Im Test: Ich geb Gas, ich lass meinen Fahrer fliegen: FlatOut ist kein Rennspiel wie jedes andere!
Kein Rennspiel wie jedes andere&
Wen hat bislang in einem Rennspiel der Fahrer interessiert? Die DTM Race Driver-Serie ist da die berühmte regelbestätigende Ausnahme, denn sonst versteht man unter dem Fahrer den Polygonbatzen, der es sich im Innern von mehr oder weniger teuren virtuellen Vehikeln bequem gemacht hat, und bestenfalls mal mit den Armen am Lenkrad rudert. In FlatOut ist das nicht so - hier geht die
Bindung zu eurem Piloten (in der deutschen Version wurde daraus ein jugendschutzkonformer Crashtest-Dummy) so weit, dass ihr sogar zu Spielbeginn das Geschlecht wählen dürft. Was im Endeffekt keinen Unterschied macht, denn die Figur dient nur dazu, möglichst oft und vor allem möglichst spektakulär durch die Frontscheibe zu brettern!Gerade die teureren Kisten erfordern einiges an fahrerischem Können.
Auf den ersten Blick sieht FlatOut wie ein normales Rennspiel aus. Gut, das mit fetziger Musik unterlegte Intro jagt Autoliebhabern, die ihren Lack gerne mit einem fusselfreien Läppchen wienern, ein wenig Angst ein, aber sonst herrschen im Hauptmenü bekannte Standards: Solisten bekommen eine Karriere vorgesetzt; außerdem gibt es noch Zeitrennen und eine flotte Runde für alle, die es eilig haben. Die Mehrspielervariante offeriert an den Konsolen entweder Splitscreen-, Hotseat- oder Systemlink-Spiel (Xbox), am PC kommt noch ein LAN-Modus dazu - eine Online-Variante gibt es nur via Xbox Live.
Die Karriere ist der wichtigste Modus: Hier spielt ihr hauptsächlich um Geld, aber auch, um weitere Spielvarianten und Boni freizuschalten. Doch zuallererst wählt ihr unter insgesamt 16 hart an der Schrottgrenze vorbeischliddernden Karren, die einen wundervollen Gegensatz zu den hochglanzpolierten Kisten aus NFS Underground & Co. darstellen. Allerdings bekommen Markenfetischisten hier keine echten Muscle-Cars vorgesetzt, stattdessen gibt es Phantasiegebilde namens »Blockhead«, »Grinder« oder »Bullet«. Vom verdienten Geld könnt ihr euch entweder bessere Autos leisten, oder das vorhandene ordentlich aufmotzen: Ob Auspuff, Chassis, Motor oder Bremsen - alles kann verbessert werden, was sich in mehr Geschwindigkeit oder zuverlässigerem Bodenkontakt äußert. Allerdings könnt ihr nur begrenzt Teile kaufen, außerdem kommt ihr an die besseren Stücke erst ran, wenn ihr die billigeren erworben habt. Ärgerlich ist auch das Fehlen einer Garage, in der man seine Schmuckstücke aufbewahren kann - ihr dürft nur ein Auto haben. Merkt ihr, dass ihr mit eurem Hobel, in den ihr viel Geld gesteckt habt, kein Land mehr seht, müsst ihr ihn erheblich unter Wert verkaufen, und euch einen neuen fahrbaren Untersatz zulegen. Fieserweise ist
hier teurer nicht gleich besser, ganz im Gegenteil: Die höherpreisigen Kisten sind zwar stärker, fahren sich aber auch erheblich zickiger. Leider dürft ihr vor dem Kauf keine Proberunde drehen, um zu sehen, ob ihr mit dem Wagen zurechtkommt - hier gibt es die Katze nur im Sack.Die Strecken sind so abwechslungsreich wie man es sich nur wünschen kann - allerdings werden sie teilweise recycelt.
Flieg Dummy, flieg!
Die Karriere besteht aus zwei Spielmodi: normale und Bonus-Rennen. Die erste Variante ist in drei Klassen à zwölf Rennen unterteilt, die aufsteigend schwerer werden. Hier dreht ihr eure Runden gegen im Grunde clever, aber leider meist im Pulk fahrende Gegner, die auf »Bronze« gerade mal Auspufffutter sind, hingegen auf »Gold« schon fast übermenschliche Lenkradkünste an den Tag legen.
Ihr müsst eine Klasse komplett abschließen, um in die nächste zu kommen, erhaltet dafür aber auch neue Fahrzeuge und, noch viel wichtiger, weitere Modi für die Bonusrennen. Denn in diesen gewinnen die Dummys, die vorher nur bei schweren Unfällen theatralisch aus dem Sitz geschleudert werden, erheblich an Bedeutung: In sechs von zwölf Spielen geht es nur darum, die gelben Gestalten möglichst hoch, möglichst weit oder möglichst präzise aus dem Auto zu schießen – selbst eine Bowling- und eine Dart-Variante fehlen nicht! Die anderen Games wie »Demolition Dash« (eine »Destruction Derby«-Variante, bei der man unter Zeitdruck die Gegner kaputtrammen muss, ohne selbst
zerhackstückt zu werden) oder »Circle of Eight«, einem rasanten Rennen in einer gigantischen Acht, sind zwar auch spaßig, können sich aber nicht mit der Schadenfreude eines dramatisch durch die Luft schwebenden Dummys messen. Während diese Modi der Einzelspielervariante erst den nötigen Pfeffer verleihen, sorgen sie mit mehreren Zockern für großes Hallo und Gelächter en masse.Auf, auf und davon! Der Hochsprung-Dummy setzt zu einer neuen Weltbestmarke an...
