The Pinball Arcade13.04.2012, Jan Wöbbeking
The Pinball Arcade

Im Test:

FarSight will wieder einmal die Spielhalle nach Hause bringen: Nach einigen im Laden erhältlichen Flipper-Sammlungen startet der Entwickler jetzt ein Download-Projekt für Konsolen, PC und Smartphones. Einige Tische wurden recycelt, andere sind neu – und alle zwei Monate wollen die Kalifornier für DLC-Nachschub sorgen.

Rattern, Klingeln und kalter Rauch

Ein echtes Schmuckstück: The Tales of the Arabian Nights, welches in der PS3-Version am hübschesten aussieht.
Ein echtes Schmuckstück: Tales of the Arabian Nights, welches in der PS3-Version am hübschesten aussieht.

Anders als bei Zen Pinball oder Pinball FX baut FarSight auf echte Klassiker aus der Spielhalle. Hier spazieren keine Marvel-Helden umher – stattdessen kann man sein Können an Emulationen realer Vorbilder von Williams, Gottlieb, Stern, Bally & Co messen. Auf PS3 und Xbox 360 umfasst das Startpaket vier Geräte – in den mobilen Versionen muss man schon zu Beginn Tische direkt aus der App kaufen. Auch in punkto Steuerung, Grafik und Bestenlisten unterscheiden sich die Fassungen stärker, als man bei einem Multiplattformprojekt vermuten würde. Wer sich die beste Fassung herauspicken möchte, sollte unseren Versionsvergleich auf Seite 2 studieren.

Vorher gehen wir aber auf die Gemeinsamkeiten ein. Die wichtigste ist die überarbeitete Physik-Engine. Die Kugel flitzt neuerdings ähnlich flott über die Spielfelder wie bei Zen Pinball. Ihr Gewicht wird jetzt deutlicher spürbar: Die Murmel prallt viel realistischer und unberechenbarer ab als im Vorgänger. Dadurch wird ein Spiel schwerer, aber auch um einiges dynamischer und spannender. Außerdem haben die Entwickler der Silberkugel endlich einen hübschen Glanz verpasst. Leider funkt diesmal ein neues Problem dazwischen. Die Flipperhebel reagieren nicht mehr so schnell wie in den Williams- oder Gottlieb-Collections. Stattdessen gibt zwischen Knopfdruck und Flipperbewegung eine spürbare Verzögerung: Nicht so dramatisch wie in der 3DS-Version von Zen Pinball, aber trotzdem ärgerlich. Nach kurzer Eingewöhnung fällt sie zum Glück kaum noch auf.

Tausendundeine Kugel

Die größte Stärke ist wieder das durchdachte Design. Alle bisherigen Tische wurden von erfahrenen Konstrukteuren entwickelt, welche sich jede Menge hochmotivierende Boni, Rampen und Spielereien ausgedacht haben, um den Spielern möglichst viele Münzen aus der Tasche zu ziehen. Auch in der simulierten Version sind die Klassiker aus der Spielhalle echte Süchtigmacher. Der Star ist Tales of the Arabian Nights von John Popadiuk (Williams, 1996). Besser als hier hätte man das Flair von Tausendundeiner Nacht nicht einfangen können. Wunderhübsch verschnörkelte Rampen, eine drehbaren Wunderlampe und viele kleine Magnet-Spielereien warten darauf, entdeckt zu werden. Hier stimmt einfach alles: Es gibt viel Abwechslung, Einsteiger können die Kugel lange im Spiel halten und Profis bekommen unzählige Gelegenheiten, sich in allerlei Modi zu verbeißen und schließlich die persische Königin Scheherazade zu befreien.

Passend zum Thema spielt man die Geschichten rund um Sindbad, Ali Baba oder die Wunderlampe nach. Man bringt die Lampe zum Rotieren, schießt auf den fetten Geist, sucht sich etwas auf dem Bazar aus oder schleicht sich durch einen versteckten Eingang in den Harem. Auch diverse Multiball-Modi sind natürlich enthalten. Die ausführliche Anleitung zeigt wieder anschaulich, wann man die Kugel wo versenken muss – hier kann sich Zen Pinball noch eine dicke Scheibe abschneiden. Bei der Einbindung der Bestenlisten zieht Pinball Arcade aber den Kürzeren. Die Ergebnisse von Freunden und der Weltspitze sieht man nicht direkt im Spiel, sondern in einem altbackenen Options-Menü. Immerhin lassen sie sich nach wöchentlichen, monatlichen und All-Time-Highscores sortieren. Der zweite recycelte Tisch ist Gottliebs Black Hole (1982). Ihm merkt man sein Alter deutlich an. Die sich ewig wiederholende Fiepsmelodie nervt schon nach wenigen Sekunden und auch der Aufbau ist deutlich einfacher gestrickt. Zu seiner Zeit war er trotzdem recht fortschrittlich. Unter dem großen Spielfeld verbirgt sich schließlich ein zweites Exemplar: Ab und zu landet die Kugel im Namen gebenden schwarzen Loch.

