Im Test:
Meine Frau, mein Sohn, mein Mech
Da hockt er auf diesem verdammten Planeten und hat die Schnauze voll. Kein Wunder, denn er schuftet für eine dubiose Firma unter lebensgefährlichen Bedingungen auf E.D.N. III - hier sagen sich Permafrost und Riesenmonster gute Nacht. Wenn Jim Peyton seiner Frau auf der Erde eine Videobotschaft schickt, in der er seine Ernüchterung mehr schlecht als recht verbergen kann, dann ist dieses Lost Planet 3 für einen Moment wieder richtig gut. Man kann sich mit diesem Jim identifizieren, weil er nicht wie so oft künstlich heroisch, sondern angenehm menschlich dargestellt wird.
In regelmäßigen Abständen meldet sich auch seine Frau Gracie und sie scheint ebenfalls alles andere als glücklich über diese Trennung. Auch dieses Gefühl kennt man vielleicht aus seinem normalen Leben, nur dass es für Jim keinen Ausweg gibt: Auf der Erde der nahen Zukunft sind die Rohstoffe bereits so knapp, dass Kriege wüten und die „Rote Einheit“ befindet sich auf dem Vormarsch. Man braucht unbedingt eine alternative Energie, die es zuhauf nur auf E.D.N. III gibt. Auch aufgrund der Country-Musik fühlt man sich ein wenig an die Goldgräberstimmung des amerikanischen Westens erinnert. Also was soll's? Es gibt wieder einen Auftrag und schließlich will man für das Kind sorgen - Gefahrenzulage, ich komme!
Im Auftrag eines dubiosen Großkonzerns
Jim wirkt fast wie der Familienvater von nebenan, der ebenso tapfer wie naiv in sein Unglück marschiert. Allerdings nur fast, denn er kann als Held von Beginn an nicht nur seinen zehn Meter hohen Arbeitsmech steuern und damit riesige Aliens wie Spielzeuge in den Stahlhänden zermalmen: Die Action fährt immer dann zur Hochform auf, wenn man aus der Egosicht dieses stählernen Kolosses gegen heran donnernde Akriden kämpft - man kann sie allerdings nur greifen, schlagen, bohren und blocken, denn es gibt weder Raketen noch ein Maschinengewehr. Jim kann erst nach dem Ausstieg in Schulterperspektive mit Waffen und Granaten aller Art umgehen, aus der Deckung heraus feuern und ist selbst mit dem Messer im Nahkampf tödlich; allerdings mit einem ebenso nervigen wie unrealistischen Reaktionstest in zwei oder drei Teilen à la Resident Evil 6. Das hilft natürlich künstlich: Da ist man von zig Aliens umzingelt und plötzlich geht es nur um diesen einen Feind…
Vom Abenteurer zum Soldaten
Und das selbst an einem entscheidenden Moment, der ein Wendepunkt hin zu mehr Qualität bei der schaurigen Erkundung hätte sein können: Irgendwann entdeckt Jim im Eis die Reste von Bauwerken, obwohl dort laut NEVEC eigentlich nichts sein dürfte. Die Anlage scheint verlassen und aufgegeben worden zu sein, aber es zischt und summt überall zwischen Toten. Zwar blinken hier und da noch Bildschirme, aber viele Türen sind defekt. Kaum wagt sich Jim weiter hinein, wird er aus der Dunkelheit angegriffen. In dieser Situation erinnert das Spiel zunächst an Ridley Scotts Alien, aber je weiter man vordringt, desto weniger Nervenkitzel bleibt übrig – denn es springt einem alle Nase lang etwas an den Hals. Und man betätigt zwischendurch irgendeinen Knopf oder Schalter, ohne dass es wirklich geheimnisvolle Situationen gibt.
