Persona 4: Arena10.05.2013, Mathias Oertel
Persona 4: Arena

Im Test:

Persona 4 gehört zweifelsohne zu den besten Rollenspielen der letzten Jahre. Dass die Fortsetzung der Geschichte nun auf PS3 und Xbox 360 erscheint, ist ein Grund zur Freude. Oder etwa nicht? Die Antwort liegt im Auge des Betrachters, denn mit Arena sprengt Atlus die üblichen Genregrenzen: Hier geht es nicht um taktische Rundenkämpfe, sondern um handfeste Prügeleien! Stilbruch oder gelungener Ableger?

Prügel-Rollenspiel?

Moment mal. Ein Rollenspiel, das als Grundlage für einen Prügler dient? Das gab es doch schon einmal? Richtig: Square hat 2008 und 2010 mit den Dissidia-Spielen versucht, die Welt von Final Fantasy in einem Beat'em-Up zu verpacken - und das durchaus vielversprechend. Das Konzept kann also aufgehen. In Persona 4 Arena (P4A) geht Atlus sogar einen Schritt weiter, entsagt sämtlicher Rollenspiel-Elemente und macht mit der Auslagerung der Entwicklung an die Prügelexperten von Arc Systems (Guilty Gear, Blaz Blue, Arcana Heart 3) zusätzlich deutlich, wie ernst man den Schritt über die Genregrenze hinweg nimmt.

Besonders bemerkenswert dabei ist, mit welcher Leichtigkeit die beiden Nischen, die sowohl von den Arc-Systems-Prüglern als auch von der Persona-Serie in ihrem jeweiligen Bereich gefüllt werden, hier zusammenkommen. Dabei werden Spieler, die auf Arena aufmerksam geworden sind, weil sie auf die bewährte, aber nicht immer leicht zu erlernende Kampfspiel-Mechanik der Entwickler schwören, ebenso bedient wie diejenigen, die auf PS2 oder Vita das RPG kennengelernt haben und nun die Chance wahrnehmen, sich (vielleicht erstmalig) an einem klassischen 2D-Beat'em-Up zu versuchen.  

Gewöhnungsbedürftig?

Die Story-Sequenzen sind nicht nur mitunter ausufernd lang, sondern setzen sich aus unterschiedlichen Elementen zusammen: Anime-Sequenzen, vertonte Dialoge sowie Textwüsten.
Die Story-Sequenzen sind nicht nur mitunter ausufernd lang, sondern setzen sich aus unterschiedlichen Elementen zusammen: Anime-Sequenzen, vertonte Dialoge sowie Textwüsten.
Beide Gruppen werden sich jedoch an gewisse Einschränkungen gewöhnen müssen, die auf den ersten Blick vielleicht abschrecken, unter dem Strich aber dafür sorgen, dass Persona 4 Arena entgegen aller Erwartung zu einem erstaunlich zugänglichen Prügel-Erlebnis wird. Die grundsätzlichen Angriffsmöglichkeiten der 13 ausgewogen wirkenden Kämpfer (die teilweise auch aus Persona 3 stammen) sind überschaubar und damit vergleichsweise leicht zu erlernen - auch leichter als z.B. in BlazBlue. Das Geheimnis liegt jedoch in der Kombination der Angriffe, dem Einsatz des Blocks, der facettenreichen Sprungmechanik sowie der situativen Reaktion des Spielers. Sprich: Die für Prügler häufig benutzte Floskel "Leicht zu lernen, schwer zu meistern" passt hier wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Vor allem, wenn man nach den ersten gelungenen Trainingskämpfen oder den ersten Erfolgen in der zu leichten Kampagne versucht, sich in der weiten Welt der Online-Kämpfe zu profilieren und in den ersten Partien nur den virtuellen Hintern versohlt bekommt. Wer sich davon nicht abschrecken lässt und entsprechend Zeit investiert, nicht nur die Fähigkeiten und Eigenheiten seines favorisierten Kämpfers zu verfeinern, sondern auch die der potenziellen Gegner zu analysieren, wird irgendwann Erfolge verbuchen, die wiederum zu weiteren Trainingsstunden anspornen. Zumal es einige Mechaniken gibt, die das übliche Prügelschema aufbrechen. Dazu gehören z.B. Statuszustände, die einen beeinflussen und die man aussitzen oder kontern muss. Auch mit der Option, unter bestimmten Umständen einen Schlag anzubringen, der unverteidigt das sofortige Ende des Kampfes bedeutet (!), muss man sich erst anfreunden.