Magische Weltreise

Die Tische lasst sich aus drei Perspektiven betrachten - wahlweise mit festgestellter oder dynamisch bewegter Kamera.
360-Spieler müssen mit grafischen Abstrichen leben. Hier zu sehen: Ripley’s Believe It or Not.

Richtig gut gefallen haben mir die beiden Neuzugänge: „Ripley’s Believe It or Not“ (Stern, 2004) und „Theatre of Magic“ (Bally, 1995) besitzen zwar ein weniger stilsicheres Design als Tales of The Arabian Nights, bieten aber beinahe genau so viel Abwechslung. Ersterer ist eine Weltreise mit Schrumpfköpfen und anderen Kuriositäten, Letzterer dreht sich um Zaubertricks und die rotierende Zaubertruhe. Die coolsten Gagdets sind eine gespiegelte Mini-Spielfläche und viele kleine Magneten, an die man seine Kugel mit einem gezielten Schuss befestigen kann. Ähnlich wie bei Tales of the Arabian Nights hält ein Sprecher den Spieler stets darüber auf dem Laufenden, was als nächstes getroffen werden muss. Das einzige Manko ist bei allen Tischen, dass der Sound ähnlich dumpf wie beim Original klingt und man nicht immer jedes Wort versteht. Trotzdem fällt die Orientierung durch die Kommandos um einiges leichter als bei Zen Pinball.

Grafisch bleibt Pinball Arcade aber klar das schwächste Flipperspiel: Bis auf ein paar schärfere Texturen, glänzende Rampen und etwas feiner leuchtende Lämpchen hat sich im Vergleich zum ohnehin schwachen Vorgänger nichts getan. Die Spielhallen-Wand ist immer noch mit unscharfen Tapeten bekleistert und auch auf den Flipper-Gehäusen gibt es einige hässlich pixelige Artworks zu sehen. Durch die Spielhalle gehen kann man neuerdings übrigens nicht mehr – stattdessen gibt es nur ein lieblos gestaltetes Auswahl-Menü. Wer nicht nur um den Highscore spielen möchte, kann sich an fünf übergeordneten Tischzielen versuchen. In Theatre of Magic muss man z.B. den Magic-Multiball auslösen, eine Kugel verschwinden lassen oder sich einen Extraball erspielen. Hat man all das erledigt, werden eine Hand voll neuer Profi-Ziele freigeschaltet. Im Menü der PS3- und Vita-Versionen gibt es außerdem bereits die Optionen für die geplanten Turniere und Herausforderungen, durch die man sich einen Online-Rang verdienen kann. Bisher steht dort aber nur ein schwammiger Ankündigungs-Text: Sobald ein paar DLC-Tische veröffentlicht wurden, sollen auch die Herausforderungen starten.

Versions-Wirrwarr

Hier ein Blick auf die iPad-Version von The Tales of the Arabian Nights.
Hier ein Blick auf die iPad-Version von Tales of the Arabian Nights.

Obwohl Pinball Arcade eine klassische Multiplattformentwicklung ist, kocht Farsight für jede Version ein eigenes Süppchen. Je nach Fassung gibt es erstaunlich viele Unterschiede und teils verwirrende Eigenheiten, welche wir euch im Versions-Vergleich erklären. Umsetzungen für PC und 3DS sind übrigens ebenfalls angekündigt, allerdings bislang ohne genauen Termin.

Xbox 360

Bei der in Deutschland bereits erhältlichen XBLA-Version haben es sich die Entwickler einfach gemacht: Statt die hübschere PS3-Grafik zu nutzen, wurde fast alles aus dem Vorgänger übernommen. Lediglich einige Lämpchen leuchten jetzt realistischer. Ein Nachteil sind die leicht verzögert reagierenden Flipperhebel – ärgerlich, aber zu verschmerzen. Ein weiterer Nachteil: Die 360-Version nutzt als einzige Fassung nicht die plattformübergreifenden, sondern eigene Bestenlisten.