Actionreiche Lichtblicke
Nichts gegen Action, denn die kann Laune machen. Und auch Lost Planet 3 hat seine Momente: Der projektile Unterhaltungswert ist immer dann vorhanden, wenn man nicht gegen Horden kämpft, sondern auf die größeren Kreaturen mit ihren orangen Schwachstellen trifft. Zwar kennt man das Prinzip schon, aber das Ausweichen und Ballern macht im Gegensatz zum öden Dauerfeuer gegen die vielen krabbelnden, watschelnden und fliegenden Akriden durchaus Spaß, weil es Taktik verlangt – oder zumindest eine gut geworfene Granate ins Maul. Ansonsten geht es eher um das schnöde Draufhalten bei unendlicher Munition oder um das schnelle Huschen von Deckung zu Deckung. Und irgendwann heißt es leider auch in manchen Nebenquests "Töte 20 Sepien"- und das, obwohl man schon zig davon gekillt hat. Überhaupt bin ich im Gegensatz zum ersten Lost Planet von der Eintönigkeit der Akriden überrascht, denn es gibt kaum bizarre Formen oder Verhaltensmuster.
Keine Chance zum Waffenwechsel
Irgendwann trifft man nämlich auf eine gepanzerte Riesenspinne, die man mit der Spezialmunition recht zügig, allerdings nur unter größten Mühen erledigen kann – oder einfach, weil sie am Rand plötzlich festhängt und dumpf beschossen werden kann. Das wäre nicht das Problem, denn fordernde Bosse sind wichtig. Aber dass man so lange Zeit ohne Möglichkeit auf Waffen- oder Routenwechsel so linear vorwärts gelotst wird, bis man irgendwann in einer Boss-Sackgasse landet, ist nervig. Denn das Scharfschützengewehr ist hier nahezu nutzlos. Warum konnte man es dann kurz vor diesem Auftrag in Marshall’s Gorge kaufen? Es gibt zwar die Schnellreise von einem Gebiet zum anderen auf der Weltkarte, aber das ist hier leider auch nicht möglich.
Im Angesicht der Langeweile
Hat man im Einstieg der ersten zwei, drei Stunden noch die Hoffnung, dass sich das Spiel nach dem Öffnen der Weltkarte mit ihren Regionen eher Richtung Abenteuer und Erkundung entwickelt, muss man nach fünf, sechs, Stunden bereits mit der generischen Langeweile eines typischen Shooters leben. Selbst das Aufrüsten der Waffen macht keinen Spaß, denn man kann sich kaum spezialisieren und es gibt nahezu keine kreativen Systeme für Offensive oder Defensive. Also schaltet man von der Schrotflinte bis zum Scharfschützengewehr alles Gewöhnliche für die gesammelte Thermalenergie nacheinander frei oder findet es einfach so wie etwa das Plasmagewehr. Immerhin kann man für die sporadisch im Eis verborgenenen Spezialkomponenten auch noch seinen Mech aufrüsten: Stärkere Hülle, Vorarmschlag, Doppelarm-Schmetterer usw.
Stahlkoloss zwischen Schnee und Eis
Jetzt muss man im Angesicht der lauernden Akriden ganz schnell das Eis am Mech wegschießen, um über einen Seilzug wieder einzusteigen - das hat schon in der ersten spielbaren Version richtig Laune gemacht, schließlich entsteht eine gewisse Panik. Und es wäre klasse gewesen, wenn man über die freie Routenwahl und Wettermeldungen selbst dieses Risiko in seinem Mech hätte eingehen können, aber diese spannenden Extremsituationen sind Mangelware! Warum hat man hier so viel Spannung liegen lassen?
