Killer is Dead06.09.2013, Mathias Oertel
Killer is Dead

Im Test:

Seine Spiele polarisieren wie bei kaum einem anderen Entwickler. Doch es ist nicht nur das Artdesign, das immer wieder spaltet. Auch Inhalte und Story lassen heftige Diskussionen aufwallen. Die Rede ist von Goichi Suda, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Suda51. Sein neues Werk Killer is Dead (ab 14,95€ bei kaufen) macht da keine Ausnahme.

Schräg, schräger, Suda51

Ein skrupelloser Auftragskiller mit einem bionischen Multifunktions-Arm, der das Blut seiner Gegner als Antriebskraft nutzt. Seine Ziele sind Vampire, alternde Musikgenies mit Wahnvorstellungen, wildgewordene Dampflokomotiven oder übersinnliche Samurai. Doch gleichzeitig ist er ein schüchterner Frauenheld, der in seiner Freizeit mal tölpelhaft, mal nonchalant versucht, die holde Weiblichkeit zum Techtelmechtel zu überreden. Der von Albträumen geplagte Mondo Zappa ist weit von dem klassischen Killer-Bild eines Agent 47 entfernt, auch wenn er mit ihm die Vorliebe für dunkle Anzüge teilt. Er wird stets begleitet von einer vorlauten asiatischen Göre, die sämtliche Kreischendes-Jungmädchen-Klischees erfüllt und ihn im Falle seines Scheiterns mit Herzmassage wieder ins Leben zurückholt. Er arbeitet für eine zwielichtige regierungsnahe Agentur, die Exekutionen für betuchte Mitglieder der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Sein Boss ist ein Zigarre rauchender Farbiger, dessen halber Körper durch Metall-Implantate und -Gliedmaßen ersetzt ist. Zu den Aufträgen chauffiert wird er von einer geldgeilen Britin, die im Zweifelsfall wie eine indische Kriegsgöttin mit zwölf Armen und Händen, in jeder eine Schnellfeuerpistole haltend, zu seiner Rettung kommt. In der skurrilen Welt von Killer is Dead (KiD) ist nichts normal.

Doch man darf nicht vergessen, dass es sich hier um ein Spiel aus der kreativen Feder von Suda51 handelt. Und wenn er mit Titeln wie Killer 7, No More Heroes, Shadows of the Damned oder Lollipop Chainsaw eines bewiesen hat, dann seinen Sinn für das Ungewöhnliche. Doch erzählerisch hat er es hier übertrieben. Dass die Charakterzüge Mondos mit dem eiskalten Killer auf der einen und dem schüchternen Frauenheld auf der anderen Seite schwer vereinbar sind, wiegt dabei nicht schwer. Problematischer ist vielmehr, dass innerhalb der mitunter non-linear wirkenden Erzählstruktur die meisten Auftraggeber in irgendeiner Form mit Mondo verbunden zu sein scheinen. Kryptische, kurz angebundene Dialoge machen die Charaktere interessant und sorgen dafür, dass in der Beziehung zwischen den einzelnen Figuren Spannung aufgebaut wird. Doch viele der Fäden, die Suda-San hier spinnt, verlaufen im Sand. Die Geschichte wird zwar plausibel aufgelöst, doch es bleiben mehr Fragen offen als bei Filmen von David Lynch. Dadurch wird der Spieler zwar zum entscheidenden Element, da seine Interpretation der Ereignisse letztlich den Ausschlag gibt, doch ein Satz des Hauptantagonisten steht stellvertretend für die auf mehreren Ebenen verzahnte Geschichte: "You still have no idea what’s going on, do you?" (Du hast keine Idee, um was es geht, oder?)