Neben dem Dummys macht vor allem die rigorose Nutzung der Physikengine FlatOut zu etwas Besonderem: die bewirkt nicht nur ein fieses Schlingern und Schwanken der Karren, sondern sorgt vor allem für eine zum großen Teil interaktive Umgebung. Ein Reifenstapel? Reinfahren, und schon hüpfen die Pneus munter durch die Gegend, verteilen sich auf der Fahrbahn, und sorgen so für unerwartete Hindernisse. Aufgebockte Baumstämme? Hier gilt dasselbe, nur ist das Hindernis dieses Mal durchaus stabil. Eine Brücke mit dünn erscheinenden Streben? Nun… den Rest könnt ihr euch vermutlich denken. Beinahe alles, was in der Nähe der Strecke herumsteht oder -liegt, lässt sich umfahren, und somit zum eigenen Vorteil nutzen. Das wissen die Gegner allerdings auch, wodurch ihr euch nicht auf euer Streckenwissen verlassen könnt – in jeder Runde könnten neue Widerspenstigkeiten auf den dreckigen Straßen liegen. Zwar könnt ihr das durch vorsichtige Fahrweise einigermaßen kompensieren, allerdings entgeht euch dann der »Rammbonus«, der am Ende jeder Runde Extra-Geld für ramponierte Umgebungs-Elemente springen lässt.
Die Abkürzungs-Falle
Die Optik von FlatOut setzt trotz des abgefahrenen Szenarios auf Realismus, so dass ihr hier durch Wäldchen, über Baustellen, Rennstrecken oder zugeschneite Winterlandschaften braust. Aus drei Perspektiven gibt es abwechslungsreiche und detaillierte Streckendesigns sowie die tollen Karren zu sehen, bei denen man sogar die Roststellen gut erkennen kann. Das Schadensmodell ist genau genug, um die Kisten genüsslich zerfallen zu lassen, nach zu vielen Kollisionen fängt sogar der Motor an zu brennen! Auf jedem Kurs gibt es außerdem mindestens eine Möglichkeit abzukürzen, was aber immer mit Geschick verbunden ist: Entweder erwarten euch heftige Buckelpisten, oder der vermeintliche Zeitgewinn endet bei falschem Lenken unweigerlich in einer soliden Mauer!
Grafisch nehmen sich die Konsolen-Versionen ironischerweise bis auf die höhere Auflösung der Xbox nicht viel. In einem Punkt hat die PS2 sogar allen Varianten gegenüber die Nase vorn: Nur auf Sonys Konsole spiegelt sich die Umgebung auf den Autoscheiben, auf PC und Xbox sind es »normale« Reflektionen - dafür müsst ihr auf der PS2 mit ziemlich langen Ladezeiten leben. Auf jedem System ist die Optik jederzeit flott und ruckelfrei, allerdings wird das schöne Bild durch
gelegentlich sehr niedrig aufgelöste Texturen etwas verunstaltet. Nach dem Rennen gibt es außerdem ein schön anzusehendes Replay, dessen Perspektiven man allerdings nicht selbst verstellen kann; außerdem lassen sich die Wiederholungen nicht speichern.Dank der Physikengine könnt ihr die Strecken umgestalten - ein Reifen hier, ein Baumstamm da.
Steuerungstechnisch merkt man dem Spiel an, dass es ursprünglich für die Konsole entwickelt wurde: Zur Namenseingabe muss man auch am PC die Buchstaben aus einer Liste fummeln, statt sie einfach einzutippen. Dafür funktioniert die Steuerung auch per Tastatur prima, auch wenn ein Analog-Pad natürlich erste Wahl ist. Damit habt ihr auch das Sliden der sensiblen Karren gut unter Kontrolle, so dass ihr kaum zur Handbremse greifen müsst, um schnell um Kurven zu kommen. Begleitet werdet ihr dabei von einem gitarrenlastigen Soundtrack sowie guten Effekten – einige Motoren brummeln abgrundtief, während andere jaulen wie ein wütendes Hornissennest.
Fazit
Das Gemeckere vorneweg: Für einen eventuellen zweiten Teil ist noch jede Menge Platz für Verbesserungen! Das Tuning ist ziemlich rudimentär, die Wagen können nur nach dem Katze-im-Sack-Prinzip gekauft werden, die grundsätzlich in Kolonne rasenden Gegner sind in der höchsten Klasse unerhört schwer, die teureren Kisten fahren sich, als wären ihre Reifen eingeseift, der Mehrspielermodus lässt es an Bedienkomfort mangeln. Puuuuuuh, das musste mal sein! Kommen wir jetzt zum guten Teil der Nachrichten: Ab zwei Spielern sind gerade die Dummysports der Multiplayerspaß schlechthin! Den Dummy ohne Sinn und Verstand durch die Gegend zu schmeißen macht spätestens aufgrund der Ragdoll-Physik samt »Auuuuuuutsch!«-provozierendem Aufprall einen Heidenspaß! Die Grafik ist spitze, die dreckig-coolen Fahrzeuge sind ein wundervoller Kontrast zur sonst üblichen Funkel-Autowelt. Die physikalisch großartige Einbeziehung der Umgebung macht zwar aus jedem Rennen ein Glücksspiel, steigert aber erstens die Atmosphäre und zweitens erheblich die Spannung. Schade nur, dass die Ladezeiten speziell an der PS2 so lang ausgefallen sind; auch schade, dass das Vergnügen im Einspielermodus spürbar schnell nachlässt.
Pro
Kontra
Wertung
XBox
PC
Optisch toller Fun-Racer mit cooler Physik und verrückten Mehrspielermodi.
PlayStation2
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