen darf man auch an Meisterschaften teilnehmen und um Preisgelder sowie Medaillen fahren. Ist man erfolgreich, schaltet man den Zugang zu weiteren Wettbewerben frei. Zudem warten 30 Herausforderungsmissionen, bei denen man z.B. seine Fähigkeiten beim Driften oder Zeitfahren unter Beweis stellen muss. Unfair sind die Überlebens-Missionen, bei denen man als einziger Fahrer ohne Waffen und Spezialfähigkeiten ins Feld geschickt wird, aber das Rennen trotzdem gewinnen soll.

All diese Variationen finden sich auch im Storymodus, wo man in Zwischensequenzen die Hintergrundgeschichte und Beweggründe der Charaktere erfährt, die nach Manga-Vorbild designt wurden. Der schwere Muskelprotz ist genauso vertreten wie ein japanischer Samurai-Kämpfer und vollbusige Mädels, die in engen Outfits ihre sekundären Geschlechtsmerkmale ständig zur Schau stellen müssen. So erfährt man in den langatmigen Zwischensequenzen voller dämlicher Dialoge alles, was man eigentlich nicht wissen will. Da kann man fast schon von Glück sprechen, dass der Unsinn nicht noch vertont wurde, sondern nur in hässlichen Textboxen dargeboten wird. Die Zeit, die die Entwickler bei dieser "Story" verschwendet haben, hätten sie besser in die Optimierung der Engine und des Spielprinzips gesteckt!

Chance vertan

Auch beim Driften kann die schwammige Steuerung nicht überzeugen.
Auch beim Driften kann die schwammige Steuerung nicht überzeugen.
Selbstverständlich wird auch ein Mehrspielermodus geboten, in dem über das PSN bis zu acht Raser teilnehmen dürfen. Neben der Standardvariante lassen sich auch alle Spieler mit der gleichen oder einer eingeschränkten Bewaffnung auf die Piste schicken. Wer das Fahren in den Vordergrund rücken will, kann sogar sämtliche Waffensysteme verbieten. Neben einzelnen Rennen sind sogar Serien von bis zu fünf Wettbewerben möglich.

Leider konnten wir den Onlinemodus mangels verfügbarer Sessions noch nicht ausprobieren. Wenn aber schon das Solo-Erlebnis so chaotisch und frustrierend ausfällt, stehen die Chancen schlecht, dass es über das PSN besser wird. Micro Machines & Co haben am meisten Spaß gemacht, wenn sich ein paar Leute vor dem Bildschirm versammelt und um den Sieg gekämpft haben. Die Chance, den Karren vielleicht so noch aus dem Dreck zu ziehen, vergeben die Entwickler leichtfertig, indem sie einfach erst gar keine lokalen Mehrspieler-Optionen anbieten.

Fazit

Fuel Overdose ist vor allem eins: Eine Überdosis an Ideen, die im Zusammenspiel einfach nicht funktionieren! Die Spielmechanik ist mit dem Hantieren von Waffen, diversen Einsatzmöglichkeiten des Greifhakens, individuellen Special Moves & Co völlig überladen! Statt in einen dynamischen Flow aus Fahren und Ballern zu gelangen, endet die Raserei alle paar Meter im Chaos, Massenkarambolagen oder mangels Übersicht im Nichts. Die furchtbar hektische Kameraführung trägt im Zusammenspiel mit den technischen Schwächen, Dumpfbacken-KI und zähen Storyelementen ihren Teil dazu bei, dass man den Downloadtitel schon nach wenigen Minuten auf ewig von der Festplatte verbannen will. Da entstaube ich lieber wieder die Micro Machines oder Circuit Breakers, bei denen ich mich im Gegensatz zu diesem überflüssigen Machwerk auch mit Freunden in einen lokalen Mehrspielermodus stürzen kann.

Pro

Fahrzeuge & Waffen aufrüstbar
Online-Modus für bis zu acht Spieler

Kontra

hektische Kameraführung
ruckelanfällige Darstellung
furchtbare (Fahr-)Physik
chaotischer Spielablauf
kein lokaler Mehrspielermodus
dämliche KI mit Gummiband
karge, langweilige Kulissen
zäher Storymodus
schwammige Steuerung
eingeschränktes Waffensystem
überladene Spielmechanik
Orientierungsprobleme
gewöhnungsbedürftiger Soundtrack

Wertung

PlayStation3

Eine Überdosis an schlechten Designentscheidungen und Technikschwächen wirkt tödlich auf den Spielspaß!

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