Geradezu konventionell

Mondo Zappa könnte problemlos der Hauptdarsteller einer Grafik-Novelle sein.
Mondo Zappa könnte problemlos der Hauptdarsteller einer Grafik-Novelle sein.
Im Gegensatz zu Geschichte oder Erzählstruktur zeigt sich die erneute Zusammenarbeit von Suda und Kadokawa Games in mechanischer Hinsicht als sehr klassisch, geradezu normal. Es hatte sich zwar bei Shadows of the Damned oder Lollipop Chainsaw bereits angedeutet, dass er sich mehr und mehr dem spielerischen Mainstream öffnet. Doch in keinem Titel wurde dieses Vorhaben so gut umgesetzt wie hier. Auf das Wesentliche reduziert und spielerisch schnörkellos inszeniert, steht Killer is Dead in einer Linie mit Titeln wie Devil May Cry, God of War, Castlevania Lords of Shadow oder Bayonetta: Man durchläuft die zwölf Gebiete (hier in einem Wechsel aus Schläuchen und offeneren Strukturen), kämpft mit Katana sowie dem mit Gegnerblut angetriebenen bionischen Arm als Mehrzweckwaffe gegen zig Feinde und steht schließlich dem jeweiligen Boss gegenüber. Die Kombinationen, die man dabei vom Stapel lässt, sind überschaubar, aber sehr effektiv. Viel wichtiger für den Erfolg ist ohnehin das Studieren der gegnerischen Angriffsmuster, damit man im letzten Moment ausweichen kann. Dann nämlich wird eine Zeitlupe aktiviert, in der man dem Feind ohne Gegenwehr ein gehöriges Stück der Energieleiste abknipsen kann.

Dabei ist die Kontrolle über Mondo mitunter etwas hektisch, was vor allem der Kameraführung  zuzuschreiben ist, die mit der schnellen Action nicht mithalten kann. Immer wieder muss nachjustiert werden. Und dazu hat man nur selten Zeit.

Es weht auch ein mystischer Fantasy-Hauch durch die vielschichtige Geschichte.
Es weht auch ein mystischer Fantasy-Hauch durch die facettenreiche Geschichte.
Ärgerlich wird es, wenn auf einen schießende Gegner außerhalb des Kamerasichtfeldes liegen und man zwar hört, wenn sie sich bereit machen, aber einem die visuellen Signale fehlen, um rechtzeitig das Weite zu suchen. Doch abgesehen davon hinterlassen die blutigen Schlachten einen durchweg guten Eindruck und werden durch Rail- oder Geschützpassagen abgerundet. Das Adrenalin pumpt im Takt der treibenden Beats durch den Körper. Die Zusammenstellung der Gegner-Gruppen ist von Anfang bis Ende fordernd, ohne zu frustrieren und die ohnehin sparsam eingesetzten Wellen finden rechtzeitig ein Ende. Bei den Bossen verhält es sich ähnlich. Stimmungsvoll in Szene gesetzt, stehen sie sinnbildlich für die japanische Tradition vielstufiger Endgegner, ohne jedoch den Bogen zu überspannen - alles bleibt fair, zumal man nach und nach neue oder Aufwertungen bestehender Fähigkeiten freischalten kann.  

American Gigolo

Ganz im Gegensatz zu seinem knallharten Arbeits-Ich steht der Mondo, der in seiner Freizeit versucht, in Bars mit Frauen anzubandeln. In diesen so genannten "Gigolo"-Missionen ist das Ziel, die holde Weiblichkeit an der Bar mit kostspieligen Geschenken zu einem Techtelmechtel zu überreden. Doch bevor Mondo ihr das Präsent überreichen und ihr Herz gewinnen kann, muss er erst all seinen Mut zusammenbringen und sich an ihr "berauschen". Und um das zu erreichen, muss er auf sein Gegenüber reagieren. Schaut sie Mondo an,  sollte man einen tiefen Blick in ihre Augen riskieren.

In den "Gigolo"-Missionen muss man das Herz seines Gegenübers erobern.
In den "Gigolo"-Missionen muss man das Herz seines Gegenübers erobern.
Ist sie jedoch mit dem Nippen an ihrem Getränk beschäftigt oder schaut schüchtern zu Seite, muss Mondo die Gunst der Stunde nutzen und ihre Oberweite bzw. ihre Hüften und Beine taxieren. Doch wehe, wenn er erwischt wird - dann ist das Rendezvous schneller vorbei, als er "Rechnung bitte" sagen kann.

Diese Minispiele sind sogar mit der Hauptgeschichte verbunden, da Mondo über erfolgreiches Flirten zusätzliche Funktionen für seinen bionischen Arm freischalten kann  - ein Schelm, wer Unzüchtiges dabei denkt. Obwohl dies alles sehr sexistisch klingt und man durch eine besondere Brille sogar bis auf die knappe Seiden- oder Spitzen-Unterwäsche blicken kann, ist die Umsetzung so überzogen, so gnadenlos karikiert, dass man dies eigentlich schon nicht mehr ernst nehmen kann. Was sich übrigens auch an der auf einer überdimensionierten Spritze reitenden, knapp bekleideten Krankenschwester Scarlett zeigt. Diese hält kampffokussierte Nebenmissionen für einen bereit, die man allerdings erst dadurch freischalten muss, indem man Scarletts Verstecke in den Abschnitten findet.

