Hell Yeah! Der Zorn des toten Karnickels01.10.2012, Jan Wöbbeking
Hell Yeah! Der Zorn des toten Karnickels

Im Test:

Nicht einmal im Jenseits hat man Ruhe vor Facebook & Co: In Hell Yeah! wird der Prinz der Hölle höchstpersönlich zum Opfer sozialer Netzwerke. Ein Nacktfoto im der Badewanne stellt seine Vorliebe für Gummienten zur Schau. Überschrift: „The Prince is a pussy!“ Seine Lösung für das Dilemma: Alle Zeugen müssen sterben! Und zwar auf möglichst brutale oder alberne Weise.

Höllenfürst und Qiuetscheentchen

Schon in Big Bang Mini und Nervous Brickdown wuselten Aurélien Regards obskure Viecher über den Schirm und auch diesmal erkennt man sofort die Handschrift des französischen Designers: Kräftige Farben, violette Hintergründe und natürlich unheimlich knuffige Figuren, diesmal mit ungewohnt morbidem Einschlag. Der Rachefeldzug führt schließlich durch eine Unterwelt voller ewiger Pein, Qualen und dämlicher Wortspiele.

Normal ist an diesem Spiel nur die grundlegende Mechanik: Ähnlich wie in Metroid oder Castlevania erkunde ich Höhlensysteme, welche sich durch den Einsatz neuer Gadgets und Waffen immer weiter verzweigen. Ich schlüpfe in die Rolle von Ash, dem langohrigen Herrscher der Hölle. Sein mit Tentakeln versehener Lakai Nestor hat ihm ein nützliches Vehikel gebastelt: Das Kreissägen-Jetpack. Wie der Name schon sagt, verbindet es die Vorteile von Kreissäge und Jetpack. Es fräst sich nicht nur durch Felsgestein, Fleisch und Knochen, sondern lässt meinen Kaninchen-Satan auch erstaunlich hoch springen sowie ein Stückchen durch die Luft gleiten.

Metroidvania auf Drogen

Die aufgemotze MG und andere Wummen sind mit unendlicher Munition gesegnet, können aber überhitzen.
Die aufgemotze MG und andere Wummen sind mit unendlicher Munition gesegnet, können aber überhitzen.
Es dauerte einige Minuten, bis ich mich an das Händling gewöhnt hatte, doch dann realisierte ich, dass sich das Gagdet prima zur Fortbewegung im Höhlensystem eignet. Fummelig wird es nur auf schmalen Plattformen und bei kniffligen Bosskämpfen: Dann reagiert das etwas träge Gefährt nicht flott und präzise genug, was zu frustigen und unverschuldeten Toden führt.

Manche Gegner werden direkt mit dem Sägeblatt bearbeitet, andere stehen unter Strom und müssen aus der Distanz attackiert werden. Zum Glück besitzt der mit Goldkettchen behängte Hiphop-Roboter beinahe an jeder Ecke in Ashs Reich einen Shop. Dort steigere ich meinen Energievorrat, decke mich mit immer dickeren Wummen wie MGs, Raketen- und Granatwerfern ein und kaufe alberne Kostüme. Auch die Kreissäge lässt sich verkleiden: Besonders gut gefällt mir der rotierende Entenschwimmring nebst passender Surfer-Tolle fürs Karnickel.

Schnapp sie dir alle!

Ash hat eine Vorliebe fürs Grillen.
Gut durch, bitte!
Ziel des Spiels ist es, die 100 in den Untiefen der Hölle versteckten Monster ausfindig zu machen und sie auf kreative Weise zu erlegen. Der erste Boss sieht mit seinem Flammengesicht zwar grimmig aus, ist aber eigentlich ein ganz netter Kerl und um das Wohlergehen seiner diabolischen Nachbarn besorgt. „Die Decken hier hängen viel zu niedrig. Was sagt die Arbeitssicherheit dazu?“. Auch Ash begrüßt ihn herzlich und gibt zu, dass er ihn eigentlich ganz gut leiden kann. Nützt aber alles nichts, denn wer ihn nackt gesehen hat, muss sterben.