Zwar ist die Gegend eher verschachtelt als offen, aber es gibt durchaus interessante Nebenhöhlen und einige vertikale Klettereien für Jims Greifhaken. Von der akrobatischen Freiheit und Eleganz eines Bionic Commando ist man hier allerdings weit entfernt, denn dieses Hochziehen an Simsen wird mitunter seltsam steif und abgehackt animiert. Außerdem fragt man sich bei der Kraxelei, warum es dort unsichtbare Wände und direkt daneben doch wieder einen freien Fall in die Tiefe gibt; das Leveldesign ist physikalisch inkonsequent. Irgendwann kann der Mech auch Drahtseile verschießen, an denen Jim wiederum per Motorwinde entlang rauscht und so bislang unerforschte Gebiete erreicht – hört sich gut an, funktioniert aber nur an sehr wenigen Stellen. Es gibt zwar eine Weltkarte mit mehreren Regionen, die auch per Schnellreise erreichbar sind, aber das Gefühl eines wirklich offenen Eisplaneten mit freiem Gelände entsteht in den engen Arealen fast nie.
Technik & Multiplayer
Im Multiplayer ist man nicht mehr für eine Fraktion unterwegs, für die man permanent Punkte sammelt, sondern kann es ohne große Überraschungen krachen lassen: Solide Action für fünf gegen fünf oder drei gegen drei auf sechs Karten, wobei die Höhe eine akrobatische Rolle spielt, denn auf den verwinkelten Karten geht es teilweise über mehrere Etagen mit Greifhaken zur Sache. Mit dabei ist das übliche Sammelsurium aus Mach-alles-platt, Überlebe-zig-Wellen oder auch mal Katz- und Maus mit Sportcharakter, wenn man einen Akriden-Rugbyball im Team in seine Hälfte retten muss. Schön ist, dass die „Vital Suits“ aus dem ersten Teil hier zurückkehren – kleinere mit Waffen bestückte Kampfanzüge.
Fazit
Lost Planet 3 geht trotz sehr guter Ansätze hinsichtlich Charakterzeichnung und Atmosphäre unerwartet schnell die Luft aus. Denkt man im vielversprechenden Einstieg noch, dass man ein mysteriöses Abenteuer mit offener Erkundung und klimatischem Überlebenskampf erlebt, gibt es schon nach fünf, sechs Stunden monotone Action in technisch schwacher Kulisse mit Bildratenproblemen. Es geht weniger um Kältetod, Angst und Geheimnisse, sondern um Sammeln, Aufrüsten und Abarbeiten - trotz einiger Nebenquests meist in streng linearer Form. Das Spiel hat durchaus seine starken Momente, wenn man im Schneesturm mit dem Mech unterwegs ist und riesige Monster wie Spielzeuge zermalmt, aber dazwischen gibt es zu viele gewöhnliche Shooter-Passagen mit simplen Schalterrätseln. Die Entwickler scheitern schließlich komplett am Spannungsaufbau, als das Abenteuer teilweise unfreiwillig komisch Richtung SciFi-Horror schielt: Wer hat bitte Angst in diesen zig Tunnels, wenn einem da ohnehin nichts passieren kann? Schade um den sympathischen Helden und die grundsätzliche Idee, an die frostige Faszination des ersten Teils anzuknüpfen. Die Fallhöhe ist für den Spielspaß hier noch höher als im enttäuschenden zweiten Teil, denn dort war zumindest von Anfang an klar, dass es Richtung Shooter geht. Hier versucht man mit dem lobenswerten (!) Designwechsel den dramaturgischen Hochsprung, aber der Stab von Spark Unlimited zerbricht auf dem Weg zum Ziel. Zurück bleiben nach zwölf bis fünfzehn Stunden nur einige Splitter von Nervenkitzel und Entdeckerlust.
Pro
Kontra
Wertung
360
Schade um die gute Idee: Statt Abenteuer und Erkundung herrscht zu schnell monotones Geballer vor.
PC
Wer technische Vorzüge auf dem PC ausspielen will, wird enttäuscht: Lost Planet 3 ist auch hier grafisch durchwachsen.
PlayStation3
Lost Planet 3 geht trotz sehr guter Ansätze hinsichtlich Charakterzeichnung und Atmosphäre unerwartet schnell die Luft aus.
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