Im Test:
Schräg, schräger, Suda51
Ein skrupelloser Auftragskiller mit einem bionischen Multifunktions-Arm, der das Blut seiner Gegner als Antriebskraft nutzt. Seine Ziele sind Vampire, alternde Musikgenies mit Wahnvorstellungen, wildgewordene Dampflokomotiven oder übersinnliche Samurai. Doch gleichzeitig ist er ein schüchterner Frauenheld, der in seiner Freizeit mal tölpelhaft, mal nonchalant versucht, die holde Weiblichkeit zum Techtelmechtel zu überreden. Der von Albträumen geplagte Mondo Zappa ist weit von dem klassischen Killer-Bild eines Agent 47 entfernt, auch wenn er mit ihm die Vorliebe für dunkle Anzüge teilt. Er wird stets begleitet von einer vorlauten asiatischen Göre, die sämtliche Kreischendes-Jungmädchen-Klischees erfüllt und ihn im Falle seines Scheiterns mit Herzmassage wieder ins Leben zurückholt. Er arbeitet für eine zwielichtige regierungsnahe Agentur, die Exekutionen für betuchte Mitglieder der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Sein Boss ist ein Zigarre rauchender Farbiger, dessen halber Körper durch Metall-Implantate und -Gliedmaßen ersetzt ist. Zu den Aufträgen chauffiert wird er von einer geldgeilen Britin, die im Zweifelsfall wie eine indische Kriegsgöttin mit zwölf Armen und Händen, in jeder eine Schnellfeuerpistole haltend, zu seiner Rettung kommt. In der skurrilen Welt von Killer is Dead (KiD) ist nichts normal.
Doch man darf nicht vergessen, dass es sich hier um ein Spiel aus der kreativen Feder von Suda51 handelt. Und wenn er mit Titeln wie Killer 7, No More Heroes, Shadows of the Damned oder Lollipop Chainsaw eines bewiesen hat, dann seinen Sinn für das Ungewöhnliche. Doch erzählerisch hat er es hier übertrieben. Dass die Charakterzüge Mondos mit dem eiskalten Killer auf der einen und dem schüchternen Frauenheld auf der anderen Seite schwer vereinbar sind, wiegt dabei nicht schwer. Problematischer ist vielmehr, dass innerhalb der mitunter non-linear wirkenden Erzählstruktur die meisten Auftraggeber in irgendeiner Form mit Mondo verbunden zu sein scheinen. Kryptische, kurz angebundene Dialoge machen die Charaktere interessant und sorgen dafür, dass in der Beziehung zwischen den einzelnen Figuren Spannung aufgebaut wird. Doch viele der Fäden, die Suda-San hier spinnt, verlaufen im Sand. Die Geschichte wird zwar plausibel aufgelöst, doch es bleiben mehr Fragen offen als bei Filmen von David Lynch. Dadurch wird der Spieler zwar zum entscheidenden Element, da seine Interpretation der Ereignisse letztlich den Ausschlag gibt, doch ein Satz des Hauptantagonisten steht stellvertretend für die auf mehreren Ebenen verzahnte Geschichte: "You still have no idea what’s going on, do you?" (Du hast keine Idee, um was es geht, oder?)
Geradezu konventionell
Dabei ist die Kontrolle über Mondo mitunter etwas hektisch, was vor allem der Kameraführung zuzuschreiben ist, die mit der schnellen Action nicht mithalten kann. Immer wieder muss nachjustiert werden. Und dazu hat man nur selten Zeit.
American Gigolo
Ganz im Gegensatz zu seinem knallharten Arbeits-Ich steht der Mondo, der in seiner Freizeit versucht, in Bars mit Frauen anzubandeln. In diesen so genannten "Gigolo"-Missionen ist das Ziel, die holde Weiblichkeit an der Bar mit kostspieligen Geschenken zu einem Techtelmechtel zu überreden. Doch bevor Mondo ihr das Präsent überreichen und ihr Herz gewinnen kann, muss er erst all seinen Mut zusammenbringen und sich an ihr "berauschen". Und um das zu erreichen, muss er auf sein Gegenüber reagieren. Schaut sie Mondo an, sollte man einen tiefen Blick in ihre Augen riskieren.