Also hüpfe ich über den Kopf des Monsters und gebe ihm aus der Luft mit der MG Saures. Als seine Energie leer ist, starte ich einen der unheimlich kreativen und hanebüchenen Finisher. Das Spiel gibt eine Todesart vor – ich muss lediglich wie in WarioWare einen kleinen Reaktionstest bestehen. Im richtigen Takt drücke ich ein paar Knöpfe und schon geht es los: Manche Feinde werden durch eine riesige Robo-Hand zerquetscht, andere von einem Truck plattgewalzt oder von einem Dino gefressen. Besonders absurd ist die Hai-Rakete: Sie fliegt ins All bis zu einem Satelliten, verbeißt sich in dessen Superlaser, welcher kurz danach das Höllenmonster grillt: „Toastiiiie!“. Cool auch das "Quiz of Doom": "Wie lange lebt ein totes Kanninchen durchschnittlich?" Die richtige Antwort ist natürlich keine Zahl, sondern Antwort Nr. 4: "WTF??".

Fatality!

Die zahlreichen Finisher werden mit kleinen Reaktionstests ausgelöst.
Die zahlreichen Finisher werden mit kleinen Reaktionstests ausgelöst.
Die zahlreichen Finisher lassen sich zwar simpel auslösen, machen dank Unmengen kranker Ideen aber trotzdem eine Menge Spaß. Obwohl ständig Blut und Gedärme an den Fernseher klatschen, wirkt das Schauspiel gar nicht so brutal wie es hier klingt. Das völlig überzogene Design erinnert eher an die Cartoon-Gewalt von Itchy & Scratchy. Die USK sah es ähnlich und hat dem Spiel eine Freigabe ab 12 verpasst. Außerdem können Höllenbewohner natürlich nicht wirklich sterben. Stattdessen landen sie nach der Hinrichtung auf einer idyllischen Themenpark-Insel, auf der sie allerlei lustige Zwangsarbeiten für mich verrichten. Wie in Spectrobes beobachte ich meine Monster. Im Spukhaus springen sie z.B. in einen Mixer, um Blut zu spenden, lassen sich zerquetschen oder elektrisieren. Wurde genug Blut gewonnen, bekomme ich im Story-Modus einige nette Geschenke zugestellt.

Außerdem motzt Nestor zwischendurch mein Kreissägen-Jetpack auf, damit ich durch massivere Wände sägen kann und neue Grotten erschließe. So verzweigt wie in Metroid ist die Welt zwar nicht, trotzdem gibt es viel zu entdecken. Verlaufen habe ich mich nur selten - dank eines Radars, einer praktischen Funktion zum Herauszoomen, einer Übersichtskarte sowie dezenten Hinweisen wie „Was machst du noch hier? Oben steigt die Party!“. Neben dem flammenden Inferno existieren auch erstaunlich bunte Areale in der Hölle: Manche erinnern an ägyptische Grabstätten, andere an ein Spukschloss. Ab und zu gibt es auch Rätseleinlagen wie die Fahrt in einer putzig gezeichneten Tauchglocke zu bestehen.

Das kenne ich doch schon?

Mit dem Kreissägen-Jetpack shreddert sich Ash in neue Gebiete vor.
Mit dem Kreissägen-Jetpack shreddert sich Ash in neue Gebiete vor.
Ein Schwachpunkt sind die sich wiederholenden Hintergründe: Um ihr bisher größtes Spiel fertig zu bekommen, hat das kleine Team von Arkedo viele Grafik-Elemente oft kopiert. Manche Steine, Schlingpflanzen und Totenschädel sieht man gleich hundertfach oder in gespiegelter Form. Auch bei Animationen und der Gegner-KI wurde gespart: Die meisten Biester wackeln nur ein wenig herum oder wedeln mit ihren Tentakeln. Außerdem grasen die meiste Exemplare stur ihre Bahnen ab, wodurch es manchen Kämpfen an Abwechslung mangelt.

Im Gegenzug muss ich meist auf geschickte Weise an die Schwachstelle gelangen. Als sich mein Kreissägen-Jetpack zum Aufmotzen in Nestors Werkstatt befindet, muss ich ohne Waffen auskommen. Also erledige ich einen fetten Kobold, indem ich ein Fass im Sokoban-Stil durch ein Labyrinth schubse und es ihm schließlich auf die Rübe donnere. Ein anderes Biest stoße ich mit einem ähnlichen Trick aus seinem Geschütz, schlüpfe selbst hinein und ballere danach auf den stampfenden Koloss unter mir.