Die klassisch gehaltenen 2D-Gefechte sind schnell, dynamisch und geschmeidig animiert.
Die klassisch gehaltenen 2D-Gefechte sind schnell, dynamisch und geschmeidig animiert.
Dass Arc Systems in der Lage ist, Prügler durch eine umfangreichere Geschichte aufzuwerten, weiß man ebenfalls spätestens seit BlazBlue. Doch in der Zusammenarbeit mit Atlus übertrifft man sich - und das nicht immer vorteilhaft. Zwar versteht man dank cleverer Story-Struktur sowie einigen Erklärungen auch als Nicht-Rollenspieler und damit Nicht-Kenner der Persona-Serie, worum es in dieser erzählerisch einige Monate nach den Ereignissen aus Persona 4 angesiedelten Quasi-Fortsetzung geht. Der Mix aus gelungenen Anime-Sequenzen, wahlweise Englisch oder Japanisch vertonten Dialogen (mitsamt minimal animierter Standbilder) sowie purem Text, der meist einen inneren Monolog kennzeichnet, ist prinzipiell gelungen. Doch so interessant die Themen auch sein mögen, so sehr sie nahtlos in das Persona-Universum eingepasst wurden und damit die in den Rollenspielen definierten Charaktere sinnvoll erweitern, so sehr hat man es hier auch hinsichtlich des Verhältnisses von Erzählung und Kampf innerhalb des Story-Modus übertrieben.

Nutzt man die "Auto-Read"- Funktion (es gibt übrigens keine deutschen Texte), bei der die verschiedenen Sequenzen ohne eigenes Zutun kontinuierlich ineinander übergehen, kann es durchaus mal 40 Minuten dauern, bis man ins Kampfgeschehen eingreifen kann.

Im Herausforderungs-Modus muss man seine Fingerfertigkeit im Umgang mit jeder Figur unter Beweis stellen.
Im Herausforderungs-Modus muss man seine Fingerfertigkeit im Umgang mit jeder Figur unter Beweis stellen.
Natürlich hat man jederzeit die Option, abzukürzen (was ich bei den reinen Textsequenzen empfehlen würde) oder gar per Schnelldurchlauf durchzurauschen, bei dem man allerdings nahezu nichts mehr von der Erzählung registriert. Doch die von den Fast Food-Geschichten erzogenen Prügelfans werden schnell den Kopf schütteln, wann nach dem angesprochenen "Genießen" der Geschichte der folgende Kampf nach nicht einmal einer Minute vorbei ist! Zumal die unterschiedlichen Erzählformen sich mitunter gegenteilig auf die Motivation auswirken: Während die Anime-Sequenzen einen umgehend packen, sorgen die durchaus langatmigen Texte für schläfrige Augen...

Viel drin

Mit unterschiedlichen Enden für die einzelnen Charaktere, die mitunter durch minimal vorhandene Dialogentscheidungen beeinflusst werden, wird das Fundament für einen gehobenen Wiederspielwert gelegt - ich wollte als Spieler des Rollenspiels ein möglichst umfassendes Bild davon haben, wie es mit den Figuren weitergeht. Doch auch wer daran kein Interesse hat und sich nur auf die Kampfmechanik stürzen möchte, wird umfassend bedient. Um sich sowohl für den Kampf gegen die KI als auch gegen menschliche Gegner zu wappnen, empfehlen sich der Trainingsmodus mit seinen zahlreichen Modifikatoren hinsichtlich des CPU-Verhaltens sowie der Herausforderungs-Modus.

Kampfmechanik und framegenaue Kollisionsabfrage sind auf dem gleichen hohen Standard wie bei anderen Prüglern aus dem Hause Arc Systems.
Kampfmechanik und framegenaue Kollisionsabfrage sind auf dem gleichen hohen Standard wie bei anderen Prüglern aus dem Hause Arc Systems.
Seine hier erarbeiteten Kenntnisse unter Beweis stellen kann man dann im klassischen Arcade-Modus oder der fordernden Punkteattacke.

Und dann gibt es natürlich noch den Online-Modus, der bei den bisherigen Titeln von Arc Systems dank unglaublich sauberen Netzcodes stets zu Jubel führte. Diese Tradition wird auch in P4A aufrecht erhalten. Zwar kann es in der Vorstellungsphase der Kämpfer zu beängstigenden Rucklern und Slowdowns kommen - doch nachdem beide Spieler erfolgreich "gesynct" wurden, ist davon nichts mehr zu spüren. Das Ergebnis sind Auseinandersetzungen, die sowohl innerhalb der Ranglisten-Matches als auch "zum Spaß" hinsichtlich der Kollisionsabfrage ebenso penibel und akkurat ablaufen wie Offline-Duelle oder Kämpfe gegen die CPU. Und es wird sehr schnell deutlich, wer versucht, mit Knopfhämmern durchzukommen und wer sich mit den Eigenheiten der Figuren auseinander gesetzt hat. Im Zweifelsfall werden sich persönliche Fähigkeiten immer gegen Zufallstreffer und Buttonmasher durchsetzen.