Lebendiger Comic

Sudas Hang zum Außergewöhnlichen lässt sich nicht nur an der Erzählstruktur oder dem augenzwinkernd betrachteten Frauenbild festmachen, sondern vor allem am visuellen Stil, den er hier gewählt hat: Im Gegensatz zu Shadows of the Damned oder Lollipop Chainsaw, die vergleichsweise realistische Ansätze verfolgen, wird die Unreal Engine hier genutzt, um einen animierten Comic auf den Bildschirm zu bringen, der immer wieder an Killer 7 erinnert. Starke Kontraste, grelle Farben, deutliche Konturen: Viele Stilmittel aus Grafik-Novellen bis hin zur gelegentlich eingesetzten monochromen Darstellung, die nur vom Rot des gegnerischen Blutes aufgebrochen wird, sorgen für ein sehr stimmungsvolles Gesamtbild.

Was hat es mit der geheimnisvollen "Moon River" auf sich?
Was hat es mit der geheimnisvollen "Moon River" auf sich?
Leider hat Kadokawa trotz der reduzierten Details die Engine nicht so weit im Griff, um das immer wieder störende Zerreißen des Bildes zu verhindern. Den sehr guten Artdesign-Gesamteindruck kann das Tearing allerdings nicht gefährden.  

Übrigens hat man sich auch bei der Akustik ins Zeug gelegt: Die englische Sprachausgabe (alternativ lässt sich auch Japanisch einstellen) ist gelungen, die deutschen Untertitel passen. Doch das alles verblasst neben dem ungewöhnlichen Soundtrack von Akira Yamaoka, der auch für die düsteren Klänge der Silent Hill-Serie verantwortlich zeichnete und bereits an Sudas letzten Spielen beteiligt war. Von ruhigen Piano-Passagen über japanischen Dancepop bis hin zu Jazz und Industrial Metal findet er immer den richtigen Ton, um die düster-stimmungsvollen Bilder zu verstärken.

Fazit

Ich gebe es zu: Ich bin ein Fan von Suda51-Spielen. Das Skurrile, das Absurde, das Ungewöhnliche, das Geniale, das sich auch bei Killer is Dead im kontrastreichen Comic-Artdesign sowie vielen anderen Elementen zeigt, zieht mich in seinen Bann. Seine Art, Geschichten zu erzählen, ist stets ungewöhnlich und überraschend. Doch was er hier mit kryptischen Dialogen und vermeintlichen Zusammenhängen an Spannung aufbaut und dann nicht auflöst, ist selbst für mich einen Hauch zu viel. Wenn David Lynch, Orson Welles, David Cronenberg und William Burroughs zu einem Saufgelage zusammen kämen und dabei ein gemeinsames Buch schreiben würden, dürfte das Ergebnis sehr ähnlich sein. Mechanisch hingegen ist die erneute Zusammenarbeit mit den Lollipop-Chainsaw-Machern von Kadokawa Games sein bislang zugänglichstes Werk. Im Detail zwar etwas hektisch und von Kameraproblemen und Tearing geplagt, orientiert sich die schnörkellose Action mit ihrem eingängigen Kampfsystem an einschlägigen Arena-Brawlern wie Devil May Cry, God of War, Bayonetta & Co - ohne jedoch deren letzte Klasse oder Finesse zu erreichen. Goichi Suda schafft es mehr und mehr, einen Fuß im Mainstream zu platzieren, ohne sich zu verbiegen. Und das ist in dieser schnelllebigen Welt glattgebügelter Fortsetzungen gleichermaßen bewundernswert wie unterhaltsam.

Pro

sehr stimmungsvolles Artdesign
interessant verworrene Story...
schnelle, kompromisslose Action
Gigolo-Missionen interessante Abwechslung vom Action-Alltag...
spannende Bosskämpfe
einige Nebenmissionen zu entdecken
Upgrade-System
abwechslungsreicher Soundtrack von Akira Yamaoka

Kontra

immer wieder Tearing
... deren Fäden teilweise nicht zusammen geführt oder aufgelöst werden
Kamera-Probleme
... aber nicht spannend oder abwechslungsreich genug

Wertung

360

Stylisch, kontrovers, skurril: Die kompromisslose Katana-Action von Suda51 unterhält auf mehreren Ebenen.

PlayStation3

Stylisch, kontrovers, skurril: Die kompromisslose Katana-Action von Suda51 unterhält auf mehreren Ebenen.

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