PlayStation 3

Da der PSN-Titel hierzulande noch nicht veröffentlicht wurde, haben wir die Version vom US-Marktplatz unter die Lupe genommen. Laut FarSight soll sie Anfang Mai in Europa erscheinen. Da es schon beim Vorgänger unzählige Verschiebungen gab, würden wir aber nicht darauf wetten. Auf der PS3 schauen die Flipper am schönsten aus, denn nur hier haben die Entwickler eine neue Beleuchtung integriert. Die Lämpchen beleuchten zwar nicht das komplette Spielfeld wie in Future Pinball, trotzdem wirkt das weichere Strahlen der Dioden

Welche Tische kommen noch?

Als DLC angekündigt sind:

-Monster Bash

-Medieval Madness

-Creature from the Black Lagoon

-Funhouse

-Attack from Mars

-Black Knight

-Space Shuttle

-Bride of Pin-Bot

-Circus Voltaire

-Big Shot.

Jeden Monat sollen zwei dieser Tische im Doppelpack erscheinen. Das erste umfasst Medieval Madness und Bride of Pin-Bot und ist bislang nur für Android erhältlich. einen Deut realistischer. Hübscher wirken auch die Rampen in The Tales of the Arabian Nights, welche nun wie im Vorbild komplett transparent sind und ein wenig glänzen. Die leichte Verzögerung der Flipperhebel ist auch hier zu spüren. Das Spiel greift auf die gleichen Bestenlisten wie die Vita-, iOS- und Android-Umsetzungen zu. Eine Verknüpfung des Facebook-Kontos ist möglich, aber nicht vorgeschrieben. Nutzt man das soziale Netzwerk nicht, muss man aber bei jedem Spielstart umständlich die Anmelde-Menüs wegklicken.

PS Vita

Auch die Vita-Fassung ist noch nicht auf dem deutschen PSN erschienen, daher haben wir die Version vom US-Marktplatz getestet. In Europa soll sie Anfang Mai erhältlich sein - weil es schon beim Vorgänger unzählige Verschiebungen gab, könnte es aber deutlich länger dauern. Vita-Besitzer bekommen die schönste und technisch stabilste mobile Fassung: Die hübschen Rampen wurden z.B. aus der PS3-Version übernommen. Das Spiel läuft jederzeit perfekt flüssig und anders als auf PS3, 360 und iOS reagieren die Flipperhebel ohne Verzögerung. Auch hier hat man Zugriff auf die Multiplattform-Bestenlisten; anders als in den übrigen mobilen Fassungen kann man sie aber ohne Facebook-Verknüpfung nutzen. Besonders cool ist es, die Vita hochkant zu halten: Zum Flippern tippt man einfach auf die Screen-Ecken. Die Knöpfe lassen sich aber nur im klassischen  Querformat nutzen.

iOS

Und noch ein Schnappschuss aus der iOS-Fassung. Die Tische lassen sich in allen Versionen aus drei Perspektiven betrachten - wahlweise mit festgestellter oder dynamisch bewegter Kamera.
Und noch ein Schnappschuss aus der iOS-Fassung. Die Tische lassen sich übrigens in allen Umsetzungen aus drei Perspektiven betrachten - wahlweise mit festgestellter oder dynamisch bewegter Kamera.

In der Apple-Fassung ist zu Beginn nur The Tales of the Arabian Nights spielbar, die übrigen Tische dürfen als Demo angezockt werden. Das Startpaket kostet hier allerdings nur 79 Cent. Die drei weiteren Tische lassen sich für je 1,59 bis 2,99 Euro freischalten – oder man kauft das Dreierpack für 6,99 Euro. Bei der Umsetzung hat FarSight geschlampt, denn das Spiel stürzt gelegentlich ab. Glücklicherweise passierte uns das bislang nur in den Menüs. Außerdem reagieren die Flipperhebel wie auf PS3 und Xbox 360 leicht verzögert. Das größte Ärgernis ist aber, dass man die systemübergreifenden Leaderboards nur nutzen darf, wenn man ein Facebook-Konto damit verknüpft (obwohl es auf PS3 und Vita keine Facebook-Pflicht gibt). Die iOS-Version hat außerdem die schwächste Grafik aller mobilen Fassungen: Die Kugel sieht noch so stumpf aus wie im PS3-Vorgänger. Im Gegenzug hat das Spiel aber nicht mit den Performance-Problemen der Android-Version zu kämpfen. Sogar auf einem iPad 1 bleibt bis auf seltene Stocker alles flüssig. Unser iPod Touch 3G geht dagegen in die Knie: Das Spiel wirkt dort fast wie in Zeitlupe. Auf dem iPhone 4 läuft alles perfekt flüssig – bis auf die bereits erwähnten gelegentlichen Menü-Abstürze. Die Touchscreen-Steuerung funktioniert einwandfrei – vor allem auf dem iPad, weil man dort keine wichtigen Bildabschnitte verdeckt.