Schick, schnell, sauber

Zugegeben: Dem Prügler von Arc Systems fehlt das Glattgebügelte, das z.B. das Artdesign von 2D-Konkurrenten wie Street Fighter 4 auszeichnet. Doch der etwas grobere Charme, der auch hier von den geschmeidig animierten zweidimensionalen Figuren ausgeht, verfehlt seine Wirkung nicht.

Das Artdesign orientiert sich am Rollenspiel-Vorgänger.
Das Artdesign orientiert sich am Rollenspiel-Vorgänger.
Im Zusammenspiel mit dem markanten Artdesign des Rollenspiel-Vorläufers zieht Persona 4 Arena in seinen Bann. Zwar könnten die Hintergründe etwas filigraner ausfallen und ich würde mich auch nicht beklagen, wenn es in der Kulisse mehr Bewegung zu bestaunen gäbe. Doch der Fokus auf dem Kampfgeschehen ist über nahezu alle Zweifel erhaben. Egal ob man sich die Spezialeffekte anschaut oder die Bewegungsphasen, findet man nur minimale Ansatzpunkte zur Kritik. Ganz im Gegenteil: Studiert man z.B. im Training die Animationen eingehend, wird man irgendwann die Frames erkennen, die auf bestimmte folgende Angriffsschemata schließen lassen und kann dann auch im Ernstfall entsprechend reagieren.

Denn die Kollisionsabfrage ist typisch akkurat. Mitunter hat man zwar das Gefühl, dass ein Schlag als Treffer gewertet wird, obwohl man doch geblockt hat - doch ein Studium der online zur Verfügung stehenden "Replays" beweist das Gegenteil und untermauert den Status von Arc Systems als geheimer Meister des 2D-Prüglers.

Fazit

Persona 4 Arena räumt mit zwei Vorurteilen auf: 1.) Arc Systems produziert nur 2D-Prügler für absolute Genießer, die gewillt sind, sich in die komplexe Kampfmechanik einzuarbeiten. 2.) Beat'em-Ups und Erzählkunst schließen sich aus. Egal, ob Anfänger oder Profi, ob man vom Rollenspielvorgänger herübergeschwappt ist oder sich als hartgesottener Fan der Entwickler outet: Arena bietet für jeden etwas. Während Anfänger sich über den trotz staubtrockenen Tutorials leichten Einstieg freuen, werkeln Profis am framegenauen Timing ihrer Kombos oder fordern im sehr guten Online-Modus die weite Welt heraus. Darüber hinaus passt die bekannt gute zweidimensionale Kulisse mit handgezeichneten sowie schick animierten Figuren, wie man sie auch aus BlazBlue kennt, wunderbar zum markanten Artdesign der Persona-Rollenspiele - ein beinahe himmlisches Pärchen. Die für einen Prügler erstaunlich tiefsinnige sowie umfangreiche Geschichte hingegen stürzt mich in ein moralisches Dilemma: Sie überzeugt mich thematisch, ist aber mitunter derart langatmig sowie uneinheitlich erzählt, dass es graust. Doch man kann sie ja im Schnellverfahren wegklicken und sich auf die Kämpfe konzentrieren - und die machen deutlich, dass weder Netherrealm noch Capcom oder Namco sich auf ihren Lorbeeren ausruhen können. Persona 4 Arena zeigt, dass die Prügler von Arc Systems den Geheimtipp-Status langsam aber sicher hinter sich lassen.

Pro

leicht zu lernen, schwer zu meistern
höchst akkurate Frame- und Kollisionsabfrage
lagfreier Online-Modus
zahlreiche Offline-Spielmodi...
ausgewogene Kämpferriege
verschiedene Enden der Charakter-Geschichten
saubere Animationen
schließt erzählerisch an Persona 4 an
gelungenes Artdesign im Stile des Rollenspiel-Vorgängers

Kontra

Figurenauswahl nicht gerade üppig
Geschichte zu langatmig und zu uneinheitlich erzählt
Story-Modus zu leicht
... die jedoch nicht über Standardkost hinausgehen
staubtrockenes Tutorial

Wertung

360

Die Kampfmechanik ist off- und online über jeden Zweifel erhaben, das 2D-Artdesign überzeugt. Der Umfang könnte allerdings üppiger und die Erzählung straffer sein.

PlayStation3

Kampfmechanik und Kulisse lassen sowohl on- als auch offline kaum Wünsche offen. Die langatmige Erzählung erweist sich ein ums andere Mal als Stolperdraht.

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