Da fehlt doch was...
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Codemasters hat viele Verbesserungen für F1 2012 versprochen.
Rekordchampion Michael Schumacher ist der Pechvogel der diesjährigen Formel Eins-Saison. So viele Ausfälle, so viele mechanische Defekte und wenn es mal läuft, fehlt dem AMG Mercedes meist das Silberpfeil-Gen, um ganz vorne mitzumischen. Im wahren Leben ist der achte WM-Titel für den Kerpener also in weiter Ferne. Aber wäre es nicht schön, den F1-Opa zumindest im Spiel wieder von einer Siegesserie zur nächsten zu führen? Wäre es nicht klasse, mit Sebastian Vettel den WM-Hattrick perfekt zu machen? Wäre es nicht ein feiner Zug, selbst einen Außenseiter wie den Inder Narain Karthikeyan oder Timo Glock zum virtuellen Weltmeister zu küren - also Fahrer, die in der Realität derzeit keine Chance auf einen solchen Erfolg haben?
In der Vergangenheit war das alles dank des Grand Prix-Modus möglich. In meiner Vorschau zu F1 2012 habe ich Codemasters sogar noch ausdrücklich dafür gelobt, die Serie mit neuen Modi und Elementen ständig zu erweitern anstatt nur Updates mit Minimalaufwand abzuliefern oder Inhalte zu kürzen. Bei der Testfassung dann der Schock: Die Entwickler haben den Grand Prix-Modus gestrichen! Es gibt also weder die Möglichkeit, mit einem der 24 lizenzierten Fahrer eine Saison zu bestreiten, noch darf man sich einen individuellen Rennkalender mit seinen Lieblingspisten zusammenstellen. Das alles war in den beiden Vorgängern möglich. Einzig in Einzelrennen, beim Zeitfahren und diversen vorgefertigten Szenarien schlüpft man in die Overalls der realen Vorbilder. Wer auch immer für die glorreiche Idee verantwortlich ist, den beliebten GP-Modus zu streichen: Derjenige gehört geteert und gefedert! Ich empfinde es als bodenlose Frechheit, etwas so Elementares aus dem offiziellen Spiel zur F1-Saison 2012 zu entfernen. Das wäre so, als würde EA ein neues FIFA veröffentlichen, aber nur Freundschaftsspiele mit den lizenzierten Teams erlauben, sie vom Ligabetrieb oder Turnieren aber ausschließen.
Fahrschule als Pflichtveranstaltung
Am Anfang der Karriere startet man in einem der schwächeren Teams.
Der Weg zum WM-Titel im originalgetreuen Rennkalender mit seinen 20 Strecken führt also über die überarbeitete Karriere, die viel an Charme eingebüßt hat. Warum? Zum einen hat man die stylische Menüführung im Motorhome durch langweilige Textfenster und Tabellen ersetzt, in denen man sich Zeitungsausschnitte, E-Mails und den aktuellen WM-Stand anschauen kann - also quasi das, was man früher am Laptop getan hat. Durch die öde Aufmachung wirkt die Karriere jetzt noch trockener als früher. Doch auch inhaltlich hält sich die Begeisterung zunächst in Grenzen - vor allem die erste Saison, in der man als Nummer Zwei-Fahrer keinen Einfluss auf die Weiterentwicklung des Boliden nehmen kann, ist kein Zuckerschlecken. So fährt man nur ein Rennen nach dem anderen, deklassiert im Idealfall seinen Kollegen und hat im Team trotzdem nichts zu sagen. Zum anderen wurden die Interviews verbannt, die zwar ohnehin kaum Einfluss auf das Geschehen hatten und sich schnell abnutzten, aber trotzdem eine Bereicherung für die F1-Atmosphäre abseits des Cockpits waren. Von ihr ist ohnehin nicht viel zu sehen: Ich vermisse auch in diesem Jahr echte Siegerehrungen auf dem Podest mit Nationalhymnen und Champagnerduschen, Grid-Girls in der Aufstellung sowie einen Blick auf den Rummel abseits der Piste. Stattdessen gibt es wieder nur eine Auswahl an Parc Fermé-Szenen, an denen man sich schnell satt gesehen hat. Wäre es nicht cool, wenn man nach dem Sieg noch eine Ehrenrunde drehen dürfte, anschließend selbst den Wagen in der Boxengasse abstellt und nach dem Wiegen persönlich den Weg zum und auf das Podest beschreiten dürfte?
Das Lotus-Team ist mit den Renault-Motoren eine der großen Überraschungen der Saison 2012.
Bevor man die Karriere in Angriff nehmen kann, ist ein Besuch beim Young Drivers Test verpflichtend. Bei dem neuen Modus handelt es sich um eine Fahrschule, in der vor allem Anfänger durch Videos und Tests mit den F1-Boliden sowie Funktionsweisen von KERS und DRS vertraut gemacht werden. Ärgerlich für Veteranen, denn auch sie müssen mindestens am ersten der beiden Testtage die Schulbank drücken, weil der Zugang zur Karriere erst im Anschluss gewährt wird. Viel Zeit muss man aber ohnehin nicht aufbringen: Nach einer knappen halben Stunde sind schon alle Prüfungen abgeschlossen - da wäre definitiv mehr möglich gewesen. Schade zudem, dass die Videos nur mit der Engine-Grafik dargestellt werden. Für die Anschauungsbeispiele hätte ich mir Szenen aus der realen Formel Eins gewünscht. Immerhin hat man F1-Testfahrer Anthony Davidson als Berater verpflichtet, der für jede Strecke ein Tutorial eingesprochen hat und dabei wertvolle Tipps hinsichtlich der Ideallinie, der verwendeten Gängen etc. gibt. Telemetriedaten darf man allerdings nicht analysieren - schade.