Android

Auf Android ist Pinball Arcade nur als Free-to-play-Version zu haben. Im kostenlosen Startpaket darf man die Tische nur als Demo-Version anzocken (je nach Monats-Angebot ist einer der Automaten komplett spielbar – allerdings ohne Bestenlisten und Tischziele). Für einen Flipper werden 0,99 bis 3,99 Dollar fällig, das Paket kostet 9,99 Dollar. Im Gegensatz zu sämtlichen anderen Versionen ist hier auch schon das erste DLC-Paket erschienen. Für 4,99 Dollar befinden sich darin die Williams-Klassiker Medieval Madness (1997) und Bride of Pin-Bot (1991). Ersterer ist spielübergreifend mein absoluter Lieblingstisch - und nur Android-Nutzer dürfen ihn bereits mit der neuen Kugel-Physik spielen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine starke Hardware: Die Rampen und andere Feinheiten sehen etwas schicker aus als auf iOS. Unser LG Tegra 2 Optimus 2X ist davon aber bereits überfordert: Das Spiel läuft deutlich langsamer und weniger flüssig als die Apple-Fassung. Zusätzlich schmiert das Spiel auch hier gelegentlich in den Menüs ab. Andererseits reagieren die Flipperhebel genau so direkt und verzögerungsfrei an wie auf der Vita. Die Touchscreen-Steuerung funktioniert ebenfalls bestens: Zum Flippern einfach auf die Ecken des Bildes tippen.

Fazit

Warum macht FarSight es europäischen Pinball-Fans so schwer? Die Idee der virtuellen Spielhalle mit stetigem Klassiker-Nachschub ist prima, aber was sollen all die Release-Verschiebungen und wirren Versions-Unterschiede? Manche Fassungen teilen sich die Bestenliste, andere nicht. Mal ist eine Facebook-Verknüpfung Pflicht, anderswo nicht. Auf einer Hardware reagieren die Flipperhebel sofort, auf der anderen leicht verzögert. Die Entwickler haben wieder einmal die Chance verpasst, ihrem Spiel systemübergreifend eine zeitgemäße Technik zu verpassen. Auch grafisch wirkt die Flipper-Sammlung veraltet: Mit den hübsch beleuchteten und effektreichen Tischen von Zen Pinball und Pinball FX kann das Spiel nicht mithalten. Inhaltlich ist Pinball Arcade aber nach wie vor der klare Gewinner, denn hier werden schließlich echte Klassiker aus der Spielhalle simuliert. Bereits im Start-Aufgebot stecken drei Highlights: Allein das genial designte The Tales of the Arabian Nights wird auch nach vielen Abenden nicht langweilig und auch die beiden Neuzugänge machen auf Anhieb süchtig. Besitzer des Vorgängers sollten ebenfalls zugreifen: Dank der verbesserten flotten Kugelphysik machen auch die recycelten Flippertische um einiges mehr Spaß.

Wertung

360

Technisch schwach, inhaltlich stark: Trotz Schönheitsfehlern machen die Spielhallen-Klassiker auch auf der Mattscheibe süchtig.

PlayStation3

Auf der PS3 sehen die Automaten dank überarbeiteter Rampen und neuer Beleuchtung am schönsten aus. (US-Version)

PS_Vita

Vita-Besitzer bekommen das rundeste Flipper-Erlebnis, denn nur hier leidet das Spiel nicht unter technischen Problemen. (US-Version)

iPad

Auf dem großen iPad spielt sich die Apple-Fassung naturgemäß einen Deut entspannter, davon abgesehen gibt es keine Unterschiede zum iPhone.

Android

Die Android-Umsetzung leidet unter Performance-Problemen und gelegentlichen Abstürzen. Andererseits reagieren die Flipperhebel hier ohne Verzögerung.

iPhone

Die Apple-Version hat die schwächste Grafik und leidet unter gelegentlichen Abstürzen - im Gegenzug läuft sie auch auf älterer Hardware flüssig.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.