Ungewöhnlicher Nebenjob

Unterwasserasuflüge stehen ebenfalls auf dem Programm. Mal geht es an Minen vorbei, anderswo werden im Sokoban-Stil Kisten verschoben.
Unterwasserausflüge stehen ebenfalls auf dem Programm. Mal geht es an Minen vorbei, anderswo werden im Sokoban-Stil Kisten verschoben.
Danach werfe ich einen Blick auf die Hintergrundgeschichte des erlegten Monsters, welche in einem kleinen Textkästchen erzählt wird. Das oben erwähnte Feuergesicht war z.B. ein liebenswerter Kindergärtner; seine Nebenjobs für die Mafia brachten ihn trotzdem in die Hölle. Schön auch das psychologische Gutachten einer kleinen Schwebe-Drohne, welche an Wheatley aus Portal 2 erinnert. Da sie zwischen vier rotierenden Kreissägen wohnt, ist es kein Wunder, dass sie irgendwann depressiv wurde und begann, auf Besucher zu schießen.

Für schlechte Laune sorgten bei uns übrigens auch ein paar Sound-Bugs. Auf der Xbox 360 blieb zweitweise der Soundtrack stumm oder war viel zu leise ausgesteuert. Da es keine entsprechende Option gibt, ließ sich das Problem auch nicht in den Menüs beheben. Wer die Wahl hat, sollte also unbedingt zur PS3-Version greifen, denn mit den schwungvollen Rock- und Breakbeat-Stücken macht es deutlich mehr Laune, sich durch die Hölle zu ballern. Unsere Sony-Fassung blieb aber auch nicht von Problemen verschont: Ab und zu stotterte die Musik, manchmal blieb sogar gleichzeitig das Bild hängen.

Fazit

Bekloppter geht es nicht! Ein Höllenfürst mit Entchen-Fetisch auf dem Rachetrip, 100 knuffig-bizarre Monster und Unmengen kranker Finishing-Moves. Dafür liebe ich Arkedo: Seit fünf Jahren bleiben die Franzosen sich treu und produzieren kompromisslos alberne Arcade-Titel und wagen kreative Experimente. Diesmal ist es das Kreissägen-Jetpack: Die Mischung aus Vehikel und Nahkampfwaffe passt prima zum motivierenden Erforschungstrip durch die knallbunte Hölle. Sicher, in kniffligen Situationen könnte die Steuerung präziser sein. Auch einige schlichte Angriffsmuster, eintönige Hintergründe und Sound-Bugs dämpfen den Spaß. Im Gegenzug gibt es aber jede Menge saucooler Monster und Finishing-Moves. Schön, dass sich mit Ubisoft Montpellier (Rayman Origins), Pastagames und Arkedo mittlerweile drei richtig gute französische Teams für 2D-Jump-n-Runs etabliert haben.

Update zur PC-Fassung:

Gute Nachrichten für PC-Spieler: In unserer Testfassung für Steam gab es weder Sound-Probleme noch Bildstottern, was zusammen mit den kürzeren Ladezeiten dafür sorgt, dass man weniger aus dem Spielfluss gerissen wird als auf den Konsolen. Mit angeschlossenem Xbox 360-Controller steuert man wie gehabt. Wer keinen zur Hand hat, kann auch mit Maus und Tastatur loslegen. Das Hüpfen mit Tasten ist dann etwas kniffliger, das Zielen klappt mit der Maus sogar einen Deut präziser. Insgesamt die rundeste und technisch sauberste Fassung.

Pro

völlig bekloppter Humor
schwungvolles Ballern und Entdecken
cooles Kreissägen-Jetpack
abwechslungsreiche Finishing-Moves
origineller Mix aus Knuddel- und Splatter-Design
viele knuffige Höllenmonster
komplett hanebüchene Story
lustige Dialoge
fetziger Gitarren- und Breakbeat-Soundtrack

Kontra

Steuerung manchmal zu unpräzise
Gegner grasen nur ihre Standard-Bahnen ab
Figuren sind kaum animiert
Hintergründe wiederholen sich häufig
Bugs lassen mitunter den Soundtrack verstummen (360)
gelegentliches Bild
und Sound-Stottern (PS3)

Wertung

360

Auf der Xbox 360 leidet der gelungene Action-Plattformer unter gelegentlichen Soundbugs.

PlayStation3

Höllisch bekloppter Erkundungs-Trip mit vielen albernen Monstern und herrlich makabren Finishern.

PC

PC-Spieler bekommen die rundeste Fassung ohne technische Probleme: Hier flutscht der durchgeknallte Höllentrip so, wie es sein soll.

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