Diese Minispiele sind sogar mit der Hauptgeschichte verbunden, da Mondo über erfolgreiches Flirten zusätzliche Funktionen für seinen bionischen Arm freischalten kann - ein Schelm, wer Unzüchtiges dabei denkt. Obwohl dies alles sehr sexistisch klingt und man durch eine besondere Brille sogar bis auf die knappe Seiden- oder Spitzen-Unterwäsche blicken kann, ist die Umsetzung so überzogen, so gnadenlos karikiert, dass man dies eigentlich schon nicht mehr ernst nehmen kann. Was sich übrigens auch an der auf einer überdimensionierten Spritze reitenden, knapp bekleideten Krankenschwester Scarlett zeigt. Diese hält kampffokussierte Nebenmissionen für einen bereit, die man allerdings erst dadurch freischalten muss, indem man Scarletts Verstecke in den Abschnitten findet.
Lebendiger Comic
Sudas Hang zum Außergewöhnlichen lässt sich nicht nur an der Erzählstruktur oder dem augenzwinkernd betrachteten Frauenbild festmachen, sondern vor allem am visuellen Stil, den er hier gewählt hat: Im Gegensatz zu Shadows of the Damned oder Lollipop Chainsaw, die vergleichsweise realistische Ansätze verfolgen, wird die Unreal Engine hier genutzt, um einen animierten Comic auf den Bildschirm zu bringen, der immer wieder an Killer 7 erinnert. Starke Kontraste, grelle Farben, deutliche Konturen: Viele Stilmittel aus Grafik-Novellen bis hin zur gelegentlich eingesetzten monochromen Darstellung, die nur vom Rot des gegnerischen Blutes aufgebrochen wird, sorgen für ein sehr stimmungsvolles Gesamtbild.
Übrigens hat man sich auch bei der Akustik ins Zeug gelegt: Die englische Sprachausgabe (alternativ lässt sich auch Japanisch einstellen) ist gelungen, die deutschen Untertitel passen. Doch das alles verblasst neben dem ungewöhnlichen Soundtrack von Akira Yamaoka, der auch für die düsteren Klänge der Silent Hill-Serie verantwortlich zeichnete und bereits an Sudas letzten Spielen beteiligt war. Von ruhigen Piano-Passagen über japanischen Dancepop bis hin zu Jazz und Industrial Metal findet er immer den richtigen Ton, um die düster-stimmungsvollen Bilder zu verstärken.
Fazit
Ich gebe es zu: Ich bin ein Fan von Suda51-Spielen. Das Skurrile, das Absurde, das Ungewöhnliche, das Geniale, das sich auch bei Killer is Dead im kontrastreichen Comic-Artdesign sowie vielen anderen Elementen zeigt, zieht mich in seinen Bann. Seine Art, Geschichten zu erzählen, ist stets ungewöhnlich und überraschend. Doch was er hier mit kryptischen Dialogen und vermeintlichen Zusammenhängen an Spannung aufbaut und dann nicht auflöst, ist selbst für mich einen Hauch zu viel. Wenn David Lynch, Orson Welles, David Cronenberg und William Burroughs zu einem Saufgelage zusammen kämen und dabei ein gemeinsames Buch schreiben würden, dürfte das Ergebnis sehr ähnlich sein. Mechanisch hingegen ist die erneute Zusammenarbeit mit den Lollipop-Chainsaw-Machern von Kadokawa Games sein bislang zugänglichstes Werk. Im Detail zwar etwas hektisch und von Kameraproblemen und Tearing geplagt, orientiert sich die schnörkellose Action mit ihrem eingängigen Kampfsystem an einschlägigen Arena-Brawlern wie Devil May Cry, God of War, Bayonetta & Co - ohne jedoch deren letzte Klasse oder Finesse zu erreichen. Goichi Suda schafft es mehr und mehr, einen Fuß im Mainstream zu platzieren, ohne sich zu verbiegen. Und das ist in dieser schnelllebigen Welt glattgebügelter Fortsetzungen gleichermaßen bewundernswert wie unterhaltsam.
Pro
Kontra
Wertung
360
Stylisch, kontrovers, skurril: Die kompromisslose Katana-Action von Suda51 unterhält auf mehreren Ebenen.
PlayStation3
Stylisch, kontrovers, skurril: Die kompromisslose Katana-Action von Suda51 unterhält auf mehreren Ebenen.
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